LEGEND'S ALIVE - Das vierte Orakel
###############################################
Parmesan-Power ist heut gut drauf Deswegen legen wir das Ganze in Reimen auf. Lauter Reim-dich-oder-ich-schüttel-dich-Kram hier Wenn sich einer beschwert, wird PP zum Tier Und beißt euch lustig die Köpfe ab (schnapp, schnapp, schnapp).
Könnt ihr's glauben, PP schreibt ein Gedicht? (Ein literarisches Kunstwerk wird's wohl nicht.) Das folgende stammt alles aus PPs Feder - Links Stiefel sind aus braunem Leder. (Ha, ha, was hat das eigentlich hiermit am Hut? Keine Ahnung, aber es reimt sich gut.) Leider hat sie Zelda nicht erdacht Sonst hätt' sie wohl viel Kohle gemacht Und würde jetzt nicht mehr hier sitzen Sondern auf Kho Samui in der Sonne schwitzen. (Falls ihr's nicht wisst, das ist 'ne Insel in Thailand mit einem wunderschönen Strand. Ahh, ich hab Sonnenbrand.) Diese Zeilen sind echt nur zum Ablachen Und genau das soll man damit auch machen. Weiter im Text, sonst werden wir nicht fertig Und auf fertig reimt sich nichts außer bärtig. Weil in der Story aber keiner 'nen Bart hat Macht uns dieser Unsinn hier alle platt. Hää? Ich verlier hier grad' voll den Faden Was ist das hier überhaupt für 'n Scheißladen?! Na, ist mir auch scheißegal, ich mach jetzt einfach weiter Dann sind wir alle heiter. Ich komm jetzt mal zur Genredefinition Auf Definition reimt sich unter andrem Spedition Aber so was braucht ja im Moment keiner Außer einer, und das ist Heiner. Weil keiner Heiner kennt Dessen Hause grade brennt Ist er uns piepegal So wie der Tadsch Mahal. (Was auch immer das ist, PP dies am laufenden Bande vergisst.) Diese Geschichte ist Adventure, Humor und Drama in einem Das gelingt nur PP und sonst keinem! Ja Einbildung ist auch ne Bildung Was sich auf Bildung reimt weiß ich nicht und deswegen reimt sich diese Zeile nicht. Ha! Ha! Ha! Jetzt kommt die erste Warnung Mit äußerst schlechter Tarnung Denn wie ihr alle seht, sehr ihr sie. Wer hat gerade gefragt "Wie"? Ihr dummen Nüsse, mit euren AUGEN ... Habt ihr euch noch nie gefragt, wozu die taugen?! Ihr Ignoranten, die Dinger stecken nicht umsonst in eurem Gesicht! (Publikum: Hee, PP, vergiss die Warnung nicht!) Oh, klar, danke fürs Erinnern, du Typ Jetzt kommt die Warnung, pyp, pyp, pyp. Kuckt mal, ich kann kein ie mehr schreiben Beim Gedichtschreiben sollte ich auf keinen Fall bleiben. Passt gut auf, die Warnung lautet: Tschihi miski paldi dautet! Das brauchte ich jetzt, damit sich das reimt ... Und draußen auf dem Balkon die Bohne keimt. Hohoho. Interessiert jetzt wohl keinen Außer einen Und der heißt Heiner Aber den kennt ja keiner Also ist er uns piepegal So wie der Tadsch Mahal. (Ist das vielleicht was zu essen? PP hats schon WIEDER vergessen.) Ich hab hier alles manipuliert Damit die Story funktioniert.
Habe mir rasch ein Land erfunden Und mir das Gehirn nach neuen Charas zerschunden Am Ende schon die Birne raucht In der Ostsee ist grad 'ne fette Trumm getaucht. Das hört jetzt wieder nur Heiner gern Aber der ist ja auch vom anderen Stern. Ein bisschen blöd, die ganze Geschichte Aber hier kennt jeder Heiner nicht-e! Heiner ist grad abgebrannt Die Feuerwehr kam zu spät angerannt. Deswegen schmeiß ich jetzt ne große Party Ach nee, wart-y! Ich bring erst mal die zweite Warnung Auch diesmal wieder ohne nennenswerte Tarnung Die lautet wie nicht anders zu erwarten Die Bohne wächst im Garten! Ach nee, das stimmt nicht wirklich Die Warnung geht: MINU IST NICHT ICH! Und damit hat sich das Gedicht! Wer bis hier las, dem garantiere ich nicht Dass von seinem Hirn noch was übrig ist! Die Stupidität es gerade zerfrisst! Leute, daran seid ihr selber Schuld Higgedi biggedi kracksli buld. HO HO HO HOOO!
Ich bitte zu beachten, dass Link in dieser Geschichte kein kleiner, sondern ein großer Held ist (sprich: "erwachsen"!)
ACHTUNG! GIGANTISCHES SPRÜHWERK AN NEUEN CHARAKTEREN!
Ach ja und noch was .... @Aya: Du mochtest schon die Szene mit Din nicht, also wirst du diesen Teil vermutlich ganz fürn Ar*** finden ... ich find ihn ja selber nicht sooo~ gut geworden, aber besser habe ich's nicht auf die Reihe bekommen. Es tut mir Leid!
###############################################
Kapitel 06. Der Ritterschwur
Link träumte.
In seinem Traum befand er sich in vollkommener Dunkelheit. Es gab keine Geräusche, keine Bewegung, kein gar nichts, es gab noch nicht einmal Luft - er atmete nicht, dennoch lebte er.
Vorsichtig streckte er die Hand aus. Er konnte sie sehen. Wieso konnte er seine Hand sehen, wenn es dunkel war?
Er wandte den Kopf, sah sich um, und sah gar nichts.
Was war das für ein Traum?
iLink .../i
Jemand rief ihn. Eine unbekannte Stimme. Wer war das? Er war nicht allein. Vorsichtig tastete er nach seinem Schwert, doch er trug es nicht bei sich. Ein leises, belustigtes Lachen. Es hört sich nicht feindselig oder höhnisch an. Sein Misstrauen schwand. Er fühlte sich auf einmal sehr geborgen. Sein Schwert brauchte er hier nicht.
iDa hast du Recht. Hier ist kein Schwert vonnöten./i
Er antwortete und war nicht überrascht, als seine eigene Stimme mit der Dunkelheit verfloss und mit ihr zu einem wurde.
Wo bin ich?
iDu bist in einer Vision./i
In einer ... Vision?
Er brauchte nicht zu reden, zu denken genügte. Seine Gedanken erfüllten den Raum und drangen in die Unendlichkeit der Schwärze ein.
Eine dritte Stimme schaltete sich ein. Nein, es waren keine richtigen Stimmen - eher Gedanken, die sich genauso mit ihm verständigten wie er mit ihnen.
iDu brauchst dich nicht zu fürchten./i
Plötzlich schnarchte jemand laut auf.
iOmmmzzz ... chrrr ... Link . chrrmmz . /i
Ihm ging ein Licht auf.
Maku-Bäume! Ihr seid ... Maku-Bäume!
iGanz recht, Link/i, sagte eine dritte Gedankenstimme. Er kannte sie nicht. Die erste Stimme war die des Maku-Baumes in Labrynna, die zweite Stimme war der Maku-Baum von Holodrum.
Wieder dieses Lachen.
iDu kannst mich nicht kennen. Ich bin der Maku-Baum von Ranelia./i
Ranelia ...
Link fühlte sich plötzlich träge.
iWir brauchen deine Hilfe, Link!/i
Die Stimme des Maku-Baumes von Labrynna klang eindringlich.
iDu kannst dir denken, wieso. Diese Welt ist in Gefahr./i
Link hob den Kopf, als sähe er zu jemandem auf.
Ich weiß. Die Orakel ...
iSie haben es dir gesagt ... sie haben dich um Hilfe gebeten. Sie verlangen viel von dir, aber selbst wir sind zuversichtlich, dass du es schaffen kannst./i
Link wurde plötzlich ärgerlich.
Immer muss ich die Welt retten. Langsam geht mir das auf den Senkel.
Der Maku-Baum von Ranelia lachte. Es hörte sich sehr besorgt an.
iDas kann ich mir gut vorstellen. Trotzdem - du bist vielleicht der einzige, der stark genug ist, es zu schaffen./i
iAber ... chrr ... Link, das ist nicht alles/i, schaltete sich der Maku- Baum von Holodrum ein. iDu musst das vierte Orakel finden./i
Was?!
iWir flehen dich an/i, sagte der Maku-Baum von Labrynna. iEs ist ein unruhiges Gefühl in uns erwacht. Wir spüren die Präsenz eines vierten Orakels. Aber wir wissen nicht, wo es ist ... was es tut ... was es überhaupt ist./i
iWenn die Schatten es vor uns finden, dann ist diese Welt verloren .../i Die Stimme des ranelianischen Maku-Baums war leise und bedächtig.
iDas Böse ist bereits auf das vierte Orakel aufmerksam geworden. Du musst dich beeilen./i
Großer Gott, wie soll ich das denn alles schaffen? Ich muss die Welt retten, mich mit den Orakeln vertragen, nebenbei das vierte aus ihren Kreisen finden, und ich muss mich um Minu kümmern ...
Minu ... Der Gedanke erfüllte ihn mit einem unbekannten Gefühl.
iMinu .../i
Alle drei schwiegen sie.
iDu musst auf dich Acht geben/i, sagte der Maku-Baum von Ranelia, und es war, als ob die anderen beiden nickten. iGib auf dich Acht, Link!i
Auf mich Acht geben ...
Der Traum verschwand.
~
Am nächsten Morgen erwachte Link vor Minu.
Am Abend zuvor hatte ihnen die freundliche Schamanin zwei behelfsmäßige Lager im Vorderzimmer aufgebaut, auf denen sie übernachtet hatten. Nach seinem gestrigen Ausflippen hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen, und er fragte sich, ob Minu ihm wohl noch böse war. Na ja, das konnte ja sowieso nicht lange dauern. Immerhin würden sie heute zu zweit weiterreisen. Da war es ja wohl zwingend, dass sie irgendwann wieder miteinander sprechen müssten.
Er richtete sich auf und sah sich um. Eigentlich konnten sie gleich aufbrechen. Von der Heilfrau hatten sie sich gestern Abend schon verabschiedet, denn er hatte bereits angekündigt, dass sie am Morgen das Dorf früh verlassen würden. Minu hatte daraufhin nichts mehr gesagt. Es war ihr anzusehen gewesen, dass sie sich gewundert hatte, aber sie hatte nicht gesagt wieso und über was.
Neben ihm - wieso hatte diese verflixte Kräuterhexe die Lager direkt nebeneinander aufgebaut?! - regte sich schläfrig Minu.
"Link?" Träge richtete sie sich auf. "Ist ja lustig. Auch schon wach?"
"Ja. Am Besten, wir brechen gleich auf." Er stand auf, besann sich aber und drehte sich um. "Bist du noch - verärgert?"
"Wieso, worüber?"
"Na ja ... über den Streit gestern."
"Streit?" Verwirrt sah sie ihn an, dann hellte sich ihr Gesicht auf. "Ach, das! Das hab ich gar nicht als Streit betrachtet. Mach dir nichts draus."
Er fühlte sich plötzlich erleichtert. "OK, wie du meinst. Hast du deinen ganzen Kram gepackt?"
Sie nickte. "Ja. Aber eins hab ich nicht kapiert. Erst sagst du, du lässt mich im nächstbesten Dorf sitzen, wenn du weißt, was mit mir los ist -", Link machte sich eine kurze Memo im Kopf, sie später zu fragen, was eigentlich genau mit ihr los sei, "- und dann nimmst du mich trotzdem mit. Wieso?!"
"Möchtest du lieber hier bleiben?", fragte er kurz angebunden. "In einem Dorf voller abergläubischer Hysterikern, wo man dich Geistermädchen nennt und vor dir wegrennt, sobald du auch nur den Mund öffnest, ein Wort zu sagen?"
"Das ... ist ..." Minu senkte den Blick und schwieg kurz. "Danke", sagte sie dann. "Echt. Danke."
"Bitte. Ich lass dich im nächsten Dorf sitzen."
"Oh. Fiesling!"
"Oho!" Er grinste spitzbübisch. "Wir hatten eine Abmachung, schon vergessen? Ich hab dich jetzt schon ein ganzes Dorf zu weit mitgeschleppt. Im nächsten werde ich dich los."
"Du tust ja gerade so, als ginge ich dir fürchterlich auf die Nerven!", sagte Minu aufgebracht, während sie ihre sieben Sachen (na ja, es waren eigentlich nur ein oder zwei) zusammen suchte.
"Nein, das nicht, aber -" Link zögerte kurz und war plötzlich ernst. "Hör mal, wenn es wirklich hart auf hart kommt, würdest du mich nur behindern. Ich meine, ich kann mich wehren, aber du nicht. Ich müsste dich schützen. Wenn ich aber wirklich die Welt retten muss, dann - ich kann nicht immer auf dich Acht geben. Außerdem habe ich heute Nacht eine Vision gehabt. Die Maku-Bäume haben zu mir gesprochen, in einem Traum."
"Die Maku-Bäume?!" Minus Augen wurden rund. "Geil!! Was haben sie denn gesagt?"
"Ich muss das vierte Orakel finden." Er seufzte und schulterte seinen Rucksack. "Das vierte Orakel ... Oh Gott, ich hab keine Ahnung, wo, wer, was, wie ..."
"Ich kann dir ja helfen!", schlug Minu vor. Sie verließen das Haus und steuerten auf das Pferd zu, das sie an einen nahen Baum gebunden hatten.
Es war früh und noch nicht richtig hell. Leichter Nebel hatte sich über das Dorf gelegt, noch nirgends war ein Zeichen des geschäftigen Tumultes zu sehen, der gestern hier vorgeherrscht hatte. Vermutlich schliefen alle noch.
"Aha, und wie willst du mir helfen?!"
"Weiß noch nicht. Überleg ich mir dann."
Link verkniff sich ein Grinsen und schwang sich aufs Pferd, Minu setzte sich hinter ihn. Sie verließen das Dorf.
"Wo reiten wir jetzt eigentlich hin?", fragte Minu.
"Die Schamanin hat erzählt, wenn man von hier aus stetig nach Norden ritte, erreiche man eine große Stadt. Meinetwegen kannst du da bleiben."
"Meinetwegen nicht! Kann ich nicht bitte, bitte, ibitte/i mit dir kommen?"
"Nein. Das Thema hatten wir schon ein Dutzend Mal." Link sah starr nach vorn.
Minu zog eine Schute. "Du bist echt bescheuert. Wie lange müssen wir jetzt noch reiten? Ich krieg iKrämpfe/i im Hintern, wenn dieser lahme Gaul so weiterzuckelt!!"
"Wenn wir Glück haben, haben wir die Stadt bis heute Nachmittag erreicht. Wir können dann da eine Bleibe für dich suchen, und am nächsten Morgen reite ich weiter."
"Ich hasse dich", sagte Minu theatralisch. "Du kannst mich doch nicht einfach so sitzen lassen!"
"Kann ich wohl. Wirst du ja sehen."
~
"Da vorne ist eine Lichtung!"
Ralph zügelte das Pferd, blieb stehen und zeigte Nayru, was er entdeckt hatte. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
"Lass uns da eine Pause einlegen, ja? Es ist ... wahnsinnig heiß hier."
"Was ist das?", fragte Ralph plötzlich alarmiert und richtete den Blick auf die Lichtung, die vor ihnen lag.
"Was?" Nayru streckte ihren Rücken und sah sich um. Dann entdecke auch sie es. "Holz ... Eine Holzwand? Sekunde mal - Ralph, reit auf die Lichtung, schnell!" Plötzlich war ihre Stimme schneidend.
Ralph gab dem Pferd die Sporen und sie galoppierten auf die Waldlichtung, nur um abrupt vor einer kleinen Holzhütte anzuhalten. "Mein Gott, Ralph!", schnappte Nayru überrasch. Die Überraschung wandelte sich im selben Moment in Freude um. "Wir haben ihn - wir haben Link! Das muss sein Haus sein!"
Hastig saß sie ab und überließ es Ralph, das Pferd anzubinden. Der jedoch dachte gar nicht daran. "Warte", sagte er scharf. "Hör doch mal."
Nayru verstummte und lauschte. Sie hörte nichts.
"Was denn?", flüsterte sie.
"Es ist zu leise", wisperte Ralph und griff nach seinem Schwert. "Link hätte sich doch schon längst zu erkennen geben! Wir sind doch auf diese Lichtung getöst wie zehn Elefanten. Wäre er dort drin, hätte er uns gehört."
"Oh." Nayrus Augen wurden kugelrund. "Du meinst, er hat uns nicht erkannt?"
"Vielleicht wartet nicht er, sondern jemand anders auf uns", zischte er warnend.
"Mach dich nicht lächerlich! Niemand hat uns erwartet."
"Vielleicht ist er dort drin gefangen genommen, gefesselt und geknebelt, bewacht von blutrünstigen Monstermoblins, die jedem den Kopf abhacken, der seinen Fuß über diese Schwelle setzt."
Ein Schweigen trat ein, als beide sich dieses Szenario vorstellten. Über ihnen zwitscherten die Vögel in den Baumkronen, begleitet vom Rauschen des Windes in den Blättern. Nur das Schnauben des Pferdes und ihr eigener Atem waren sonst noch zu hören.
"Das glaube ich nicht", flüsterte Nayru blass. "Was sollen wir jetzt tun?"
"Du wartest hier." Ralph richtete sich auf. "Ich gehe hinein und checke die Lage. Geh sofort in Deckung, wenn dir irgendwas verdächtig vorkommt." "Einverstanden." Sie nickten sich zu, und Ralph trat in die Hütte hinein.
Nichts. Der erste Raum war menschenleer, aber ordentlich. Es schien nicht, als hätte jemand die Hütte in Hast verlassen. Durch einen Vorhand betrat er den Nebenraum. Auch hier: Nichts. Das Sonnenlicht fiel durch ein Fenster hinein und malte ein helles Quadrat auf den Boden und teilweise auch auf ein Lager - auf ein gemachtes Lager. Sein Blick fiel auf eine sorgfältig verschlossene Truhe, auf der ein mit Hand beschriebenes Pergament lag. Er hob es auf und warf einen Blick darauf. Es war gewellt, vermutlich war es schon einmal durchnässt geworden. Plötzlich runzelte er die Stirn. In den wenigen Schriftzeichen, die noch leserlich waren, erkannte er ... Nayrus Handschrift ... ? Das musste sie ihm erklären.
Er verließ die Hütte wieder. Auf Nayrus fragenden Blick schüttelte er den Kopf. "Nichts. Niemand ist überstürzt geflohen, alles ist ordentlich. Das hier habe ich gefunden." Er überreichte Nayru das Dokument.
Sie wurde noch blasser, als sie ohnehin schon war, und senkte niedergeschlagen den Blick, schweigend. Ihre Schultern sackten hoffnungslos ab. Sie schien traurig zu sein.
"Was ist das?", drängte Ralph. "Mach mir nichts vor, ich weiß, dass du das geschrieben hast!"
"Das ist ... ein Brief." Sie rollte ihn zusammen und versenkte ihn in ihrer Rocktasche. Dann sah sie auf und begegnete seinem gespannten Blick. "Ich habe ihn bei ihrer Abreise Minu mitgegeben. Er war an Link adressiert. Dann ist das hier also ..."
"Links Hütte", beendete Ralph den Satz, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Wie schön ihre Haare in der Sonne glänzten. "Verdammt ... wir haben ihn um ein Haar verpasst."
Trotzig richtete sie sich auf. "Dann kann er nicht weit sein. Kannst du Spuren lesen?"
"Ein bisschen", sagte er zweifelnd und schritt zum Pferd hinüber. "Nicht sehr gut, aber ..."
"Du wirst es versuchen. Deine Kenntnisse werden sicher ausreichen", sagte sie entschlossen und setzte sich hinter Ralph auf das Pferd. "Wir müssen ihn unbedingt finden und ... vor Minu warnen."
"Vor Minu warnen ..." murmelte er zweifelnd.
Sie ritten los. Nachdem er eine Weile geschwiegen hatte, sprach Ralph seine Gedanken aus. "Meinst du wirklich, es ist notwendig, ihn zu warnen?"
"Ja." Nayrus Stimme war leise, ihre dunklen Augen aufmerksam nach vorne gerichtet. "Ja, das glaube ich. Minu ist von Schatten besessen. Wenn sie -"
"Ja, aber der Schatten hat noch keine Überhand gewonnen. Sonst würde sich Din wie unter Schmerzen winden, dauerhaft, ohne Unterlass!"
"Ich weiß." Nayru zog die Schultern hoch und wechselte das Thema - es schien, als wisse auch sie keinen Rat. "Was meinst du, wieso Din diese Verbindung zu Minu hat? Das kommt mir seltsam vor. Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll."
"Ich auch nicht. Keine Ahnung, was ich davon denke. Ich hab noch gar nicht drüber nachgedacht", gestand er verlegen. "Jetzt, wo du es ansprichst, stellt sich mir allerdings die selbe Frage: Warum?"
"Siehst du irgendetwas?"
"Was?"
"Ob du irgendetwas siehst. Anzeichen dafür, dass Link hier vorbeigekommen ist."
Er seufzte innerlich. Wieso dachte sie immer nur an Link? Wieso nicht an ihn? Langsam begann ihm das auf die Nerven zu gehen. iEr/i war derjenige, an den sie denken sollte. Er schüttelte den Kopf. "Nein. Sie müssen schon vor längerer Zeit hier vorbei gekommen sein."
Nayru fluchte unterdrückt. "Mein Gott, wieso klappt denn nichts! Ist das denn die Möglichkeit!"
"Lass uns weiterreiten. Ich glaube, ich habe gehört, es gäbe ein Dorf am Rande des Dschungels. Ich denke nicht, dass Link Minu mitnehmen würde, er würde sie nicht gefährden wollen, aber im Dschungel konnte er sie auch nicht sitzen lassen. Wenn sie igemeinsam/i aufgebrochen sind, werden sie dort gehalten haben, um Minu abzusetzen."
Nayru machte ein finstres Gesicht. "Hoffen wir das."
~
Die Stadtmauer war gigantisch. Majestätisch wuchsen sie vor ihnen aus dem Nichts, gewaltige Steinmauern, die sich bis zu den obersten Kronen der Bäumen erstreckten. Wenn er den Kopf in den Nacken legte, konnte Link oben auf ihren Zinnen Soldaten mit Speeren patrouillieren sehen, deren Helme in der Sonne golden glänzten. Und so riesig die Mauer war, waren auch die Holztore, so groß, dass ein Riese hindurchgepasst hätte. Oder zwei. Oder drei. Zu den Seiten der Portale standen kleine Holzhäuschen, vor denen ein, zwei Wachmänner herumlungerten.
Er konnte die Geräusche einer lebendigen Stadt hinter der Mauer hören, das dumpfe Klopfen von Pferdehufen auf Pflasterstein, Menschenstimmen, das Rollen von den Rädern der Wagen. In heißer Vorfreude klopfte sein Herz wie wild. Wie lange war er nicht mehr unter so vielen Menschen gewesen? Würde er diese Prüfung bestehen?
Mit Minu an seiner Seite ... ja.
Auch sie war von der imposanten Größe der Mauern und vom ganzen Erscheinungsbild der Stadt beeindruckt. Stumm blickte sie aufmerksam nach vorne. Sie hatte immer noch die Arme um ihn gelegt - langsam war er davon überzeugt, sie glaubte hinunterzufallen, wenn sie ihn nicht fest umklammerte - und so konnte er den Schlag ihres Herzens spüren, mindestens ebenso aufgeregt wie er selbst. Wie lange war isie/i nicht mehr unter so vielen Menschen gewesen?
Link holte tief Luft und lenkte das Pferd auf eins der Wachhäuschen zu. Außer ihnen wollten nur noch ein alter fahrender Händler und ein berittener Soldat die Stadt betreten, und so brauchte er nicht lange zu warten, bis sie an der Reihe waren.
"Oho?", meinte der Soldat verblüfft und trat einen Schritt zurück, als er Link und Minu erblickte. Grinsend legte er dann zwei Finger an seinen Helm. "Herzlichen Glückwunsch! Eine vortreffliche Wahl habt Ihr getroffen, der Herr. Wirklich, ganz hervorragend."
"Was meint Ihr?", fragte Link verblüfft und runzelte die Stirn.
"Tja." Das spitzbübische Grinsen wurde noch etwas breiter. "Im doppelten Sinne. Ein nettes Mädchen habt Ihr bei Euch, und unsere schöne Stadt Trori eignet sich auch wunderbar dazu, hier die Flitterwochen zu verbringen. Ihr seid doch frisch Vermählte?"
"Äh. Ääääähhhhhh. Aähähähähähäm. Ähm." Link räusperte sich verlegen und Minu hinter ihm sah demonstrativ in eine andere Richtung. "Nein, in der Tat, sind wir nicht. Wir sitzen nur zufällig auf ein und demselben Pferd, weil -"
"- wir zu pleite sind, mit ein eigenes zu kaufen", beendete Minu den Satz und schenkte dem Mann ein elegantes Lächeln. "Aber ich bin nicht mit ihm verheiratet, nicht mit ihm verlobt, und nicht mit ihm zusammen."
"Zusammen?" Verwirrt starrte der Soldat Minu an.
"Ich teile nicht das Bett mit ihm", zischte sie mit blutrotem Gesicht. "Und habs auch nicht vor!!"
"Ouh." Hastig senkte der Wachmann den Blick. "Verstanden, Fräulein. Was treibt Euch dann gemeinsam her?"
"Wir reisen gemeinsam", sagte Link ausweichend, ohne den Mann anzusehen.
Der fasste es natürlich gleich wieder falsch auf. "Oh mein Gott!", schnappte er entsetzt. "Ihr seid nicht auf der Flucht vor ihrem Ehegatten, oder?! Ihr seid doch keine Brecher des heiligen Bundes der Ehe?!?"
"Neiiiiiiiiiiiin!", fauchte Minu. "Hören Sie mal, ich bin idreizehn/i, ja?, dreizehn!! Mit dreizehn IST man noch nicht verheiratet!"
"Dreizehn, Fräulein! Ihr wirkt viel älter."
"Dessen", sagte Minu sarkastisch arrogant und warf affektiert die Haare zurück, "bin ich mir bewusst."
Link holte tief Luft. "Können wir passieren?"
"Was wollt Ihr denn in dieser Stadt?"
Er und Minu tauschten kurz die Blicke aus. "Oh, wir - suchen eine Bleibe für die Nacht und eine vorläufige Unterkunft und dann eine Reisemöglichkeit für sie", sagte er schließlich.
"Zumindest sucht ier/i das", sagte Minu spitz und schenkte Link einen bösen Blick. "iIch/i habe meine Reisemöglichkeit bereits gefunden." Sie schenkte ihm ein sehr, sehr gemeines Lächeln.
Link räusperte sich ärgerlich. "Das ist nicht wahr, sie wird nicht mit mir reisen. Sie möchte nur gerne."
"Die wissen auch nicht, was sie wollen", murmelte der Wachmann zu sich selbst und nickte den beiden zu. "Natürlich. Natürlich könnt Ihr passieren, betretet ruhig Trori. Einen guten Aufenthalt wünsche ich!"
"Danke", sagten sie beide gleichzeitig und ritten in die Stadt.
Sofort wurden sie vom Strom der Menschen erfasst, die sich auf den Straßen herumtrieben. Überall, wo man hinsah, sah man sie, Menschen, Menschen, Menschen, es gab wohl keinen Platz, der nicht übervölkert war. "Wer baut so eine große Stadt am Rande des Dschungels?", fragte Minu entgeistert, doch Link war zu fasziniert, um ihr zu antworten. Staunend vor Freude wollte er alles gleichzeitig sehen, wusste nicht, wohin er zuerst schauen, wohin er zuerst reiten sollte. Unentschieden lenkte er das Pferd immer hin und her. So viele Leute! Gaukler, Jonglierer, Sänger, Possenreißer, Schaulustige, Alte und Junge, Kinder. Sie lachten, redeten, tratschten, sangen, hier und da wurde geschimpft, manche steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, Kinder spielten Hüpfen und Fangen unterm strahlend blauen Himmel.
"Oh", brachte er schließlich überwältigt hervor. "So viele - mein Gott, so viel iLeben/i! Ich kann es gar nicht glauben."
Es war das erste Mal, dass er Minu gegenüber seine tiefsten Empfindungen so aussprach.
Sie lächelte still in sich hinein. "Das hast du lange nicht mehr erlebt, was? So viele Menschen auf einmal. - Ich auch nicht", fügte sie leise hinzu und realisierte, dass es stimmte. Wie lange hatte sie ihre Familie jetzt nicht mehr gesehen? Ihre Eltern, ihre Schwester, ihre Freunde? Die verhassten Lehrer, die verhasste Schule, den ganzen verhassten Rest? Es war noch nicht so lange, doch ihr kam es vor wie eine Ewigkeit und zehn Tage. Bisher hatte sie nicht zugelassen, doch sie spürte nun, dass sie ihre Welt vermisste. Hastig schüttelte sie den Kopf. Jetzt war nicht die Zeit für Sentimentalitäten!
Link atmete tief durch und schloss die Augen. "Wow", sagte er still. "Wow."
Minu fand, dass es an der Zeit war, weiterzumachen. Sie räusperte sich. "OK, wie wärs, wenn wir mal anfangen?"
"Womit?", fragte er verwirrt aus seinen Gedanken gerissen.
"Wir wollten uns eine Unterkunft suchen", erinnerte sie ihn laut, um den Lärm zu übertönen. "Und wir -"
"Eine Unterkunft?"
Überrascht sahen sich die beiden um und erblickten einen jungen, braunhaarigen Mann, der sie belustigt beobachtete. Er stand im Schatten eines überragenden Hausdaches an die Wand gelehnt und grinste verschmitzt. "Die werden das Fräulein und ihr Ritter wohl kaum finden." Er musterte Minu. "Nicht, wenn Ihr nicht besonders vermögend seid. Und so seht Ihr nicht aus."
"Nein, stimmt, wir sind nicht sonderlich reich, aber ... Wieso sollten wir kein Zimmer für eine Nacht finden?", fragte Link irritiert.
Der Mann überging ihn. Es schien, als spreche er nur mit Minu, was Link ein wenig verunsicherte. "Es gibt ein, zwei düstere Spelunken am südlichen Rande der Stadt", sagte der junge Mann lässig und zeigte mit dem Finger in die Richtung. Er wirkte nur wenig älter als Link. "Aber ich würde Euch nicht empfehlen, dort zu übernachten, meine Dame. Außer Ihr wollt -"
"Wieso meint Ihr, wir finden kein Zimmer mehr?", bohrte Link nach.
"Außer Ihr wollt eine Gefahr eingehen. Ist Euer Ritter sehr stark?"
"Hallo, ich rede mit Euch", sagte Link laut.
"Was denn? Wieso Ritter?", fragte Minu verdutzt.
"Ist der junge Herr nicht Euer Ritter?" Nun schien der Mann verwirrt. "Es kam mir so vor, als ... Nun ja. Ich muss mich geirrt haben." Er verbeugte sich höflich. "Es tut mir Leid, Euch belästigt zu haben, Fräulein."
"Kann ich vielleicht auch mal was sagen?!", rief Link ärgerlich und der Braune sah ihn überrascht an, als nehme er ihn zum ersten Mal wahr. "Was heißt das, wir finden kein Zimmer mehr? Und was soll der ganze Kram von wegen Ritter? Und wer seid Ihr überhaupt?"
"Oh!" Der andere grinste jetzt wieder. "Da hab ich doch glatt vergessen, mich vorzustellen! Mein Name ist Lumien. Lumien Lun. Stets zu Diensten. Und der Grund, wieso Ihr kein Zimmer finden werdet, ist -"
Wieso redete der Kerl schon iwieder/i nur mit Minu?! Langsam ging ihm das auf die Nerven. Kurzerhand sprang Link vom Pferd und trat ihm entgegen, um ihn so zu zwingen, mit ihm zu reden. "Ja?", fragte er herausfordernd.
"Eh?" Verblüfft starrte Lumien Link an. "Was ist denn? Ihr seht doch, dass ich gerade mit dem ehrenwerten Fräulein rede."
"Aber ich habe die Frage gestellt, nicht sie", knurrte Link.
"Aber mein Herr, wir sind in Trori!", grinste Lumien. "Selbst wenn Ihr nicht ihr Ritter seid, so ist sie dennoch über Euch gestellt. Sie ist eine Frau!"
"Geil!", kreischte Minu entzückt. "Ich bin MÄCHTIG! Ich bin WICHTIG! ICH BIN DIE GRÖSSTE! Ist ja coooooooooool!! Hahahahahaaaaaaa! Du musst tun, was ich sage."
Lumien lachte. "Fast. Nur fast, die Dame. Die Regel ist: Frauen sind über Männer gestellt, aber nur Ritter sind dazu verpflichtet, ihren Ladies zu gehorchen. Ihr seid nicht aus Trori, nicht wahr?"
Link schüttelte den Kopf. "Wir sind auch nur auf Durchreise. Ein Zimmer für die Nacht, das ist alles, was wir brauchen."
"Oho." Lumien schien zu überlegen. "Wie wäre es, wenn ich mich nach einem umsehe?"
"Soll uns Recht sein", schaltete sich Minu ein. "Aber haben Sie nicht gerade gesagt, wir würden keins mehr kriegen?"
"Stimmt. Ich glaube nicht, dass noch eins frei ist. Es ist das Narrenfest am Laufen, wisst Ihr das nicht? Alle Zimmer sind belegt! Der Mummenschanz findet nur einmal im Jahr statt. Die Menschen", er machte einen allumfassende Handbewegung, "kommen von überall her, um in Trori zu dieser Jahreszeit den Karneval zu feiern. Troris Narrentage sind berühmt." Seine Augen glitzerten. "Es ist mir eine Freude, hier zu leben. Ich habe noch kein Narrenfest verpasst." Er lächelte.
Minu schluckte. "Ach du Schande. Fasching?!"
Lumien nickte. "Mein Fräulein, mögt Ihr Karneval nicht?"
"Nicht im geringsten", sagte Minu verächtlich. "In meiner Weeeeeeeeee-In meinem Clan gabs auch was in der Art, und ich hab dieses ganze entsetzliche Trarä immer gehasst."
"Na ja." Link griff nach den Zügeln und sah Lumien erwartend an. "Also helft Ihr uns, ein Zimmer zu finden?"
"Natürlich!" Lumien lächelte und stieß sich von der Wand ab. "Wenn ihr mir Eure Namen nennt - mit Vergnügen!"
"Ich bin Minu, und das da", sie deutete auf ihn, "ist Link."
Lumien nickte. "Es gibt ganz in der Nähe eine winzige Herberge, eine kleine unbekannte, ich wage zu hoffen, dass da für Euch noch ein Kämmerchen frei ist."
Sie begannen sich ihren Weg durch die Menge zu stoßen, Lumien ihnen voran, Link, der das Pferd und somit auch Minu mit sich führte, folgte ihm. Nach einer Weile bog der Braunhaarige in ein winziges, dunkles Seitengässchen ein, und ehe sie sich's versahen, standen sie vor einem wirklich kleinen Häuschen. Ein schiefes, verwittert aussehendes Schild sagte ihnen, dass dies die "Herberge zur Holden Nudel" war.
"Oi", murmelte Link zweifelnd. "Die Holde Nudel - aha."
Minu verbat sich ein Kichern und warf einen Blick hinüber zu Lumien. "Da kriegen wir also noch ein Zimmer?"
Er zuckte mit den Achseln. "Keine Ahnung. Das find ich jetzt hinaus." Er stieß die Tür auf und verschwand im dunklen Innern des windschiefen Häuschens. Link und Minu blieben allein zurück.
"Link?", fragte sie plötzlich.
Er drehte sich um. "Was denn?"
"Kannst du mich nicht ibitte/i noch eine Stadt weiter mitnehmen?"
