„Ich hatte Träume, Träume
von dir.", Rogue schluckte. – Was ist, wenn das hier doch nur ein Traum
ist? Woher soll ich wissen, ob ich schlafe oder wache? – fragte sie sich
immer wieder. „Ich möchte nicht, dass du verblasst und nie wieder zu mir
zurückkehrst.", sie weinte. Noch immer hielt er sie in seinen Armen.
Er besah ihr liebliches Gesicht. Ihre Unschuld. Ihre Jugend. Sie war so
vollkommen wie eh und je. Sie lebte.
„Ich hatte auch solche Träume von dir. Es war so merkwürdig. Ich war an diesem
hellen Ort. Du warst auch dort, jedoch saßt du in einer Ecke, eine schwarze,
düstere Ecke, getrennt durch dickes Glas von mir. Ich fühlte deinen Schmerz und
deine Einsamkeit. Etwas Schreckliches musste dir passiert sein. Ich fühlte jede
einzelne salzige Träne, die von deinen Wangen prallte und dein Herz, das
gebrochen war und kaum noch schlug. Es tat weh, dich so zu sehen.
Die Trennung zwischen uns sollte mich nicht mehr aufhalten, ich griff direkt
durch die Scheibe hindurch und reichte dir meine Hand. Du bist mir gefolgt.
Seit diesem Traum warst du nur noch in meinem Kopf. Ich konnte dich nicht mehr
vergessen. Meine Visionen von dir waren verschwunden, aber ich spürte dich, als
seist du ganz nah. Du warst so lebendig. So lebendig in meinem Geist."
Er endete.
Ein Schauer fuhr Rogue über den Rücken. – Das
kann nicht sein – sagte sie sich und wich von John. Die zwei Meter zwischen
ihnen taten sich erneut auf wie ein unüberwindbarer Abgrund.
„Das kann nicht wahr sein. Das hier ist nicht meine Welt!", weinte sie. „In
meiner Welt habe ich dich sterben gesehen. Ich war auf deiner Beerdigung."
John nickte langsam, sah sie traurig an und flüsterte: „Du bist nicht Rogue,
ich weiß es, denn ich habe sie nicht retten können. Rogue ist tot."
„Das kann nicht wahr sein, diese Träume, meine Visionen, es müssen mehr als nur
ein Wunsch gewesen sein dich halten zu können." – Ich wollte nie an so etwas glauben, aber der Professor sagt, dass es
wahr ist – dachte sie bei sich.
Philo kannte Rogues Geschichte. Er glaubte ihr: „Was ist denn, wenn diese
Träume zwischen euch eine Verbindung geschlossen haben?", fragte Philo. „Falls
es Parallelwelten gibt, mag es auch Türen zwischen ihnen geben." Bobby trat
neben Philo und musterte die beiden, er wusste nicht, was er davon halten
sollte, aber er verstand, dass Pyro gerade seine Liebe zurückerlangt hatte:
„Ja, Träume haben eine gewaltige Macht. Sie sind nicht nur Erinnerungen
und unterdrückte Erlebnisse. Kitty hat früher – vor dem Krieg – als
Wissenschaftlerin gearbeitet. Das Thema Astralwelten hat sie damals immer schon
beeindruckt und man munkelte, dass durch das Unterbewusstsein eine Verbindung
erreicht werden könnte und somit diese anderen Welten."
~*~*~
„Sie kommen!", Kitty schluchzte. Collossus nickte. Scott blickte ihr in die
Augen. Ihr Gesicht war zerkratzt und sie selbst konnte kaum mehr gehen.
„Wir müssen weiter."
„Wir müssen sie warnen!", Collossus blickte sich um, „Les Fantômes…sie sind
bald hier."
„Gambit und die anderen werden den Professor warnen, aber wenn wir nicht
rechtzeitig kommen, dann sind deine Freunde und Jubilee verloren. Kannst du
laufen, Kitty?", fragte Scott sie.
„Aki? Bitte lasst sie in Ruhe…!", murmelte sie benommen.
„Ich werde sie tragen! Geh! Wir dürfen keine Zeit verlieren!", erwiderte
Collossus.
~*~*~
Sie beide waren alleine. Sarah, die sich wieder gefangen hatte, war mit Bobby,
Pointe und Philo an Jubilees Seite gestoßen.
Rogue zweifelte. Sie hatte versucht John zu vergessen, die Erinnerungen an ihn
zu verdrängen. – Er ist gestorben –
sagte sie sich – Damit musst du fertig
werden – Sie hatte versucht zu schlafen, doch nachts kamen die Träume, die
Erinnerung an ihn erschlug sie wie große Ballen, die auf sie eintrafen.