"Wieso? Minu, wir besprechen das hier jetzt zum eintausendsten Mal. Ich werde dich nicht weiter mitnehmen, als nötig. Ich will dich nicht gefährden."
"Und ich würde dich behindern. Bla, bla", sagte Minu verärgert. "Ich kann das Drehbuch bald auswendig! Kannst du mir nicht einfach den Umgang mit dem Schwert beibringen? Ich verspreche dich nicht zu behindern."
Link schüttelte den Kopf, den Blick starr nach geradeaus gerichtet. "Das kann ich nicht verantworten."
iAndererseits - es wäre nett, sie dabei zu haben./i
Ein kleines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als ihm dieser Gedanke durch den Kopf schoss, doch er verbannte ihn sofort. Was war mit ihm geschehen?! Er ikonnte/i sie nicht mitnehmen. Wie nett war es noch, wenn sie auf halbem Wege umgebracht wurde? Und das nur, weil er ihr erlaubt hatte mitzukommen? Das wäre sicher gar nicht mehr nett. Er hatte ganz recht: Sie mitzunehmen, war unverantwortlich.
Er drehte sich zu ihr um, um etwas zu sagen, und erstarrte. Sie waren nicht mehr alleine.
Jemand hatte sich von irgendwoher hinter Minu aufs Pferd geschwungen, hielt sie nun fest an sich gedrückt und presste ihr ein Messer an die Kehle.
Automatisch flog Links Hand an den Schwertgriff, doch der Mann hinter Minu lachte nur leise. "Ich würde euch nicht empfehlen, Euer Schwert zu ziehen", sagte er bedrohlich. Seine Augen funkelten im Schatten der hohen Hauswände, die kein Licht in die Gasse ließen. "Wenn ich mich bedroht fühle, könnte es ja sein, dass ... mir das Messer ausrutscht." Er lächelte kalt.
Link verengte die Augen zu Schlitzen. Die Stimme kam ihm bekannt vor. Überhaupt, die ganze Erscheinung des Mannes. War das etwa -
"Lumien!", schnappte er entsetzt.
Minu gab ein ersticktes Geräusch von sich. Ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen und sie wagte nicht, sich zu rühren.
Der Mann brach in lautes Lachen aus. Link spürte, wie sich plötzlich starke Hände um seine Schultern schlossen und ihn zu Boden drückten. Er knurrte und bäumte sich mit aller Macht auf, doch die anderen waren in der Überzahl. Es gab nicht mal ein kurzes Gerangel, und er lag zu Boden gedrückt. Jemand stellte ihm einen Fuß auf den Rücken, um ihn davon abzuhalten, sich aufzurichten. Das Schwert wurde ihm abgenommen.
"Verdammt", knurrte er.
Der Mann, der aussah wie Lumien, lachte wieder. "Meine Männer sind offensichtlich stärker als Ihr."
"Hätten wir das ehrenwert in einem Kampf von Mann zu Mann ausgefochten, hätte euer letztes Stündlein geschlagen", brüllte Link zorneserfüllt und versuchte verzweifelt sich zu befreien. Der Stiefel wurde ihm fester zwischen die Rippen gedrückt, und er stieß hart die Luft aus.
"Lasst ihn in Ruhe!", quietschte Minu. Der Mann versetzte ihr einen leichten Schlag.
"Halt deine Klappe, Hurentochter, oder es setzt was", zischte er ihr zu. Er schlang einen Arm um sie, ließ das Messer sinken, ergriff die Zügel und lenkte das Pferd herum, so dass er Link in die Augen sehen konnte.
"Lumien", flüsterte Link verzweifelt. "Wieso machst du das?"
Wieder gab es nur ein Lachen als Antwort. "Ich bin mir sicher, du möchtest dein Fräulein zurückhaben. Mal sehen, was ich dafür fordere. Vielleicht - einen Tod?" Er grinste spöttisch und wandte sich seinen Männern zu. "Nolu, Iman, bindet ihm die Hände und lasst ihn dann sitzen", befahl er. "Was ihr sonst mit ihm macht ist mir gleich. Tak, das Schwert will ich haben, du sollst es mir bringen. Junar, wenn 'er' auftaucht, dann richte ihm das übliche aus. Der Rest zieht ab. Passt auf, dass euch niemand folgt!" Er wandte das Pferd und galoppierte durch die Gasse davon.
Minu schrie, gellend und langgezogen.
~
Er hatte ihr ein Band um die Augen gebunden, so dass sie nichts sehen konnte. Während sie ritten, verfestigte sich sein Griff um ihre Taille, was Minu sehr störte. Schließlich stieß sie sich angeekelt von ihm ab. "Lassen Sie mich wohl los", zischte sie angewidert und hoffte, dass er sie über das Rauschen der Stimmen hinweg verstehen konnte, das selbst jetzt, wo die Dämmerung angefangen hatte, nicht verstummte.
"Du vergisst dich", sagte er ruhig und hielt sie nicht eine Sekunde lockerer. "Ich habe hier nämlich die Oberhand", flüsterte er ihr ins Ohr. "Du stehst jetzt unter meinem Befehl, meine Prinzessin."
"Zuerst bin ich die Hurentochter und dann die Prinzessin", keifte Minu. "Sie haben sie ja nicht mehr alle. Und jetzt lassen Sie mich ilos/i, Sie erdrücken mich noch!!"
"Ah-ah!" Sie meinte, aus seiner Stimme einen amüsierten Unterton herauszuhören, und das machte sie nur noch wütender. "Nichts da. Sonst fällst du mir noch vom Gaul und wirst plattgetrampelt. Mit einer platt getrampelten Trophäe kann ich nichts mehr anfangen."
"Ich werde nicht lange bei Ihnen bleiben, das kann ich Ihnen aber versprechen, Sie", presste Minu zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und versuchte mit aller Kraft wenigstens irgendetwas zu sehen.
"Oho. Harte Töne. Aber Kleines, niemand kann dich retten, das ist ja der Witz. Auch dein Ritter nicht."
"Er ist nicht mein -", setzte sie an und verstummte abrupt.
Lumien iwusste/i, dass Link nicht ihr Ritter war. Das hatte sie ihm schon gesagt. Und Lumien hätte sie auch nie im Leben geduzt. Zum Teufel. War das gar nicht Lumien? Die Stimme war sie selbe, aber der Rest ... Sie drehte sich um, soweit es ihr möglich war, und versuchte sein Gesicht zu sehen. Es funktionierte nicht. Lumien? Aber der Charakter ...
"Wer sind Sie?", fragte sie verwirrt. "Sind Sie Lumien?"
Ein kaltes Lachen war die einzige Antwort.
Während sie geritten waren, hatten sich die Straßen offenbar langsam geleert. Die Stimmen waren langsam abgeschwollen. Die Ecke der Stadt, in der sie nun waren, schien heruntergekommen und leblos. Die Atmosphäre war nicht mehr die selbe, plötzlich schien alles kalt und abweisend. Minus Herz klopfte wie wild vor Angst. Wo brachte Lumien sie hin? Was hatte er mit ihr vor ... ? Auch in ihrer eigenen Welt wurden Mädchen entführt, die Wochen später tot, manchmal verstümmelt, wieder auftauchten. Oft genug waren sie Opfer eines Sexualverbrechens. Ihr Herz schlug ihr bis zum Halse, als sie daran dachte. Hatte er mit ihr das selbe vor?
Plötzlich hielten sie an.
"Ihr wünscht Euch jetzt sicher, sehen zu können", sagte ihr Begleiter und sprach damit ihre Gedanken aus. Sie spürte, wie er hinter ihr vom Pferd stieg, und erzitterte vor Aufregung. War das hier ihre Chance, zu fliehen? Er fuhr fort. "Aber ich werde Euch die Augenbinde nicht abnehmen, das ist mir zu unsicher. Zu Eurer Information: Wir stehen vor einer zerfallenen Hütte. Mein Räuberschloss."
"Ich glaubs nicht", sagte sie höhnisch. "Der großartige Lumien lebt in einer heruntergekommenen Spelunke?! Ha! Welch eine Ironie des Schicksals." Sie grinste feindselig. "Ich hoffe, das Dach kommt runter und die Balken spießen Ihre drei gammeligen Gramm Gehirn auf."
"Widerspenstiges Mädchen", sagte Larien überlegen, "du brauchst dich nicht zu sorgen, dass dein Palast dir nicht gerecht wird. Nun ja, es kommt drauf an, wie du dich benimmst, welchen Palast du bekommst." Er zog sie vom Pferd hinab und legte seinen Arm über Minus Schultern. Sie spürte etwas kaltes an ihrer Kehle. Er hatte das Messer wieder gezogen.
"Damit du mir auch nicht wegrennst. Dich brauche ich nämlich noch", flüsterte er höhnisch. "'Er' würde sich ganz schön freuen, wenn du abhaust und zurück kommst ... und das verdient er einfach nicht ..."
Er packte sie hart am Arm und führte sie, wie sie vermutete, ins Haus. Das wurde ihr bestätigt, als sie über etwas stolperte und Lumien ärgerlich sagte: "Passt doch auf die Türschwelle auf!"
Sie hielten an. Minu fröstelte. Im Laufe des Nachmittags war es kühler und schwüler geworden. Vielleicht würde es noch regnen.
Plötzlich ließ er sie los. Ihr Herz begann wieder zu schlagen. Sie wartete, bis seine Schritte sich weit genug von ihr entfernt hatten, machte dann kehrt und rannte zurück. Lumien schrie wütend auf und sie hörte seine Schritte hinter ihr. "Fräulein!! So nicht!"
Unglücklicherweise hatte sie vergessen, dass die Türschwelle näher war, als sie gedacht hatte. Sie stieß mit der Fußspitze dagegen und legte sich der Länge nach hin. "Uff!!"
Lumien brach in irres Gelächter aus. "Sehr schön! Wirklich sehr schön! Da has du dir die eigene Flucht verbockt. Hm, so mag ich es gerne. Wie niedlich." Er griff sie am Arm, zog sie hoch und führte sie wieder in die Hütte hinein. "Und diesmal", sie konnte seinen Atem in ihrem Nacken spüren und erstarrte zu Stein, "rennst du mir aber nicht davon, nicht wahr, mein Fräulein? Ich wäre doch sehr, sehr enttäuscht." Seine Stimme hatte etwas bedrohliches. Minu war heilfroh, als er von ihr wegtrat. Dieser Mann war ihr nicht geheuer. Dabei hatte er am Anfang doch so einen netten Eindruck gemacht.
Sie hörte ein schleifendes Geräusch, und plötzlich war die Luft voller Staub. Ein Hustenreiz überkam sie. "Was haben Sie gemacht?!", keuchte sie erschrocken.
"Den Teppich fortgezogen, der die Falltür verdeckt. Normalerweise nehmen wir immer einen besser versteckten Eingang. Dieser hier ist lange unbenutzt gewesen, deswegen hat sich Staub gesammelt", erklärte er kalt. "Jetzt geht es hinab in die Kammern der Diebe!" Sie vernahm ein quietschendes Geräusch, als er die Tür öffnete.
"Hinunter?", fragte sie zweifelnd.
"Aber natürlich. Da unten ist das Versteck der Diebesbande, dessen Boss übrigens ich bin." Er zog sie zu sich heran. "Und dich mache ich vielleicht zu meiner Königin", sagte er leise und bedrohlich. "Aber nur, wenn du brav bist. Ansonsten machst du gar nicht mehr viel." Ohne Vorwarnung schubste er sie hinab.
Minu schrie erschrocken auf, doch ehe dass sie sich's versah, schlug sie weich auf einem Haufen von Gras oder Moos auf, ohne sich verletzt zu haben. Sie hörte ihn neben sich landen. Dann ein leises Zischen, und plötzlich roch es nach Schwefel.
"Was haben Sie getan? Ein Feuer angezündet? Wir werden verbrennen, wenn Sie nicht auf-"
"Ich habe eine Fackel angezündet, Fräulein, damit ich nicht stolpere. Hier unten ist es schon sehr steinig, man muss aufpassen, sonst schlägt man sich die Nase auf." Sie spürte seine Hand in ihrem Rücken. "Ich werde dich führen, sonst machst du dir Euer Gesicht blutig." Er lachte amüsiert.
Sie fauchte und versteifte sich, sah jedoch ein, dass sie sich nicht wehren konnte. Wenn er sie nicht führte, da hatte er Recht, würde sie wahrscheinlich gegen jede verfügbare Wand laufen.
Plötzlich trat Minu in eine Pfütze. "Igitt", sagte sie absichtlich lauter als nötig. "Das ist ja so was von ekelhaft, ich kann nicht glauben, dass hier jemand lebt - außer schleimige stinkende Ratten, natürlich."
Sie hatte gehofft, ihn damit provozieren zu können, und war enttäuscht, als er nur auflachte. "Oh, gib dir keine Mühe! Mich kannst du nicht so leicht auf die Palme treiben, ich weiß, was ich hieran habe."
Sie begannen den Weg durch den Steingang. Die Luft war kalt, und schon bald bekam sie eine Gänsehaut. Dass sie ohne Unterlass über irgendetwas stolperte, von dem sie lieber nicht wissen wollte, was es war, machte die ganze Sache auch nicht leichter. Ab und zu trat sie auf etwas, das dann unter ihren Füßen knackend zerbrach und Bilder von kleinen Skeletten in ihrem Kopf heraufrief, etwa von Ratten oder Mäusen, die hier unten verendet waren. Niemand von ihnen sagte etwas.
"Wo sind wir hier?", wagte sie schließlich zu fragen.
"Im Steintunnel. Bald haben wir das Kammerschloss erreicht."
"Das Kammeriwas/i?!"
"Das Kammerschloss", sagte er gleichgültig. "Hier unter der Stadt gibt es eine Art Tunnelsystem. Die Tunnel verbinden einzelne Kammern und Räume. Früher war dies die Bibliothek von Trori. Im Krieg der Zwei Städte zwischen Mandira und Trori sind Teile des Systems zerstört und die Bücher verbrannt oder geplündert worden, und alles geriet in Vergessenheit. Ich hatte das Glück, das Kammerschloss wieder zu entdecken. Nun lebt hier meine Bande."
"Was denn für eine Bande?"
"Meine Diebesbande." Er lachte leise.
Schließlich blieben sie stehen.
"Wo sind wir jetzt?", fragte sie gespannt.
"Wir sind am Eingang." Er klopfte so laut an irgendetwas, das sich anhörte wie Holz, dass sie heftig zusammenzuckte.
Etwas knarrte, und eine heisere Stimme ertönte. "Wer da?", grunzte jemand.
"Ich bins", sagte ihr Begleiter ärgerlich. "Wirst du mich jetzt reinlassen oder nicht?!"
"Oh, der Boss", sagte der Mann erschrocken, und die Tür flog auf. Ein kurzes Schweigen entstand, als Lumien Minu hineinführte. "Was ist mir ihr?", fragte der andere Mann schließlich.
"Habe ich im Rachefeldzug gegen 'ihn' erbeutet", sagte Lumien kalt. "Schließ jetzt die Tür. Und vielen Dank für diese tiefen Einblicke in dein Innerstes, aber mir wäre es doch lieber, wenn du den Mund zumachst. Sind die anderen schon eingetroffen?"
"Aber das ist eine iFrau/i! Einfach entführen - einfach eine Frau entführen?! Aber das ist -" Er hörte sich bis aufs äußerste entsetzt an.
"Ich sagte, sind die anderen schon da", zischte Lumien scharf.
"Nein", sagte der Mann immer noch geschockt. "Die Frau, was -"
"Verdammt. Das Schwert war gut. Macht sich in meiner Mordwaffensammlung bestimmt nicht schlecht. Wenn Tak kommt, richte ihm aus, er soll es sofort in meine Kammer bringen."
Er führte sie weiter, ohne auf die Einwände seines Untergebenen zu achten. Ohne zu überlegen trat sie in die Richtung, in der sie ihn vermutete, und traf etwas hartes. Er stieß hart die Luft aus und ließ sie kurz los; Minu nutzte die Chance und rannte in die entgegengesetzte Richtung davon. Nutzlos. Nach kurzer Zeit hatte er sie eingeholt und umklammerte sie hart. Sie quietschte erschrocken.
"Versuchst du es schon wieder?", zischte er wutentbrannt. "Soll ich mein Messer wieder auspacken? Du gehst mir auf die Nerven. Es gibt Mädchen, die würden sich mir sogar freiwillig unterwerfen. Wieso soll ich mich also mit einer widerspenstigen Königin abgeben, wenn ich es besser kriegen kann?! Du hast deine Chance vertan! Bereite dich auf die Gefangenschaft vor. Vielleicht gibt es ein nettes Lösegeld für dich. Und wenn nicht, dann bist du immer noch von Nutzen. 'Er' wird sich zu Tode quälen, dich nicht gerettet zu haben ... und ..." Er zog ihren Kopf an den Haaren nach hinten. "Hier unten kosten Huren nichts", flüsterte er bedrohlich. Tränen stiegen in ihre Augen, vor Schmerzen und vor Furcht.
Er ließ sie los und sie richtete sich auf, um ihren Stolz zu beweisen. "Bevor ich als Hure für eine lausige Räuberbande arbeite, beiße ich euch allen eure erbärmlichen Schwänze ab", fauchte sie mit erhobenem Kopf.
Er schnaubte verächtlich. "Wenn du das glaubst! Jetzt geht's erst mal ab in die Zelle, da wirst du gezähmt."
"Zelle?!" Ihre Stimme überschlug sich. "Aber was -"
"Klappe!", fauchte er. "Noch ein Wort, und ich schneide dir die Zunge heraus."
In die Zelle ... sie erschauderte. Er hatte sich sehr überzeugend angehört. Sie wagte nicht, es noch einmal zu versuchen, zu fliehen. Und so ließ sie sich willenlos abführen.
Sie liefen, bis sie eine Biegung erreicht hatten. Nachdem sie um die Kurve gegangen waren, blieben sie stehen. Er griff sie im Nacken, damit sie nicht weglaufen konnte, und zog ihr das Band von den Augen. Nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatte und sie mehr sah als rote Punkte, riss sie den Mund auf, als sie sah, wovor sie standen.
"Das ist die Zelle?", fragte Minu ungläubig und erschauderte. Das war iunmenschlich/i.
Hinter der Biegung ging der Weg nur noch fünf oder sechs Meter weiter, und seine Qualität verschlechterte sich rapide. Es tropfte von der Decke, riesige Pfützen hatten sich gebildet und der Boden war von Mulden und Hügeln gespickt. Das Licht war hier äußerst schlecht, es hing nur eine einzige Fackel an der Wand. Ein oder zwei Meter, bevor der Gang in einer kesselförmigen Ausbuchtung endete, hatte man einfach ein Eisengitter mit einer Tür hingebaut, das sich von der einen zur anderen Wand und von der Decke zum Boden zog. Davor stand ein klappriger Holzstuhl - wahrscheinlich für Wächter gedacht - und die Zelle selbst war mit feuchtem Stroh ausgepolstert. In der Ecke häufte es sich. Das sollte offenbar ein Lager darstellen. In der Mitte des Gefängnisses befand sich eine riesige Pfütze, die fast den ganzen Boden einnahm; sie hatte sich wohl mit der Zeit aus Wasser gebildet, das von der Decke getropft war. Auch jetzt war das leise Plitschen, wenn erneut ein Tropfen in die Pfütze fiel, zu hören. Außerdem stank es hier bestialisch. Ob verfaultes Wasser oder verfaulende Ratte, konnte Minu nicht sagen.
Lumien zückte von irgendwoher einen Schlüssel, öffnete damit die Tür im Eisengitter und schob Minu hindurch, die sich aufs heftigste wehrte. Schließlich gewann Lumien, schlug die Tür zu und schloss doppelt ab.
"So, und da bleibst du jetzt erst mal, bis ich weiß, was ich mit dir anstelle", sagte er zufrieden und versenkte den Schlüssel in seiner Tasche. Er fixierte sie noch einmal scharf, dann drehte er sich um und schritt den Gang zurück.
Minu spürte Übelkeit in sich hinaufsteigen, als sie sich in ihrem Gefängnis umsah. Nicht gut. Gar nicht gut. Hier würde sie es mit Sicherheit nicht lange machen. Sie holte tief Luft und für einen Moment drohten Hoffnungs- und Ratlosigkeit sie zu überwältigen. Dann zischte sie angewidert. Wenn sie jetzt anfing, sich selbst zu bemitleiden, dann war alles vorbei!
Sie schüttelte den Kopf und begann, das Eisengitter zu untersuchen. Die Zwischenräume waren gerade so groß, dass sie ihren Arm hindurchstrecken konnte, aber dafür waren die Stäbe nicht besonders dick. Minu erinnerte sich an diese ganzen Filme, die in ihrer Welt im Fernsehen rauf und runter gelaufen waren. Angeblich konnte man da die Eisenstäbe durchfeilen. Na toll. Dazu fehlte nur noch etwas scharfes. Sie begann den Boden mit den Händen nach einem spitzen Stein oder derähnlichem abzutasten, den sie dafür benutzen konnte, fand jedoch nichts. Als sie fast das Gleichgewicht verlor und in die Pfütze fiel, gab sie es auf und machte sich stattdessen daran, das Stroh zu durchwühlen. Auch hier befand sich nichts, das ihr weitergeholfen hätte.
Plötzlich stach ihr etwas in die Seite. Sie kiekste erschrocken auf, sprang hoch - hatte sich da eine Ratte an sie herangeschlichen und sie angeknabbert?! - und fasste sich an den Gürtel. Ihre Finger spürten etwas kühles. Leder. Ihr wurde heiß und kalt zugleich, als sie die Hände weiter hoch bewegte. Holz. Das war doch nicht etwa ... ?
Minu sah sich hastig um und zog dann ihr T-Shirt etwas hoch. Oh-oh. Das Glück schien ihr also doch hold zu sein.
An ihrem Gürtel festgeschnallt hing Dins Dolch.
~
Link kochte vor Wut. Hier auf dem Boden zu liegen, war unglaublich demütigend. Wieso hatte er sich überhaupt überwältigen lassen? Er hätte ihnen einfach allen den Kopf abschlagen sollen und ... iMinu./i Das war ja das Problem. Dann wäre sie ganz schön gearscht gewesen.
Er bäumte sich noch einmal auf, doch auch diesmal brachte es ihm nichts. Zwei der Gefolgsmänner von Minus Entführer zückten von irgendwoher ein Seil und banden ihm die Hände fest zusammen. Als er sich nach Kräften wehrte, versetzten sie ihm einen harten Tritt. Anschließend richteten sie ihn gewaltsam auf und lehnten in gegen die Wand.
Er spuckte ihnen verächtlich vor die Füße. "Mistkerle", rief er wutentbrannt. "Sie war hilflos und ihr habt zugelassen, dass er sie - ihr Bastarde, es ist unglaublich!!"
Einer der Männer grinste. "Reg dich ab, Junge. Wir tun, was wir für richtig halten. Und wenn der Boss sagt, das Mädchen wird gestohlen, dann ist es richtig. Wir haben Erfahrung mit ihm. Er weiß ieiniges/i. Und, nebenbei", er beugte sich zu ihm hinab und grinste noch viel breiter, "wenn er sie nimmt, dann wird sie nicht drunter zu leiden haben."
"Sie ist erst dreizehn!", brüllte Link entsetzt, als ihm klar wurde, was der Mann meinte. "Er kann sie nicht nehmen! Sie ist noch viel zu jung!! Was, wenn er ihr ein Kind -"
Plötzlich wurde die Tür neben ihm aufgestoßen, und Lumien trat heraus. Als er sah, was geschehen war, veränderte sich sein Gesichtsausdruck schlagartig. Er erstarrte. "Larien!", keuchte er entsetzt, als wisse er gleich, was passiert war.
Der Mann, der mit Link gesprochen hatte, schnappte sich blitzschnell sein Schwert und schoss davon. Die anderen folgten ihm, nur einer blieb stehen und blickte Lumien eiskalt lächelnd ins Gesicht.
"Sieh an", sagte er eisig grinsend. "Wen haben wir denn da. Lumien, Lumien." Er schüttelte fast bedauernd den Kopf. "Armer Lumien! Er hat schon wieder zugeschlagen. Nach und nach macht er seinen Plan wahr. Es bereitet ihm große Freude dich leiden zu sehen."
"Wo ist - das Fräulein? Minu?", fragte Lumien mit trockenem Mund.
Der Mann grinste. "Das hat er bei sich. Sozusagen als Trophäe. Weißt du denn nicht mehr, was er dir geschworen hat, als Narsilla ging?" Er lachte und hob zum Abschied die Hand. "Ein gutes Leiden wünsche ich!" Dann machte er sich in die Schatten davon.
Link verstand nichts mehr. Er ruckte nach vorne, doch der Knebel machte es ihm unmöglich, etwas zu sagen. Lumien ließ sich stumm gegen den Türrahmen sinken und schüttelte den Kopf. Dann holte er tief Luft und kniete neben Link nieder, um seine Fesseln zu lösen.
Kaum war er frei, nagelte der Held Lumien gegen die Wand. Sein Gesicht näherte sich bedrohlich dem des braunhaarigen jungen Mannes, gezeichnet von unbändigem Zorn.
"Ich weiß nicht, durch welche Hintertür du wieder in die Herberge gekommen bist, du Bastard", zischte er außer sich. "Aber gnade dir Gott, wenn du mir nicht sofort sagst, was du mit Minu gemacht hast, Sohn einer dreckigen Gossenhure!"
"Lass mich los", forderte Lumien kühl und versteifte sich. "Ich war es nicht."
"Glaube das, wer wenig genug Grips hat", fauchte Link und trat einen Schritt zurück. Lumien atmete erleichtert aus und setzte dann ein mattes Lächeln auf. "Hätte ich mein Schwert, würde ich dir dieses Lächeln innerhalb einer Zehntelsekunde von Gesicht hacken", sagte Link wütend, "und was ganz iganz/i anderes würde ich dir auch abschneiden, wenn du mir nicht sofort sagst, wo Minu ist."
"Ich hab sie nicht." Lumien seufzte. "Es war Larien."
"Und wer ist das?!"
"Mein Zwillingsbruder."
Link verschlug es für einen Moment die Sprache. Ungläubig runzelte er die Stirn. "Das soll ich dir glauben?"
"Ja." Lumien hob die Augen, und ihre Blicke begegneten sich. "Die Feindschaft zwischen uns hat eine lange Geschichte. Larien hat geschworen, mich zu -" Seine Stimme brach, und er verstummte und schüttelte den Kopf. "Es ist zu lang, ich kann es jetzt nicht erzählen. Die Zeit ist zu knapp. Wir müssen Minu irgendwie retten - mein Bruder kann grausam sein." Er hob den Kopf und grinste schon wieder. "Aber zwei starke Männer wie wir sollten das schaffen, nicht wahr?"
"Ich habe keinen Grund, dir zu glauben", knurrte Link ärgerlich. "Es ist im Moment allerdings das einzige, was ich tun kann."
"Gut." Lumien räusperte sich. "Ich habe ein Zimmer. Wir sollten dort für die Nacht bleiben." Ihre Blicke wanderten automatisch zum Himmel, der sich im Laufe der Zeit langsam dunkel gefärbt hatte. Die Nacht brach herein.
"Morgen früh besorgen wir Euch ein Schwert. Und dann machen wir uns auf Lariens Spuren."
~
Sie hatten ein Zimmer mit zwei Betten genommen und nun saß jeder schweigend auf seinem. Link polierte seine Stiefel und reagierte nebenbei seine Wut am Putztuch ab; Lumien lag auf seinem Bett und blätterte ohne zu lesen in einem Buch herum. Außer dem klagenden Quietschen, wenn Link das Tuch zu fest über seine Schuhe gleiten ließ, und dem Rascheln der Seiten war nichts zu hören. Die Straße, in der das Wirtshaus zur Holden Nudel lag, war still und menschenleer, und so drangen auch keine Geräusche von außen zu ihnen außer dem Prasseln des Regens, der vor einiger Zeit eingesetzt hatte.
Link war mit den Gedanken bei Minu und der furchtbaren Rache, die er an ihrem Entführer ausüben wollte, wenn ihr etwas geschehen war. Wer immer das sein sollte. Es war ihm völlig egal. Und wenn es Lumien war.
Lumien. Er wusste immer noch nicht, was er von ihm halten sollte. Konnte er diesem Filou vertrauen? Ihm glauben? Was anderes konnte er wohl kaum tun. Er war ihm schutzlos ausgeliefert, denn diese Kerle hatten sein Schwert. Und ohne das konnte er sich nicht wehren. Verfluchter Mist. Er donnerte den ersten Stiefel vom Bett und schnappte sich den zweiten. Im Moment musste er ihm vertrauen. Er brauchte jemandem, der sich hier auskannte, damit er Minu befreien konnte. Wieso hatte er sich überhaupt mit diesem Kerl eingelassen, der ihm - ihnen - nur Unglück gebracht hatte, weil er angeblich in einen Zwist mit seinem Zwillingsbruder verwickelt war?
Das brachte ihn auf einen Gedanken.
"Lumien?", fragte er.
Der Angesprochene drehte sich zu ihm und sah ihn fragend an. "Was ist?" "Wieso ist dein Zwillingsbruder - wenn es ihn denn wirklich gibt - so zornig auf dich?"
"Oh, das ..." Schlagartig verschloss sich Lumiens Gesicht, er schottete sich ab. "Ich glaube nicht, dass Euch das etwas angeht. Es hat mit unserer Vergangenheit zu tun."
"Ah. So." Plötzlich tat er Link Leid. Er sah so müde und verzweifelt aus. Wie jemand, der Hilfe brauchte. "Vielleicht kann ich dir helfen", schlug er spontan vor. "Man kann alles auch anders regeln als mit Gewalt." Er hielt überrascht inne. Hatte nicht Minu mal etwas in der Art gesagt, ganz am Anfang? Also seine Ansichten waren das bis vor kurzem gar nicht gewesen.
"Nein. Unsere Blutfehde nicht." Bitter schüttelte der andere den Kopf. "Larien hat geschworen, mich zu ruinieren, mir alles zunichte zu machen, was ich je erreicht habe, alle Menschen zu vernichten, mit denen ich den Umgang pflege. Es tut mir Leid, Euch hineingezogen zu haben. Normalerweise meide ich den Kontakt zu allen, bei denen es mir möglich ist." Er sah nicht Link an, sondern die Bettdecke.
"Und wieso hast du uns dann angesprochen?"
"Das weiß ich ja selber nicht." Lumien grinste schwach zu ihm hinüber. "Als ich Euch beide da so gesehen habe - die Vertrautheit und das Band zwischen Euch - da habe ich mich seltsam berührt gefühlt. Seit Narsilla ging, habe ich niemand mehr gehabt, mit dem ich so zusammen sein konnte. So offen."
"Offen! Zusammen! Ein Band zwischen ... WAS?!" Links Gesicht nahm die Farbe einer Tomate an. Aus seinen Ohren pfiff es wieder einmal wie aus einem Wasserkessel.
"Natürlich! Ihr gehört zusammen, das sieht doch jeder! Wenn Ihr noch nicht um die Hand des Mädchens angehalten habt, dann ist es aber höchste Zeit, das jetzt zu tun."
"A-a-a-ach was", sagte Link puterrot. "A-a-also wenn du das ... meinst ..." Er schüttelte hastig den Kopf. "Das geht nicht, wir müssen uns sowieso trennen."
"Wieso DAS?! Unliebsamer Ehemann auf der Spur des Fräuleins?" Lumien starrte ihn an.
Link kriegte fast einen Tobsuchtsanfall. "Wieso denken eigentlich ALLE, dass wir zusammen sind?! Herrgott, ich habe eine Aufgabe zu erfüllen und kann sie nicht mitnehmen, weil es zu gefährlich ist - das ist alles!"
"Andere Männer leben auch getrennt von ihren Frauen, und die Ehe funktioniert wunderbar", sagte Lumien beiläufig.
"Genug des Unsinns!" Links Stimme war scharf. "Was zwischen Minu und mir ist - nämlich gar nichts - geht dich nicht das geringste bisschen an. Und jetzt sag mir, wer Narsilla ist. Vorhin hat der Mann deines Bruders diesen Namen erwähnt, und du selbst hast auch eben über sie gesprochen."
"Narsilla." Lumien ließ das Wort in der Luft hängen. "Narsilla hat mit der Vergangenheit zu tun. Es ist meine Schuld, dass sie nicht mehr lebt."
"Hast du sie umgebracht?", fragte Link geschockt und unterdrückte den Impuls, aufzuspringen und zur Tür zu hasten, um sich im Falle eines Falles aus dem Zimmer retten zu können.
"Fast", sagte Lumien bitter und schüttelte den Kopf. "Ich habe sie nicht umgebracht. Aber ich habe ihren Tod zu verschulden."
"Erzähl mir die Geschichte", sagte Link leise und ließ von seinen Schuhen ab. "Geteiltes Leid ist oft halbes Leid."
Lumien fixierte ihn kurz, dann sackten seine Schultern hinab. "Wenn Ihr es wünscht." Er seufzte und holte tief Luft.
"Es geht eigentlich nur mich was an und Larien", begann er seine Geschichte. "Als es vor sieben Jahren passierte, waren wir beide noch jung, achtzehn, und unbeschwert. Damals waren wir ein Herz und eine Seele. Larien neigte ab und an zu jähzornigen Ausbrüchen, wenn etwas nicht so klappte, wie er es haben wollte, aber alles in allem hielt er sich doch unter Kontrolle. Unsere Eltern waren bei einem Großbrand gestorben, als wir dreizehn Jahre alt gewesen waren. Seitdem hatten wir uns allein über Wasser gehalten. Wir hatten uns mit kleinen Diebereien, Botengängen und solchem Kleinkram durchgeschlagen. Dann lernte Larien ... Narsilla kennen." Er schluckte bei den Erinnerungen, die in ihm hinaufkrochen und die er so lange verdrängt hatte. "Sie war eine Tochter aus reichem Hause, bildhübsch und lieblich. Ich weiß noch, ihre Haare, weißblond und so glatt, und wenn sie in der Sonne glänzten, dann hatte man das Gefühl, auf Seide zu blicken ... Und ihr Gesicht war - so schön, dass es unglaublich war, dass so etwas überhaupt existieren konnte." Sein Blick wurde weich. "Ihre Hände waren fein und zart und weiß, sie hatte noch nie damit gearbeitet ... eine Herrenhaustochter, was soll man erwarten? Larien hatte vom Mann einer der Küchenmägde den Auftrag bekommen, seiner Frau Blumen zu bringen, und als er zur Hintertür hereinkam, da stand sie da."
"In der Küche? Eine Frau von solchem Stand?"
"Ja, sie war ... nicht arrogant oder so. Eine ihrer besten Freundinnen war ihre Kammermagd Yui. Die war zu dem Zeitpunkt schwer krank und musste das Bett hüten, also war Narsilla in die Küche gegangen, um ihr etwas zu essen zu holen ... Narsilla war immer so gütig zu allen, sie half jedem, der Hilfe brauchte." Er machte eine kurze Pause. "Larien hat es mir später immer wieder erzählt, wie er sie zum ersten Mal da stehen sah, als sei sie ein Engel. Sie trug immer helle Kleider", fügte er hinzu. "Ich hab sie nie in schwarz gesehen oder dunkelblau oder rot, nie ... ihre Kleider waren immer so hell. Sie war wirklich ein Engel. Sie sah nicht nur so aus."
"Und weiter?", ermutigte Link ihn. Er begriff, dass dieser ihm fast fremde Mann ihm seine Seele offen darlegte. Lumien vertraute ihm, sonst hätte er ihm das nicht erzählt. Also konnte er ihm auch vertrauen. Und jetzt brauchte Lumien seelische Unterstützung.
"Sie fragte Larien, wer er sei. Von ihrer unirdischen Schönheit geblendet, wusste er erst nicht, was er sagen sollte ... sie lächelte und wollte wissen, ob sie ihm helfen könne. So hat es alles angefangen ... oh Gott, hätten wir gewusst, wie es enden sollte, dann ..." Er schüttelte ungläubig den Kopf und fuhr dann fort. "Von da an kam Larien öfter vorbei, als er Aufträge bekam. Immer wieder schwärmte er mir von ihr vor, von ihrer Schönheit und Gutmütigkeit und Sanftheit. Er sagte immer: 'Jeder Mensch hat einen Engel, aber meiner ist für mich zu Fleisch geworden.' Wie sich herausstellte, hatte sie sich auch in ihn verliebt. Als sie neunzehn waren, planten sie zu heiraten, aber du weißt ja sicher, wie das mit diesen Herrenhausbesitzern ist ... für Narsillas Vater war Larien nichts anderes als ein Stück Dreck." Seine Stimme wurde grimmig. "Dienerschaft. Menschen, die dazu gemacht waren, anderen die Schuhsohlen zu küssen. Er bot ihm an, Kammerdiener zu werden, aber dazu war Larien viel zu stolz ... Ihre Liebe war stärker. Narsilla floh mit Larien von zu Hause, und von da an lebte sie mit uns in dem Keller, in dem wir uns einquartiert hatten. Ich vermählte sie mit selbstgedrehten Ringen aus Draht. Sie waren so glücklich ... Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem sie geheiratet haben. Der ganze Keller war mit Kerzen erleuchtet und wir hatten alles beiseite geschoben und aus zwei Kisten mit einer Obstschale zwischen zwei hohen weißen Kerzen einen behelfsmäßigen Altar aufgebaut. Sie strahlten vor Freude, alle beide. Nun, es blieb nicht lange so." Er seufzte. "Was erwartest du, wenn die einzige Frau, die du kennst, mit dir zusammen wohnt - Larien mal außer Acht gelassen - und wenn sie auch noch von einem Glanz ist, der nicht von dieser Welt kommen kann, und wenn dieser Glanz selbst in einem dunklen Kellerloch nicht aufhört zu strahlen? Natürlich verliebte ich mich in sie! Mit jedem Tag mehr und mehr, und mehr, und mehr, und mehr ... Ich kann in Worten nicht ausdrücken, wie sehr ich sie liebte. Es geht nicht." Er schwieg für einen Moment von Emotionen überwältigt, und Link wartete geduldig, bis er die Kraft gefunden hatte, weiterzusprechen. "Zu dem Zeitpunkt begann ihre Ehe den Bach hinunterzugehen. Lariens kleine Geschäfte liefen schlecht, wir hatten kein Geld, uns Essen zu kaufen, und er wurde mehr und mehr zu dem Menschen, den ich heute kenne, jähzornig, eigenwillig, egoistisch. Narsilla hatte natürlich darunter zu leiden, wenn er sie anschrie und beschimpfte als nutzloses Weibsstück, weil sie nichts konnte, sie hatte ja nie was gelernt außer lieblich zu sein! Und ich, ich war so dumm damals. Ich konnte die Finger nicht von ihr lassen. Ich litt mir ihr ... wenn er ... grässlich zu ihr war. Eines Tages, als er nicht da war, machte ich ihr einen Antrag. Ich weiß noch genau, was ich sagte. Ich werde diese Worte nie vergessen." Er holte Luft. "Ich sagte: 'Narsilla, sieh dich an. Du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Und Larien zerstört dich mit seiner Wut, für die du nichts kannst! Narsilla, möchtest du mit mir kommen? Wir gehen in eine andere Stadt, wir lassen Larien und seinen sinnlosen Zorn hier zurück, weißt du, wir beginnen ein ganz neues Leben! Nur wir zwei, zusammen.' So einfältig war ich! Die Ehe ist doch heilig, wer ihren Bund bricht, der ist ein Sünder! Und ich! Bot dem zartesten Mädchen auf dieser Welt die schlimmste Versuchung an, die sie sich vorstellen konnte. Narsilla ... sie wollte so gerne vor Larien fliehen, aber sie war nicht stark genug."
Plötzlich hörte er auf zu sprechen. Seine Stimme war während der letzten Sätze immer leiser und zittriger geworden, und nun schwand sie ganz. Lumien wandte das Gesicht ab.
Link wusste nicht, was er sagen sollte. Und das nicht, weil es ihn nicht berührte. Es hatte ihm die Worte verschlagen. Bisher hatte er über Liebe selten, wenn nicht gar nie, nachgedacht, und wenn doch, dann war es immer unbewusst gewesen. Er hatte sie immer als etwas heiliges gesehen, das gehütet werden musste wie ein Schatz von unmessbarem Wert. Er hatte nie daran gedacht, dass es auch Leute gab, die seine Meinung nicht teilten. Leute, die Liebe beschmutzten, zerstörten, verloren. Und erneut erschauderte er: Was würde ein solcher Mann mit Minu tun?
"Was geschah dann?", fragte er schließlich, als er genug Mut gesammelt hatte.
Lumien blickte zu ihm auf. Seine Augen waren rot. "Hin- und hergetrieben zwischen meinem unmoralischem Angebot und Lariens Zorn, hat sie sich ... hat sie sich ... sie hat ..." Als er merkte, dass er es nicht schaffte, das zu sagen, was geschehen war, schüttelte er den Kopf. "Es war das Messer, dass ich ihr ein halbes Jahr zuvor zum Geburtstag geschenkt hatte. Als Küchenmesser. Sie hatte sich eins gewünscht, damit sie uns etwas zu essen machen konnte. Narsilla eben ..."
"Oh Gott." Link senkte den Blick.
"Ja." Lumien lachte, humorlos, trocken und kurz. "Larien hatte wohl etwas von dem geahnt, was zwischen ihr und mir war. Er verschob ihren Tod zurecht auf mich. Und dann hat er seinen Schwur abgelegt ... ich kann es nicht glauben, aber verstehen - trotz allem hat er Narsilla iimmer/i geliebt. Man musste sie einfach lieben. Und ich bin Schuld, dass sie gehen musste."
Schweigen breitete sich aus.
"Ich glaube nicht, dass das stimmt", sagte Link schließlich sanft. "Lumien, es war ihre eigene Entscheidung."
"Aber ich habe sie dazu gebracht, dass sie überhaupt erst so in die Enge getrieben war, dass sie so eine Entscheidung getroffen hat! Treffen musste!"
Daraufhin wusste Link nichts mehr zu sagen. Er öffnete den Mund, doch ihm fehlten die Worte. Er sah Lumien an, sah seinen Blick, und schwieg. Manchmal war es besser, nichts zu sagen.
~
i~Er kämpfte. Er kämpfte wie noch nie zuvor in seinem Leben - wenn man es Leben nennen kann, was ein Schatten während seiner Zeit auf der Erde verbringt. Etwas hatte in hier unten eingesperrt, im Dunkeln der Seele des Körpers, den er besessen hatte, bis diese Teufelsmagie an ihm ausgeübt wurde. Ja, Teufelsmagie, das war es gewesen, was ihn eingemauert hatte. Er musste sich befreien. Er musste diesen Körper übernehmen. Alle Schatten träumen davon, einen Körper zu besitzen. Obwohl Schatten nicht träumen. Es ist nur das Bedürfnis in ihnen, dass sie dazu bringt, es wieder und wieder zu probieren, bis sie eine geschwächte Seele oder einen entkräfteten Körper finden, um ihn zu übernehmen.
Das hatte er geschafft. Er hatte sich einquartiert und es war ihm teilweise sogar gelungen, die Kontrolle zu übernehmen. Er diente niemandem. Für ihn gab es nur sich selbst, und es war befriedigend gewesen, einen Körper zu haben.
Aber dann war ihm dieses verfluchte Zeug in die Quere gekommen, und nun saß er hier, eingesperrt, ausweglos, um seine Freiheit kämpfend. Egal was es war, er würde seine Chance nutzen, und wenn sie noch so klein war. Er versuchte das Gewebe zu durchbrechen, das die Magie um ihn gesponnen hatte, um ihn einzusperren. Er war stark. Er konnte es schaffen. Er war sich sicher, dass es nicht mehr lange dauern würde. Das Gewebe veränderte sich ständig, verlagerte sich von einem Ort zum anderen, immer dorthin, wo er gerade war. Er musste es überlisten. Wenn es sich so stark bewegte, dann gab es immer Stellen, die Schwachpunkte waren. Er musste diese Schwachpunkte nur finden und hindurchbrechen ... also zischte er von einer Stelle zur anderen, versuchte schneller zu sein als das Gefängnis und eine Fluchtmöglichkeit zu finden ...
Halt! Was war das? Wie ein Adler sich auf eine Maus stürzt, stürzte er sich nun auf das Gewebe, in dem er etwas entdeckt hatte.
Schwachpunktschwachpunktschwachpunktschwachpunkt. Er umklammerte es, begann daran zu nagen, sich hindurchzufressen, obwohl ihm von der Magie fast übel wurde. Aber er würde es schaffen ... ~/i
~
Drip. Drip. Drip.
Das monotone Geräusch, wenn die von der Decke fallenden Wassertropfen in die Pfütze platschten, hatte sie irgendwann schläfrig gemacht, so dass sie sich auf dem Heuhaufen zusammengekauert und den Kopf auf die Knie gelegt hatte. Sie spürte das kalte Leder um ihren Unterarm noch immer, und trotzdem wusste sie nicht, ob es eine weise Entscheidung gewesen war, den Dolch um ihren Arm zu schnallen und den Pullover drüber zu ziehen. Nun, getan war getan. Und im Moment fühlte sie sich nicht fähig, irgendetwas zu tun außer dazusitzen und zu dösen. Also blieb der Dolch vorerst, wo er war.
Drip. Drip. Drip.
Das Heu stach ihr in den Hintern und den Rücken, es war kalt und ungemütlich und sie war eigentlich viel zu aufgeregt um zu schlafen. So ein Mist. Dabei war Schlaf vielleicht das, was sie im Moment am nötigsten hatte. Außer natürlich einem Federbett, eine Portion Spaghetti mit richtig viel Tomatensoße und Parmesan, ein riesiges Glas eisgekühlte Cola, ein gutes Buch zu lesen oder ihren Walkman ... ouf. Jetzt driftete sie vollends in die Traumwelt ab.
Tock. Tock. Tock.
Minu schrak auf, als sich hinter der Biegung Schritte näherten. Sie kämpfte sich an den Rand des Bewusstseins zurück, rappelte sich auf und trat hastig ans Eisengitter. An der Kurve konnte sie den flackernden Lichtschein einer Kerze oder Fackel sehen und darin den schwarzen Schatten ihres Trägers, und sie verhielt sich so ruhig wie möglich. War das etwa Lumien? Sie hatte keinen Menschen mehr gesehen, seit er sie hier eingesperrt hatte. Wie lange das wohl her sein mochte ... Es mussten Stunden sein. Sie war sich sogar sicher, dass inzwischen eine ganze Nacht vergangen war, obwohl sie jegliches Zeitgefühl verloren hatte. Was hatte Link währenddessen gemacht? War er schon unterwegs, um sie zu retten? Oder war er vielleicht sogar froh, sie auf diese Weise losgeworden zu sein? Verzweiflung überkam sie. Sie umklammerte die Gitterstäbe.
"Lumien?", rief sie mit zitternder Stimme. "Wieso tust du das? Wieso sperrst du mich hier ein?! Sag mir wenigstens, ob ihr Link auch habt oder ob der noch draußen rumrennt!"
Als Antwort kam nur ein Lachen. Bildete sie sich das ein oder war da ein bitterer Unterton drin? Na ja, was auch immer. Vielleicht wurde sie ja iwirklich/i verrückt.
"Fragt mich was anderes, Fräulein", sagte seine Stimme schließlich.
Sie überlegte. Na gut. Wenn er es so haben wollte, dann sollte er es auch kriegen. "Wie viele Fragen hab ich?", schrie sie herausfordernd. "Ich hab zu Hause im Zwanzig-Fragen-Spiel auch immer gewonnen, also nimm dich -bloß- in Acht, Lumien, du ekelhafter Schuft!!!"
Er lachte wieder nur. "Eine Frage, Fräulein. Eine Antwort."
"Wie viel Uhr haben wir?"
Oh Gott. Klar. Supertoll, Minu. Echt. Das erste und bescheuertste, was dir einfällt. Argh. Sie hätte sich selbst ohrfeigen können.
"Es sind die frühen Morgenstunden. Gleich wird es draußen hell. Also wenn das das einzige ist, was Euch Sorgen macht ..."
Plötzlich näherten sich weitere Schritte. Zum ersten Schattenriss gesellte sich ein zweiter, und Minu machte sich unwillkürlich klein. Das war sicher ein Mitglied von Lumiens elender Räuberhorde.
"Was soll ich tun, Boss? Ihr habt mich hergerufen."
"Ich brauch jemanden, der das Mädchen bewacht, während wir den grünen Sack mit der schwulen Zipfelmütze suchen."
Was?! Grüner Sack mit schwuler Zipfelmütze? Oh. Ihr ging ein Licht auf. Die meinten sicher Link.
"Aus der Zelle bricht die sicher nicht aus", sagte der andere Mann. "Kann ich nicht mitmachen? Der Typ ging mir vorhin schon so auf die Nerven."
"Auf keinen Fall, Tak." Lumiens Stimme war scharf. "Ich will auf Nummer Sicher gehen. Wenn sie doch ausbricht, dann haut mein ganzer schöner Plan nicht hin. Also schwing deinen Arsch gefälligst auf den Hocker da und pass auf, dass sie brav drinnen bleibt, kapiert?! Und wehe, ihr passiert etwas!"
"Ja." Die Stimme klang unterwürfig, aber etwas genervt.
"Und hör auf mich so durchdringend anzustarren, wie du es gerade tust", sagte Lumien böse. "Wo wir grade von grünem Sack mit schwuler Mütze sprechen - hast du das Schwert in die Waffenkammer gebracht?"
"Ja. Wie Ihr befohlen hattet."
"Braver Junge." Lumien lachte. "Nun denn, ich trommle dann mal die anderen zusammen. Je eher das über den Tisch ist, desto besser. Vielleicht können wir ihn ja gefangen nehmen und zum Mädchen stecken ... herrlich, wie mein lieber Bruder sich dann quälen wird! Göttlich. Tja. Wir machen uns dann mal auf die Socken."
Minu sah, wie der erste Schattenriss kurz zum Abschied die Hand hob. Dann entfernte er sich mit großen Schritten. Der zweite Mann trat um die Biegung und blieb stehen. Gegenseitiges Mustern brach aus.
Er war etwa so groß wie Link und hatte kohlpechrabenschwarze Haare. Seine Kleidung war befleckt und an einigen Stellen zerrissen. In der Hand hielt er einen Kerzenleuchter. Zweifelnd starrte er sie an.
"Also dich soll ich vom Ausbrechen verhindern", knurrte er schließlich und setzte sich auf den Hocker. "Pff, das soll wohl ein Witz sein. Du siehst nicht mal so aus, als könntest du ein Schwert schwingen."
"Pass auf, was du sagst", zischte Minu und starrte ihn durch die Gitterstäbe hinweg so giftig an, wie sie nur irgend konnte - und sie konnte giftig gucken, dass es unglaublich war. Er zuckte überrascht zusammen. "Ich mach dir gleich Feuer unter deinem schicken Hintern, wenn du sexistischer Chauvi auch nur noch ein Wort in diesem lächerlich künstlich herablassenden Tonfall fallen lässt, der so gar nicht zu dir passt, Bubiface, hast du das verstanden?"
"Von dir muss ich mir nichts sagen lassen!", sagte er aufgebracht. "Du bist eine Frau und eine Gefangene dazu, und ich habe hier die Macht! Ich kann mit dir machen, was ich will!"
"So", sagte Minu spitz. "Und wer hat dir dazu die Erlaubnis gegeben? Dein Chef etwa? Ich hab eure ganze Unterhaltung mitbekommen. Mir soll nicht das kleinste Härchen gekrümmt werden."
"Der Boss hat einen Narren an dir gefressen", brummte er wütend und grinste plötzlich anzüglich, "aber wenn ich irgendetwas mit dir mache, dann wirst du sicher nichts sagen, oder?" Ein dreckiges Lächeln zog über sein Gesicht.
"Da kannst du aber Gift drauf nehmen, dass ich dem Arschloch jedes kleine Detail berichten werde", keifte Minu. "Ich weiß auch gar nicht, was dir Grund zur Annahme gibt, ich würde nichts sagen!"
"Wenn ich dir die Zunge rausschneide, wirst du ja wohl kaum die Möglichkeit bekommen, etwas zu sagen."
"Oh Gott, wie blöd ibist/i du eigentlich?! Dann merkt er, dass du mir was angetan hast", fuhr Minu ihn an. "Wenn ich die Fresse voller Blut habe, wird das irgendwie auffallend sein, oder?!"
Plötzlich weiteten sich ihre Augen. Sie riss den Mund vor und stieß hart die Luft aus, dann krallte sie ihre Arme um den Bauch und sank auf die Knie, nur um sich dann unter Schmerzen stumm wieder aufzubäumen.
~
Din schrie laut auf.
~
Tak fuhr hoch und starrte sie entgeistert an. Was war los?
i~Schwachpunktschwachpunktschwachpunktschwachpunktschwachpunkt~/i
Minu legte den Kopf in den Nacken und kreischte trommelfellzerreißend. Ein erneuter Krampf durchfuhr sie, stechend wie ein Messer im Bauch, wie eine Lanze in der Lunge, wie ein Pfeil im Kopf, wie ein Gift, dass sie langsam von innen zerfraß. Sie wurde von Wehe um Wehe glühend heißen Schmerzes geschüttelt, ihr Innerstes schien sich nach außen zu drehen und ihr äußeres nach Innen. Ihre Gedärme fingen Feuer, durch ihre Adern floss rote Glut, sie schien zu brennen, brennen, brennen, BRENNEN!
i~Zerstörenzerstörenzerstörenzerstörenzerstörenzerstören~/i
"Mein Gott, was ist mir Euch los?", brüllte Tak entgeistert. Scheiße! Genau während seinem Dienst überkam die Gefangene ein epileptischer Anfall oder was auch immer! Das würde dem Boss nicht gefallen.
i~KontrolleübernehmenKontrolleübernehmenKontrolleübernehmenKontrolleüberne hmenKONTROLLEÜBERNEHMEN~/i
"NEIIIIIIN!!!"
Sie wusste, was kommen würde. Trotz all dieser furchtbaren Schmerzen, die ihre Sinne hätten vernebeln sollen, war ihr Kopf klar wie Wasser aus einer frischen Quelle. Sie wusste, was geschah. Sie wehrte sich dagegen. Aber sie war zu schwach.
~
Din kreischte, kreischte, kreischte, ihr Kopf schien zu explodieren und sie sank am Türrahmen zusammen, aus dem sie gerade erst getreten war. Mit beiden Händen umklammerte sie ihren Kopf, spürte den Schmerz in jede Faser ihres Selbst dringen und brach unter ruckartigen Krämpfen direkt vor den Füßen des fassungslosen Ladenbesitzers zusammen.
~
i~Frei, frei, er war frei! Wie ein fliegender Komet schoss er aus seinem Gefängnis, schoss bis in die entlegendsten Ecken dieses Körpers, bereit, ihn zu übernehmen, Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle, KÖRPER! KÖRPER! KÖRPER!~/i
Tak fiel ein Stein vom Herzen, als das Mädchen aufhörte zu schreien und in sich zusammenfiel wie ein Luftballon, den man mit der Nadel piekst. Nur - jetzt regte sie sich gar nicht mehr. War sie etwa tot? Ungläubig trat er ans Gitter heran. "Fräulein?", fragte er vorsichtig.
Wo war sie? Behutsam richtete sie sich auf, stützte sich auf ihre Arme und sah sich um. Grau. Stein. Kalt. Ihre milchigen, weißen Augen nahmen alles noch schärfer wahr als sonst. Ihr Blick fiel auf ihre Finger, und langsam bewegte sie sie. Sie richtete sich auf und grinste schräg. Kontrolle! Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr. Sie schoss herum und fixierte den Menschen, bis ihr das Gitter auffiel. War sie eingesperrt? Ein unmenschliches Knurren entwich ihr, und sie riss die Augen auf. Der Mensch wich zurück, doch sie war schneller. Sie schoss hoch, ihre linke Hand fuhr durch das Eisengitter, und ihre Finger schlossen sich um seinen Hals. Er zuckte zusammen, doch es war zu spät; sie hatte ihn in ihrer Gewalt. Plötzlich wusste sie, dass sie noch eine Waffe besaß, und sie zog mit der freien Rechten den Dolch vom Unterarm und setzte seine scharfe Klinge an die Kehle des Mannes.
"Du, Mensch", zischte sie so verächtlich, dass die Temperatur zu sinken schien. "Wo bin ich? Sprich!"
"Fräu...lein?", keuchte er. "Was ... ist mit Euch ge...schehen ... ?"
"Wo bin ich? Sag es mir, bevor ich dir die Kehle durchschneide, du niederes Wesen!"
i~Machtmachtmachtmachtmachtmachtmacht~/i
"I-im un-unterirdischen Diebespa-palast", stammelte er.
"Wie ist dein Name?!"
"Tak."
"Tak", fauchte sie und trat so nah an ihn heran, dass sie seinen Atem an ihrem Gesicht spüren konnte. Er schwitzte. Ihre überirdische Sehkraft ermöglichte es ihr, in der Dunkelheit seine Schweißperlen zu sehen, und waren sie noch so klein. "Diese Zelle ist erbärmlich." Behutsam ließ sie den Dolch an seiner Kehle entlang streichen. Ein perfekt runder Blutstropfen quoll hervor, und er kiekste in panischer Angst auf und versuchte sich zu befreien. Sie war stärker. "Sie ist meiner nicht würdig. Ich befehle dir, mich hinauszulassen."
"Ich - ich darf nicht, der Boss hat - akh ... !!"
Sie drückte ihre Finger zusammen. "Das ist für mich von Unwichtigkeit! Lass mich aus dieser Zelle hinaus, oder du hast das Tageslicht zum letzten Mal gesehen."
"Fräulein!", sagte er erstickt, doch seine Hand wanderte zu seinem Gürtel, an dem ein großer Schlüssel hing. Kraftlos schloss er die Tür auf, und sie trat aus der Zelle, ohne ihn loszulassen. "Dieser in der Erde versenkte Palast ist mir zuwider! Ich wünsche ihn zu verlassen."
i~Gib ... mir ... meinen ... Körper ... zurück!~/i
Das Unterbewusstsein des in diesem Körper verankerten Geistes meldete sich zu Wort. Der Schatten begann es zu bekämpfen.
i~Nie!~/i
i~Gib ihn mir wieder!~/i
i~Nie!~/i
Während er Tak an die Wand drückte und sich überlegte, was er am besten tun sollte, schwieg es kurz. Plötzlich tauchte ein Bild in ihm auf, vermutlich vom Unterbewusstsein heraufgerufen. Er erkannte den Schwertkämpfer, den Begleiter dieses Körpers. Bis jetzt hatte er den Leib noch nicht dazu zwingen können, ihn zu töten, aber sobald er seine nächste Chance hatte, würde er sie erfolgreich nutzen. Der Mensch war gefährlich. Er konnte mit seiner Willenskraft die eigentliche Seele seines Körpers zur Rückkehr zwingen. Er spürte etwas wie ein menschliches Lachen in ihm.
i~Ohne mich kommst du nicht hinaus.~/i
i~Das wollen wir sehen! Ich werde diesen Menschen töten und mir meinen Weg bahnen! Halt still! Sonst treffe ich seine Halsschlagader nicht!~/i
i~Mit einem Dolch kannst du dir deinen Weg nicht gegen eine Horde bis an die Zähne bewaffneter Räuber erkämpfen! Du brauchst ein Schwert.~/i
i~Hier gibt es keine Schwerter! Ich werde sie mit diesem Dolch alle töten!~/i
i~Das schaffst du nie!~/i
i~Ich werde es dir an diesem Menschen beweisen.~/i
"Nun werde ich dich töten", knurrte sie und senkte den Dolch langsam an seinen Hals. Tak schloss in ohnmächtiger Angst die Augen. Der Tod, der Tod ... !
i~Halt ein! Er kann dir ein Schwert geben, du Narr!~/i
Der Schatten hielt inne und erstarrte. i~Ein Schwert?~/i
i~Genau, du Depp, genau, hat es dich jetzt endlich erreicht, ja?! Er hat vorhin eins gestohlen und in die Schatzkammer gebracht. Er soll dir sagen, wo es ist!~/i
i~Vielen Dank~, sagte der Schatten höhnisch, nahm einen Teil seiner Kraft zusammen und sperrte das Unterbewusstsein in irgendeine ferne Ecke seines Geistes. Es schrie empört auf, doch bevor es wusste, wie ihm geschah, war es gebändigt und musste gezwungenermaßen aufgeben.
"Du!" Sie spuckte Tak die Worte entgegen. "Du hast vorhin ein Schwert gestohlen! Wo hast du es hingebracht? Führ mich zu dieser Stelle."
Er schnaubte. "Dazu lasst mich los!"
"Auf keinen Fall!", zischte sie. "Versuche nicht, mich für dumm zu verkaufen! Du würdest versuchen zu fliehen. Das kann ich nicht dulden."
"Argh ..." Er überlegte rasch, doch schließlich nickte er. Sie ließ ihre Hand sinken, doch kaum hatte er sich umgedreht, krallte sie ihm ihre Finger in den Nacken und hob den Dolch. "Hiermit werde ich dir das Leben aus dem Körper stechen, wenn du etwas falsches machst", drohte sie mit rauer Stimme. "Jetzt geh und zeig mir, wo das verdammte Schwert ist."
~
Der Laden war klein und eng, und kaum dass sie ihn betreten hatten, fühlte Link sich eingeengt und bedrängt. An den Wänden waren in hölzernen Halterungen unzählige Schwerter, Schilder und andere Waffen befestigt, so viele, dass man die Wand dahinter nicht mehr sehen konnte. Gegenüber der Tür stand vor einer zweiten Tür, die ins Hinterzimmer führte, ein riesiger Tisch, der mit Waren genauso zugekleistert war wie die Wände.
Lumien kannte offenbar den Ladenbesitzer, den kaum trat er ein, eilte er zu dem Mann hinüber und schüttelte ihm die Hand, während Link sich erst einmal umsah. Hmm. Ob die Waffen hier etwas taugten?
Lumien winkte ihn zu sich hinüber.
"Das ist Osgrim", stellte er den Ladeninhaber vor. "Osgrim, Link." Er räusperte sich, während Osgrim Link unter seinen buschigen, dunklen Augenbrauen hervor misstrauisch beäugte. Link fühlte sich sehr unwohl unter dem Blick des gebeugten Mannes. "Osgrim, wir suchen zwei Schwerter", sagte Lumien schließlich. Link sah ihn überrascht an.
"Zwei!"
"Natürlich. Es ist meine Schuld, dass das Fräulein gefangen genommen wurde. Ich muss mithelfen sie zu retten." Lumien blickte starr geradeaus.
Link seufzte. Lumien schien dazu zu tendieren, alle Schuld auf sich zu nehmen. Trotzdem nickte er. Er konnte wahrscheinlich alle Unterstützung gebrauchen, die er haben konnte.
"An was habter gedacht?", krächzte Osgrim. Er hatte eine raue, heisere und unsympathische Stimme. "Ick führ alles. Wollter och 'n Schild?"
"Nein." Link schüttelte den Kopf. "Für mich nicht, ich hab noch ein Spiegelschild, das ... VERDAMMT!" Er hieb mit der Faust auf den Tisch, als ihm einfiel, dass Larien auch das Pferd gestohlen hatte - und somit alles, was sich in den Satteltaschen befunden hatte. Seine ganze Ausrüstung. "Ja, wir brauchen Schilder", knirschte er wutentbrannt. "Diesen Mistkerl mach ich ifertig/i ..."
"Also zwei Schilder und zwei Schwerter. Möglichst gute", sagte Lumien. "Für mich eins mit Ledergriff, aber ich weiß nicht, welche Größe mir passt ... was sagt Ihr?"
"Wat zwischen middel und groß. Eher middel. Für den jungen Herrn in Grün wird's aber schwierich wern", schnarrte Osgrim unfreundlich. "Schwerter in seiner Größe hab ick nich viele da. Pech jehabt. Welcher Griff?"
"Metall, bitte", sagte Link unbehaglich. "Aber ich -"
"Hier warten", grunzte Osgrim mürrisch und verschwand ins Hinterzimmer. Für eine Weile war metallisches Klirren zu hören.
Link betrachtete Lumien aufmerksam. "Hast du eigentlich schon mal mit dem Schwert gekämpft?"
Lumien nickte. "Mein Vater war Schwertkampfmeister und hat mich bis zu seinem Tode unterrichtet. Allerdings hab ich nie selbst ein Schwert besessen. Ich hoffe bloß, ich bin nicht allzu eingerostet."
Link grinste. "Wenn ja, dann bleibt dir nichts anderes übrig, als das schleunigst zu ändern. Immerhin stürmen wir heute zu zweit ein Räubernest."
Über Nacht hatte Lumien Link alles erzählt, was er über die Machenschaften seines Bruders wusste. Dabei war Link aufgefallen, dass der Braunhaarige nie über sich selbst redete. Schließlich hatte er ihn gefragt, wie er selbst denn seinen Lebensunterhalt verdiene, und Lumien hatte erklärt, er arbeite größtenteils erfolgreich als Stadtführer. Trotzdem nahm er wohl immer wieder Aufträge als Botengänger oder Lohnarbeiter an, wenn es ihm angeboten wurde. Zu Zeiten half er in Gaststätten, Kneipen oder Herrenhausküchen aus.
Osgrim kehrte mit sechs verschiedenen Schwertern zurück und ließ sie vor ihnen auf den Tisch fallen. "Da", hustete er. "Müsster aber selbst rausfindn, welches passt. Dat da is' für dich janz gut, gloob ick." Er sah zu Lumien und deutete auf ein Schwert mit kunstvoll gearbeitetem Ledergriff.
Lumien nahm es probeweise in die Hand und ließ es ein paar Mal durch die Luft fahren. Dann schüttelte er stirnrunzelnd den Kopf und legte es wieder hin. "Nein", sagte er. "Zu leicht. Ein bisschen Gewicht muss schon da sein."
Link ließ seinen Blick über die verschiedenen Metallgriffe gleiten und griff sich schließlich eins der Schwerter hinaus. Es war groß und simpel. Er hielt es in prüfend in der Hand und ließ seine Finger über die Klinge fahren. Sie war stumpf. Er schnaubte und legte es zu den anderen zurück, bevor der den Blick erhob und Osgrim in die Augen sah. "Ist das ein Witz? Verkauft Ihr Euren Kunden nur stumpfe Schwerter?"
"Beruhigt Euch, Link", sagte Lumien schneidend. "Wir wollen keinen Streit anfangen. Ich bin davon überzeugt, dass es ein Versehen war. Nicht wahr, Osgrim?"
Osgrim schnaufte. "Wenner nich zufrieden seid, dann sucht Euch doch n anderen Schwertladen ... Ick bin sijjer, Ihr werdet keenen finden." Er grunzte selbstgefällig.
Link verbiss sich jegliches Kommentar und senkte die Augen zu den Waffen auf dem Tisch. Schließlich blieb sein Blick an einem der Schwerter hängen. hängen. Er zog es unter den anderen hervor und hielt es ans Licht. Es war nicht sehr groß und glänzte stumpf. Der Griff war mit braunem Leder umwickelt.
"Det is, wat ich ne jute Waffe nenn!", sagte der Verkäufer sofort. "So unsembadisch, wie de bis', n judes Ooge für Schwerter hasse, Junge. Det hat früjer dem letzten Bürgermeister von Trori jehört, biser ermordet wurde. Dat war ne janz trajische Geschichte." Osgrim schüttelte fast bedauernd den Blick, als seine kleinen Schweineäuglein das Schwert musterten. "No jo, weilet eben dem Stadtherren jehört hat, willet niemand haben. Die sin' hier alle sehr abergloobisch, die Trorianer. Die globen, die werden ooch ermordet, wenn se dat Schwert da ham. So wat wie n Fluch oder wat."
Link wog es vorsichtig in der Hand. Es hatte fast das richtige Gewicht, nur war es ein bisschen zu leicht, und allemal zu klein für ihn. Was mochte dieser Bürgermeister wohl für ein Mann gewesen sein? Er ließ es versuchsweise die Luft zerschneiden und war überrascht, wie gut es sich trotz seines Gewichtes und seiner Größe anfühlte. Trotzdem, wenn er damit kämpfte, dann hatte er eine zu kleine Reichweite für seine Größe. Kopfschüttelnd ließ er es sinken und erklärte den anderen - insbesondere Lumien und weniger Osgrim - was er dachte.
Lumien nickte bedächtig. "Du könntest Recht haben." Ein Grinsen zog über sein Gesicht. "Leg es am Besten erst mal zurück und schau, ob du ein anderes findest. Wie teuer soll das hier sein?" Er wandte sich an Osgrim und deutete auf die Klinge, die er währenddessen ausprobiert hatte.
"Gut", seufzte Link und legte das Schwert etwas abseits der anderen auf den Tisch.
"Fümfzich Rubine", sagte Osgrim. "Da gibbet ein passendes Schild für, dat wurde ingwie nur im Doppelpack herjestellt. Ick jeh eben in den Hinterraum und schau mich um, ob ick et noch da hab." Fragend sah er zu Link hinüber. "Soll ick für dich ooch mal schaun, ob ick noch wat da hab, dat dir passt? N Schwert und n Schild?"
Link nickte.
Osgrim verschwand im Hinterzimmer und kehrte kurz darauf mit zwei Schildern und zwei Schwertern zurück. Er drückte Lumien eine der Schutzwaffen in die Hand und breitete den anderen Kram vor Link auf dem Tisch auf. Abwägend betrachtete Link sie. Eins der Schwerter nahm er sogar in die Hand, legte es jedoch gleich wieder auf den Tisch, weil es um Tonnen zu leicht war. Mit dem Schild war er zufrieden.
"Habt Ihr nicht noch andere Schwerter in dieser Größe da?", fragte er schließlich.
"Näh." Osgrim schüttelte den Kopf. "Dann müsster doch dat Bürgermeisterschwert nehmen. Steht Euch aber jut. Dat macht dann allet in allem -", er rieb sich die Hände und legte die Stirn in tiefe Furchen, "hunnertsiebzich Rubine."
"Woah!", entwich es Link. "Was, so viel?!"
"Ich übernehme das", sagte Lumien hastig und trat lächeln zwischen die beiden. "Ich hab vom letzten Stadtrundgang noch was da. Also zusammen waren das -"
"Ich bezahle meinen Kram selber", presste Link zwischen den Zähnen hervor. "Derzeit hab ich kein Geld, aber ich gebe es dir zurück. Das schwöre ich."
Lumien musterte ihn kurz, dann grinste er wieder und legte das Geld auf den Tisch. "Nun gut, wenn Ihr darauf besteht! Man soll einen Mann nicht von seinen Überzeugungen abbringen. Das macht dann in ferner Zukunft mal fünfundachtzig Rubine für mich."
Link verfluchte seinen Edelsinn.
Kaum hatten sie neu bewaffnet das Geschäft verlassen, fühlte er sich plötzlich dermaßen erleichtert, dass es ihm wie ein Segen vorkam. "Wie kannst du nur bei diesem Typen einkaufen?", fragte er vollkommen verständnislos. "Der ist doch so was von unsympathisch, dass -"
"Ich würde ja auch nicht mehr da hingehen", seufzte Lumien.
"Und wieso tust du's dann noch?!"
"Weil Osgrims der einzige Schwertladen in der ganzen Stadt ist. Und das weiß er. Überall anders hätten wir den Kram mindestens zehn Rubine billiger bekommen."
Link stöhnte und griff sich an den Kopf.
~
"Das ist des Schwert des grünen Helden!", entfuhr es ihr ungläubig.