Jetzt sah sie sich ihm gegenüber stehen. Er hockte an der zerfallenen Mauer und
fummelte an seinem Feuerzeug herum. Es war dasselbe Feuerzeug, das sie ihm
damals geschenkt hatte. Sie ging zu ihm hinüber und setzte sich neben ihn.
Seine Augen fixierten ihre Lippen. Es waren dieselben Lippen, die er so gerne
geküsst hatte. „Erzähl mir von 'mir'!", sagte Rogue, „Erzähl mir von der Rogue
in – dieser Welt."
Johns Gesicht verzerrte sich. „Sie war mein Leben. Alles für das ich je gelebt
habe.", er schaute auf den staubigen Boden. „Als der Krieg begann mussten wir
flüchten. Zuvor hatten wir unser Leben geführt. Aber dann wurde alles zerstört
und-", er brach ab.
Rogue strich ihm mit der Hand über den Rücken, er erbebte kurz und blickte in
ihre wunderschönen Augen. Dann griff er unter seinen Pullover und zog eine
Kette heraus, an der ein Ring baumelte.
„Ich konnte ihn nicht mir am Finger tragen nachdem sie von mir gegangen war,
jedes Mal, wenn ich ihn anblickte überfiel mich die Trauer erneut, aber ich
konnte ihn nicht aufgeben. Er ist alles was ihr von mir geblieben ist."
„Vermisst du sie?"
John sah zum Wald durch die Gitter hinüber. Er glaubte sie dort zu sehen.
„John, bitte pass auf dich auf,
ich kann dich nicht verlieren." „Ich werde mich zusammenreißen!" „Lügner! Du
darfst dich da nicht einmischen." „Aber dafür liebst du mich doch, oder nicht?"
„Ja, genau dafür-"
„Ich habe oft daran gedacht, dass ich ihr folgen werde. Aber ich konnte nicht.
Aki hielt mich zurück und die Verantwortung für unsere Gruppe und der Gedanke
Aki alleine zu lassen tun es jetzt noch. Ich konnte mich dieser Verantwortung
nicht entziehen-"
„Aber WAS ist denn geschehen?",
fragte Rogue, die seine Trauer spürte.
„Wir flüchteten von einem Ort zum anderen. Es war, als wüssten diese Mörder
immer wo wir waren. Endlich kamen wir in einem Haus unter, bei Menschen.
Zunächst wollte ich ihnen nicht trauen, aber ich hatte keine Wahl, Rogue ging
es seit Tagen schlecht. Sie hatte kaum etwas gegessen und war von hohem Fieber
geplagt.", er schloss die Augen und öffnete sie wieder.
„Drei Monate lang hatten wir Ruhe. Dann fielen die Menschen in das Dorf ein.
Sie durchsuchten jedes Haus nach Mutanten und töteten diese und die, die ihnen
Unterschlupf gewährten."
John schluckte. Er konnte nicht mehr erzählen. Rogue zog sich die schwarzen
Handschuhe aus und wollte seine Haut berühren. „Lass mich es sehen.", sagte sie
mit einfühlsamer Stimme. John gewährte es ihr. Sie nahm seine Hand.
Die Flashbacks tauchten vor ihrem Auge auf:
Der modrige Geruch stieg an
Johns Nase. Er fuhr schlaftrunken hoch und schrie laut: „Feuer! Es brennt!"
Er bahnte sich seinen Weg durch die Flammen, doch diese hatten sich schon durch
den größten Teil des Holzblockhauses gefressen. Er hüpfte über ein Loch im
Boden zu Rogue und weckte sie. Ein kurzer Blick aus dem Fenster ließ ihn den
schwarzen von Rauch durchzogenen Himmel erkennen. In einem hastigen Satz nahm
er Rogue in die Arme und trug sie die brennende Treppe hinunter. Er lief durch
das Wohnzimmer, welches bereits in Flammen stand und entdeckte die Leiche des
Mannes, der ihnen einen Platz in dem Haus angeboten hatte. Er war durch einen
Kopfschuss erschossen wurden. Die Leiche war fürchterlich entstellt und Rogue
hielt sich weinend die Augen zu. Seine Frau jedoch kauerte verstört unter dem
Glastisch, der als einziges nicht brannte. John stellte Rogue auf die Beine,
versicherte sich, dass sie im Stande war selbst zu laufen und nahm Sarah in
seiner Arme.
„Sarah?", fragte Rogue, die John losgelassen hatte.