Tak hatte sie unter diversen Schweißausbrüchen in die Schatzkammer seines Herrn geführt und ihr das Schwert überreicht, das er am Abend zuvor Link gestohlen hatte. Der Weg hierhin war überraschenderweise sehr leicht gewesen. Einmal wahren sie einem kleinen Grüppchen von Räubern begegnet, doch sie hatten sich gerade im rechten Moment in einer Wandnische verbergen können, die glücklicherweise da gewesen war, wo sie war. Die Männer waren grölend an ihnen vorbeigezogen, ohne sie zu bemerken. Danach hatten sie ihren Weg durch den halbdunklen Korridor fortgesetzt. Sie hatte sich gefragt, weshalb so wenig von Lumiens Leuten hier unten waren, aber sie hatte keine Antwort finden können, und sie war viel zu beschäftigt mit sich selbst gewesen, als dass sie Tak gefragt hatte. Es war so überwältigend gewesen, einen Körper zu haben. Das Gefühl der Macht, das sie über den verängstigten Mann ausübte, hatte ihr regelmäßig ein angenehmes Kribbeln durch den ganzen Körper geschickt. Dies war ihre wahre Gesinnung, war sie zum Ergebnis gekommen; einen Körper zu besitzen und Macht auszuüben. Sie musste es irgendwie schaffen, die alte Seele zu vertreiben, um selbst die Kontrolle zu übernehmen. Nur wie?
"Ich habe es gestern Abend Eurem Begleiter entwendet", stammelte Tak. Er fühlte sich sichtlich unwohl. "Es ist - es ist das Beste, das wir hier haben."
Sie ließ ihren Blick über den restlichen Inhalt des Raumes schweifen und musste ihm wohl oder übel zustimmen. Die meisten der hier liegenden Schwerter waren verbogen, verrostet oder hatten zerkratzte Klingen, die ihrer nicht würdig waren. Bei manchen war das Heft abgebrochen, bei anderen die Spitze der Klinge. Links Schwert war so ziemlich das einzige, das etwas taugte. Sie wandte sich wieder an ihn, und erneut zuckte er vor ihren blinden Augen zurück.
"Ich brauche ein Schild", sagte sie herablassend. "Ich brauche das beste Schild, das ihr habt. Welches ist es?"
"D...dort." Zitternd zeigte er auf die gegenüberliegende Wand. Auf die Anordnung seines Herrn hatte er das Spiegelschild, das im Gepäck des gestohlenen Pferdes gewesen war, dort an einen Haken gehängt.
Sie ging hinüber und nahm es ab. Dann drehte sie sich um.
"Ich befehle dir nun, mir den Ausgang zu zeigen", sagte sie herrschend.
Tak schluckte. "Dann bringt mich der Hauptmann um."
"Ist es dir vielleicht lieber, wenn iich/i dich umbringe?" Ihre Finger schlossen sich um den Griff und sie wog das Schwert schätzend. Für diesen Körper wäre es ein wenig zu schwer gewesen, aber mit der Kraft des Schattens ließ es sich perfekt handhaben. Sie ließ den Dolch in die Scheide an ihrem Unterarm zurückgleiten und zog den Pulloverärmel darüber, so dass niemand die versteckte Waffe sah. Dann richtete sie ihren Blick auf Tak.
"So. Und jetzt zeig mir, wo es hinaus geht."
Der Gang war leer. Das Fackellicht wurde wie von einem gespenstischen Windzug hin- und hergeworfen, und der Schein flackerte ständig. Ihre Schritte hallten im Tunnel wieder, und es war grausig kalt. Tak zitterte, aus Angst und Kälte. Minus erkaltete Nerven nahmen nichts wahr. Wenn der Schatten die Oberhand hatte, spürte sie nichts - auch nicht die Schmerzen, die Din zu diesen Zeiten erlitt. Der Schatten blockte alles ab.
Schließlich kamen sie an eine Kreuzung.
"Wie lange ist es noch bis zum Ausgang?", fragte Minu ungeduldig. "Armselig ist es hier unten. Ich wünsche dieses Tunnelsystem zu verlassen."
"Ja ... Fräulein", sagte Tak zögerlich und spinxte um die Ecke. "Es geht nach rechts ... jetzt."
Wieder schien der Weg ewig zu sein. Auch Minu zitterte langsam. Ihre Schritte wurden schwacher und unentschlossener, je weiter sie liefen, und die sonst so scharfe Sicht verschwamm vor ihren Augen. Der Schatten fluchte innerlich. Hatte er wirklich nur noch so wenig Zeit? Er wusste, er konnte diesen Körper nicht ewig in Besitz nehmen, dazu fehlte ihm noch die Kraft. Aber noch konnte er sich nicht zurückziehen. Wenn er jetzt floh, dann würde das unsichtbare Gefängnis ihn wieder einsperren, denn es war immer noch da, es lebte noch ... er musste es schnellstmöglich beseitigen. Erst dann würde er sich sicher fühlen. Doch zuerst musste er durchhalten, bis er diese stinkende Dunkelgrube verlassen hatte.
Endlich kamen sie an ein Ende des Tunnels, und der Räuber deutete unentschlossen auf metallene Sprossen, die jemand in die Wand geschlagen hatte. Minu legte den Kopf in den Nacken. Die Decke bestand aus Holz.
"Wenn Ihr diese Falltür öffnet, gelangt Ihr in einen Hinterhof", erklärte er. "Von dort aus müsst Ihr über eine Mauer klettern. Dann befindet Ihr Euch im Stadtzentrum. Im Karneval", fügte er hinzu.
"Du bist mir nun nutzlos", zischte Minu und schnallte sich die Schwertscheide auf den Rücken. "Lauf, lauf so schnell du kannst! Lauf bloß weg, sonst bringe ich dich um!"
Tak erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde. Da war diese fürchterliche Entschlossenheit in den Augen des Mädchens - sie meinte es ernst, bitterernst. Ohne mit der Wimper zu zucken würde sie ihn umbringen. Er drehte sich um und rannte davon.
Minu schnaubte verächtlich. "Feige Menschen. Ich hätte ihn doch umlegen sollen. Wenn er jetzt den Rest der Meute auf mich hetzt ... aber nein! Er muss es zuerst seinem Obermann beichten."
Sie kletterte die Treppe hinauf, stieß die Tür auf und zog sich auf den sandigen Hof hinaus. Das Licht blendete in ihren Augen; es schien Mittag zu sein oder Vormittag, die Sonne stand hoch am Himmel. Von nahem konnte sie laute, aufgeregte Stimmen hören wie von einer großen Menschenmasse. Tak hatte nicht gelogen. Dort hinter der Mauer befand sich das Stadtzentrum.
Sie schlug die Falltür mit Schwung hinter sich zu, sah sich um und entdeckte die Mauer, von welcher der Mensch geredet hatte. Nur noch diese läppische Mauer, und sie war frei.
Ihr wurde schwindelig. Ihre Sicht wurde mit jedem Schritt milchiger, und sie taumelte. Keuchend sank sie auf die Knie. Kein langer Weg mehr. Nur noch so kurz. Das schaffte sie jetzt auch noch.
Minu kämpfte sich wieder hoch und grub ihre Finger in den bröckeligen Stein der Mauer. Sie zog sich daran hoch und erklomm die Wand rasch. Oben verharrte sie kurz still und ließ ihren Blick über die unzähligen Köpfe wandern und über die Stände, die man hier auf dem riesigen Platz aufgebaut hatte mit exotischen Früchten, Töpfen, Souvenirs und Snacks. Jongleure, Narren und Menagerien gab es, verkleidete Menschen, Kinder, die Spaß hatten. Eigentlich hatten alle Spaß.
Minu runzelte verächtlich die Stirn, richtete sich auf und sprang von der Mauer.
Mitten im Sprung verließ den Schatten seine Kraft. Er brüllte erzürnt und wurde wie von einem Staubsauger ins Gefängnis zurückgesogen. Minu aber schrie gellend auf, verlor das Bewusstsein und schlug hart auf den Boden.
Sofort ringten sich Leute mit besorgten Gesichtern um sie. Eine etwas korpulentere Frau bückte sich und stieß sie behutsam an. "Fräulein? Seid Ihr wohlauf?"
Minu stöhnte.
"Sie lebt noch", zischte die Dicke wichtigtuerisch zu den anderen und ging in die Hocke. "Kann ich etwas für Euch tun?"
Minu murmelte etwas.
"Was?" Die Frau beugte sich hinab.
Murmel, murmel.
Mit erstauntem Gesicht richtete sie sich wieder auf und sah die anderen an. "Sie gibt unsinnige Dinge von sich! Vielleicht hat sie sich den Kopf gestoßen!"
"Was sagt sie denn so?", erkundigte sich jemand aus der Menge.
"Kocka Kohlah ..." Mit gespanntem Gesicht hörte sie Minu zu. "Ew ... Ewannessenz ... Ibäi ... das hört sich ja gemeingefährlich an! Ist sie vielleicht eine Hexe? Oh, und sie sagt: Link ... was ist ein Link? - und dann sagt sie noch: Wo bist du?"
"Wir müssen sie zu Bewusstsein bringen!", rief jemand, stürzte vor und lehnte Minu aufrecht an die Wand. Eine andere Frau legte ihr einen feuchten Lappen auf die Stirn, jemand maß ihren Puls, wieder jemand sah sich nach Sanitätern um.
Plötzlich öffnete Minu die Augen. Sie starrte die anderen überrascht an. "Was ist passiert?", nuschelte sie schlapp.
"Ihr seid von der Wand gefallen", erklärte die erste Frau freundlich. "Und wir haben -"
Schlagartig fiel es Minu alles wieder ein. Lumien, die Entführung, die Zelle, Tak, und dann ... Blackout. Der Schatten. Er hatte wieder zugeschlagen. Was war mit der Medizin, hatte sie nicht gewirkt? Und wieso war sie nicht mehr in der Zelle? Sie riss die Augen auf. Der Räuberpalast unter der Erde! Sie war geflohen. Aahh. Die waren ihr sicher auf den Fersen.
Sie schrie laut, sprang auf, schüttelte alle helfenden Hände ab und stürzte davon. "IIIAAAHHHEEEOOOEEEIII!!!"
"Was für ein Wildfang!", sagte die erste Frau naserümpfend und stand auf. "Hat sich nicht einmal bedankt, aber rennt schon barbarische Schreie ausstoßend davon! Also nein, dass man jetzt auch schon den jungen Frauen Bier ausschenkt, hätte ich nicht gedacht."
~
Lola Marita war ein bildhübsches, junges Ding. Bildhübsch und reich. Bildhübsch, reich und mindestens ebenso hochnäsig, wenn nicht noch mehr. Sie war sich durchaus der Tatsache bewusst, dass sie zu den schönsten Maiden der Stadt zählte - manche sagten sogar, sie sei die allerschönste von allen - und dass sie unzählige junge Männer hatte, die ihr den Hof machten, machte die Sache nicht gerade einfacher. Natürlich gedachte sie nicht ernsthaft, einen von ihnen zu heiraten - das hätte ihre Herkunft auch gar nicht erlaubt - aber mit ihnen zu spielen, machte doch einigen Spaß. Seit sie klein war, hatte ihr Vater, der Bürgermeister von Trori, sie zum verschwenderischen Leben verwöhnt, und sie war nichts anderes gewöhnt. Was sie wollte, bekam sie. Und was sie hatte, war ihr nicht genug.
Der Karneval war ihr schon immer verhasst gewesen. Sie konnte diesen entsetzlichen, endlosen Frohsinn nicht ausstehen. Wo doch alle wussten, dass nach einer Woche alles vorbei war und jeder in den normalen Trott zurückkehrte! Außerdem war Fasching nutzlos. Zumindest ihr brachte es nichts. Wäre es nach ihr gegangen, hätte man das Narrenfest längst abgeschafft, aber leider ging es nicht nach ihr, und der Fasching war der einzige Punkt, in dem ihr Vater ihr nicht zustimmte. Er sagte immer, der Mummenschanz sei Tradition, und man könne ihn nicht einfach so streichen. Dann würde er ja bei der nächsten Wahl nicht mehr gewählt werden. Pah! Als ob das so wichtig sei. Geld hatten sie ja genug und Ansehen auch. Wozu also auch noch Bürgermeister sein? Humpf.
Gerade jetzt saß sie in ihrer türkisgrünen Sänfte und ließ sich mit verächtlichem Blick über den Marktplatz im Zentrum der Stadt tragen, um allen ihre Schönheit zu präsentieren. Normalerweise kamen von allen Seiten die Jünglinge herbei - zu dieser Zeit des Jahres die meisten in Verkleidung, argh - um ihr Blumen zu schenken. Natürlich wussten alle, wer sie war. Jeder wusste das. Immer von neuem gab ihr das ein sehr zufriedenstellendes Gefühl. Nur heute, heute schien etwas in der Luft zu liegen. Die meisten grüßten sie, aber wo waren die heißen Liebesschwüre, die Blumen und die schnulzigen Lieder, die man normalerweise für sie sang?
Ärgerlich und mit gerümpften Näschen beugte sie sich hinüber zu Jork, ihrem Ritter, der neben ihr auf einem nachtschwarzen Ross ritt, natürlich das beste, das zu haben war. Ihr Vater hatte Jork für sie ausgesucht und er war sehr zuverlässig. Natürlich würde sie sich nie in ihn verlieben können, für einen potentiellen Ehepartner war er einfach zu alt. Sicher schon über 30. Uff! Aber ein brauchbarer Rittersmann. Und sein Ritterschwur war aus ganzem Herzen gekommen. Vielleicht war er ja insgeheim auch scharf auf sie? Ach, wie niedlich! Jork, der verliebte Ritter.
"Wieso preisen sie mich heute nicht?", fragte sie in ihrer Arroganz verletzt. "Üblicherweise kann ich mich vor Blumensträußen und Heiratsanträgen kaum retten. Warum heute nicht?"
"Das weiß ich nicht, Fräulein Lola Marita", sagte Jork in seiner ernsten, etwas förmlichen Art. "Es ist einer der ersten Tage im Fasching. Vielleicht ist die Menge zu aufgedreht, um ..."
WHAM, BOOM, DANG, RUMS.
Irgendetwas hatte einen der zwei vorderen Sänftenträger umgerannt, der gegen seinen Mitmann gefallen war. Vor Überraschung hatten beide den Tragstuhl losgelassen und laut aufgeschrieen. Von dem lauten Gebrüll wurde Jorks Pferd kopfscheu und schlug heftig nach hinten aus; erschrocken ließ einer der hinteren Träger ebenfalls los, um den Hufen auszuweichen. Für eine Sekunde hing Lola Marita schief in der Luft. Dann rutschte sie unter hysterischem, extrem femininem Geschrei schräg nach vorne, aus der Sänfte hinaus und geradewegs in eine gigantische Matschpfütze hinein.
"HIIIIIIIIIIÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄCHHHHHHHHIIIIIIIIHHHHHHH!!!!!!!!!!!!!!!!!!"
Als ihr kleiner Geist in vollständigem Maße erfasste, was gerade geschehen war und iwo sie sich jetzt befand/i, brach sie in ein Geheul aus, das dem einer Robbe gleich kam. Ihre Tränenströme verteilten den Schlamm, der ihr bei ihrem Aufprall ins Gesicht gespritzt war, über ihre Wangen, und plötzlich sah sie gar nicht mehr schön aus mit ihren bematschten grünen Kleidern. Sie erinnerte an einen Spinatkuchen, den man mit alter Schokoladensoße dekoriert hatte, und genauso fühlte sie sich auch. Ihr Hang zur Übertreibung machte es nicht besser.
Jork stürzte vom Pferd, war sogleich zur Stelle und zog sie hoch.
"Fräulein Lola Marita!", sagte er ehrlich entsetzt. "Was ist denn geschehen, seid Ihr in Ordnung?"
"Neiiiheeeiiieiiin", jaulte sie unter sturzbachartigen Tränenbächen und fuhr sich dummerweise mit ihren Händen, mit denen sie versucht hatte, ihren Sturz abzubremsen, durch die Haare. "SEHT IHR DAS DENN NICHT?! Schaut mich an!! Ich bin r-u-i-n-i-e-r-t! Man hat mich z-e-r-s-t-ö-r-t, mir unsagbare Schande z-u-g-e-f-ü-g-t!! Ich bin nun hässlich! Hässlich!! H.Ä.S.S.L.I.C.H.! Unansehlich! UND MEIN KLEID IST AUCH ERLEDIGT! Meiner Psyche wurde ein enormer Schaden zugefügt und ich ... ICH WILL ZU MAMIIIHIII!!!"
Jork wandte sich zum Rest der Truppe, der aus den Sänftenträgern bestand.
"Ihr seid alle gefeuert! Und jetzt findet den Verantwortlichen", donnerte er, "oder ich schneide euch die Hände ab!"
Den Verantwortlichen hatte man offensichtlich bereits gefunden: Ein Mädchen, das sich vor Lachen nicht mehr halten konnte. Sie wurde vom dritten Tragsesselhalter festgehalten. (Augenscheinlich konnten die auch noch was anderes als Sänften tragen und fallen lassen)
"MWAAARHARRHARRMUAHAHAHAAAAMWAAAHHAAA!!! Was ist denn mit DER los?! Es geht aber noch, ja?! 'Ich will zu Mami', süüüß, hahahahaaaaa ha haaaa, wer ist die denn?!"
"Die Tochter des Bürgermeisters der Stadt Trori", sagte Jork und blickte das Mädchen durchdringend an. "Ich weiß nicht, wer Ihr seid, aber ich weiß definitiv, iwas/i Ihr seid: In großen Schwierigkeiten."
"Oh." Sie verstummte und riss die Augen auf. "SIE MÜSSEN MICH GEHEN LASSEN! Ich flehe Sie an, sonst - SONST KOMMEN UND HOLEN DIE MICH!! Lassen Sie mich GEHEN! Ich bin auf der FLUCHT!"
"Ihr seid nicht auf der Flucht", erklärte Jork ungeduldig. "Ihr seid verhaftet worden und zwar von mir, der Ritter des Fräuleins Lola Marita, Tochter des Bürgermeisters!"
"Maaann! Ich glaub, Sie begreifen nicht! Ich bin sehr wohl auf der Flucht und zwar vor so einer verkappten Diebesbande! Jetzt lassen Sie mich ilos/i", keifte Minu und trat nach hinten aus. Der Mann ließ sie nicht los.
"Diese Schande wirst du mir bitter bereuen!"
Anscheinend hatte Lola Marita sich wieder gefasst. Verschmutzt und geschändet wie sie war - sie war immer noch Tochter des Bürgermeisters und hatte hier das Sagen! Und diesem Dreckskind dort würde sie es zeigen!! So wahr sie hier stand! Sie streckte den Finger aus und zeigte wütend auf Minu, während sie sich mit der anderen Hand den Rock raffte. Ihre kunstvolle Frisur fiel auseinander. "Ich werde dir zeigen, was es heißt, mich, Lola Marita, die Tochter des Bürgermeisters, zu blamieren und das vor allen Leuten!"
"Du blamierst dich gerade selber, du sackige Trumm!", kreischte Minu empört.
Durch die gigantische Menschenmenge, die sich angesammelt, ging ein entsetztes Raunen. "Weibercatchen!", schrie jemand.
"Wo ist dein Ritter?!" Mit feurigem, fast irrem Blick sah sich Lola Marita um. "Ich sagte, WO IST DEIN RITTER?!"
"Ich hab keinen!", schrie Minu. "Lasst mich endlich looos!!"
~
Link und Lumien hatten das Wirtshaus gerade erst verlassen, als sie an einem Grüppchen von Menschen vorbeikamen, die sich angeregt unterhielten und es offenbar sehr eilig hatten, irgendwohin zu kommen. Link fing einige Gesprächsfetzen auf.
"Hast du gehört, die Verrückte ..." - "In der Stadtmitte?" - "Ja, auf dem Marktplatz, die der Tochter des Bürgermeisters ..." - "Sie sagt, sie hat keinen Ritter!" - "Aber dafür trägt sie ein Schwert bei sich und -" ... "Wie die kreischt, ist nicht zu überhören, als ob ..." - i"... absolut gestört!!"/i
Link und Lumien warfen sich entsetzte Blicke zu, dachten das selbe und pesten wie auf Kommando in Richtung Marktplatz davon.
~
Man hatte Minu die Hände vor dem Bauch zusammengefesselt und ließ das sich lauthals beschwerende Mädchen nun vor der Sänfte niederknien. Irgendjemand hatte ein Handtuch für Lola Marita aufgetrieben, die sich hoheitlich schlammig auf ihren grünen Kissen niedergelassen und Jork befohlen hatte, die Vorhänge halb zuzuziehen, so dass sie Minu noch gut im Auge hatte und sie mit feurigen, hasserfüllten Blicken beschießen konnte, das Publikum die Tochter des Bürgermeisters jedoch nicht mehr sehen konnte.
Lola Marita war im Moment dabei, sich die schlimmstmöglichen Strafen für Minu auszudenken, und Jork stand daneben und hörte aufmerksam zu.
"Wenn sie keinen Ritter hat", sagte Lola Marita absichtlich so laut, dass sie sichergehen konnte, dass Minu auch jedes Wort hörte, "dann steht es uns laut Gesetz zu, mit ihr zu machen, was wir wollen, nicht wahr, Jork?!"
"Ja, Fräulein Lola Marita. Gesetz der Stadt Trori, Paragraph 152, Absatz 1: 'Bei einer tödlichen Beleidigung zweier Frauen untereinander'", zitierte er hingebungsvoll, "'tragen die Ritter der Damen die Angelegenheit in einem Schwertkampf aus, dessen Bedingungen das Opfer stellt. Hat die Täterin keinen Ritter, so steht es dem Opfer frei, mit ihr anzurichten, was ihr beliebt.'"
"Was mir beliebt? Oh, ich denke da im Moment so an", sie schloss die Augen und legte beschwörend die Finger an die Schläfen, "an den Kerker im Stadtknast, du weißt schon, den fensterlosen. Oder, was auch keine schlechte Idee wäre, die mittlere Folterkammer? Für die Mittelschwerverbrecher? Oh, das wäre sicher auch lustig ... oder wir ketten sie an und geben ihr nichts zu essen und zu trinken. In der Waschfrauenkammer brauchen sie wohl auch noch eine Wäschekorbschlepperin, hab ich gehört ... Hmm ... was ist noch mal mit der letzten passiert, Jork, kannst du dich noch erinnern?"
"Mit der letzten Wäschekorbschlepperin, Fräulein Lola Marita? Dem armen Kind mussten sie am Ende ein Bein abnehmen. Da war ein Wäschekorb draufgefallen. Einer der metallenen."
"Oh nein, wie igrässlich/i", sagte sie und funkelte zu Minu hinüber. "Ich denke, ich bin äußerst gütig, wenn ich dieses Balg zu meiner persönlichen Wäschekorbträgerin mache, oder was denkst du, Jork? Natürlich nur für die metallenen."
"Ja, eine hervorragende Idee ..."
Plötzlich ging ein empörter Aufschrei durch die Menge. Eine kurze Rangelei entstand, und zwei bewaffnete junge Männer kämpften sich bis zum Ort des Geschehens vor; einer von ihnen ganz ihn grün mit einer seltsamen Mütze, der andere in Brauntönen gekleidet.
Link stürzte sofort zu Minu, Lumien dagegen durchschaute gleich die Situation. "Link!", zischte er warnend, aber es war zu spät.
"Link!", schrie Minu überglücklich, sprang auf und taumelte auf ihn zu.
Spontan drückte er sie vor lauter Erleichterung, sie am Leben zu sehen, an sich. "Weißt du eigentlich, was für verdammte Sorgen ich mir gemacht hab?!", sagte er mit rauer Stimme. "Du hättest itot/i sein können! Wie hast du dich befreit, was ist passiert?"
"Noch bin ich am Leben", ächzte sie, "aber wenn du mich weiter so drückst, dann bin ich in ernsthafter Gefahr ..."
Mit blutrotem Gesicht ließ er sie los. Vor all den Leuten und Lumien ... !! Er machte sich stattdessen daran, ihre Fesseln zu lösen.
"Was geht hier vor sich?", kreischte Lola Marita empört und stieß die Vorhänge beiseite. "Was tut Ihr da? Sie ist meine Gefangene! Sie steht unter meiner Fuchtel, also lasst sie gefälligst gefesselt!"
"Gefangene?", fragte Link ungläubig. "Minu, was ist hier passiert?"
Minu druckste erst einmal herum. "Ich ... ich hab sie umgerannt und sie ist in eine Schlammpfütze gefallen, und jetzt ist sie beleidigt", sagte sie verlegen. "Es stimmt leider, was sie sagt. Irgend so ein seltsames Gesetz besagt, dass ich sie tödlich beleidigt habe, und dass sie jetzt mit mir anstellen kann, was sie will."
"Das ist Lola Marita, die Tochter des Bürgermeisters." Lumien trat neben sie.
Sofort stand Minu zehn Meter weiter weg. "DER DA HAT MICH ENTFÜHRT UND DU MACHST MIT IHM GEMEINSAME SACHE?!", brüllte sie entsetzt. "Ich glaub ja nicht, was ich seh! Ich dachte, du wolltest mich retten, stattdessen hängst du mit dieser Arschgeige da rum? Bist du Matschbirne oder was?"
Lumien lächelte niedergeschlagen und hob abwehrend die Hände. "Ich war es wirklich nicht", sagte er behutsam. "Es war mein -"
"KLAAAR, ERWARTEST DU, DASS ICH DIR DAS GLAUBE?! HAHAHAHA! ICH BIN DOCH NICHT BLÖD! HA! HA! HAAA! Wer solls den gewesen sein, huh?"
"Beruhig dich, er war es echt nicht." Link nickte zustimmend. "Sein Zwillingsbruder hat ... eine ewige Geschichte. Wir erzählen sie dir nachher."
"Wenn du das sagst." Grimmig schlenderte sie zu ihnen hinüber, warf Lumien einen drohenden Blick hinüber, ohne etwas zu sagen, und stellte sich demonstrativ neben Link.
"Beachtet mich!", schrie Lola Marita zornerfüllt. "Ich bin hier die Geschändete, klar?! Sie ist meine Gefangene! Ich darf mit ihr machen, was ich will, sie hat mich blamiert!"
"Gibt es nicht irgendeinen Weg, sie davon zu erlösen?", fragte Lumien ruhig. "Ich bin sicher, dass es auf einem Missverständnis beruht und dass -"
"Es gibt nichts, das sie freikaufen könnte", keifte Lola Marita. "Absolut nichts, stimmts, Jork?"
"Nein, Fräulein", sagte ihr Ritter bedauernd. "Leider kann ich Euch nicht zustimmen."
"Wieso?! Sie hat keinen Ritter! Sie ist - "
"Gesetz der Stadt Trori, Paragraph 152, Absatz 2: 'Im Falle eines noch abzulegenden Ritterschwures ist es dem zukünftigen Ritter der Täterin erlaubt, an Ort und Stelle den Schwur abzulegen. Dann tritt Paragraph 152, Absatz 1 in Kraft'", erklärte Jork.
"Aber es ist niemand da, der für diese Ratte den Schwur ablegt", sagte Lola Marita gehässig und warf einen spitzen, siegessicheren Blick in die Runde. "Stimmt doch, oder? Ihr wisst alle, was ein Ritterschwur bedeutet! Die Person, auf die er geschworen wurde, nie allein zu lassen und sie mit Leib und Seele und wenn nötig, mit dem eigenen Leben zu beschützen! Sie vor sich selbst zu stellen und alles zu tun, damit ihr Wohlbefinden sichergestellt ist! Der Ritterschwur gilt bis zum Ende des Lebens, und wird er gebrochen, so kommt dies einer Todsünde gleich! Bis ans Ende aller Tage wird der Schuldige dafür verbannt, und ihm wird der Umgang mit seiner Schutzgeschworenen verboten. Ein neues Leben hat er zu beginnen, wenn er es denn wagt, denn nicht nur die körperliche Qual ist eine furchtbare, auch die seelische ist von einem normalen Menschen fast nicht auszuhalten, wenn die Pflicht gebrochen wurde!" Am Anfang noch bis in jede Ecke zu hören, war ihre kraftvolle, laute Stimme nun zu einem bedeutungsvollen Flüstern verebbt, und eine unnatürliche Stille hatte sich über den Marktplatz gelegt. Sie wusste, dass ihr jeder zuhörte, und sie genoss es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. "Die meisten der Ritter sterben, nein, verrecken elendig bei dem Versuch, ihre Schutzgeschworenen zu beschützen, und wenn nicht, dann sterben sie an den Folgen eines Bruches, und selbst wenn sie das nicht tun - sie können keine Familie gründen, kein eigenes Leben führen, denn sie sind immer von einer Person abhängig! Wer würde schon freiwillig einen solchen Schwur tun, und das für diese", sie deutete anklagend auf Minu und erhob ihre Stimme wieder, "für diese unreife Chaotin? Nun? Habe ich Recht? Niemand wird für sie den Ritterschwur schwören, niemand! Sie ist meine Gefangene! Und ich verhänge ihr die TODESSTRAFE!" Triumphierend reckte sie die Faust in die Luft und sah sich innerlich jubelnd um. "Keiner wird sie retten!"
Ein ungläubiges Raunen ging durch die Menge.
Hach, wie sie das alles liebte. Jeder schenkte ihr jetzt Aufmerksamkeit, alle hingen an ihren Lippen. War das nicht einfach wunderbar? Was sie mit diesem Mädchen machte, war sowieso egal. Todesstrafe war zwar etwas überzogen - und wenn schon! Sie war Lola Marita, die Tochter des Bürgermeisters, und es stand ihr frei, zu tun und zu lassen, was ihr beliebte! Dieses Mädchen hatte sie tödlich beleidigt, und sie hatten keinen Ritter. Folglich durfte sie mit ihr machen, was sie wollte. Die Todesstrafe kam schön dramatisch. Das würde für die Dauer von Wochen das Interesse der Stadtbewohner einbringen. Eine Demonstration ihrer Macht. Sie seufzt innerlich vor Selbstliebe und wiederholte siegessicher: "Niemand, niemand wird dich retten!"
bi"Ich tu es!"/b/i
Seine Stimme war laut und deutlich. Es war so still, dass jeder ihn hörte, obgleich er nicht schrie. Sein Kopf war von einer solchen Klarheit, dass es ihn selbst überraschte. Er hatte irgendwie gewusst, dass es so kommen würde. Dass sich Minu irgendwann so in den Mist reiten würde, dass er ihr helfen musste, hinauszukommen. Es schien, als sei dieser Zeitpunkt nun gekommen, und er wusste, was er zu tun hatte. Er war darauf vorbereitet. Er war sich der Auswirkungen, die dies auf sein Leben haben würde, bewusst.
Es würde alles schwerer machen, komplizierter. Seine Aufgabe würde dadurch nicht leichter zu erfüllen sein. Aber was würde kommen, wenn er Minu jetzt hier einfach so sitzen ließ? Dann hätte ier/i ihren Tod zu verschulden. Und vermutlich hätte er sich mit dieser Last auf den Schultern in die nächste Schlucht gestürzt. Mit dem Gedanken, Minu im Stich gelassen zu haben, hätte er nicht leben können.
Es war sehr egoistisch, was er hier tat, und definitiv nicht gut für Minu; zumindest nicht für ihr späteres Leben. Er würde sie in Zukunft in Gefahr bringen, denn er musste sie ja jetzt immer auf seinen Reisen mitnehmen. Der Gedanke, nicht mehr allein sein zu müssen, versetzte ihm einen durchaus nicht unangenehmen Stich, obwohl er wusste, wie eigennützig er war. Aber war es weniger eigennützig oder auf irgendeine Art und Weise gesünder für Minu, sie hier sitzen zu lassen und sie in den Tod gehen zu sehen? Egal was er tat, er brachte sie in Gefahr! Und deshalb war es doch eigentlich egal, ob er es mit oder ohne Egoismus tat.
Lumien starrte ihn an. Minu starrte ihn an. Lola Marita starrte ihn an, während sie ihre Faust langsam wieder sinken ließ. Jork starrte ihn an, wenn auch so, dass es fast nicht zu bemerken war. Die Menge starrte ihn an. Alle starrten ihn an. Er richtete sich zu seiner vollen Höhe auf, machte die Schultern und den Rücken gerade und hob den Kopf. Dann räusperte er sich.
"Ich werde", sagte er ebenso klar wie zuvor, "ich werde Minus Ritter sein. Ich werde sie nicht einfach im Stich lassen, weil ich nicht will, dass sie stirbt."
Er wusste, dass er sich unbeholfen ausdrückte, aber es war das, was er dachte, und in diesem Moment war es ihm egal.
Minu begann zu zittern. "Mach es nicht", sagte sie fast ungläubig. "Mach es nicht. Du kannst den verdammten Schwur nicht halten."
Irgendwann würde sie wieder in ihre Welt zurückkehren. Dann war der Schwur gebrochen, ohne dass jemand etwas dafür konnte. Eine Todsünde. Link. Todsünde. Link. Todsünde. Die Gedanken verschwammen in ihrem Kopf, die Bilder vor ihren Augen. Sie ließ sich schwach auf die Knie sinken und starrte ihn an.
Lumien ließ den Kopf sinken und schloss die Augen, als wolle er nicht wissen, was geschah, als wüsste er nur zu gut, was kommen sollte, was geschehen würde.
Das Publikum begann aufgeregt zu tuscheln, als könne es nicht glauben, was sich da vor seinen Augen abspielte. Lola Marita runzelte die Stirn und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Jork hielt es für besser, sie zu unterbrechen.
"Es ist das Gesetz", sagte er ruhig. "Es steht ihm frei, diese Entscheidung jetzt zu treffen. Das Gesetz erlaubt es."
"Nein", sagte sie wutentbrannt. "Nein. Das glaube ich einfach nicht." Ein Gedanke schoss durch ihren Kopf. "Das heißt, du musst mit ihm kämpfen, nicht wahr, Jork?"
Er nickte.
"Und ich darf die Bedingungen stellen?"
Er nickte wieder.
Lola Maritas Stimme wurde wieder höhnisch. "Dann macht es keinen Unterschied, ob er jetzt diesen dummen Schwur schwört oder nicht. Ihr werdet beide sterben, denn Jork ist ein unübertrefflicher Schwertkampfmeister! Er hat sein Leben der Aufgabe gewidmet, mir zur Seite zu stehen, und er wird tun, was ich ihm befehle! Ich werde meine Bedingungen stellen und sie werden hart sein. Aber", sie ließ sich in ihre Kissen zurücksinken und machte eine träge, aber ebenso selbstsichere Handbewegung, "mach erst den Schwur, dann sehen wir weiter."
"Mach's nicht, mach's nicht, Link", flüsterte Minu furchtsam und ballte ihre Faust so fest, dass sich ihre Fingernägel ins Fleisch gruben. "Hör auf, lass das, lass das! Du bist so dumm, wenn du das machst! Du weißt doch genau, dass du den bekloppten Schwur nicht halten kannst, und dann ..."
Hilflos begann sie am ganzen Leib zu zittern.
Er trat vor, ohne sie anzusehen.
"Ich weiß die Worte nicht", sagte er. "Ihr müsst ..."
Minu fiel nach vorne und schlang die Arme um seine Beine. "Mach das nicht!", schrie sie ohne nachzudenken. "Du kannst das nicht! Das ist Selbstmord! Lass es! Ich hab gesagt, du sollst den Scheiß lassen, also mach das gefälligst auch! Es ist noch nicht zu spät! Geh weg und lass es!!"
"iWillst du denn sterben?!/i", brüllte er sie plötzlich an, und sie schrak zurück. "Bist du lebensmüde? Ich tu das für DICH, kapierst du das nicht?"
Er sah in ihr Gesicht und sah, dass sie weinte. Sie wusste, dass nichts ihn von seiner Entscheidung abbringen konnte. Egal was sie tat, er würde diesen Schwur ablegen.
Dann wandte er sich ab, blickte Jork in die Augen und nickte.
"Kniet nieder", sagte Lola Maritas Ritter und zog langsam sein Schwert aus der Scheide. Link tat, wie im geheißen, und Jork legte ihm die flache Klinge auf die Schulter.
"Sprecht mir nach", befahl er. "Ich ..."
"Ich, Link ...", wiederholte er mit gesenktem Kopf.
"... schwöre, dieser Lady mit Leib und Seele zu dienen und sie ..."
Minu warf sich auf den Boden und schlug schreiend die Fäuste auf den Pflasterstein. Es war ihre Schuld, dass Link für sie in seinen Untergang rannte. Wenn er diesen Schwur tat, dann war es um ihn geschehen. Ihre Schuld.
"Ich, Link, schwöre, dieser Lady mit Leib und Seele zu dienen und sie ..."
Heraufgerufen durch ihre Schrecklähmung und ihre Furcht und dem Wissen der Schuld, das auf ihr lag, war plötzlich die Erinnerung an das Spiel, in das sie gefallen war, in ihrem Kopf, und plötzlich schien die ganze Situation auf sie einzustürzen; wie eine Irre begann sie krampfhaft zu lachen, während sie ihr tränenüberströmtes Gesicht dem grauen Himmel zuwandte.
"... mit meinem Schwert und meinem Schild und, wenn nötig ..."
"... mit meinem Schwert und meinem Schild und, wenn nötig ..."
Lumien kniete sich neben ihr nieder und zog sie hoch. Wortlos schloss er sie in seine Arme, ohne den Blick von Link zu lassen, der zu ihrem Ritter geschlagen wurde, und Minu rollte sich zusammen wie ein kleines Kind und begann zu schluchzen. Lumien verstand nicht, warum sie weinte, aber es erinnerte ihn seltsamerweise an seine Vergangenheit, und er versuchte, ihre Trauer zu lindern. Etwas in ihm erwachte, eine seltsame Sehnsucht, doch nach was, das wusste er nicht oder ahnte es nur.
"... mit meinem Leben zu schützen, um das ihre zu erhalten."
"... mit meinem Leben zu schützen, um das ihre zu erhalten."
"Ich gelobe hiermit ..."
"Ich gelobe hiermit ..."
Lola Marita hatte ihren Blick gedankenverloren auf Link und Jork gerichtet und versuchte zu erkennen, was den Helden in Grün mit dem Mädchen verband. Was war das, dieses Band zwischen ihnen, das tiefer ging als alles, was sie bisher erlebt hatte? Er gab sich für sie auf. Was bewegte ihn dazu? Sie wusste es nicht und konnte es nicht erraten, aber es machte sie rasend vor Zorn, dieses Band nicht selbst zu besitzen. Sie wollte es zerstören, dem Erdboden gleichmachen, vernichten, zerreißen - wenn sie es nicht selbst haben konnte, dann sollten es die anderen auch nicht bekommen! Sie fletschte fast die Zähne vor Eifersucht auf das, was sie noch nie besessen hatte und vielleicht nie besitzen würde.
"... alles dafür zu tun, ihre Ehre, Schönheit, Sicherheit und Reinheit zu erhalten."
"... alles dafür zu tun, ihre Ehre, Schönheit, Sicherheit und Reinheit zu erhalten."
"Ich beeidige, sie vor meiner selbst zu stellen und ..."
"Ich beeidige, sie vor meiner selbst zu stellen und ..."
"So ein Blödmann", flüsterte Minu und sah zu Lumien auf. "Wieso macht er das?"
"Ich denke, Ihr seid ein Teil seines Lebens geworden", sagte Lumien sanft. "Es ist viel mehr, als ihr beide wisst. Aber das mag noch kommen."
"Ich hab keinen Schimmer, wovon du redest." Sie schloss die Augen.
"... ihr in Zeiten der Unsicherheit und Schwäche einen Platz der Sicherheit zu bieten, wenn sie einen solchen braucht."
"... ihr in Zeiten der Unsicherheit und Schwäche einen Platz der Sicherheit zu bieten, wenn sie einen solchen braucht."
Plötzlich erschien ihm ein Bild von Narsilla vor seinen Augen, ohne dass er wusste, was diese Erinnerung in ihm heraufgerufen hatte. Dann wurde es ihm bewusst: In Link sah er sich, als er jung gewesen war. Nicht dass er nicht immer noch jung war, aber damals war es imehr/i gewesen. In der Zeit, in der er mit Larien und Narsilla im Keller gelebt hatte, war alles noch so leicht gewesen. Nichts hatte ernsthafte Probleme mit sich gebracht, und wenn doch, so wurden diese enthusiastisch zur Seite geschoben. Eine so von Lebenslust erfüllte Zeit hatte er seitdem nicht mehr erlebt. Er wünschte sich von ganzem Herzen, dass Minu und Link irgendwann erkannten, dass die Zeit viel zu schnell vorüberflog. Wenn sie nicht bald einsahen, dass es wichtigeres gab als sich zu streiten und immer bloß zu leugnen, zusammen zu gehören, dann war es irgendwann zu spät.
"Mit Rat und Tat habe ich ihr von nun an zur Seite zu stehen und ihren Befehlen zu folgen."
Link wiederholte, was Jork gesagt hatte. Er nahm nichts mehr von seiner Umwelt wahr, seine Aufmerksamkeit galt einzig und allein dem, was er sagte. Es war nicht einfach nur so dahergesprochen - er meinte es ganz ernst mit dem, was er schwörte. Die Bedeutung dieses Eides war ihm klar. Er meinte es ernst mit allem.
Jork erhob ein letztes Mal seine sonore Stimme. "Ich ..."
"Ich, Link ..."
"Ich lege am heutigen Tage mit Geltung bis zum Ende der Zeit den unantastbaren Ritterschwur für ..."
Er schluckte, und sein Herz pochte aufgeregt.
"Ich, Link, lege am heutigen Tage mit Geltung bis zum Ende der Zeit den unantastbaren Ritterschwur für Minu ab ..."
"... und bezeuge, ihn bis in alle Ewigkeiten zu halten", donnerte Jork.
"... und bezeuge, ihn bis ... in alle Ewigkeiten zu halten", beendete er seinen Schwur leise.
"Hiermit schlage ich dich, Link, zum Ritter des Fräulein Minu", sagte der große Mann, berührte mit der flachen Spitze seiner Klinge zuerst Links rechte, dann seine linke Schulter und schließlich seine Stirn. "Erhebe dich."
Zitternd, fast taumelnd stand er auf. Kaum befand er sich auf den Füßen, schoss er einen Blick hinüber zu Minu, die ihm erst mit blassen Gesicht begegnete, dann jedoch die Augen senkte. Er sah noch, wie Lumien ihr aufhalf, dann wurde er von Lola Maritas schneidender Stimme zu den Geschehnissen zurückgerissen.
"Juhu", sagte sie kalt. "Nun, wie fühlt Ihr Euch jetzt, als todgeweihter Ritter?"
"Besser als zuvor", sagte er ebenso kühl. "Zumindest ist Minu nicht mehr todgeweiht, wie Ihr das so schön dramatisch-theatralisch ausdrückt."
"Ich darf mich ausdrücken, wie ich will", sagte sie zuckersüß und warf einen Blick hinüber zu Jork, der gerade sein Schwert wieder in der Scheide versenkte. Dann richtete sich auf.
"So", sagte sie spitz, "ich darf jetzt die Bedingungen für den Kampf stellen. Darauf habe ich die ganze Zeit nur gewartet."
Er erinnerte sich an das Gesetz und richtete den Rücken gerade.
"Erstens", begann sie. "Der Kampf wird direkt hier auf der Stelle ausgeführt. Zweitens: Der Kampf geht bis zum Tod. Drittens: Sollte Link verlieren, ist auch Minus Leben beendet. Viertens ..." Sie schien kurz zu überlegen, doch dann zog ein Lächeln über ihr Gesicht. "Nein, das soll genügen." Sie winkte mit der Hand. "Macht ein bisschen Platz, es geht los!"
Die Leute rückten mit großen Augen zurück und machten einen größeren Kreis platz, auf dessen Fläche Link und Jork kämpfen sollten.
"Ihr seid wohl irgendwie geil auf den Tod, oder?!", zischte Link verächtlich, rieb sich die Hände und setzte seine Mütze gerade. "Gut, Ihr sollt ihn bekommen! Jork hat keine Chance gegen mich."
"Ich bin der beste Schwertkämpfer der Stadt", sagte Jork gleichgültig und nahm eine Angriffshaltung an.
"Und ich der beste der Welt."
Plötzlich merkte er, wie ihm jemand die Hand auf den Arm legte. Er sah sich um und erblickte Minu, die sich mit blassem Gesicht neben ihn gestellt hatte. Ihre Augen waren ziemlich rot, und es war leicht zu erkennen, dass sie eben noch Wasserfälle geheult hatte.
"Ich muss kämpfen", sagte er unwirsch, "du kannst nicht -"
Wortlos griff sie sich auf den Rücken und zog sein Schwert hervor, um es ihm zu überreichen. Für den Bruchteil einer Sekunde fielen seine Gesichtszüge auseinander, dann versuchte er ein winziges Lächeln und nahm das Schwert entgegen. Minus Mundwinkel zogen sich ein bisschen in die Höhe, als sie das Schwert des Bürgermeisters in Empfang nahm.
"Viel Glück", sagte sie leise und trat zurück.
"Auf mein Zeichen", rief Lola Marita und richtete sich auf.
Die Spannung steigerte sich bis ins unerträgliche. Auf dem ganzen Platz war kein Laut zu hören, ja, sogar der Wind hatte ausgesetzt und die Vögel sangen auch nicht mehr. Es schien, als hielten alle die Luft an. Selbst Minu und Lumien zitterten vor Aufregung. Man könnte förmlich die Spannung zwischen Link und Jork knistern sehen; Link, dessen Gesichtszüge unbändige Wut zeigten und der sein Schwert umklammert hielt, als ginge es um sein Leben, und Jork, der ruhig und gelassen wirkte, fast ein wenig bedauernd, einen so jungen, enthusiastischen Menschen aus dem Leben werfen zu müssen.
"Drei ..."
Lola Marita begann nahezu spöttisch den Countdown.
"Zwei ..."
Link stieß hart die Luft aus.
"Eins ..."
Jork richtete sich auf.
"UND LOS!"
~
Es war durch und durch ein Bild der Ruhe, und trotzdem lief es ihr kalt den Rücken hinunter, als ihr Auge das ganze Ausmaß des Geschehens erfasste.
Farore stand auf der Spitze eines Hügels im hohen Gras. Vor einer ganzen Weile war sie abgestiegen und hatte das Pferd an den Zügeln hinter sich hergeführt, da es in den letzten Stunden erste Anzeichen der Erschöpfung aufgewiesen hatte - was kein Wunder war, so wie sie Tag und Nacht durchgeritten war.
Auf dem Kugelkamm hatte sie einen Großteil der Zutaten für das Elixier bekommen können. Im Nachhinein hatte sie ein schlechtes Gewissen, dass die Goronen so großzügig zu ihr gewesen waren, nachdem sie ihnen versprochen hatte, sich nach einer Lösung für das Problem mit den schwarzen Iglus umzusehen - dabei hatte sie nicht den blassesten Schimmer, woher diese kamen oder, noch wichtiger, wie man sie wieder dahin zurück bekam. Das hatte sie ihnen natürlich nicht gesagt - ansonsten hätten sie ihr wohl die Pflanzen, die sie so dringendst brauchte, nicht gegeben.
Ihr nächstes Ziel war der Laden von Syrup und Martha auf dem Yoll-Friedhof in Labrynna. Das Rezept besagte, dass eine Magieflasche die Wirkung verbessern würde, und sowieso brauchte sie zur Herstellung die Schalen eines zerschlagenen Lon-Lon-Eis. Sie hoffte, Martha würde das Problem verstehen und ihr ihres überlassen. Ansonsten wusste sie nicht, wo sie eins herkriegen konnte.
Ihr Weg führte sie über die Birkenhaine des lichten Waldes, in dem sich auch Nayrus kleines Häuschen befand - wenn sie Glück hatte, war Impa noch dort, die ihr sicher helfen konnte, und weil es kein Umweg war, hatte sie schon vor einiger Zeit beschlossen, dort eine kleine Rast einzulegen. Bis dahin waren es aber noch ein oder zwei Tagesreisen, und sie machte sich auch nicht wirklich große Hoffnung, die Kammerzofe und engste Vertraute der Prinzessin dort aufzufinden.
Zelda. Was mochte sie wohl gerade tun? Sie galt gemeinhin als Symbol der Hoffnung und Zuversicht, aber hatte sie in der schwierigen Angelegenheit, die es im Moment zu bewältigen gab, schon etwas von ihr gehört? Wo war das Symbol der Hoffnung und Zuversicht - Farore schnaubte verächtlich - jetzt, wo es Ärger gab? Nun, vielleicht würde sie sich ja noch zu Wort melden - was Farore bezweifelte.
Doch jetzt gab es andere Dinge, um die sie sich Sorgen machen sollte; zum Beispiel das, was vor ihr in der Senkung zwischen zwei besonders großen Hügeln lag.
Es war ein Dorf. Oder zumindest war es einmal ein Dorf gewesen. Jetzt war es nur noch eine einzig große Ruine. Die Häuser waren zum Teil bis in Grund und Boden abgebrannt, von anderen wiederum waren die Grundfesten stehen geblieben, aus denen es nun schwelte. Das erklärte auch die gigantische Rauchwolke, die sie schon von weitem hatte sehen können. Die verbrannten Überreste der Häuser lagen auf geschwärztem Boden völlig still da - es schien nicht so, als sei dort noch etwas am Leben. Wie auch.
Für einen Moment stieg Übelkeit in ihr hinauf und ihr wurde schwindelig, sie klammerte sich am Sattelknauf ihres Pferdes fest, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Erinnerungen drohten sie zu überwältigen, Erinnerungen an ihre eigene Heimat und an dem Tag, an dem ihr Dorf -
Nein. Nein, das hatte hier nichts zu suchen. Und es brachte auch nichts, diese uralten Geschichten wieder auszugraben, die bis jetzt unangetastet in der hintersten Ecke ihres Bewusstseins gelegen hatten und dort gefälligst auch bleiben sollten.
Sie holte tief Luft, schloss ihre Finger dann fester um das Leder der Zügel, als suche sie daran Halt, blickte mit kalten Augen aus einem verschlossenen Gesicht zum Dorf und begann, durch das hohe, sich im Wind wogende Gras den Hügel hinab zu stapfen.
Wenig später, und sie hatte es erreicht. Von nahem sah es sogar noch schlimmer aus. Ihre Füße verursachten ein knirschendes Geräusch, als sie in die Asche trat, und sie begann unwillkürlich zu zittern, als ihr bewusst wurde, welch grausige Atmosphäre sich über das ehemalige Dorf gelegt hatte. Es herrschte Totenstille, und es kam ihr ein wenig so vor, als trampele sie unter lautem Getöse durch die Ruinen - dabei schlich sie auf Zehenspitzen dahin. Als sie an einem der Häuser vorbeikam, erhob sich düster krächzend ein Schwarm schwarzer Krähen, und ihr blieb fast das Herz stehen vor Schreck, dass hier noch etwas am Leben war. Kaum hatten sich die dunklen Vögel flügelschlagend entfernt, senkte sich wieder diese absolute Grabesstille herab, vor der es ihr so grauste, fürchtete sie doch, sie könne Erinnerungen wecken.
Plötzlich hörte sie etwas. Ein Tappen. Schritte.
Sie fuhr zusammen und schoss herum, und es war einer der seltenen Fälle, in denen ihre Gesichtszüge vollkommen auseinander fielen und preis gaben, was sie dachte und fühlte.
Wieder. Schritte, ganz sicher. Aber sie hörten sich nicht so an wie die ihren, nicht wie das Geräusch, wenn Asche zertreten wurde.
Tapp. Tapp.
Das hatte sie schon einmal erlebt. Das kannte sie.
Sie drehte sich misstrauisch, fast ängstlich im Kreis, versuchte die Ruhe zu bewahren und herauszufinden, woher das Geräusch kam - es musste hier alles tot sein, wieso also hörte sie Dinge, die nicht sein konnten? Ihr schoss ein Gedanke durch den Kopf: iAlles wiederholt sich. Irgendwann ist das Rad der Zeit abgelaufen und fängt von vorne an./i
"Tot und kalt und starr ..."
Eine gleichgültige Stimme von irgendwoher - eine Kinderstimme. Sie riss die Augen auf. Dieselben Worte, dieselben Worte ... ! Plötzlich begann sie zu zittern, als wäre ihr kalt, verfluchte sich selbst. Sie hätte nie hierher kommen sollen, sie hätte das Dorf Dorf sein lassen und weiterziehen sollen. Die verbrannten Ruinen waren der Schlüssel zum Kästchen gewesen, das sie so lange hatte verschlossen ruhen lassen. Aber jetzt überwältigte sie dessen Inhalt.
"Ich hab sie vergraben, damit sie ein bisschen Ruhe finden. Vielleicht können sie ja schlafen, bis ich wiederkomm' und wir alle beisammen sind."
Sie runzelte die Stirn. Seltsam, sie konnte sich nicht erinnern, das gesagt zu haben, als ... tja, als. Damals. Zögerlich hob sie den Kopf und sah sich um. Ihre Hand tastete nach dem Verschluss der Satteltasche, und sie war nahe daran, wie eine hysterische Heulsuse in der Tasche nach ihrer einzigen Waffe zu suchen, einem kleinen Stilett, dass sie vorsorglich eingepackt hatte. Doch sie bezwang ihre Aufregung und sah sich um.
Farore brauchte eine Weile, bis sie ihn entdeckt hatte. Er war nicht besonders groß und seine schwarzen Haare hingen ihm fransig auf die Stirn, als seien sie noch nie gekämmt worden. Seine Haut war dunkel, seine Kleidung zerrissen, schmutzig und blutig - wie seine Hände, die zerschunden und zerkratzt zu seinen Seiten hingen. Aus schrägen, dunklen und nicht anwesend sein zu scheinenden Augen starrte er sie an.
Sie streckte den Rücken, immer noch zittrig auf den Knien, und sah zu ihm hinauf. Er stand auf einer Mauer in einer der halb übriggebliebenen Ruinen und es war seltsam, wie er einfach da war und lebte, inmitten dieses Ortes des Todes.
"Wer bist du?" Ihre Stimme klang dünn, und sie hasste sich dafür, dass man die Angst heraushören konnte. Sie stand halb hinter dem unruhig scharrenden Pferd verborgen und kam sich ein wenig lächerlich vor, sich hinter einem Tier zu verstecken.
"Ich hab keine Grabsteine gefunden, und Kreuze konnt' ich nicht basteln, weil ich keine Nägel hatte und keinen Hammer, und das ganze Holz ist ja eh verbrannt." Nachdenklich hob er die Hände und betrachtete sie, wie als ob er gar nicht richtig da war, sondern ganz woanders. Er schien so erwachsen und reif für einen kleinen Jungen, nicht älter als zehn oder elf.
Sie schluckte, bevor sie erneut sprach. "Wer - wie heißt du?"
"Ziemlich schmucklos also, die Gräber." Er seufzte leise. "Wahrscheinlich reiten bald die Menschen drüber, ohne überhaupt zu wissen, dass unter der Erde mehr ist als ... Erde. Na ja, aber hier kommt ja sowieso nie jemand hin. Der einzige, der weiß, wo sie schlafen, bin ich." Plötzlich blickte er Farore an, und sie erschrak über seinen todernsten Blick. "Ich muss hier bleiben und sie bewachen, weißt du. Ich muss die Totenwache halten."
"Das - das musst du nicht." Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. "Was ist denn passiert?"
Er schüttelte den Kopf, überraschend heftig, und ballte die Hände zu Fäusten. Ein paar Blutstropfen fielen hinab. "Wenn ich nicht hier bleib, dann vergisst man sie!", rief er. "Und wenn man sie vergisst, dann sind sie nur noch tot und kalt und starr! Wenn ich weggeh, dann werden sie zu Erde und dann ... und dann kann man über die Gräber laufen. Ich muss Grabsteine machen." Er sah sie wieder an. "Hilfst du mir?"
Langsam konnte sie sich denken, was geschehen war. "Wenn du mir deinen Namen nennst", sagte sie sanft, "und hinunterkommst. Du bist ja ganz abgemagert. Ich hab etwas zu essen dabei."
"Ich muss doch nichts essen", sagte der Junge, als wäre es selbstverständlich. "Weißt du, eigentlich bin ich nicht mehr hier, ich bin schon bei ihnen, verstehst du? Und sie müssen ja auch nichts mehr essen."
Er machte sich daran, von der Mauer zu klettern.
Farore überwand sich und lächelte ihn an, um ihm menschliche Wärme zuteil werden zu lassen. "Du hast Asche am Kleid", sagte er abwesend und erwiderte ihren Blick nicht. "Da unten, schau hin, am Saum. Wenn man so schön ist wie du, sollte man nicht durch den Dreck laufen, dann wird man ganz schmutzig." Er sah an sich herab und deutete auf sein schmutziges Hemdchen. "Kuck, so passiert einem das!" Er sah plötzlich sehr besorgt aus. "Hoffentlich findet man sie nicht."
"Wie heißt du?" wiederholte sie. "Ich bin Farore."
"Das ist vielleicht ein komischer Name. Mein Bruder hieß Farfareo. Das hört sich ähnlich an, nicht wahr?"
Sie gab es auf. "Die Grabsteine, weißt du noch?", erinnerte sie ihn sanft und schloss seine kleinen, verletzlichen Hände in ihre großen. "Wir wollten Grabsteine suchen."
~
Der Junge bestand darauf, die gefundenen Steine, die sich als Grabmale eigneten, allein zu den Gräbern seiner Familie zu bringen, und so verließ er das Dorf ohne Farore, um zum nahen Waldrand aufzubrechen. Sie rang ihm das Versprechen ab, anschließend zurückzukehren, obwohl sie sich selbst fragte, was für einen Sinn das hatte. Sie konnte ihn weder mitnehmen noch hier sitzen lassen, und sie wusste auch nicht, wie sie mit einem Kind umzugehen hatte, dass seine Familie zuerst verloren, danach tot aufgefunden und sie selbst begraben hatte. Wie war das damals mit ihr gewesen? Das Schicksal des Jungen erinnerte sie an ihr eigenes, aber die Erinnerungen waren unscharf umrissen und irgendwie konturlos. Außerdem war sie danach als Orakel ausgebildet worden und es war ausgeschlossen, dass ihm dasselbe wiederfahren würde - sie lachte bitter - also hatte sie sowieso keine Ahnung, was sie mit ihm machen sollte. Seine abschottende Art weckte jedoch irgendwie den Drang in ihr, ihn zu beschützen und seinen Kern aufzubrechen. Mutterinstinkt. Seit wann hatte sie Mutterinstinkt?
Darüber konnte sie nur den Kopf schütteln.
Farore nutzte die Zeit, die er für sich brauchte, um sich ein wenig in den Ruinen des Dorfes umzusehen. Von den Häusern war größtenteils nichts mehr übrig außer morsche, verkohlte Holzbalken, und sonst gab es nichts. Erst als sie das schwarze Iglu entdeckte, das im Zentrum des Dorfes stand, wurden ihr die Zusammenhänge klar.
Fassungslos stand sie davor und starrte es an. Es war identisch mit den Iglus, die sie auf dem Kugelkamm gesehen hatte. Es gab praktisch keine Unterschiede. Dann begriff sie, was die unheimliche Stimmung hier ausmachte; nicht nur das Wissen um das Geschehen, sondern auch die Aura, die von diesem Gebilde ausging. Sie begann langsam zu zittern. Das gleiche Gefühl wie bei den Goronen überkam sie, der Drang, wegzurennen und alles stehen und liegen zu lassen, einfach nur zu flüchten, aber sie versuchte sich zu beruhigen und erst keine Panik aufkommen zu lassen.
Sie überlegte rasch, was sie tun sollte. Dann fasste sie einen Entschluss, schwang sich in den Sattel und ritt in die Richtung, in die der Junge davongelaufen war.
Sie begegneten sich schon bald, nachdem sie das Dorf verlassen hatte, auf einer großen Wiese, die zwischen dem Hain und dem Waldrand lag. Er wanderte gedankenverloren in Richtung Ruinen, doch Farore zwang das Pferd zum anhalten und sprang ab.
"Du darfst nicht zurückgehen", sagte sie ohne Umschweife. "Es ist viel zu gefährlich."
"Aber da ist mein Zuhause." Er sah sie aus großen, ratlosen Augen an, und erst jetzt verstand sie, dass er nicht so stark war, wie er vorgab zu sein. Sie versuchte es ihm zu erklären. "Du wirst verrückt. Da ist ... siehst du dieses Iglu?" Sie deutete zum Dorf. Von ihrem Standpunkt aus war das seltsame Gebilde gut erkennbar.
Er nickte schweigend und ließ seinen Blick nicht von ihr, was sie etwas verwirrte.
"Das war vorher noch nicht da", erklärte sie. Diese Tatsache war zwar nur geraten, aber rein theoretisch musste sie damit Recht haben. "Und das hier ist nicht das einzige." Farore entschloss sich plötzlich ihn nicht mit der Wahrheit zu verschonen - aus welchen Gründen auch immer. Irgendwie hatte sie das Gefühl, er würde begreifen. "Weiter nördlich auf dem Kugelkamm. Da habe ich solche Dinger schon einmal gesehen, und die Goronen dort, sie - sind verrückt geworden." Sie schluckte bei der Erinnerung. "Vermutlich drehst auch du durch, wenn du dich länger der Einwirkung dieses ... Etwas aussetzt."
Er schwieg eine Weile. "Es ist böse", sagte er schließlich. Sie nickte und setzte an, um etwas zu sagen, da fuhr er fort: "Die ganze Geschichte. Schicksal? Wer weiß schon, was Schicksal ist? Aber es wird noch viel mehr passieren. Du weißt es auch, nicht war?" Er sah sie auf eine seltsame Weise an, und sie fühlte sich plötzlich durchsichtig, wie ein Buch mit offenen Seiten - als könne er in ihre Seele sehen und lesen, was darin stand. Im Moment las er daraus vor. "Dass noch mehr passiert. Wir stehen erst am Anfang einer Geschichte, von der man in hundert Jahren singen wird oder vielleicht tausend - wer kann das wissen? Und wer kann wissen, ob in hundert oder tausend Jahren gesungen wird? Wenn das Licht nicht siegt, siegt der Schatten, und dann verstummen alle Lieder. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, wie die Geschichte endet. Einer gewinnt und einer verliert. Das ist doch immer so." Er verfiel in sein übliches, abwesendes Schweigen.
Farore spürte, wie ihr eine eiskalte Gänsehaut den Rücken hinaufkroch.
Schließlich schluckte sie und beschloss, die Sache einfach zu übergehen. "Bleibst du nun hier oder nicht?"
"Es macht eigentlich keinen Unterschied mehr, ob ich verrückt werd oder nicht", sagte er gleichgültig. "Ich hab ihre Gräber geschmückt, weißt du? Die Trauerblumen hab ich hier gepflückt, auf der Wiese." Er machte eine allumfassende Handbewegung. "Jemand muss die Totenwache halten, sonst reitet man über ihre Gräber." Er räusperte sich. "Ich mach das schon. Sonst kennt sie ja keiner - die anderen Leute, die sind alle verbrannt ..."
Farore riss die Augen auf. Das Dorf hatte in Flammen gestanden. Sein Haus hatte in Flammen gestanden. Seine Familie musste verbrannt sein. Was genau hatte er dann vergraben?
"Wie sind deine Eltern gestorben?", fragte sie behutsam. "Sind sie nicht verbrannt? Oder hast du gar nicht deine Eltern beerdigt und deinen Bruder?"
Der Junge warf ihr einen verständnislosen Blick zu.
"Sie sind zerschmettert worden von einem goldenen Morgenstern", sagte er. "Ich hab ihre Überreste beerdigt. Was denn sonst?"
~
Sie gingen aufeinander los wie zwei aufeinander prallende Fronten in einer Schlacht. Fast sprühten Funken, wenn sie ihre Klingen aufeinander schlugen, ihre Körper den auf den Tod des Gegners gezielten Hieben geschmeidig ausweichend. Jork bewegte sich wie eine Schlange, seine Bewegungen gingen nahtlos ineinander über und es schien, als tanze er, während Link an einen jungen Löwen erinnerte, stark, jede seiner Schläge und Schritte so mit Kraft erfüllt, dass es schien, als drohe er davon zu zerbersten. Jorks Gesichtsausdruck war immer noch ruhig und fast gleichgültig, aber nur fast: Man konnte erkennen, dass ihn der Kampf genau so wenig kalt ließ wie Link. Etwas hatte sich in seinen Augen verändert, die Unnahbarkeit war einer gewissen Mischung zwischen Aufregung und Vergnügen gewichen. Links Gesichtszüge waren noch immer vom Zorn gekennzeichnet.
Jork griff schräg von oben an, und mit einem gewaltigen Satz wich Link zur Seite aus; er nutzte seinen Schwung und versuchte Jork in der Hüfte zu treffen. Der große muskulöse Mann ließ das Schwert erst gar nicht so weit herankommen, dass es ihm gefährlich werden konnte, er schlug Links Klinge mit seinem eigenen vertikal gehaltenen Schwert entgegen. Ein lautes Klirren erklang und eine lange Sekunde verstrich, in der die Zeit wie angehalten schien, dann riss Link sein Schwert los und sprang zurück, um Jorks schnellem Kreisschlag auszuweichen, der ihn zweifellos direkt in die Hüfte getroffen hätte.
Mehrere Minuten rangen die beiden Gegner stumm miteinander, ohne dass sich ein Ende des Kampfes herauskristallisierte. Keiner der beiden wies erste Anzeichen von Schwäche auf. Außer dem Scheppern der Schwerter und dem Keuchen der Kämpfer war kein Geräusch zu hören. Alles schien die Luft anzuhalten.
Dann plötzlich tat Jork einen gigantischen Sprung nach vorne und Link konnte gerade noch rechtzeitig das Schwert hochreißen, um den Schlag mit einem Gegenhieb abzublocken. Ihre Klingen wurden in einem Kreuz gefangen, und die beiden Gegner drückten ihre Waffen mit verbissenen Gesichtern aneinander. Link wich erneut einem in die Hüfte gezieltem Schlag aus, und sie spritzten auseinander wie Tropfen heißen Fetts, nur um wieder aufeinander loszugehen wie zwei Berserker.
Unerwartet machte Jork eine jähe Bewegung, und im nächsten Moment schrie Link gepeinigt auf.
"Er ist getroffen!", rief jemand aus der Menge.
Jork trat einen Schritt zurück und ließ sein Schwert sinken, als betrachte er sein vollbrachtes Werk. Auch Links Schwert war zu Boden gefallen, er kniete mit gesenktem Kopf und umklammerte seinen linken Arm. Verschwitzte Haarsträhnen fielen in sein Gesicht und verdeckten es. Er atmete stark. Lola Marita applaudierte langsam und überheblich.
Minu wollte sich vorstürzen, um zu ihm zu gelangen, doch Lumien riss sie zurück. "Wenn Ihr euch einmischt, seid Ihr des Todes!", rief er heftig.
"Sein scheiß Schwertarm ist getroffen", presste Minu zwischen den Zähnen hervor. "Er hat sowieso verloren, mit einer Wunde kann er nicht -"
Sie bekam nie die Gelegenheit, ihren Satz zu beenden. Link gab ein Schnauben wie ein wütender Stier von sich und tastete nach seinem Schwert. Seine Finger fanden den Griff und klammerten sich darum, und dann schoss er hoch und griff ohne Vorwarnung Jork an, der in letzter Sekunde seine eigene Waffe heben konnte, um dem Schlag auszuweichen.
Minu erzitterte bis in ihr Innerstes, als sie den Blutfleck erblickte, der sich langsam, aber sicher auf dem Ärmel seiner Tunika ausbreitete, wo sie durch den zerrissenen Stoff eine Wunde sehen konnte.
Der Kampf ging weiter, Schlag auf Schlag, Klirren nach Klirren, ein unaufhörlicher Tanz der beiden Gegner, in dem sie aufeinander prallten und zurückschossen, Hiebe ausführten und Hiebe abblockten, vorstießen und auswichen. Plötzlich war ein lautes Reißen zu hören, und Jork gab einen überraschten Laut von sich, als Link ihn mit einem gewaltigen Schlag an der Schulter traf. Er sprang zurück, und er und sein Gegenüber unterbrachen den Kampf in stummer Absprache.
"Es scheint, als sei ich getroffen", sagte Jork ruhig, fuhr mit der Hand über den blutigen Stoff und betrachtete seine rotgefärbten Fingerspitzen. "Nun sind unserer beider Schwertarme verletzt. Möchtet Ihr aufgeben? Euer Tod wird schnell und schmerzlos sein."
Link gab keine Antwort. Heftig keuchend richtete er seinen hasserfüllten Blick auf Jork. Das Blut sickerte weiter.
"Jork", rief Lola Marita anklagend. "Jetzt mach schon, es wird langsam langweilig!"
Und weiter ging es.
~
Lumien verfolgte den Kampf mit großer Aufmerksamkeit und gab sich trotzdem Mühe, ein Auge auf Minu zu haben, so dass sie keine Dummheiten machte - wie etwa eben, als sie versucht hatte aufs Schlachtfeld zu stürzen. Im Moment stand es unentschieden. Als Link verletzt worden war, hatte er für einen kurzen Augenblick geglaubt, die Minute der Entscheidung sei gekommen, doch der junge Held war wieder aufgesprungen und hatte tapfer weiter gekämpft, was ihn mit Zuversicht erfüllte - zumal Jorks Schwertarm nun auch nicht mehr unversehrt war und sie also beide unter den gleichen Bedingungen kämpften.
Von einer auf die andere Sekunde stand plötzlich jemand hinter ihm. Er konnte die Anwesenheit der Person spüren, und es lief ihm kalt den Rücken herunter. Vorsichtig legte er seine Finger um seinen Schwertgriff, aber es war von vorneherein klar, dass ein Kampf in dieser Menschenmenge unmöglich war.
Ein leises Lachen, so leise, dass Minu, die direkt neben ihm stand und deren Aufmerksamkeit an den Kampf gefesselt war, es nicht hörte.
Nun sprach die Person, sehr schnell, als hätte sie es eilig, aber er verstand es dennoch. "Du kannst hier nicht kämpfen also gib es lieber gleich auf", flüsterte eine heisere Stimme, und Lumien erkannte sie mit einem kalten Schock als die eines der Männer seines Bruders. "Ich bin nicht gekommen um dir den Kopf abzuschlagen - wogegen ich selbstverständlich auch nichts gehabt hatte - sondern um dir eine Nachricht von deinem Bruder zu überbringen."
Lumien hob den Kopf zum Zeichen, dass er zuhörte.
"Er fordert dich heraus zum Eingang des Räuberschlosses zu kommen."
"Wieso", flüsterte Lumien angespannt.
"Ich weiß nicht, er schweigt darüber. Ich vermute einen Zweikampf."
"Wann?"
"Jetzt."
Und so schnell, wie der Mann gekommen war, verschwand er auch wieder. Lumien überlegte nicht lang. Er warf einen kurzen Blick hinüber zu Minu, die immer noch gebannt den Kampf beobachtete. Sie würde es nicht merken, wenn er verschwand.
Ohne ein Geräusch zu verursachen, trat er einen Schritt zurück. Die Schaulustigen schlossen die Lücke, die er hinterlassen hatte, bald wieder, und nichts verriet, dass er einmal dort gestanden hatte.
~
Link spürte, wie seine Kräfte wichen. Sein Atem ging schneller und abgehackter, sein Herz hämmerte ihm gegen die Rippen, und seine Wunde schmerzte - auch wenn er es nicht zeigte. Die Hiebe, die er mit seinem verletzten Schwertarm ausführte, wurden schwächer und zielloser, und er hatte das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, während Jork überhaupt keine Anzeichen der Schwäche aufwies. Er selbst konnte keine Angriffe mehr durchführen, zu sehr war er damit beschäftigt, Jorks Schläge abzuwehren.
Etwas musste geschehen. Schnell. Sonst hatte er verloren.