Er erholte sich kurz und atmete tief ein, da ihn die Berührung von Rogue
geschwächt hatte. Dann nickte er:
„Sie hat uns damals so sehr geholfen. Ohne sie wären wir verloren gewesen. Sie
war es, die ihren Bruder davon überzeugt hatte uns zu helfen. Und er hat sein
Leben dafür verloren." Er schüttelte den Kopf. „Es gibt so viel, was ich nicht
wieder gut machen kann."
Rogue berührte seine Hand nochmals.
Der Himmel draußen donnerte
heftig. Geschosse von überall drangen an ihre Ohren. Feuer. Wo man hinsah
schreiende Menschen. Kinder weinten. Tote lagen auf den Straßen. Ein Szenario
des Grauens legte sich ihnen dar.
„Nur im dichten Wald sind wir sicher!", rief John plötzlich ausgelassen. Er
stützte Sarah, die vollkommen verstört war. Draußen war es nass. Dicke Pfützen
bevölkerten den Boden. Es regnete immer noch, doch der Regen konnte die hohen
Flammen nicht löschen. Panik breitete sich aus. „Tod den Mutanten!", hallte es
von irgendwoher. Plötzlich brach Sarah zusammen. Sie lag bewusstlos auf dem
Boden. „Was ist mit ihr?", fragte Rogue panisch. Das Haus hinter ihnen fiel
langsam immer mehr zusammen, die dominierende Feuerbrunst breitete sich auch
auf die Bäume aus.
„Rogue!", John packte sie und hielt sie ganz fest, „Ich möchte, dass du jetzt
immer weiter in den Wald läufst! Dreh dich nicht um!" Sie starrte ihn
entgeistert an. Sie war völlig aufgelöst. „Was ist mit dir?" „Ich komme gleich
nach!", erwiderte John. Rogue stand reglos da und blickte ihn an.
„Geh jetzt!" Rogue rannte in die Dunkelheit des Waldes hinfort, durch die
brennenden Büsche, bis John sie aus den Augen verloren hatte. Er hievte Sarah
über seine Schulter und stürmte ebenfalls zwischen die dichten Bäume, seine
Frau hinterher.
Rogue musterte John und gönnte ihm eine weitere Verschnaufpause.
„Kannst du noch?", fragte sie besorgt bei seinem Anblick, in seinem Gesicht
traten die Adern bereits hervor. „Nur-einen-Augenblick!", stammelte John und
fasste sich wieder.
Irgendwie war es John gelungen
aus der Feuerhölle mit Sarah auf seiner Schulter zu entfliehen und Rogue zu
finden. Sie hockte am Boden vor einem zerbombten Haus.
„Rogue!", rief John, legte Sarah behutsam auf den Boden angelehnt an einen
Baumstamm und rannte zu ihr. Sie saß da über einem kleinen Mädchen gebeugt,
dessen Hand sie hielt. Das Mädchen allerdings atmete nicht mehr und das Blut,
das eine Lache um ihren Kopf hinterlassen hatte war geronnen.
„Ich konnte ihr nicht helfen!", murmelte Rogue mit einer heiseren Stimme.
„Rogue!", flehte John, „Wir müssen weiter. Wir können hier nicht bleiben!" Er
versuchte Rogue wegzuzerren, doch sie hielt die Hand des Mädchens weiter.
„Rogue – sie ist TOT!", schrie John
verzweifelt.
Er beruhigte sich und sagte leise:
„Entschuldige bitte, ich wollte dich nicht anschreien." Er löste ihren Griff
vorsichtig und nahm sie in den Arm.
„Warum passiert das alles?", fragte sich schluchzend.
„Ich weiß es nicht.", erwiderte John.
„Wir müssen jetzt aber weg.", sagte er und zerrte sie auf die Beine. Sie
schrie auf. Erst jetzt bemerkte John ihren wunden Knöchel, der blau-lila
geschwollen war.
„Wieso hast du nichts gesagt?"
„Ich dachte es sei nicht schlimm."
„Ich werde dich tragen!"
„Das geht nicht, du musst Sarah tragen!"
Plötzlich schlug eine grelle Bombe in die letzten Überreste des Hauses ein,
John wirbelte von der Detonation gepackt umher und fiel unsanft auf den Boden.
Als er sich erhob rannte er sofort zu Rogue. Sie lag auf dem Rücken. Als er ihr
aufhelfen wollte stöhnte sie laut auf und ein Knacksen von Knochen, das lauter
war als die Explosion erhallte.
„Mein Gott.", sein Gesicht war blasser als ihres. Rogue verzog das Gesicht und
biss sich auf die Unterlippe. Ein dünner Blutstriemen lief von einer Kopfwunde
ihr Gesicht hinunter. John zog ihr T-Shirt hoch, darunter war eine Anhäufung
blauer Flecken. Rogue war geplagt von starken Schmerzen und konnte nicht
aufstehen. „Ich lasse dich nicht alleine. Du wirst wieder gesund.", sagte John.