Es war eigentlich keine Zeit zum Denken da, so schnell kamen die Attacken jetzt. Er fragte sich, wieso sich die Gedanken in seinem Kopf dennoch jagten. Es kam ihm vor, als stünde er in einer Zeitblase. Er hörte nichts außer dem Geräusch, das die an den Klinge vorbeisausende Luft verursachte. Er spürte nichts außer seine wachsende Erschöpfung und den immer stärker pochenden Drang, dass er handeln musste. Er wusste nicht wie.
Dann ruckte es in ihm.
Er sprang einen Schritt zurück, seufzte auf und breitete die Arme aus.
"Komm", sagte er tonlos. "Bringen wir es zu Ende."
Er wusste, was er tat. Es musste geschehen. Dies war seine letzte Möglichkeit, den Kampf zu beenden.
Jork starrte ihn fast ungläubig an, und er wagte nicht, sich nach Minu umzudrehen. Er konnte Lola Maritas überhebliches Lächeln im Rücken spüren, und dann verfestigte der große Ritter seinen Griff um das Schwertheft und richtete sich auf.
Für eine Zehntelsekunde trafen sich ihre Blicke, und Link fragte sich, ob Jork wohl in seinen Augen las, was er vorhatte. Wenn, dann ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.
Mit einem gewaltigen Aufschrei ließ der Mann sein Schwert über dem Kopf kreisen und schnellte auf Link zu, der im letzten Moment all seine Kräfte zusammennahm und auswich. Von seinem ungeheuren Sprung getragen, stolperte Jork einen Schritt vorwärts.
Dann geschah alles ganz schnell.
"KKKKYYYYAAAAAAHHHHHH!!!"
Auch Link schrie jetzt. Er schrie all seine Stärke und seinen Mut aus sich hinaus, während er durch die Luft flog, mit der Waffe über dem Kopf Schwung holend, und sie dann mitten im Sprung auf Jorks Hinterkopf niedersausen ließ; kurz bevor seine Füße den breiten Rücken seines Gegners berührten, sich am Kettenhemd abstießen und sicher auf dem Boden landeten, bereit für einen nächsten Angriff. Jork ließ ein markerschütterndes Stöhnen von sich und kippte vornüber, und Link stürzte sich auf ihn, wälzte ihn herum und kniete sich auf seine Brust.
Langsam, tödlich langsam drückte er mit der Hand Jorks Kinn nach hinten und legte dann behutsam die Schnittseite seiner Klinge an die Kehle des Mannes. Er hielt sie das Schwert am Griff und an der Spitze so sanft, als wäre es ein kostbarer Schatz, als wolle er es liebkosen.
Mit der selben quälenden Langsamkeit hob er den Blick und begegnete den türkisgrünen Augen Lola Maritas. Sie saß bibbernd in ihrer Sänfte, ihr blasses Gesicht von Entsetzen und furchtbarer Angst gekennzeichnet, ihre schlanken Finger sich in die Kissen krallend. Von ihrer Selbstsicherheit und Siegesgewissheit war nichts übrig geblieben. Sie schluckte, als sie die Kälte in seinen Augen sah.
"Ändert", sagte er ruhig, gelassen und mit einer Grausamkeit in der Stimme, die selbst Minu bis ins tiefste erschreckte, "die Regeln."
Wie zur Demonstration drückte er ein wenig zu, und ein Tropfen Blut trat hervor. Jork gab keinen Ton von sich. Sein Körper war angespannt wie die Saite eines Instrumentes.
Zittern hob sie die Hand. "Hiermit verkünde ich eine Regeländerung", rief sie mit ebenso dünner wie bebender Stimme in die Totenstille aus. "Ich ... nehme zurück, dass der Kampf bis zum Tod geht, und i..ich ernenne Link zum Sieger!"
Das Publikum explodierte in einer ohrenbetäubenden Welle tosenden Applauses, als wäre das alles nur ein Spiel gewesen, ein Spaß, ein Theaterstück, das man sich ansieht und bei dem man erzittert, aber bei dem man nicht um ein Leben fürchten muss. Die sichtbare Grenze zwischen Kampflatz und Menschenmenge löste sich von einem Augenblick auf den anderen auf, und die aufgeregten Leute stürmten auf die runde Fläche, um Link anerkennend auf die Schulter zu schlagen, um ihm zum Sieg zu gratulieren, um ihn einfach nur ehrfürchtig zu berühren. Er suchte mit den Augen nach Minu, doch er fand sie nirgends; auch sie war vom Sog der Menschen mitgerissen worden.
Nach und nach löste sich die Menge jedoch auf. Kleine Grüppchen gingen begeistert über das Gesehene schwatzend und diskutierend davon, andere machten sich auf, um nach Hause zurückzukehren und ihren Lieben wild gestikulierend von dem spannenden Erlebnis zu erzählen und vermutlich Links Rolle dabei ins Unendliche aufzubauschen, während sein Gegner zum bösen Schwarzmagier gemacht wurde - oder so etwas in der Art. Lola Marita und Jork waren in dem riesigen Auflauf spurlos verschwunden, aber Link bedauerte dies nicht.
Erst jetzt wurde er sich bewusst, dass sein linker Ärmel vor Blut troff. Er verdeckte die Wunde hastig mit der Hand und kam sich plötzlich sehr verloren vor. Sein Schwert war mit Blut benetzt, und er versuchte hastig, es an seiner Tunika abzuwischen, um seine Schuld zu verbergen. Um ihn herum waren nur fremde Gesichter.
Plötzlich stand aus dem Nirgendwo erschienen Minu neben ihm. Sie setzte an, um etwas zu sagen, aber er schüttelte den Kopf, als er in ihr blasses Gesicht sah.
"Meine Lady", sagte er und verbeugte sich zum Spaß, aber sie lachte nicht. Ehrlich gesagt wusste er auch nicht, ob es wirklich ein Spaß gewesen war - angesichts seines Schwures. "Danke für das Schwert", murmelte er schließlich. "Das hat mir ... sehr geholfen."
"Du - du warst echt gut", sagte sie unbeholfen. "Ich mein, natürlich hab ich so einen Zweikampf noch nie gesehen und ich hab auch gar keine Ahnung von solchen Sachen, aber - immerhin hast du gewonnen, und ..." Hilflos brach sie ab. Ihr Blick fiel auf seinen Ärmel, und sie wurde totenblass und schlug die Hände vor dem Mund zusammen.
"Oh Gott", sagte sie geschockt. "Das ist ja - das ist - iih, Blut ..."
"Ist nicht so schlimm", sagte er hastig. "Ich muss nur -"
"Euch verarzten lassen, das müsst Ihr", tönte plötzlich eine Stimme, von anerkennendem Klatschen begleitet. "Das war ein wahrhaft großartiger Kampf - aber das Blut macht sich nicht so gut auf Eurer Kleidung."
"Ähm?", sagte Minu verwirrt und sie drehten sich um.
Eine etwas feistere Frau näherte sich ihnen über den Marktplatz. Sie trug ein weißgraues Kleid, das Minu, die sie auf den ersten Blick auf irgendetwas zwischen fünfzig und sechzig schätzte, an ein Ballkleid erinnerte, vielleicht aus dem viktorianischen England oder so, oder Barock - sie hatte keine Ahnung, aber es glich den alten, historischen Festgewändern aus ihrer Welt.
Die Frau schritt majestätisch und zielstrebig auf sie zu, und das erste, das den beiden auffiel, war ihre ungeheuer autoritäre Ausstrahlung. Man erkannte auf den ersten Blick, dass diese Frau zweifellos eine souveräne Führernatur war. Drei Männer folgten ihr, von denen der eine aussah wie ein Butler, der andere wie ein Leibwächter, und der dritte trug eine kleine weiße Tasche bei sich - vermutlich ein Arzt.
"Ähm", wiederholte Minu noch etwas verdutzter und schielte zu der großen Dame hinüber. "Ähm, was -"
Sie wurde einfach übergangen. "Ihr müsst wirklich ein guter Kämpfer sein, habe ich Recht? Wer hat euch die Schwertkunst beigebracht? Ich nehme an, Ihr habt schon eine ganze Menge Erfahrung, denn was Ihr da gerade geleistet habt, war wirklich beachtenswert."
Der Arzt riss Link beim Inspizieren der Wunde fast den Arm aus, und er keuchte wütend auf. "Was soll das?!"
"Hemd aus! Ich muss nähen!", sagte der Heilfachmann streng. "Die Bekleidung ist mir im Weg." Ungeduldig wedelte er mit der Hand.
"Aus der Nähe sieht er eher schmächtig aus", sagte der Leibwächter abschätzend. "Meint Ihr wirklich -"
"Nein, nein, es stimmt schon!", entgegnete die Frau. "Das ist der Kämpfer, ganz sicher."
"Sollten wir die Wunde vielleicht nicht lieber im Gasthof verbinden?", erkundigte sich der Diener höflich. "Hier vor Ort und Stelle -"
"Ich muss den Blutfluss stoppen, ansonsten sieht es nicht gut aus!", beschwerte sich der Mediziner.
"Wer ist die Lady?", wollte der Leibwächter wissen.
"Ähm -"
"Ich will meine Sachen aber ANbehalten!"
"Na los! Runter mit der Tunika! Oder schämst du dich was, Jüngelchen?"
"Ich - nein, aber - hier auf dem Marktplatz - und alle schauen zu - das ist -"
"Ääähhhmmm -"
"Ich bin davon überzeugt, dass man das Problem in Ruhe im Gasthof lösen kann."
"Ich werde Euch Glauben schenken - aber dennoch halte ich daran fest, dass er ÜBERHAUPT NICHT wie ein Schwertkämpfer aussieht. Wären da nicht Scheide und Schild -"
"Ääääääääähhhhhhhhmmmmmmmmmmm -"
Als der Arzt an Links Gürtel zu zerren begann und sich dieser in einem Schreikrampf erging (Link, nicht der Gürtel), hob die Frau die Hand und rief: "Jetzt ist aber Ruhe!"
Und siehe da, es war Ruhe. Kaum ließ sie die Hand wieder sinken, hatten alle die Münder geschlossen, hörten auf, durcheinander zu plappern und starrten sie stattdessen an, was sie aber nicht im Geringsten zu stören schien.
"Wir gehen jetzt in den Gasthof", sagte sie ruhig. "Wo wir Links Wunde verbinden und bei Speis und Trank alles klären werden. Ist das allen in Ordnung?"
Der Arzt bestand noch darauf, einen provisorischen Verband zu machen, zauberte ein Verbandstuch aus seiner Tasche hervor und zerrte es etwas heftiger als nötig fest.
"Dann lasst uns zur Kutsche gehen", sagte die Frau danach galant, drehte sich um und ging von dannen.
Link, Minu, der Arzt - der immer noch beleidigt zum Helden hinaufstarrte - der Leibwächter, der mit der Frau vorausging, und der Diener folgten ihr.
"Was soll das alles?", zischte Minu Link misstrauisch los. "Kennst du die?"
"Nein", antwortete er einsilbig.
"Großer Gott, weißt du, was das bedeutet? Wir werden gerade ENTFÜHRT!"
Link war damit beschäftigt, sich den Gürtel zuzumachen. "Solange es dann was zu essen gibt", murmelte er. Im selben Moment verfluchte er sich für eine Unachtsamkeit. Wäre dies wirklich eine gefährliche Situation und er würde nur ans Essen denken, dann ... Immerhin hatte er jetzt die Verantwortung für Minu.
Die Frau und ihr Wächter führten sie zu einer prachtvollen Kutsche, die am Rande des Marktplatzes stand. Minus Kinnlade klappte hinunter, als sie die Droschke und die davor angespannten, kräftigen weißen Hengste sah. Auch Link war überrascht, aber er konnte sich gerade noch zügeln, nicht wie Minu in diesem Moment laut loszuBOOOAAH!en. Die Kutsche selbst war nach oben hin geschlossen und weißgrau, wie das Kleid der Frau. Sie glänzte matt wie Perlmutt - er fragte sich, aus welchem Material sie gemacht war - und die grauen Details waren in Form kleiner Blumen daraufgemalt worden. Hinter den Fenstern konnte man weiße Vorhänge sehen. Das ganze Gefährt war ein Traum in Weiß und Grau.
Der Diener eilte voraus und öffnete die Tür. "Lady Firrin", sagte er galant und verbeugte sich, als die Frau die Treppen hinauf und in die Karosse stieg. Sie winkte Link und Minu, die ihr hastig folgten. Der Arzt, der Leinwächter und der Diener sprangen entweder auf die Hinterbank oder neben den Kutscher nach vorne.
"Ich weiß, ich weiß", sagte die Lady und machte eine wegwerfende Handbewegung, sobald sich die Kutsche in Bewegung gesetzt hatte. "Es ist ein wenig übertrieben, in der Stadt mein Baby", sie klopfte an die Wand, "zu benutzen, aber ein kleines bisschen angeben tun wir ja alle gern, nicht wahr?" Sie lächelte.
Weder Link noch Minu, die sich auf der grau gepolsterten Bank gegenüber der Frau niedergelassen hatten, wussten, was sie von der ganzen Situation halten sollten.
"Ihr fragt Euch sicher, was das alles soll", sagte sie im selben Moment. "Mein Name ist Firrin. Lady Firrin."
"Link - Minu", stellte er sie vor und sah sie direkt an. "Was wollt Ihr von uns?"
"Das ist eigentlich eine ganz einfache Angelegenheit", sagte sie und lächelte wieder. Minu konnte das Gefühl nicht ganz loswerden, dass diese Frau alles eiskalt kalkulierte. "Am Besten, wir sprechen im Gasthaus darüber, bei einem guten Tropfen Wein und -"
"Ich trink kein Alkohol", trompetete Minu.
"Na gut, für Euch dann eben Wasser", lenkte Lady Firrin ein. "Ich werde Euch dort von meinem Anliegen erzählen."
~
Es war Abend geworden.
Nachdem sie im Wirtshaus eingetroffen waren, das zwar klein, aber umso schöner war und am Rande der Stadt stand, hatten sie von Lady Firrin ein kleines Zimmer für zwei gemietet bekommen, das direkt neben ihrem eigenen lag. Danach hatte der Arzt darauf bestanden, Links Wunde zu nähen, der diesmal etwas genervt eingewilligt hatte, nachdem der kleine Mann eine geschlagene halbe Stunde lang vor der Zimmertür gestanden, penetrant gegen das Holz geschlagen und im Dreiminutentakt "Die Wunde muss genäht werden! Die Wunde muss genäääht werden!" gekräht hatte. Als auch das erledigt war, hatte sich Lady Firrin mitsamt Angehörigen zurückgezogen und die beiden allein gelassen.
Das erste, was Minu tat, war, sich aufs Bett zu werfen und einzuschlafen. Link starrte sie etwas fassungslos an, wie sie da so seelenruhig lag und hingebungsvoll schnarchte, dann klappte er den Mund wieder zu und schüttelte den Kopf. Eigentlich hatte er ihr noch mit ihr reden wollen. Er wusste selbst nicht, über was. Über irgendetwas eben. Er hatte sich entschuldigen wollen, für was auch immer. Hatte sie fragen wollen, was ihr geschehen war. Ihr erzählen wollen, was ihm geschehen war. Und sie schlief einfach ein. Na, super.
Er stand auf und ging langsamen Schrittes zum Fenster hinüber, um einen Blick hinauszuwerfen. Die Hände hinter dem Rücken gefaltet stand er dort und beobachtete, wie sich die Dunkelheit vom Himmel senkte und alles verschluckte bis auf die Kerzen, die nun unten im Biergarten angezündet wurden, der direkt hinter dem Wirtshaus lag und den man von hier oben wunderbar sehen konnte. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen, aber es war noch immer viel zu aufgeregt um sich zu beruhigen. Er dachte an seinen Schwur. Noch immer war er sich nicht sicher, ob er ihn wirklich halten konnte - aber er konnte sein Bestes geben um das zu versuchen. Er dachte auch an den Kampf, und als er sich an die Aufregung, die Kampfeslust erinnerte, blitzte sie in seinen Adern wieder auf, und er konnte nicht anders als seine Hände ineinander zu verkrampfen, so dass sich die Fingernägel ins Fleisch gruben, und die Zähne aufeinander zu beißen, dass es fast weh tat.
Ein leises Klopfen an der Tür holte ihn aus seinen Gedanken zurück, und er ging hin und öffnete sie. Draußen stand Lady Firrin.
Sie blickten sich eine Weile an, dann trat er wortlos beiseite.
Die Frau entdeckte sogleich, dass Minu schlief, und verhielt sich dementsprechend. Sie schlich herein und schloss die Tür hinter sich geräuschlos, bevor sie sich zu Link umdrehte.
"Warum seid Ihr hier?", flüsterte er.
"Ich hatte einen guten Grund, Euch beide heute auf dem Marktplatz aufzugabeln", sagte sie genauso leise. "Sehr selten tue ich etwas iohne/i einen guten Grund. Ich habe Euch ein Angebot zu machen."
Er ließ sich Zeit, ehe er antwortete. "Ich weiß nicht, ob ich es annehmen kann", sagte er scharf, aber gedämpft. "Ich habe selbst eine Aufgabe, die ich erfüllen muss."
"Wenn mich nicht alles täuscht, was selten geschieht, habt Ihr sogar zwei", sagte sie süffisant. "Was immer Eure Aufgabe zuvor war iund/i das Mädchen zu beschützen.
Er starrte sie wortlos an, und sie fuhr fort.
"Ich biete Euch an, für eine Weile in mein Herrenhaus zu kommen. Es liegt ein oder zwei Tagesreisen nördlich von hier in Mandira - wo ich im Bürgerrat tätig bin - und Ihr könntet dort einige Tage verbringen."
"Wozu soll das gut sein?", fragte er schlicht. "Es stiehlt mir nur Zeit."
Sie lächelte eiskalt. "Schaut Euch das Mädchen an", sagte sie.
Er wandte den Blick und betrachtete Minu. "Na und?", fragte er verständnislos. "Was soll mit Ihr sein?"
"Ihre Haare zum Beispiel."
Er musterte Minus Mähne. Na gut, sie waren ein wenig ungekämmt, schmutzig, und ein paar Kletten hingen darin - Überbleibsel aus dem Dschungel - aber was hatte das zu tun mit ...
"Ihre Kleidung."
Hmm. Seit Ewigkeiten nicht mehr gewechselt, wie seine eigene. Aus demselben Grund dreckig - unten an den Hosenbeinen (er hatte immer noch nicht begriffen, wieso ein Mädchen Hosen trug) Schlammspritzer, im Hemd ein paar Risse, vermutlich hatte sie sich einmal in irgendeinem Dornenbusch oder so verfangen. Die ursprüngliche Farbe war fast nicht mehr zu erkennen.
Er begriff noch immer nicht.
"Ihre Haut."
Blaue Flecken, Kratzer, Schmutz. Langsam dämmerte es ihm.
"Versteht Ihr?", fragte Lady Firrin leise, ohne den Blick von seinem Gesicht zu nehmen. "Ihr könnt jetzt nicht mehr nur an iEuch selbst/i und iEure Aufgabe/i denken. Mit dem, was Ihr heute auf dem Marktplatz getan habt, habt Ihr einen Schwur für Minu abgelegt." Sie zitierte. "'Ich gelobe hiermit, alles dafür zu tun, ihre Ehre, Schönheit und Reinheit zu erhalten.' Und jetzt schaut mal genau hin - ist sie vielleicht schön in diesem Moment? Oder rein? Und so schmutzig wie sie ist, hat sie da noch Ehre? Und werft vielleicht mal einen Blick in den Spiegel, Ihr seht auch nicht besser aus! Der Drecksritter und sein Drecksfräulein, so seht ihr beide aus!"
Link wusste nicht, was er darauf sagen sollte.
"Ihr müsst für sie sorgen. Es ist Eure Pflicht. Und irgendwo müsst Ihr ja anfangen. Außerdem", fügte sie zum ersten Mal warm lächelnd hinzu, "ist sie auch nur ein junges Mädchen. Und die haben eine natürliche Eitelkeit. Wenn sie morgen früh aufsteht und in den Spiegel schaut und ihr eine getrocknete Schlammpfütze mit ungekämmten Haaren entgegenstarrt, wird ihr das wahrscheinlich gar nicht gefallen. In meinem Haus kann sie sich waschen und schönmachen und kann sich neue Kleider anziehen - und Ihr auch -"
"Ich ... verstehe." Er räusperte sich, und es schien ihm plötzlich gar nicht so unpraktisch, einige Tage bei Lady Firrin zu verbringen. "Und im Gegenzug? Was muss ich im Gegenzug tun?"
"Das ist eine andere Geschichte", sagte sie und er bereute gleich gefragt zu haben. "Eine iganz/i andere Geschichte. Ich möchte, dass Ihr meinem Enkelsohn den Schwertkampf beibringt."
"Was?" Er fing an zu lachen, kriegte sich aber gleich wieder ein, als er sich an Minu erinnerte, die ja immer noch am Schlafen war. "Das ist alles? Nur Schwertkampf? Das ist doch nicht Euer -" Plötzlich wurde seine Stimme dumpf, als ihm etwas einfiel. "Oh nein. Nein. Nein, das KANN nicht Euer Ernst sein."
"Doch." Lady Firrin nickte siegessicher. "Eine lange Angelegenheit, nicht wahr? Jemandem das Kämpfen beizubringen lässt sich wohl kaum in drei Tagen schaffen."
"Aber das bedeutete ja - das bedeutet - dass wir ihn auf unsere Reise mitnehmen sollen?!"
"Exakt."
"NEIN!", schrie er ohne Rücksicht auf Minu zu nehmen. "NEIN! Das geht nicht! Absolut nicht! Das will ich nicht und kann ich nicht und werde ich nicht verantworten!"
Sie räusperte sich lieblich. "Nein? Und Euren Schwur könnt Ihr wohl auch nicht verantworten? Außerdem -"
"Sie kann sich hier im Wirtshaus waschen", tobte er. "Das macht keinen Unterschied! Wasser ist Wasser und Seife ist Seife!"
"Danach schlüpft sie wieder in ihre abgetragene Schmutzkleidung, und außerdem -"
"DIE DUMMEN SACHEN KÖNNEN HIER AUCH GEWASCHEN WERDEN!!"
"Ja, gut, meinetwegen, aber -"
"UND MEINE AUCH!!! HAHA!!! HAHAHAHAHAHA!!! HAAAAAAHAAAAAAAA!!!"
"Ihr seid ja völlig hysterisch", stellte Lady Firrin fest. "Jetzt lasst doch das Mädchen schlafen und MICH UM GOTTES WILLEN AUSREDEN!"
"Oh. Natürlich." Er räusperte sich verlegen.
"Also! Erstens könnt Ihr von eurem Verantwortungstrip runterkommen! Die einzige, für die ihr die Verantwortung übernehmen müsst, ist Minu! Mein Enkelsohn wird die Verantwortung für sich selbst übernehmen und damit basta! Genug Verantwortung jetzt. Und Punkt zwei: Tut ihr doch einfach mal was gutes! Habt Ihr hier schon mal die Waschräume gesehen? Da fühlt man sich nicht wirklich wohl drin!"
Link starrte sie entgeistert an. In seinem Kopf flog alles durcheinander. Kälte. Komfort. Meerwasser und Schlammpfützen. Ein heißes Bad. Seine Dschungelhütte. Lady Firrins Herrenhaus. Früchte mit Würmern drin. Ein Gänsebraten. Ein verlaustes Lager aus Decken und Fellen. Ein warmes großes weiches Bett. Eng. Viel Platz. Dreckige Kleidung. Saubere, neue Kleidung.
Minu.
Schließlich seufzte er. Resignierend hob er die Hände. "Na gut, ich ergebe mich", sagte er widerwillig. "Aber nur dass Ihr es wisst, ich machs nicht, weil ich gerade lustig danach bin."
"Das ist mir klar", sagte die Lady lächelnd und schüttelte ihm die Hand. "Ich danke Euch trotzdem. Ihr werdet es nicht bereuen."
Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer und ließ Link nachdenklich zurück, ohne zu wissen, dass Minu gar nicht geschlafen, sondern nur vorgegeben hatte zu schlaffen, und dass sie alles mit angehört hatte.
~
Nachdem er den Kampfplatz verlassen hatte, war Lumien eiligst davon gehechtet, um so schnell wie möglich das "Räuberschloss" zu erreichen.
Was konnte Larien von ihm wollen? Der Mann hatte gesagt, einen Zweikampf. Aber was war das für eine Sinneswandlung; jahrelang hatte er versucht Lumien alles zunichte zu machen, und jetzt wollte er ganz ehrenhaft ein Duell austragen? Da stimmte doch etwas nicht. Er hatte ein ungutes Gefühl, während er den Weg so rasch er konnte zurücklegte.
Als er an der verabredeten Stelle eintraf, musste er eine herbe Enttäuschung erleben. Niemand war dort. Die hohen kahlen Hausmauern, die den kleinen Platz eingrenzten, warfen ihre langen Schatten auf den Boden, nicht auf einen Menschen, geschweige denn seinen Bruder. Das zerfallene Häuschen, in dem sich die Falltür befand, lag verlassen und einsam dort. Es herrschte eine unheimliche Stille, ja, es war so ruhig, dass es ihn unweigerlich an die Geräuschlosigkeit auf einem Schlachtfeld nach einem blutigen Kampf zweier Heere erinnerte. Oder an die Stille vor dem Sturm. Ihm schauderte.
Vorsichtig legte er die Hand um seinen Schwertgriff, ohne die Augen von der Umgebung zu lassen. Zögernd trat er einen Schritt nach vorne. Seine Schritte hallten in der grauen Häuserschlucht wieder. Er schluckte. Die Situation hatte etwas beunruhigendes. Erneut sah er sich um, um sich zu vergewissern, niemanden übersehen zu haben, aber es befand sich außer ihm tatsächlich niemand hier.
"Hallo?", rief er leise. "Ist da wer?"
Es kam keine Antwort. Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf, und er fuhr heftig zusammen. Dies konnte eine Falle sein. Sicher, dies imusste/i eine Falle sein! Ein Zweikampf? Nein, das passte nicht zu Larien - aber eine Falle, das war genau das, was er sich ausgedacht haben konnte, um ihn ein für alle Mal zu beseitigen. Sein scharfer Blick wanderte über den Platz. Irgendwo musste hier jemand stehen, der sich auf ihn stürzte, sobald er sich umdrehte.
"Verdammt", zischte er sich selbst zu.
Plötzlich nahm er aus den Augenwinkeln über ihm eine Bewegung wahr. Er schoss herum, fixierte das Dach des Hauses, vor dem er stand. Er war sich ganz sicher, dort oben etwas gesehen zu haben.
Auf der anderen Seite des Platzes polterte es. Jemand hatte von den Dächern einen Stein losgetreten. Er drehte sich um, zu spät, wer immer sich dort oben aufhielt, war wieder in Deckung gegangen. Man spielte Katz und Maus mit ihm.
"Komm raus und kämpfe wie ein Mann, du Bastard!", brüllte er zornerfüllt. "Was bist du, ein Feigling, der sich auf den Dächern versteckt, statt einen ehrlichen Kampf auszutragen?!"
Schritte von irgendeinem der Dächer. Er spürte sein Herz klopfen. Das war kein Spiel mehr. Das war bitterer Ernst.
Etwas traf ihn im Rücken. Er fuhr zusammen. Jemand warf Steine nach ihm. In seiner Nähe schlug ein weiterer Stein ein. Er drückte sich mit dem Rücken gegen die Hauswand, um zu verhindern, dass er von hinten angegriffen werden konnte.
Zwei weitere Steine. Ihm ging ein Licht auf. Wer immer dort war, er versuchte nur ihn zu verunsichern, nicht ihn wirklich zu treffen. Fehlschlag.
"So nicht!", schrie er und sprang nach vorne. "Nicht mit mir!"
Und dann geschah alles auf einmal.
Von oben flog ein Schatten auf ihn zu, er riss ohne zu überlegen das Schwert aus der Scheide und stieß es in der gleichen Bewegung in die Luft, um sich zu verteidigen - dann das plötzliche Gewicht auf seiner Klinge - ein fast überraschtes Aufächzen, und alles war rot, rot und nass - er hatte nie gewusst, das Blut so heiß sein konnte, es verbrannte ihn fast - für den Bruchteil einer Sekunde starrte er in sein völlig perplexes Gesicht, bis ihm klar wurde, dass es nicht seins war, sondern das seines Bruders, das dort über ihm in der Luft hing, und dann gaben seine Knie nach und er und Larien fielen gemeinsam zu Boden.
iFalsch. Etwas war fürchterlich falsch./i
Er kämpfte sich auf die Beine, taumelte zurück, als er seine Hände sah, seine blutgebadeten Hände. Sein Herz verkrampfte sich ihn ihm so fürchterlich, dass er meinte sterben zu müssen, und noch immer begriff er nicht, was geschehen war - oder wollte es nicht begreifen. Er starrte ohne einen klaren Gedanken zu fassen auf Larien, der vor ihm auf dem Boden lag in seinem eigenen Blut, und er verstand immer noch nicht, als Larien hustete und Blut spuckte.
Dann warf er sich mit einem Aufschrei auf die Knie.
Rasend schnell breitete sich ein fürchterlich hässlicher Blutfleck auf Lariens Hemd aus, und gleichzeitig überrascht und schockiert starrte er auf die Wunde in einem Bauch, die sich von seiner Brust zu seinem Becken zog. Seine Finger krampften sich darüber, und er keuchte und drehte den Kopf zur Seite und spie Blut. Noch mehr Blut. Alles rot.
Das alles geschah nur von fern. Lumien war nicht wirklich hier, war nicht wirklich er selbst. Er stand neben sich und sah zu, was diese Person machte, die er einmal gewesen war. Alles zog rasend schnell an ihm vorbei, immer noch erfasste sein schockgelähmter Verstand nicht, was hier geschah oder geschehen war. Er wehrte sich dagegen, denn dies konnte nicht wahr sein, das war einfach unmöglich! Ungläubig starrte er auf das Schwert, das mit blutiger Klinge neben Larien lag. Plötzlich weinte er, ohne es zu merken, und er ballte die Hände zu Fäusten und senkte den Kopf über dem Körper seines Bruders.
Larien hustete erneut. Seinen halbgeöffneten Lippen entwich ein Stöhnen. "Gottverdammter Hurensohn", keuchte er und bäumte sich unter einem Hustenfall auf. "Verfluchter ... gott...verdammter Hurensohn ..."
"Larien?", flüsterte Lumien. "Larien? Das ist kein Blut, oder? Das passiert doch alles gar nicht, oder? Oder?"
"Siehst du das?" Larien krächzte, versuchte seinen Bruder anzuschreien. "Das?" Unter enormer Anstrengung hob er zitternd seine Hand und hielt sie ihm vors Gesicht. "Blut, du Scheißkerl! Du hast mich umgebracht!" Seine Stimme erstarb zu einem Flüstern, und Lumien begann am ganzen Körper so stark zu zittern, dass aussah, als schüttle ihn eine unsichtbare Person. "Einmal ... in deinem verdammten ... verdammten Leben machst du was ... was ... richtig", sagte Larien so leise, dass er fast nicht zu hören war. Ein Blutrinnsal lief von seinen Lippen hinab.
"Was redest du da?!"
Langsam dämmerte es Lumien. Verzweifelt kämpfte er gegen die Gewissheit an, doch als sie den schützenden Damm des Schocks durchdrang, brach sie mit einer solchen Macht über ihn herein, dass er schrie. "LARIEN!!"
"Siehst du's?", murmelte Larien und alle Anspannung wich von ihm. Er schloss die Augen halb und zog die Mundwinkel in die Höhle, als lächle er. Seine Brust hob sich unter rasselnden, unregelmäßigen Atemzügen, doch er schien weit, weit fort von diesem Platz. Vielleicht war er schon längst gegangen, und dies war nur der Überrest seiner Selbst. Der eigentliche Larien war schon dort, wo man hingelangt, wenn man dieses Leben zuende gelebt hat.
Lumien weinte. "Was? Was soll ich sehen?"
"Das Licht ...", flüsterte Larien. "Schau doch hin ... es ist da ... und ... sie ist da ... sie ist ... gekommen ... für mich ..."
"Wer?", fragte er mit erstickter Stimme, doch er wusste die Antwort, bevor er die Frage gestellt hatte.
Sie waren nicht mehr alleine. Da war etwas in der Luft um sie herum, warm, zart, etwas, das sie liebkoste, das sie in die Arme schloss und ihnen gut zuredete, etwas, das sie kannten und das sie kannte. Es tröstete sie und machte ihnen Mut - Larien weiterzugehen, sich nicht an das Leben zu klammern, es enden zu lassen, und auch Lumien weiterzugehen - aber dennoch hier zu bleiben, die Kraft zu finden, ein neues Leben zu beginnen. Und dennoch sah er nichts, der Hof war derselbe, die grauen Hauswände waren dieselben, all das Blut war immer noch da.
"Narsilla", hauchte Larien und schloss die Augen, und so schrecklich er sich auch fühlte, Lumien lächelte.
"Narsilla", wiederholte er leise.
Ein leichter Windstoß zerzauste sein Haar, fuhr über Lariens Gesicht und trocknete den kalten Schweiß auf seiner Stirn. Und mit einem Schlag spürte Lumien, dass Larien einverstanden war. Einverstanden zu gehen. Nichts hielt ihn mehr im Leben. Narsilla holte ihn ab, geleitete ihn zu sich. Die beiden waren wieder vereint, vergessen war der Hass und die Qualen und das viele Streiten, vergessen die düstren Zeiten. Sie blickten nach vorne ins Licht. Der Wind strich an ihm vorbei, spielte mit seinen Haaren und seiner Kleidung, und für eine Sekunde hatte er das Gefühl, ein leises Flüstern darin zu hören, fast zu leise, um es überhaupt wahrzunehmen, aber er vernahm es tief ihn sich drin -
iDanke./i
Er spürte ein Lächeln. Narsilla lächelte.
Dann seufzte Larien auf. Und ganz leise erlosch sein Leben, um gemeinsam mit Narsilla an einem anderen Ort erneut zu erglühen - dort, wo niemand ihn erreichen konnte.
~~~ Fortsetzung folgt ~~~
############################################### endloses Nachwort (Na ja, war ja auch ein endloses Kapitel. Ihr müsst das Nachwort aber nicht lesen, müsst ihr eigentlich nie - da brenn ich nur den Gedankensaft ins Papier, der mir während dem Schreiben aus den Hirnwindungen tropft *ggg* Aber wichtig für die Story ist es nicht ... OK?)