Rogue lächelte schwach: „Lügner!", murmelte sie. Sie hatte das Gefühl, dass ihr
Brustkorb zusammengedrückt wurde und hechelte nach Luft. „Alles wird wieder
gut.", redete John mehr sich als ihr ein. Er nahm ihre Hand und schloss seine
darum. „Du darfst nicht von mir gehen. Ich brauche dich!", sagte er immer
wieder. Er strich ihr eine weiße Strähne aus dem Gesicht und sie lächelte
gequält. „Ich werde immer bei dir sein. Ich werde von einem besseren Ort über
dich wachen." „Sag so etwas nicht. Du wirst wieder gesund." Sie stöhnte. Sie
bekam keine Luft mehr. Er hielt ihren Kopf fest. „Du musst ganz ruhig atmen.
Alles wird wieder gut. Ich lasse dich nicht allein." Rogues Kopf entglitt
seinen Händen.
„NEIN! Bitte, tu mir das nicht an!",
schrie John als er ihre Augen anstarrte, deren Ausdruck seltsam glasig wurde.
„Verlass mich nicht, bitte!" Zum vielleicht zweiten oder dritten Mal in seinem
ganzen Leben weinte er. Die Tränen tropften ungebremst auf ihr Gesicht.
Vermischten sich mit dem Dreck des Bodens und ihrem Blut. Darauf ertönten
Geschosse. Sie waren ganz nah. Sie würden auch ihn umbringen.
Er blickte hinüber zu Sarah. Sie war zu sich gekommen und starrte ihn benommen
an. Auch sie weinte. Aber sie sagte nichts. Das Drönen der Menschen und ihrer Kampfmaschinen
wurde lauter. John küsste Rogue auf die Wange und schloss ihre lieblichen
Augenlider. Er würde sich rächen. Er würde sie rächen. Ohne ein Wort zu Sarah
verließ er die Lichtung und lief in den Wald.
Rogue ließ John los. Er keuchte. Fassungslos blickte sie ihn an. Das Grauen war
schrecklich. Sie fühlte wie ihr Herz laut pochte. Sie hatte ihn gesehen. In
ihren Träumen hatte sie ihn durch den Wald laufen gesehen. Verzweifelt und
verlassen.
John zuckte unweigerlich zusammen. Die erstickten Tränen ließen ihn wanken.
Rogue zog sich die Handschuhe wieder an. Sie fuhr ihm mit der rechten Hand über
seine Wange.
Sie flüsterte gepresst: „Es tut mir so Leid. Es tut mir furchtbar Leid, John!"
Schweigen.
„Zuerst war ich getrieben von dem einen Rachegedanken. Aber ich fühlte den
Schmerz, der mich erdrückte und wollte plötzlich nicht mehr weitermachen. Das
Feuerzeug hatte ich schon gezückt, da hörte ich das Mädchen schreien. Einen
Moment war ich wie erstarrt, aber dann wusste ich, dass Rogue das Mädchen
gerettet hätte. Ich bin also losgerannt und habe Aki vor den Menschen bewahrt.
Ich habe sie – abgeschlachtet – einer nach dem anderen ging im Feuer auf.", er
zitterte. Rogue fasste seine Hand.
„Wart ihr, du und 'er', verheiratet?", fragte er um den Gedanken an diese Zeit
abzuschütteln.
„Nein. Ich war – ich konnte ihm nicht meine wahren Gefühle zeigen. Er wollte
mir etwas Wichtiges sagen und dann, war er auch schon gestorben. Ich weiß bis
heute nicht was es war. Nach seinem Tod fühlte ich mich alleine. Alles war wie
auf dem Kopf. Ich hatte nur noch einen Wunsch: Ihn in meine Arme zu schließen."
John näherte sich ihr behutsam und legte beide Arme um sie. Sie wusste nicht
mehr was richtig oder falsch war, sie wusste nur, dass er zu ihr zurückgekommen
war. Sie legte ihren Kopf an seine Brust und versank völlig in seiner Umarmung.
Plötzlich zerriss eine Stimme die Stille, Scott Summers kam herbei gerannt:
„Wir müssen nach Eden. Sie kommen."
A/N: Das ist also das Ende! Vorläufig.
*g* Wie gesagt, es handelt sich um eine Chronik und Teil 2 (!!) folgt bald.
Schließlich gibt es noch Etliches, was geklärt werden muss. Ich würde mich über
„abschließende" Reviews sehr freuen.
Ich hoffe ihr habt die Fanfic genossen und lest auch die Fortsetzung.