Holla, sind das viele neue Charaktere auf einmal. Na ja, ein paar treten ja nur in diesem Teil auf, also macht euch keine Sorgen, ihr werdet euch nicht dauerhaft mit ihnen rumschlagen müssen *ggg* Bei Lumien und Larien bin ich immer mit den Namen durcheinander gekommen ^^;; Mal war Lumien der "Böse" und Larien der "Gute" und dann wieder umgekehrt, teilweise gabs plötzlichen Luriens und Lamiens. Ich hoffe, ich habe alle Fehler behoben ... *tüdeltütü* Persönlich kann ich Larien nicht ausstehen. Die Teile mit ihm waren bescheuert zu schreiben, weil ich nicht wusste, ob ich ihn jetzt als Möchtegern-Brutalo oder echten Brutalo darstellen sollte ... na ja ... ihr seht ja, es ist irgend so ein untauglicher Mix draus geworden _ _" Lumien mag ich dafür ganz gerne. Er gibt sich als Tausendsassa, dem man nichts anhaben kann und der immer gut drauf ist. Außerdem tut er nur, was er will. In Wahrheit steckt aber noch viel mehr dahinter. Der Typ hat nämlich irgendwie voll die Dark Mind. Lumien zu verstehen, fällt selbst mir nicht ganz leicht, aber ich wünsche mir dennoch, dass es mir irgendwann geling ( ... und euch auch ... ) Seltsamerweise fasziniert mich dieser Charakter, außerdem wird er im späteren Story-Verlauf wichtig sein, also werde ich ihn ausbauen ^^ Er hat eine tragische Vergangenheit (die übrigens noch nicht ganz ausgeleuchtet ist, auch wenn es so scheint ... !) und muss damit fertig werden, trotzdem lässt er keinen _richtig_ an sich ran. Ich mag den Typen, der gefällt mir echt. Aus dem mache ich was *sich das ganz fest vornehm* Ach ja ... Ich wette, von euch hat keiner mein "Untitled Shôjo Ai Story" gelesen, aber da gibt es diesen einen Charakter namens Aoi und die grinst oder lächelt auch immer ... Boh! Lumien erinnert mich mit seiner ständigen Strahlerei voll an sie ^^; [EDIT] Na gut, jetzt am Ende lächelt er gar nicht mehr so viel ^^"" [/EDIT]
Lalala ... ist der Teil mit der Entführung und den Räubern zu "schmutzig"? Ich meine, dass Larien und seine Leutz andauernd diese Androhungen machen ... das ist so gar nicht mein Stil, und ich weiß auch nicht, ob es reingepasst hat in die Geschichte. *soifz* Ich hatte auch keinen großen Spaß an diesem Teil der Story, also die Entführung und so, hat man das gemerkt? Beim Schreiben hatte ich nicht das übliche Gefühl, den Drang, da so viel raussaugen zu müssen wie möglich, ich wollte es einfach nur hinter mich bringen. Deswegen ist der Part auch nicht so großartig geworden. Ich hätte viel mehr rausholen können ^^;; Aber das war wichtig, weil sich daraus alle folgenden Ereignisse ergeben haben. Als dann allerdings der Schatten auftauchte, war ich wieder mit Feuer und Flamme dabei *löl* Ich liiiebe es einfach, diese Parts zu schreiben ... die mit dem Schatten ... *ggg* Leider wird mir das wegen der "Medizin" der Schamanin ja nicht mehr sooo oft vergönnt werden ... aber wartet ab, was ich vorhabe *eg*
LOL. Dass Link mit seinen Ohren einen Wasserkessel nachahmen kann, wird langsam zu seiner herausstechendsten Charaktereigenschaft.
Falls ihr die Geschichte mit Narsilla zu kitschig findet oder die Szene auf dem Marktplatz, wo Minu heult, oder nachher als Larien abkackt, sagt mir das bitte. Eines der vielen Dinge, die ganz oben auf meiner "WENN DU DAS TUST, BIST DU TOT" Liste stehen, ist KITSCH SCHREIBEN. Ich möchte mich wirklich so weit wie möglich davon fern halten, aber manchmal passiert es eben doch ^^; Also bitte, Kritik ^^;;; Wie gesagt habe ich mit solchen Dingen auch noch keine Erfahrung ... (Oärrh *das gerade noch mal gelesen hat* Ich weiß ja nüscht wieso, aber mir kommt das sooo kitschig vor . Alle drei Szenen ...)
Oh Gott, an alle, die Kenshin lesen. NEIN! Ich wollte Enishis Blutrache NICHT nachmachen! Ob ihr es glaubt oder nicht, ich hatte die Idee dieses Brüderzwistes auch schon, !!bevor!! ich die Bände mit Enishi gelesen habe. Bitte glaubt mir. Mir war es schon ultrapeinlich, als ich Fushigi Yuugi und Ayashi no Ceres nachgemacht habe, da würde ich NIEMALS extra noch mal was übernehmen! (LOOOOL, das ist nicht ganz ernst gemeint (meistens passiert so was eher unbewusst OO;; - aber Enishis Blutrache ist !nicht! aus Kenshin geklaut.)
Uff. War versucht, Jork Jörg zu nennen, meiner Meinung nach der schlimmste Name der Welt, sorry an alle, die so heißen. Habs aber gelassen. Jörg, der tapfere Ritter - nah, hat einfach nicht genug Aussagungskraft XD
Was mir aufgefallen ist, ist, dass Minu ein sehr oberflächlicher Charakter ist. Ich meine, sie ist verrückt, ein bisschen trottelig, aber sie hat eigentlich ein gutes Herz. Und mehr? NIX. Ehrlich mal, schaut sie euch doch mal an! Auf seine ganz persönliche Art und Weise ist meiner Meinung nach niemand oberflächlich, aber Minu - MINU!! - wirkt eben so! Ich werde daher versuchen, in den nächsten Teilen ihren Chara etwas zu vertiefen. Es stecken eigentlich so viele verschiedene Seiten in ihr, aber die sind bis jetzt nicht zum Vorschein gekommen. Wie auch? Wenn man in einer fremdem Welt rumrennt, ist man eben mit anderen Dingen beschäftigt als mit Tiefsinnigsein. Und man kann ja nun wirklich nicht sagen, dass Minu irgendwie ein ruhiges Leben hat oder so OO;; Na, ich werd mich auf alle Fälle mal drum bemühen, dass auch Minu ein paar Facetten bekommt. Nayru hat welche, Din hat welche, Farore hat (glaub ich ... XD) auch welche, Ralph hat welche, und Link auch (jupp! Der auch!). Lumien ist ganz neu, also hat er noch keine (na ja, eigentlich doch - meistens strahlt er, aber darunter ist er unglaublich ... düster ...) Larien hat nicht die Gelegenheit gehabt, welche zu haben. (HARHARHAR MWAAHAHAHAHAAAAA ... Nein, OK, fies ... MWAHA ...)
Meine herzallerliebste MadCatkin ^o^ hat gemeint, die Orakel gingen im Kapitel mit der Goronentollheit völlig unter, außer natürlich Farore. Das will mir auch in den Kopf, aber es musste einfach Farore sein, die dieses abgefackelte Dorf und den Jungen (dessen Name im übernächsten Kapitel genannt wird) findet - es tut mir Leid, es tut mir Leid, aber nur so haut es hin. Es musste ein Orakel sein, das alleine ist, und deshalb kamen nur Din oder Farore in Frage; Din war aber erstens nicht in der Nähe und zweitens kriegt sie bald ihren großen Auftritt und Farore nicht, deswegen musste ich das etwas aufbessern - außerdem hat es mit ihrer Vergangenheit zu tun. Bitte verzeih mir, MC ^^" Man merkt wahnsinnig dolle, dass Farore mein Lieblingsorakel ist, nicht wahr?
Hmmmm. Dieser Junge. Er verwirrt selbst mich, dabei habe ich ihn doch sozusagen "erschaffen" ... ich meine, er sagt immer diese unzusammenhängenden Dinge, als würde er gar nicht zuhören, aber er ist trotzdem immer bei der Sache, auch wenn es gar nicht so scheint. Und irgendwie kann er in die Zukunft sehen, oder zumindest hat er so "Vorahnungen". Für sein Alter ist er viel zu erwachsen, aber das liegt an seiner Kindheit. Und seit er seine Family begraben hat, hat er einen kleinen Schuss in der Waffel XD ... Haha ... ihr wollt sicher seinen Namen wissen, stimmts? Stimmts? Stimmmmmts??? Haha, haha *eg* No way! Den verrate ich erst im übernächsten Kapitel. [PREVIEW] Das nächste Kapitel ist ganz allein den Vergangenheiten der Orakeln gewidmet, weil ich mich damit seit geraumer Zeit auseinandersetze. Ich meine: Wieso sind sie so, wie sie sind? Was haben sie erlebt? Hatten sie einmal ein "normales" Leben, in der Familie und mit Freunden? Wie war ihre Kindheit? Und wie wird man eigentlich zum Orakel? Wollten sie Orakel werden oder nicht? Wird man in dieser Stellung geboren? Fragen über Fragen, und ich hoffe teilweise auch, mir darauf im nächsten Kapitel selbst Antworten zu geben. Ihr dürft gespannt sein ^^ [/PREVIEW]
Ach du meine Scheiße. Da hab ich doch glatt eine Kampfszene eingebaut, dabei sind diese Teile wohl das, was ich am allerwenigsten kann - wie hier wohl jetzt alle gemerkt haben =.= Ich entschuldige mich hiermit offiziell, dass ich damit das 6. Kapitel voll und ganz versaut habe. °(-`.´-)° Ich bin absolut nicht mit mir zufrieden. Vielleicht überarbeite ich die Szene noch mal, wenn ich Zeit und mehr Übung habe. Aber hallo, WAS bitte ist eine Zelda Fic OHNE Kampfszenen?! ¬¬ Ahhh, der Szene fehlt einfach der Pep ... Und was Link da am Ende macht, das ist technisch gar nicht möglich glaub ich ... hab ich ne Ahnung ... hahaha ... ich weiß gar nichts ^^"
HEY. Ist euch aufgefallen, wie oft ich das Wort Zeitblase verwende? Insgesamt in allen meinen Geschichten ... also ich glaub, ich hab noch nichts geschrieben, wo das nicht drin vorkam ... aber hey ... das ist ja so was von unwichtig ... weiß auch gar nicht, wieso ich das hier hinschreibe ... vermutlich will ich mich bloß davor drücken, die bescheuerte Kampfszene fertig zu schreiben ... da arbeite ich im Moment dran ... (ich schreib die Nachworte immer während des Schreibens) aber ... das geht einfach nicht ... außerdem ... HAB ICH DA GRAD ZEITBLASE HINGESCHRIEBEN! mwaha
*froi wie so n Schnitzel* Aya hat gesagt, sie findet meine Nachworte lustig. Dieses drei Word-Seiten lange Nachwort ist Aya gewidmet ^o^
###############################################
Parmesan-Power ist heut gut drauf Deswegen legen wir das Ganze in Reimen auf. Lauter Reim-dich-oder-ich-schüttel-dich-Kram hier Wenn sich einer beschwert, wird PP zum Tier Und beißt euch lustig die Köpfe ab (schnapp, schnapp, schnapp).
Könnt ihr's glauben, PP schreibt ein Gedicht? (Ein literarisches Kunstwerk wird's wohl nicht.) Das folgende stammt alles aus PPs Feder - Links Stiefel sind aus braunem Leder. (Ha, ha, was hat das eigentlich hiermit am Hut? Keine Ahnung, aber es reimt sich gut.) Leider hat sie Zelda nicht erdacht Sonst hätt' sie wohl viel Kohle gemacht Und würde jetzt nicht mehr hier sitzen Sondern auf Kho Samui in der Sonne schwitzen. (Falls ihr's nicht wisst, das ist 'ne Insel in Thailand mit einem wunderschönen Strand. Ahh, ich hab Sonnenbrand.) Diese Zeilen sind echt nur zum Ablachen Und genau das soll man damit auch machen. Weiter im Text, sonst werden wir nicht fertig Und auf fertig reimt sich nichts außer bärtig. Weil in der Story aber keiner 'nen Bart hat Macht uns dieser Unsinn hier alle platt. Hää? Ich verlier hier grad' voll den Faden Was ist das hier überhaupt für 'n Scheißladen?! Na, ist mir auch scheißegal, ich mach jetzt einfach weiter Dann sind wir alle heiter. Ich komm jetzt mal zur Genredefinition Auf Definition reimt sich unter andrem Spedition Aber so was braucht ja im Moment keiner Außer einer, und das ist Heiner. Weil keiner Heiner kennt Dessen Hause grade brennt Ist er uns piepegal So wie der Tadsch Mahal. (Was auch immer das ist, PP dies am laufenden Bande vergisst.) Diese Geschichte ist Adventure, Humor und Drama in einem Das gelingt nur PP und sonst keinem! Ja Einbildung ist auch ne Bildung Was sich auf Bildung reimt weiß ich nicht und deswegen reimt sich diese Zeile nicht. Ha! Ha! Ha! Jetzt kommt die erste Warnung Mit äußerst schlechter Tarnung Denn wie ihr alle seht, sehr ihr sie. Wer hat gerade gefragt "Wie"? Ihr dummen Nüsse, mit euren AUGEN ... Habt ihr euch noch nie gefragt, wozu die taugen?! Ihr Ignoranten, die Dinger stecken nicht umsonst in eurem Gesicht! (Publikum: Hee, PP, vergiss die Warnung nicht!) Oh, klar, danke fürs Erinnern, du Typ Jetzt kommt die Warnung, pyp, pyp, pyp. Kuckt mal, ich kann kein ie mehr schreiben Beim Gedichtschreiben sollte ich auf keinen Fall bleiben. Passt gut auf, die Warnung lautet: Tschihi miski paldi dautet! Das brauchte ich jetzt, damit sich das reimt ... Und draußen auf dem Balkon die Bohne keimt. Hohoho. Interessiert jetzt wohl keinen Außer einen Und der heißt Heiner Aber den kennt ja keiner Also ist er uns piepegal So wie der Tadsch Mahal. (Ist das vielleicht was zu essen? PP hats schon WIEDER vergessen.) Ich hab hier alles manipuliert Damit die Story funktioniert.
Habe mir rasch ein Land erfunden Und mir das Gehirn nach neuen Charas zerschunden Am Ende schon die Birne raucht In der Ostsee ist grad 'ne fette Trumm getaucht. Das hört jetzt wieder nur Heiner gern Aber der ist ja auch vom anderen Stern. Ein bisschen blöd, die ganze Geschichte Aber hier kennt jeder Heiner nicht-e! Heiner ist grad abgebrannt Die Feuerwehr kam zu spät angerannt. Deswegen schmeiß ich jetzt ne große Party Ach nee, wart-y! Ich bring erst mal die zweite Warnung Auch diesmal wieder ohne nennenswerte Tarnung Die lautet wie nicht anders zu erwarten Die Bohne wächst im Garten! Ach nee, das stimmt nicht wirklich Die Warnung geht: MINU IST NICHT ICH! Und damit hat sich das Gedicht! Wer bis hier las, dem garantiere ich nicht Dass von seinem Hirn noch was übrig ist! Die Stupidität es gerade zerfrisst! Leute, daran seid ihr selber Schuld Higgedi biggedi kracksli buld. HO HO HO HOOO!
Ich bitte zu beachten, dass Link in dieser Geschichte kein kleiner, sondern ein großer Held ist (sprich: "erwachsen"!)
ACHTUNG! GIGANTISCHES SPRÜHWERK AN NEUEN CHARAKTEREN!
Ach ja und noch was .... @Aya: Du mochtest schon die Szene mit Din nicht, also wirst du diesen Teil vermutlich ganz fürn Ar*** finden ... ich find ihn ja selber nicht sooo~ gut geworden, aber besser habe ich's nicht auf die Reihe bekommen. Es tut mir Leid!
###############################################
Kapitel 06. Der Ritterschwur
Link träumte.
In seinem Traum befand er sich in vollkommener Dunkelheit. Es gab keine Geräusche, keine Bewegung, kein gar nichts, es gab noch nicht einmal Luft - er atmete nicht, dennoch lebte er.
Vorsichtig streckte er die Hand aus. Er konnte sie sehen. Wieso konnte er seine Hand sehen, wenn es dunkel war?
Er wandte den Kopf, sah sich um, und sah gar nichts.
Was war das für ein Traum?
iLink .../i
Jemand rief ihn. Eine unbekannte Stimme. Wer war das? Er war nicht allein. Vorsichtig tastete er nach seinem Schwert, doch er trug es nicht bei sich. Ein leises, belustigtes Lachen. Es hört sich nicht feindselig oder höhnisch an. Sein Misstrauen schwand. Er fühlte sich auf einmal sehr geborgen. Sein Schwert brauchte er hier nicht.
iDa hast du Recht. Hier ist kein Schwert vonnöten./i
Er antwortete und war nicht überrascht, als seine eigene Stimme mit der Dunkelheit verfloss und mit ihr zu einem wurde.
Wo bin ich?
iDu bist in einer Vision./i
In einer ... Vision?
Er brauchte nicht zu reden, zu denken genügte. Seine Gedanken erfüllten den Raum und drangen in die Unendlichkeit der Schwärze ein.
Eine dritte Stimme schaltete sich ein. Nein, es waren keine richtigen Stimmen - eher Gedanken, die sich genauso mit ihm verständigten wie er mit ihnen.
iDu brauchst dich nicht zu fürchten./i
Plötzlich schnarchte jemand laut auf.
iOmmmzzz ... chrrr ... Link . chrrmmz . /i
Ihm ging ein Licht auf.
Maku-Bäume! Ihr seid ... Maku-Bäume!
iGanz recht, Link/i, sagte eine dritte Gedankenstimme. Er kannte sie nicht. Die erste Stimme war die des Maku-Baumes in Labrynna, die zweite Stimme war der Maku-Baum von Holodrum.
Wieder dieses Lachen.
iDu kannst mich nicht kennen. Ich bin der Maku-Baum von Ranelia./i
Ranelia ...
Link fühlte sich plötzlich träge.
iWir brauchen deine Hilfe, Link!/i
Die Stimme des Maku-Baumes von Labrynna klang eindringlich.
iDu kannst dir denken, wieso. Diese Welt ist in Gefahr./i
Link hob den Kopf, als sähe er zu jemandem auf.
Ich weiß. Die Orakel ...
iSie haben es dir gesagt ... sie haben dich um Hilfe gebeten. Sie verlangen viel von dir, aber selbst wir sind zuversichtlich, dass du es schaffen kannst./i
Link wurde plötzlich ärgerlich.
Immer muss ich die Welt retten. Langsam geht mir das auf den Senkel.
Der Maku-Baum von Ranelia lachte. Es hörte sich sehr besorgt an.
iDas kann ich mir gut vorstellen. Trotzdem - du bist vielleicht der einzige, der stark genug ist, es zu schaffen./i
iAber ... chrr ... Link, das ist nicht alles/i, schaltete sich der Maku- Baum von Holodrum ein. iDu musst das vierte Orakel finden./i
Was?!
iWir flehen dich an/i, sagte der Maku-Baum von Labrynna. iEs ist ein unruhiges Gefühl in uns erwacht. Wir spüren die Präsenz eines vierten Orakels. Aber wir wissen nicht, wo es ist ... was es tut ... was es überhaupt ist./i
iWenn die Schatten es vor uns finden, dann ist diese Welt verloren .../i Die Stimme des ranelianischen Maku-Baums war leise und bedächtig.
iDas Böse ist bereits auf das vierte Orakel aufmerksam geworden. Du musst dich beeilen./i
Großer Gott, wie soll ich das denn alles schaffen? Ich muss die Welt retten, mich mit den Orakeln vertragen, nebenbei das vierte aus ihren Kreisen finden, und ich muss mich um Minu kümmern ...
Minu ... Der Gedanke erfüllte ihn mit einem unbekannten Gefühl.
iMinu .../i
Alle drei schwiegen sie.
iDu musst auf dich Acht geben/i, sagte der Maku-Baum von Ranelia, und es war, als ob die anderen beiden nickten. iGib auf dich Acht, Link!i
Auf mich Acht geben ...
Der Traum verschwand.
~
Am nächsten Morgen erwachte Link vor Minu.
Am Abend zuvor hatte ihnen die freundliche Schamanin zwei behelfsmäßige Lager im Vorderzimmer aufgebaut, auf denen sie übernachtet hatten. Nach seinem gestrigen Ausflippen hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen, und er fragte sich, ob Minu ihm wohl noch böse war. Na ja, das konnte ja sowieso nicht lange dauern. Immerhin würden sie heute zu zweit weiterreisen. Da war es ja wohl zwingend, dass sie irgendwann wieder miteinander sprechen müssten.
Er richtete sich auf und sah sich um. Eigentlich konnten sie gleich aufbrechen. Von der Heilfrau hatten sie sich gestern Abend schon verabschiedet, denn er hatte bereits angekündigt, dass sie am Morgen das Dorf früh verlassen würden. Minu hatte daraufhin nichts mehr gesagt. Es war ihr anzusehen gewesen, dass sie sich gewundert hatte, aber sie hatte nicht gesagt wieso und über was.
Neben ihm - wieso hatte diese verflixte Kräuterhexe die Lager direkt nebeneinander aufgebaut?! - regte sich schläfrig Minu.
"Link?" Träge richtete sie sich auf. "Ist ja lustig. Auch schon wach?"
"Ja. Am Besten, wir brechen gleich auf." Er stand auf, besann sich aber und drehte sich um. "Bist du noch - verärgert?"
"Wieso, worüber?"
"Na ja ... über den Streit gestern."
"Streit?" Verwirrt sah sie ihn an, dann hellte sich ihr Gesicht auf. "Ach, das! Das hab ich gar nicht als Streit betrachtet. Mach dir nichts draus."
Er fühlte sich plötzlich erleichtert. "OK, wie du meinst. Hast du deinen ganzen Kram gepackt?"
Sie nickte. "Ja. Aber eins hab ich nicht kapiert. Erst sagst du, du lässt mich im nächstbesten Dorf sitzen, wenn du weißt, was mit mir los ist -", Link machte sich eine kurze Memo im Kopf, sie später zu fragen, was eigentlich genau mit ihr los sei, "- und dann nimmst du mich trotzdem mit. Wieso?!"
"Möchtest du lieber hier bleiben?", fragte er kurz angebunden. "In einem Dorf voller abergläubischer Hysterikern, wo man dich Geistermädchen nennt und vor dir wegrennt, sobald du auch nur den Mund öffnest, ein Wort zu sagen?"
"Das ... ist ..." Minu senkte den Blick und schwieg kurz. "Danke", sagte sie dann. "Echt. Danke."
"Bitte. Ich lass dich im nächsten Dorf sitzen."
"Oh. Fiesling!"
"Oho!" Er grinste spitzbübisch. "Wir hatten eine Abmachung, schon vergessen? Ich hab dich jetzt schon ein ganzes Dorf zu weit mitgeschleppt. Im nächsten werde ich dich los."
"Du tust ja gerade so, als ginge ich dir fürchterlich auf die Nerven!", sagte Minu aufgebracht, während sie ihre sieben Sachen (na ja, es waren eigentlich nur ein oder zwei) zusammen suchte.
"Nein, das nicht, aber -" Link zögerte kurz und war plötzlich ernst. "Hör mal, wenn es wirklich hart auf hart kommt, würdest du mich nur behindern. Ich meine, ich kann mich wehren, aber du nicht. Ich müsste dich schützen. Wenn ich aber wirklich die Welt retten muss, dann - ich kann nicht immer auf dich Acht geben. Außerdem habe ich heute Nacht eine Vision gehabt. Die Maku-Bäume haben zu mir gesprochen, in einem Traum."
"Die Maku-Bäume?!" Minus Augen wurden rund. "Geil!! Was haben sie denn gesagt?"
"Ich muss das vierte Orakel finden." Er seufzte und schulterte seinen Rucksack. "Das vierte Orakel ... Oh Gott, ich hab keine Ahnung, wo, wer, was, wie ..."
"Ich kann dir ja helfen!", schlug Minu vor. Sie verließen das Haus und steuerten auf das Pferd zu, das sie an einen nahen Baum gebunden hatten.
Es war früh und noch nicht richtig hell. Leichter Nebel hatte sich über das Dorf gelegt, noch nirgends war ein Zeichen des geschäftigen Tumultes zu sehen, der gestern hier vorgeherrscht hatte. Vermutlich schliefen alle noch.
"Aha, und wie willst du mir helfen?!"
"Weiß noch nicht. Überleg ich mir dann."
Link verkniff sich ein Grinsen und schwang sich aufs Pferd, Minu setzte sich hinter ihn. Sie verließen das Dorf.
"Wo reiten wir jetzt eigentlich hin?", fragte Minu.
"Die Schamanin hat erzählt, wenn man von hier aus stetig nach Norden ritte, erreiche man eine große Stadt. Meinetwegen kannst du da bleiben."
"Meinetwegen nicht! Kann ich nicht bitte, bitte, ibitte/i mit dir kommen?"
"Nein. Das Thema hatten wir schon ein Dutzend Mal." Link sah starr nach vorn.
Minu zog eine Schute. "Du bist echt bescheuert. Wie lange müssen wir jetzt noch reiten? Ich krieg iKrämpfe/i im Hintern, wenn dieser lahme Gaul so weiterzuckelt!!"
"Wenn wir Glück haben, haben wir die Stadt bis heute Nachmittag erreicht. Wir können dann da eine Bleibe für dich suchen, und am nächsten Morgen reite ich weiter."
"Ich hasse dich", sagte Minu theatralisch. "Du kannst mich doch nicht einfach so sitzen lassen!"
"Kann ich wohl. Wirst du ja sehen."
~
"Da vorne ist eine Lichtung!"
Ralph zügelte das Pferd, blieb stehen und zeigte Nayru, was er entdeckt hatte. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
"Lass uns da eine Pause einlegen, ja? Es ist ... wahnsinnig heiß hier."
"Was ist das?", fragte Ralph plötzlich alarmiert und richtete den Blick auf die Lichtung, die vor ihnen lag.
"Was?" Nayru streckte ihren Rücken und sah sich um. Dann entdecke auch sie es. "Holz ... Eine Holzwand? Sekunde mal - Ralph, reit auf die Lichtung, schnell!" Plötzlich war ihre Stimme schneidend.
Ralph gab dem Pferd die Sporen und sie galoppierten auf die Waldlichtung, nur um abrupt vor einer kleinen Holzhütte anzuhalten. "Mein Gott, Ralph!", schnappte Nayru überrasch. Die Überraschung wandelte sich im selben Moment in Freude um. "Wir haben ihn - wir haben Link! Das muss sein Haus sein!"
Hastig saß sie ab und überließ es Ralph, das Pferd anzubinden. Der jedoch dachte gar nicht daran. "Warte", sagte er scharf. "Hör doch mal."
Nayru verstummte und lauschte. Sie hörte nichts.
"Was denn?", flüsterte sie.
"Es ist zu leise", wisperte Ralph und griff nach seinem Schwert. "Link hätte sich doch schon längst zu erkennen geben! Wir sind doch auf diese Lichtung getöst wie zehn Elefanten. Wäre er dort drin, hätte er uns gehört."
"Oh." Nayrus Augen wurden kugelrund. "Du meinst, er hat uns nicht erkannt?"
"Vielleicht wartet nicht er, sondern jemand anders auf uns", zischte er warnend.
"Mach dich nicht lächerlich! Niemand hat uns erwartet."
"Vielleicht ist er dort drin gefangen genommen, gefesselt und geknebelt, bewacht von blutrünstigen Monstermoblins, die jedem den Kopf abhacken, der seinen Fuß über diese Schwelle setzt."
Ein Schweigen trat ein, als beide sich dieses Szenario vorstellten. Über ihnen zwitscherten die Vögel in den Baumkronen, begleitet vom Rauschen des Windes in den Blättern. Nur das Schnauben des Pferdes und ihr eigener Atem waren sonst noch zu hören.
"Das glaube ich nicht", flüsterte Nayru blass. "Was sollen wir jetzt tun?"
"Du wartest hier." Ralph richtete sich auf. "Ich gehe hinein und checke die Lage. Geh sofort in Deckung, wenn dir irgendwas verdächtig vorkommt." "Einverstanden." Sie nickten sich zu, und Ralph trat in die Hütte hinein.
Nichts. Der erste Raum war menschenleer, aber ordentlich. Es schien nicht, als hätte jemand die Hütte in Hast verlassen. Durch einen Vorhand betrat er den Nebenraum. Auch hier: Nichts. Das Sonnenlicht fiel durch ein Fenster hinein und malte ein helles Quadrat auf den Boden und teilweise auch auf ein Lager - auf ein gemachtes Lager. Sein Blick fiel auf eine sorgfältig verschlossene Truhe, auf der ein mit Hand beschriebenes Pergament lag. Er hob es auf und warf einen Blick darauf. Es war gewellt, vermutlich war es schon einmal durchnässt geworden. Plötzlich runzelte er die Stirn. In den wenigen Schriftzeichen, die noch leserlich waren, erkannte er ... Nayrus Handschrift ... ? Das musste sie ihm erklären.
Er verließ die Hütte wieder. Auf Nayrus fragenden Blick schüttelte er den Kopf. "Nichts. Niemand ist überstürzt geflohen, alles ist ordentlich. Das hier habe ich gefunden." Er überreichte Nayru das Dokument.
Sie wurde noch blasser, als sie ohnehin schon war, und senkte niedergeschlagen den Blick, schweigend. Ihre Schultern sackten hoffnungslos ab. Sie schien traurig zu sein.
"Was ist das?", drängte Ralph. "Mach mir nichts vor, ich weiß, dass du das geschrieben hast!"
"Das ist ... ein Brief." Sie rollte ihn zusammen und versenkte ihn in ihrer Rocktasche. Dann sah sie auf und begegnete seinem gespannten Blick. "Ich habe ihn bei ihrer Abreise Minu mitgegeben. Er war an Link adressiert. Dann ist das hier also ..."
"Links Hütte", beendete Ralph den Satz, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Wie schön ihre Haare in der Sonne glänzten. "Verdammt ... wir haben ihn um ein Haar verpasst."
Trotzig richtete sie sich auf. "Dann kann er nicht weit sein. Kannst du Spuren lesen?"
"Ein bisschen", sagte er zweifelnd und schritt zum Pferd hinüber. "Nicht sehr gut, aber ..."
"Du wirst es versuchen. Deine Kenntnisse werden sicher ausreichen", sagte sie entschlossen und setzte sich hinter Ralph auf das Pferd. "Wir müssen ihn unbedingt finden und ... vor Minu warnen."
"Vor Minu warnen ..." murmelte er zweifelnd.
Sie ritten los. Nachdem er eine Weile geschwiegen hatte, sprach Ralph seine Gedanken aus. "Meinst du wirklich, es ist notwendig, ihn zu warnen?"
"Ja." Nayrus Stimme war leise, ihre dunklen Augen aufmerksam nach vorne gerichtet. "Ja, das glaube ich. Minu ist von Schatten besessen. Wenn sie -"
"Ja, aber der Schatten hat noch keine Überhand gewonnen. Sonst würde sich Din wie unter Schmerzen winden, dauerhaft, ohne Unterlass!"
"Ich weiß." Nayru zog die Schultern hoch und wechselte das Thema - es schien, als wisse auch sie keinen Rat. "Was meinst du, wieso Din diese Verbindung zu Minu hat? Das kommt mir seltsam vor. Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll."
"Ich auch nicht. Keine Ahnung, was ich davon denke. Ich hab noch gar nicht drüber nachgedacht", gestand er verlegen. "Jetzt, wo du es ansprichst, stellt sich mir allerdings die selbe Frage: Warum?"
"Siehst du irgendetwas?"
"Was?"
"Ob du irgendetwas siehst. Anzeichen dafür, dass Link hier vorbeigekommen ist."
Er seufzte innerlich. Wieso dachte sie immer nur an Link? Wieso nicht an ihn? Langsam begann ihm das auf die Nerven zu gehen. iEr/i war derjenige, an den sie denken sollte. Er schüttelte den Kopf. "Nein. Sie müssen schon vor längerer Zeit hier vorbei gekommen sein."
Nayru fluchte unterdrückt. "Mein Gott, wieso klappt denn nichts! Ist das denn die Möglichkeit!"
"Lass uns weiterreiten. Ich glaube, ich habe gehört, es gäbe ein Dorf am Rande des Dschungels. Ich denke nicht, dass Link Minu mitnehmen würde, er würde sie nicht gefährden wollen, aber im Dschungel konnte er sie auch nicht sitzen lassen. Wenn sie igemeinsam/i aufgebrochen sind, werden sie dort gehalten haben, um Minu abzusetzen."
Nayru machte ein finstres Gesicht. "Hoffen wir das."
~
Die Stadtmauer war gigantisch. Majestätisch wuchsen sie vor ihnen aus dem Nichts, gewaltige Steinmauern, die sich bis zu den obersten Kronen der Bäumen erstreckten. Wenn er den Kopf in den Nacken legte, konnte Link oben auf ihren Zinnen Soldaten mit Speeren patrouillieren sehen, deren Helme in der Sonne golden glänzten. Und so riesig die Mauer war, waren auch die Holztore, so groß, dass ein Riese hindurchgepasst hätte. Oder zwei. Oder drei. Zu den Seiten der Portale standen kleine Holzhäuschen, vor denen ein, zwei Wachmänner herumlungerten.
Er konnte die Geräusche einer lebendigen Stadt hinter der Mauer hören, das dumpfe Klopfen von Pferdehufen auf Pflasterstein, Menschenstimmen, das Rollen von den Rädern der Wagen. In heißer Vorfreude klopfte sein Herz wie wild. Wie lange war er nicht mehr unter so vielen Menschen gewesen? Würde er diese Prüfung bestehen?
Mit Minu an seiner Seite ... ja.
Auch sie war von der imposanten Größe der Mauern und vom ganzen Erscheinungsbild der Stadt beeindruckt. Stumm blickte sie aufmerksam nach vorne. Sie hatte immer noch die Arme um ihn gelegt - langsam war er davon überzeugt, sie glaubte hinunterzufallen, wenn sie ihn nicht fest umklammerte - und so konnte er den Schlag ihres Herzens spüren, mindestens ebenso aufgeregt wie er selbst. Wie lange war isie/i nicht mehr unter so vielen Menschen gewesen?
Link holte tief Luft und lenkte das Pferd auf eins der Wachhäuschen zu. Außer ihnen wollten nur noch ein alter fahrender Händler und ein berittener Soldat die Stadt betreten, und so brauchte er nicht lange zu warten, bis sie an der Reihe waren.
"Oho?", meinte der Soldat verblüfft und trat einen Schritt zurück, als er Link und Minu erblickte. Grinsend legte er dann zwei Finger an seinen Helm. "Herzlichen Glückwunsch! Eine vortreffliche Wahl habt Ihr getroffen, der Herr. Wirklich, ganz hervorragend."
"Was meint Ihr?", fragte Link verblüfft und runzelte die Stirn.
"Tja." Das spitzbübische Grinsen wurde noch etwas breiter. "Im doppelten Sinne. Ein nettes Mädchen habt Ihr bei Euch, und unsere schöne Stadt Trori eignet sich auch wunderbar dazu, hier die Flitterwochen zu verbringen. Ihr seid doch frisch Vermählte?"
"Äh. Ääääähhhhhh. Aähähähähähäm. Ähm." Link räusperte sich verlegen und Minu hinter ihm sah demonstrativ in eine andere Richtung. "Nein, in der Tat, sind wir nicht. Wir sitzen nur zufällig auf ein und demselben Pferd, weil -"
"- wir zu pleite sind, mit ein eigenes zu kaufen", beendete Minu den Satz und schenkte dem Mann ein elegantes Lächeln. "Aber ich bin nicht mit ihm verheiratet, nicht mit ihm verlobt, und nicht mit ihm zusammen."
"Zusammen?" Verwirrt starrte der Soldat Minu an.
"Ich teile nicht das Bett mit ihm", zischte sie mit blutrotem Gesicht. "Und habs auch nicht vor!!"
"Ouh." Hastig senkte der Wachmann den Blick. "Verstanden, Fräulein. Was treibt Euch dann gemeinsam her?"
"Wir reisen gemeinsam", sagte Link ausweichend, ohne den Mann anzusehen.
Der fasste es natürlich gleich wieder falsch auf. "Oh mein Gott!", schnappte er entsetzt. "Ihr seid nicht auf der Flucht vor ihrem Ehegatten, oder?! Ihr seid doch keine Brecher des heiligen Bundes der Ehe?!?"
"Neiiiiiiiiiiiin!", fauchte Minu. "Hören Sie mal, ich bin idreizehn/i, ja?, dreizehn!! Mit dreizehn IST man noch nicht verheiratet!"
"Dreizehn, Fräulein! Ihr wirkt viel älter."
"Dessen", sagte Minu sarkastisch arrogant und warf affektiert die Haare zurück, "bin ich mir bewusst."
Link holte tief Luft. "Können wir passieren?"
"Was wollt Ihr denn in dieser Stadt?"
Er und Minu tauschten kurz die Blicke aus. "Oh, wir - suchen eine Bleibe für die Nacht und eine vorläufige Unterkunft und dann eine Reisemöglichkeit für sie", sagte er schließlich.
"Zumindest sucht ier/i das", sagte Minu spitz und schenkte Link einen bösen Blick. "iIch/i habe meine Reisemöglichkeit bereits gefunden." Sie schenkte ihm ein sehr, sehr gemeines Lächeln.
Link räusperte sich ärgerlich. "Das ist nicht wahr, sie wird nicht mit mir reisen. Sie möchte nur gerne."
"Die wissen auch nicht, was sie wollen", murmelte der Wachmann zu sich selbst und nickte den beiden zu. "Natürlich. Natürlich könnt Ihr passieren, betretet ruhig Trori. Einen guten Aufenthalt wünsche ich!"
"Danke", sagten sie beide gleichzeitig und ritten in die Stadt.
Sofort wurden sie vom Strom der Menschen erfasst, die sich auf den Straßen herumtrieben. Überall, wo man hinsah, sah man sie, Menschen, Menschen, Menschen, es gab wohl keinen Platz, der nicht übervölkert war. "Wer baut so eine große Stadt am Rande des Dschungels?", fragte Minu entgeistert, doch Link war zu fasziniert, um ihr zu antworten. Staunend vor Freude wollte er alles gleichzeitig sehen, wusste nicht, wohin er zuerst schauen, wohin er zuerst reiten sollte. Unentschieden lenkte er das Pferd immer hin und her. So viele Leute! Gaukler, Jonglierer, Sänger, Possenreißer, Schaulustige, Alte und Junge, Kinder. Sie lachten, redeten, tratschten, sangen, hier und da wurde geschimpft, manche steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, Kinder spielten Hüpfen und Fangen unterm strahlend blauen Himmel.
"Oh", brachte er schließlich überwältigt hervor. "So viele - mein Gott, so viel iLeben/i! Ich kann es gar nicht glauben."
Es war das erste Mal, dass er Minu gegenüber seine tiefsten Empfindungen so aussprach.
Sie lächelte still in sich hinein. "Das hast du lange nicht mehr erlebt, was? So viele Menschen auf einmal. - Ich auch nicht", fügte sie leise hinzu und realisierte, dass es stimmte. Wie lange hatte sie ihre Familie jetzt nicht mehr gesehen? Ihre Eltern, ihre Schwester, ihre Freunde? Die verhassten Lehrer, die verhasste Schule, den ganzen verhassten Rest? Es war noch nicht so lange, doch ihr kam es vor wie eine Ewigkeit und zehn Tage. Bisher hatte sie nicht zugelassen, doch sie spürte nun, dass sie ihre Welt vermisste. Hastig schüttelte sie den Kopf. Jetzt war nicht die Zeit für Sentimentalitäten!
Link atmete tief durch und schloss die Augen. "Wow", sagte er still. "Wow."
Minu fand, dass es an der Zeit war, weiterzumachen. Sie räusperte sich. "OK, wie wärs, wenn wir mal anfangen?"
"Womit?", fragte er verwirrt aus seinen Gedanken gerissen.
"Wir wollten uns eine Unterkunft suchen", erinnerte sie ihn laut, um den Lärm zu übertönen. "Und wir -"
"Eine Unterkunft?"
Überrascht sahen sich die beiden um und erblickten einen jungen, braunhaarigen Mann, der sie belustigt beobachtete. Er stand im Schatten eines überragenden Hausdaches an die Wand gelehnt und grinste verschmitzt. "Die werden das Fräulein und ihr Ritter wohl kaum finden." Er musterte Minu. "Nicht, wenn Ihr nicht besonders vermögend seid. Und so seht Ihr nicht aus."
"Nein, stimmt, wir sind nicht sonderlich reich, aber ... Wieso sollten wir kein Zimmer für eine Nacht finden?", fragte Link irritiert.
Der Mann überging ihn. Es schien, als spreche er nur mit Minu, was Link ein wenig verunsicherte. "Es gibt ein, zwei düstere Spelunken am südlichen Rande der Stadt", sagte der junge Mann lässig und zeigte mit dem Finger in die Richtung. Er wirkte nur wenig älter als Link. "Aber ich würde Euch nicht empfehlen, dort zu übernachten, meine Dame. Außer Ihr wollt -"
"Wieso meint Ihr, wir finden kein Zimmer mehr?", bohrte Link nach.
"Außer Ihr wollt eine Gefahr eingehen. Ist Euer Ritter sehr stark?"
"Hallo, ich rede mit Euch", sagte Link laut.
"Was denn? Wieso Ritter?", fragte Minu verdutzt.
"Ist der junge Herr nicht Euer Ritter?" Nun schien der Mann verwirrt. "Es kam mir so vor, als ... Nun ja. Ich muss mich geirrt haben." Er verbeugte sich höflich. "Es tut mir Leid, Euch belästigt zu haben, Fräulein."
"Kann ich vielleicht auch mal was sagen?!", rief Link ärgerlich und der Braune sah ihn überrascht an, als nehme er ihn zum ersten Mal wahr. "Was heißt das, wir finden kein Zimmer mehr? Und was soll der ganze Kram von wegen Ritter? Und wer seid Ihr überhaupt?"
"Oh!" Der andere grinste jetzt wieder. "Da hab ich doch glatt vergessen, mich vorzustellen! Mein Name ist Lumien. Lumien Lun. Stets zu Diensten. Und der Grund, wieso Ihr kein Zimmer finden werdet, ist -"
Wieso redete der Kerl schon iwieder/i nur mit Minu?! Langsam ging ihm das auf die Nerven. Kurzerhand sprang Link vom Pferd und trat ihm entgegen, um ihn so zu zwingen, mit ihm zu reden. "Ja?", fragte er herausfordernd.
"Eh?" Verblüfft starrte Lumien Link an. "Was ist denn? Ihr seht doch, dass ich gerade mit dem ehrenwerten Fräulein rede."
"Aber ich habe die Frage gestellt, nicht sie", knurrte Link.
"Aber mein Herr, wir sind in Trori!", grinste Lumien. "Selbst wenn Ihr nicht ihr Ritter seid, so ist sie dennoch über Euch gestellt. Sie ist eine Frau!"
"Geil!", kreischte Minu entzückt. "Ich bin MÄCHTIG! Ich bin WICHTIG! ICH BIN DIE GRÖSSTE! Ist ja coooooooooool!! Hahahahahaaaaaaa! Du musst tun, was ich sage."
Lumien lachte. "Fast. Nur fast, die Dame. Die Regel ist: Frauen sind über Männer gestellt, aber nur Ritter sind dazu verpflichtet, ihren Ladies zu gehorchen. Ihr seid nicht aus Trori, nicht wahr?"
Link schüttelte den Kopf. "Wir sind auch nur auf Durchreise. Ein Zimmer für die Nacht, das ist alles, was wir brauchen."
"Oho." Lumien schien zu überlegen. "Wie wäre es, wenn ich mich nach einem umsehe?"
"Soll uns Recht sein", schaltete sich Minu ein. "Aber haben Sie nicht gerade gesagt, wir würden keins mehr kriegen?"
"Stimmt. Ich glaube nicht, dass noch eins frei ist. Es ist das Narrenfest am Laufen, wisst Ihr das nicht? Alle Zimmer sind belegt! Der Mummenschanz findet nur einmal im Jahr statt. Die Menschen", er machte einen allumfassende Handbewegung, "kommen von überall her, um in Trori zu dieser Jahreszeit den Karneval zu feiern. Troris Narrentage sind berühmt." Seine Augen glitzerten. "Es ist mir eine Freude, hier zu leben. Ich habe noch kein Narrenfest verpasst." Er lächelte.
Minu schluckte. "Ach du Schande. Fasching?!"
Lumien nickte. "Mein Fräulein, mögt Ihr Karneval nicht?"
"Nicht im geringsten", sagte Minu verächtlich. "In meiner Weeeeeeeeee-In meinem Clan gabs auch was in der Art, und ich hab dieses ganze entsetzliche Trarä immer gehasst."
"Na ja." Link griff nach den Zügeln und sah Lumien erwartend an. "Also helft Ihr uns, ein Zimmer zu finden?"
"Natürlich!" Lumien lächelte und stieß sich von der Wand ab. "Wenn ihr mir Eure Namen nennt - mit Vergnügen!"
"Ich bin Minu, und das da", sie deutete auf ihn, "ist Link."
Lumien nickte. "Es gibt ganz in der Nähe eine winzige Herberge, eine kleine unbekannte, ich wage zu hoffen, dass da für Euch noch ein Kämmerchen frei ist."
Sie begannen sich ihren Weg durch die Menge zu stoßen, Lumien ihnen voran, Link, der das Pferd und somit auch Minu mit sich führte, folgte ihm. Nach einer Weile bog der Braunhaarige in ein winziges, dunkles Seitengässchen ein, und ehe sie sich's versahen, standen sie vor einem wirklich kleinen Häuschen. Ein schiefes, verwittert aussehendes Schild sagte ihnen, dass dies die "Herberge zur Holden Nudel" war.
"Oi", murmelte Link zweifelnd. "Die Holde Nudel - aha."
Minu verbat sich ein Kichern und warf einen Blick hinüber zu Lumien. "Da kriegen wir also noch ein Zimmer?"
Er zuckte mit den Achseln. "Keine Ahnung. Das find ich jetzt hinaus." Er stieß die Tür auf und verschwand im dunklen Innern des windschiefen Häuschens. Link und Minu blieben allein zurück.
"Link?", fragte sie plötzlich.
Er drehte sich um. "Was denn?"
"Kannst du mich nicht ibitte/i noch eine Stadt weiter mitnehmen?"
"Wieso? Minu, wir besprechen das hier jetzt zum eintausendsten Mal. Ich werde dich nicht weiter mitnehmen, als nötig. Ich will dich nicht gefährden."
"Und ich würde dich behindern. Bla, bla", sagte Minu verärgert. "Ich kann das Drehbuch bald auswendig! Kannst du mir nicht einfach den Umgang mit dem Schwert beibringen? Ich verspreche dich nicht zu behindern."
Link schüttelte den Kopf, den Blick starr nach geradeaus gerichtet. "Das kann ich nicht verantworten."
iAndererseits - es wäre nett, sie dabei zu haben./i
Ein kleines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als ihm dieser Gedanke durch den Kopf schoss, doch er verbannte ihn sofort. Was war mit ihm geschehen?! Er ikonnte/i sie nicht mitnehmen. Wie nett war es noch, wenn sie auf halbem Wege umgebracht wurde? Und das nur, weil er ihr erlaubt hatte mitzukommen? Das wäre sicher gar nicht mehr nett. Er hatte ganz recht: Sie mitzunehmen, war unverantwortlich.
Er drehte sich zu ihr um, um etwas zu sagen, und erstarrte. Sie waren nicht mehr alleine.
Jemand hatte sich von irgendwoher hinter Minu aufs Pferd geschwungen, hielt sie nun fest an sich gedrückt und presste ihr ein Messer an die Kehle.
Automatisch flog Links Hand an den Schwertgriff, doch der Mann hinter Minu lachte nur leise. "Ich würde euch nicht empfehlen, Euer Schwert zu ziehen", sagte er bedrohlich. Seine Augen funkelten im Schatten der hohen Hauswände, die kein Licht in die Gasse ließen. "Wenn ich mich bedroht fühle, könnte es ja sein, dass ... mir das Messer ausrutscht." Er lächelte kalt.
Link verengte die Augen zu Schlitzen. Die Stimme kam ihm bekannt vor. Überhaupt, die ganze Erscheinung des Mannes. War das etwa -
"Lumien!", schnappte er entsetzt.
Minu gab ein ersticktes Geräusch von sich. Ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen und sie wagte nicht, sich zu rühren.
Der Mann brach in lautes Lachen aus. Link spürte, wie sich plötzlich starke Hände um seine Schultern schlossen und ihn zu Boden drückten. Er knurrte und bäumte sich mit aller Macht auf, doch die anderen waren in der Überzahl. Es gab nicht mal ein kurzes Gerangel, und er lag zu Boden gedrückt. Jemand stellte ihm einen Fuß auf den Rücken, um ihn davon abzuhalten, sich aufzurichten. Das Schwert wurde ihm abgenommen.
"Verdammt", knurrte er.
Der Mann, der aussah wie Lumien, lachte wieder. "Meine Männer sind offensichtlich stärker als Ihr."
"Hätten wir das ehrenwert in einem Kampf von Mann zu Mann ausgefochten, hätte euer letztes Stündlein geschlagen", brüllte Link zorneserfüllt und versuchte verzweifelt sich zu befreien. Der Stiefel wurde ihm fester zwischen die Rippen gedrückt, und er stieß hart die Luft aus.
"Lasst ihn in Ruhe!", quietschte Minu. Der Mann versetzte ihr einen leichten Schlag.
"Halt deine Klappe, Hurentochter, oder es setzt was", zischte er ihr zu. Er schlang einen Arm um sie, ließ das Messer sinken, ergriff die Zügel und lenkte das Pferd herum, so dass er Link in die Augen sehen konnte.
"Lumien", flüsterte Link verzweifelt. "Wieso machst du das?"
Wieder gab es nur ein Lachen als Antwort. "Ich bin mir sicher, du möchtest dein Fräulein zurückhaben. Mal sehen, was ich dafür fordere. Vielleicht - einen Tod?" Er grinste spöttisch und wandte sich seinen Männern zu. "Nolu, Iman, bindet ihm die Hände und lasst ihn dann sitzen", befahl er. "Was ihr sonst mit ihm macht ist mir gleich. Tak, das Schwert will ich haben, du sollst es mir bringen. Junar, wenn 'er' auftaucht, dann richte ihm das übliche aus. Der Rest zieht ab. Passt auf, dass euch niemand folgt!" Er wandte das Pferd und galoppierte durch die Gasse davon.
Minu schrie, gellend und langgezogen.
~
Er hatte ihr ein Band um die Augen gebunden, so dass sie nichts sehen konnte. Während sie ritten, verfestigte sich sein Griff um ihre Taille, was Minu sehr störte. Schließlich stieß sie sich angeekelt von ihm ab. "Lassen Sie mich wohl los", zischte sie angewidert und hoffte, dass er sie über das Rauschen der Stimmen hinweg verstehen konnte, das selbst jetzt, wo die Dämmerung angefangen hatte, nicht verstummte.
"Du vergisst dich", sagte er ruhig und hielt sie nicht eine Sekunde lockerer. "Ich habe hier nämlich die Oberhand", flüsterte er ihr ins Ohr. "Du stehst jetzt unter meinem Befehl, meine Prinzessin."
"Zuerst bin ich die Hurentochter und dann die Prinzessin", keifte Minu. "Sie haben sie ja nicht mehr alle. Und jetzt lassen Sie mich ilos/i, Sie erdrücken mich noch!!"
"Ah-ah!" Sie meinte, aus seiner Stimme einen amüsierten Unterton herauszuhören, und das machte sie nur noch wütender. "Nichts da. Sonst fällst du mir noch vom Gaul und wirst plattgetrampelt. Mit einer platt getrampelten Trophäe kann ich nichts mehr anfangen."
"Ich werde nicht lange bei Ihnen bleiben, das kann ich Ihnen aber versprechen, Sie", presste Minu zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und versuchte mit aller Kraft wenigstens irgendetwas zu sehen.
"Oho. Harte Töne. Aber Kleines, niemand kann dich retten, das ist ja der Witz. Auch dein Ritter nicht."
"Er ist nicht mein -", setzte sie an und verstummte abrupt.
Lumien iwusste/i, dass Link nicht ihr Ritter war. Das hatte sie ihm schon gesagt. Und Lumien hätte sie auch nie im Leben geduzt. Zum Teufel. War das gar nicht Lumien? Die Stimme war sie selbe, aber der Rest ... Sie drehte sich um, soweit es ihr möglich war, und versuchte sein Gesicht zu sehen. Es funktionierte nicht. Lumien? Aber der Charakter ...
"Wer sind Sie?", fragte sie verwirrt. "Sind Sie Lumien?"
Ein kaltes Lachen war die einzige Antwort.
Während sie geritten waren, hatten sich die Straßen offenbar langsam geleert. Die Stimmen waren langsam abgeschwollen. Die Ecke der Stadt, in der sie nun waren, schien heruntergekommen und leblos. Die Atmosphäre war nicht mehr die selbe, plötzlich schien alles kalt und abweisend. Minus Herz klopfte wie wild vor Angst. Wo brachte Lumien sie hin? Was hatte er mit ihr vor ... ? Auch in ihrer eigenen Welt wurden Mädchen entführt, die Wochen später tot, manchmal verstümmelt, wieder auftauchten. Oft genug waren sie Opfer eines Sexualverbrechens. Ihr Herz schlug ihr bis zum Halse, als sie daran dachte. Hatte er mit ihr das selbe vor?
Plötzlich hielten sie an.
"Ihr wünscht Euch jetzt sicher, sehen zu können", sagte ihr Begleiter und sprach damit ihre Gedanken aus. Sie spürte, wie er hinter ihr vom Pferd stieg, und erzitterte vor Aufregung. War das hier ihre Chance, zu fliehen? Er fuhr fort. "Aber ich werde Euch die Augenbinde nicht abnehmen, das ist mir zu unsicher. Zu Eurer Information: Wir stehen vor einer zerfallenen Hütte. Mein Räuberschloss."
"Ich glaubs nicht", sagte sie höhnisch. "Der großartige Lumien lebt in einer heruntergekommenen Spelunke?! Ha! Welch eine Ironie des Schicksals." Sie grinste feindselig. "Ich hoffe, das Dach kommt runter und die Balken spießen Ihre drei gammeligen Gramm Gehirn auf."
"Widerspenstiges Mädchen", sagte Larien überlegen, "du brauchst dich nicht zu sorgen, dass dein Palast dir nicht gerecht wird. Nun ja, es kommt drauf an, wie du dich benimmst, welchen Palast du bekommst." Er zog sie vom Pferd hinab und legte seinen Arm über Minus Schultern. Sie spürte etwas kaltes an ihrer Kehle. Er hatte das Messer wieder gezogen.
"Damit du mir auch nicht wegrennst. Dich brauche ich nämlich noch", flüsterte er höhnisch. "'Er' würde sich ganz schön freuen, wenn du abhaust und zurück kommst ... und das verdient er einfach nicht ..."
Er packte sie hart am Arm und führte sie, wie sie vermutete, ins Haus. Das wurde ihr bestätigt, als sie über etwas stolperte und Lumien ärgerlich sagte: "Passt doch auf die Türschwelle auf!"
Sie hielten an. Minu fröstelte. Im Laufe des Nachmittags war es kühler und schwüler geworden. Vielleicht würde es noch regnen.
Plötzlich ließ er sie los. Ihr Herz begann wieder zu schlagen. Sie wartete, bis seine Schritte sich weit genug von ihr entfernt hatten, machte dann kehrt und rannte zurück. Lumien schrie wütend auf und sie hörte seine Schritte hinter ihr. "Fräulein!! So nicht!"
Unglücklicherweise hatte sie vergessen, dass die Türschwelle näher war, als sie gedacht hatte. Sie stieß mit der Fußspitze dagegen und legte sich der Länge nach hin. "Uff!!"
Lumien brach in irres Gelächter aus. "Sehr schön! Wirklich sehr schön! Da has du dir die eigene Flucht verbockt. Hm, so mag ich es gerne. Wie niedlich." Er griff sie am Arm, zog sie hoch und führte sie wieder in die Hütte hinein. "Und diesmal", sie konnte seinen Atem in ihrem Nacken spüren und erstarrte zu Stein, "rennst du mir aber nicht davon, nicht wahr, mein Fräulein? Ich wäre doch sehr, sehr enttäuscht." Seine Stimme hatte etwas bedrohliches. Minu war heilfroh, als er von ihr wegtrat. Dieser Mann war ihr nicht geheuer. Dabei hatte er am Anfang doch so einen netten Eindruck gemacht.
Sie hörte ein schleifendes Geräusch, und plötzlich war die Luft voller Staub. Ein Hustenreiz überkam sie. "Was haben Sie gemacht?!", keuchte sie erschrocken.
"Den Teppich fortgezogen, der die Falltür verdeckt. Normalerweise nehmen wir immer einen besser versteckten Eingang. Dieser hier ist lange unbenutzt gewesen, deswegen hat sich Staub gesammelt", erklärte er kalt. "Jetzt geht es hinab in die Kammern der Diebe!" Sie vernahm ein quietschendes Geräusch, als er die Tür öffnete.
"Hinunter?", fragte sie zweifelnd.
"Aber natürlich. Da unten ist das Versteck der Diebesbande, dessen Boss übrigens ich bin." Er zog sie zu sich heran. "Und dich mache ich vielleicht zu meiner Königin", sagte er leise und bedrohlich. "Aber nur, wenn du brav bist. Ansonsten machst du gar nicht mehr viel." Ohne Vorwarnung schubste er sie hinab.
Minu schrie erschrocken auf, doch ehe dass sie sich's versah, schlug sie weich auf einem Haufen von Gras oder Moos auf, ohne sich verletzt zu haben. Sie hörte ihn neben sich landen. Dann ein leises Zischen, und plötzlich roch es nach Schwefel.
"Was haben Sie getan? Ein Feuer angezündet? Wir werden verbrennen, wenn Sie nicht auf-"
"Ich habe eine Fackel angezündet, Fräulein, damit ich nicht stolpere. Hier unten ist es schon sehr steinig, man muss aufpassen, sonst schlägt man sich die Nase auf." Sie spürte seine Hand in ihrem Rücken. "Ich werde dich führen, sonst machst du dir Euer Gesicht blutig." Er lachte amüsiert.
Sie fauchte und versteifte sich, sah jedoch ein, dass sie sich nicht wehren konnte. Wenn er sie nicht führte, da hatte er Recht, würde sie wahrscheinlich gegen jede verfügbare Wand laufen.
Plötzlich trat Minu in eine Pfütze. "Igitt", sagte sie absichtlich lauter als nötig. "Das ist ja so was von ekelhaft, ich kann nicht glauben, dass hier jemand lebt - außer schleimige stinkende Ratten, natürlich."
Sie hatte gehofft, ihn damit provozieren zu können, und war enttäuscht, als er nur auflachte. "Oh, gib dir keine Mühe! Mich kannst du nicht so leicht auf die Palme treiben, ich weiß, was ich hieran habe."
Sie begannen den Weg durch den Steingang. Die Luft war kalt, und schon bald bekam sie eine Gänsehaut. Dass sie ohne Unterlass über irgendetwas stolperte, von dem sie lieber nicht wissen wollte, was es war, machte die ganze Sache auch nicht leichter. Ab und zu trat sie auf etwas, das dann unter ihren Füßen knackend zerbrach und Bilder von kleinen Skeletten in ihrem Kopf heraufrief, etwa von Ratten oder Mäusen, die hier unten verendet waren. Niemand von ihnen sagte etwas.
"Wo sind wir hier?", wagte sie schließlich zu fragen.
"Im Steintunnel. Bald haben wir das Kammerschloss erreicht."
"Das Kammeriwas/i?!"
"Das Kammerschloss", sagte er gleichgültig. "Hier unter der Stadt gibt es eine Art Tunnelsystem. Die Tunnel verbinden einzelne Kammern und Räume. Früher war dies die Bibliothek von Trori. Im Krieg der Zwei Städte zwischen Mandira und Trori sind Teile des Systems zerstört und die Bücher verbrannt oder geplündert worden, und alles geriet in Vergessenheit. Ich hatte das Glück, das Kammerschloss wieder zu entdecken. Nun lebt hier meine Bande."
"Was denn für eine Bande?"
"Meine Diebesbande." Er lachte leise.
Schließlich blieben sie stehen.
"Wo sind wir jetzt?", fragte sie gespannt.
"Wir sind am Eingang." Er klopfte so laut an irgendetwas, das sich anhörte wie Holz, dass sie heftig zusammenzuckte.
Etwas knarrte, und eine heisere Stimme ertönte. "Wer da?", grunzte jemand.
"Ich bins", sagte ihr Begleiter ärgerlich. "Wirst du mich jetzt reinlassen oder nicht?!"
"Oh, der Boss", sagte der Mann erschrocken, und die Tür flog auf. Ein kurzes Schweigen entstand, als Lumien Minu hineinführte. "Was ist mir ihr?", fragte der andere Mann schließlich.
"Habe ich im Rachefeldzug gegen 'ihn' erbeutet", sagte Lumien kalt. "Schließ jetzt die Tür. Und vielen Dank für diese tiefen Einblicke in dein Innerstes, aber mir wäre es doch lieber, wenn du den Mund zumachst. Sind die anderen schon eingetroffen?"
"Aber das ist eine iFrau/i! Einfach entführen - einfach eine Frau entführen?! Aber das ist -" Er hörte sich bis aufs äußerste entsetzt an.
"Ich sagte, sind die anderen schon da", zischte Lumien scharf.
"Nein", sagte der Mann immer noch geschockt. "Die Frau, was -"
"Verdammt. Das Schwert war gut. Macht sich in meiner Mordwaffensammlung bestimmt nicht schlecht. Wenn Tak kommt, richte ihm aus, er soll es sofort in meine Kammer bringen."
Er führte sie weiter, ohne auf die Einwände seines Untergebenen zu achten. Ohne zu überlegen trat sie in die Richtung, in der sie ihn vermutete, und traf etwas hartes. Er stieß hart die Luft aus und ließ sie kurz los; Minu nutzte die Chance und rannte in die entgegengesetzte Richtung davon. Nutzlos. Nach kurzer Zeit hatte er sie eingeholt und umklammerte sie hart. Sie quietschte erschrocken.
"Versuchst du es schon wieder?", zischte er wutentbrannt. "Soll ich mein Messer wieder auspacken? Du gehst mir auf die Nerven. Es gibt Mädchen, die würden sich mir sogar freiwillig unterwerfen. Wieso soll ich mich also mit einer widerspenstigen Königin abgeben, wenn ich es besser kriegen kann?! Du hast deine Chance vertan! Bereite dich auf die Gefangenschaft vor. Vielleicht gibt es ein nettes Lösegeld für dich. Und wenn nicht, dann bist du immer noch von Nutzen. 'Er' wird sich zu Tode quälen, dich nicht gerettet zu haben ... und ..." Er zog ihren Kopf an den Haaren nach hinten. "Hier unten kosten Huren nichts", flüsterte er bedrohlich. Tränen stiegen in ihre Augen, vor Schmerzen und vor Furcht.
Er ließ sie los und sie richtete sich auf, um ihren Stolz zu beweisen. "Bevor ich als Hure für eine lausige Räuberbande arbeite, beiße ich euch allen eure erbärmlichen Schwänze ab", fauchte sie mit erhobenem Kopf.
Er schnaubte verächtlich. "Wenn du das glaubst! Jetzt geht's erst mal ab in die Zelle, da wirst du gezähmt."
"Zelle?!" Ihre Stimme überschlug sich. "Aber was -"
"Klappe!", fauchte er. "Noch ein Wort, und ich schneide dir die Zunge heraus."
In die Zelle ... sie erschauderte. Er hatte sich sehr überzeugend angehört. Sie wagte nicht, es noch einmal zu versuchen, zu fliehen. Und so ließ sie sich willenlos abführen.
Sie liefen, bis sie eine Biegung erreicht hatten. Nachdem sie um die Kurve gegangen waren, blieben sie stehen. Er griff sie im Nacken, damit sie nicht weglaufen konnte, und zog ihr das Band von den Augen. Nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatte und sie mehr sah als rote Punkte, riss sie den Mund auf, als sie sah, wovor sie standen.
"Das ist die Zelle?", fragte Minu ungläubig und erschauderte. Das war iunmenschlich/i.
Hinter der Biegung ging der Weg nur noch fünf oder sechs Meter weiter, und seine Qualität verschlechterte sich rapide. Es tropfte von der Decke, riesige Pfützen hatten sich gebildet und der Boden war von Mulden und Hügeln gespickt. Das Licht war hier äußerst schlecht, es hing nur eine einzige Fackel an der Wand. Ein oder zwei Meter, bevor der Gang in einer kesselförmigen Ausbuchtung endete, hatte man einfach ein Eisengitter mit einer Tür hingebaut, das sich von der einen zur anderen Wand und von der Decke zum Boden zog. Davor stand ein klappriger Holzstuhl - wahrscheinlich für Wächter gedacht - und die Zelle selbst war mit feuchtem Stroh ausgepolstert. In der Ecke häufte es sich. Das sollte offenbar ein Lager darstellen. In der Mitte des Gefängnisses befand sich eine riesige Pfütze, die fast den ganzen Boden einnahm; sie hatte sich wohl mit der Zeit aus Wasser gebildet, das von der Decke getropft war. Auch jetzt war das leise Plitschen, wenn erneut ein Tropfen in die Pfütze fiel, zu hören. Außerdem stank es hier bestialisch. Ob verfaultes Wasser oder verfaulende Ratte, konnte Minu nicht sagen.
Lumien zückte von irgendwoher einen Schlüssel, öffnete damit die Tür im Eisengitter und schob Minu hindurch, die sich aufs heftigste wehrte. Schließlich gewann Lumien, schlug die Tür zu und schloss doppelt ab.
"So, und da bleibst du jetzt erst mal, bis ich weiß, was ich mit dir anstelle", sagte er zufrieden und versenkte den Schlüssel in seiner Tasche. Er fixierte sie noch einmal scharf, dann drehte er sich um und schritt den Gang zurück.
Minu spürte Übelkeit in sich hinaufsteigen, als sie sich in ihrem Gefängnis umsah. Nicht gut. Gar nicht gut. Hier würde sie es mit Sicherheit nicht lange machen. Sie holte tief Luft und für einen Moment drohten Hoffnungs- und Ratlosigkeit sie zu überwältigen. Dann zischte sie angewidert. Wenn sie jetzt anfing, sich selbst zu bemitleiden, dann war alles vorbei!
Sie schüttelte den Kopf und begann, das Eisengitter zu untersuchen. Die Zwischenräume waren gerade so groß, dass sie ihren Arm hindurchstrecken konnte, aber dafür waren die Stäbe nicht besonders dick. Minu erinnerte sich an diese ganzen Filme, die in ihrer Welt im Fernsehen rauf und runter gelaufen waren. Angeblich konnte man da die Eisenstäbe durchfeilen. Na toll. Dazu fehlte nur noch etwas scharfes. Sie begann den Boden mit den Händen nach einem spitzen Stein oder derähnlichem abzutasten, den sie dafür benutzen konnte, fand jedoch nichts. Als sie fast das Gleichgewicht verlor und in die Pfütze fiel, gab sie es auf und machte sich stattdessen daran, das Stroh zu durchwühlen. Auch hier befand sich nichts, das ihr weitergeholfen hätte.
Plötzlich stach ihr etwas in die Seite. Sie kiekste erschrocken auf, sprang hoch - hatte sich da eine Ratte an sie herangeschlichen und sie angeknabbert?! - und fasste sich an den Gürtel. Ihre Finger spürten etwas kühles. Leder. Ihr wurde heiß und kalt zugleich, als sie die Hände weiter hoch bewegte. Holz. Das war doch nicht etwa ... ?
Minu sah sich hastig um und zog dann ihr T-Shirt etwas hoch. Oh-oh. Das Glück schien ihr also doch hold zu sein.
An ihrem Gürtel festgeschnallt hing Dins Dolch.
~
Link kochte vor Wut. Hier auf dem Boden zu liegen, war unglaublich demütigend. Wieso hatte er sich überhaupt überwältigen lassen? Er hätte ihnen einfach allen den Kopf abschlagen sollen und ... iMinu./i Das war ja das Problem. Dann wäre sie ganz schön gearscht gewesen.
Er bäumte sich noch einmal auf, doch auch diesmal brachte es ihm nichts. Zwei der Gefolgsmänner von Minus Entführer zückten von irgendwoher ein Seil und banden ihm die Hände fest zusammen. Als er sich nach Kräften wehrte, versetzten sie ihm einen harten Tritt. Anschließend richteten sie ihn gewaltsam auf und lehnten in gegen die Wand.
Er spuckte ihnen verächtlich vor die Füße. "Mistkerle", rief er wutentbrannt. "Sie war hilflos und ihr habt zugelassen, dass er sie - ihr Bastarde, es ist unglaublich!!"
Einer der Männer grinste. "Reg dich ab, Junge. Wir tun, was wir für richtig halten. Und wenn der Boss sagt, das Mädchen wird gestohlen, dann ist es richtig. Wir haben Erfahrung mit ihm. Er weiß ieiniges/i. Und, nebenbei", er beugte sich zu ihm hinab und grinste noch viel breiter, "wenn er sie nimmt, dann wird sie nicht drunter zu leiden haben."
"Sie ist erst dreizehn!", brüllte Link entsetzt, als ihm klar wurde, was der Mann meinte. "Er kann sie nicht nehmen! Sie ist noch viel zu jung!! Was, wenn er ihr ein Kind -"
Plötzlich wurde die Tür neben ihm aufgestoßen, und Lumien trat heraus. Als er sah, was geschehen war, veränderte sich sein Gesichtsausdruck schlagartig. Er erstarrte. "Larien!", keuchte er entsetzt, als wisse er gleich, was passiert war.
Der Mann, der mit Link gesprochen hatte, schnappte sich blitzschnell sein Schwert und schoss davon. Die anderen folgten ihm, nur einer blieb stehen und blickte Lumien eiskalt lächelnd ins Gesicht.
"Sieh an", sagte er eisig grinsend. "Wen haben wir denn da. Lumien, Lumien." Er schüttelte fast bedauernd den Kopf. "Armer Lumien! Er hat schon wieder zugeschlagen. Nach und nach macht er seinen Plan wahr. Es bereitet ihm große Freude dich leiden zu sehen."
"Wo ist - das Fräulein? Minu?", fragte Lumien mit trockenem Mund.
Der Mann grinste. "Das hat er bei sich. Sozusagen als Trophäe. Weißt du denn nicht mehr, was er dir geschworen hat, als Narsilla ging?" Er lachte und hob zum Abschied die Hand. "Ein gutes Leiden wünsche ich!" Dann machte er sich in die Schatten davon.
Link verstand nichts mehr. Er ruckte nach vorne, doch der Knebel machte es ihm unmöglich, etwas zu sagen. Lumien ließ sich stumm gegen den Türrahmen sinken und schüttelte den Kopf. Dann holte er tief Luft und kniete neben Link nieder, um seine Fesseln zu lösen.
Kaum war er frei, nagelte der Held Lumien gegen die Wand. Sein Gesicht näherte sich bedrohlich dem des braunhaarigen jungen Mannes, gezeichnet von unbändigem Zorn.
"Ich weiß nicht, durch welche Hintertür du wieder in die Herberge gekommen bist, du Bastard", zischte er außer sich. "Aber gnade dir Gott, wenn du mir nicht sofort sagst, was du mit Minu gemacht hast, Sohn einer dreckigen Gossenhure!"
"Lass mich los", forderte Lumien kühl und versteifte sich. "Ich war es nicht."
"Glaube das, wer wenig genug Grips hat", fauchte Link und trat einen Schritt zurück. Lumien atmete erleichtert aus und setzte dann ein mattes Lächeln auf. "Hätte ich mein Schwert, würde ich dir dieses Lächeln innerhalb einer Zehntelsekunde von Gesicht hacken", sagte Link wütend, "und was ganz iganz/i anderes würde ich dir auch abschneiden, wenn du mir nicht sofort sagst, wo Minu ist."
"Ich hab sie nicht." Lumien seufzte. "Es war Larien."
"Und wer ist das?!"
"Mein Zwillingsbruder."
Link verschlug es für einen Moment die Sprache. Ungläubig runzelte er die Stirn. "Das soll ich dir glauben?"
"Ja." Lumien hob die Augen, und ihre Blicke begegneten sich. "Die Feindschaft zwischen uns hat eine lange Geschichte. Larien hat geschworen, mich zu -" Seine Stimme brach, und er verstummte und schüttelte den Kopf. "Es ist zu lang, ich kann es jetzt nicht erzählen. Die Zeit ist zu knapp. Wir müssen Minu irgendwie retten - mein Bruder kann grausam sein." Er hob den Kopf und grinste schon wieder. "Aber zwei starke Männer wie wir sollten das schaffen, nicht wahr?"
"Ich habe keinen Grund, dir zu glauben", knurrte Link ärgerlich. "Es ist im Moment allerdings das einzige, was ich tun kann."
"Gut." Lumien räusperte sich. "Ich habe ein Zimmer. Wir sollten dort für die Nacht bleiben." Ihre Blicke wanderten automatisch zum Himmel, der sich im Laufe der Zeit langsam dunkel gefärbt hatte. Die Nacht brach herein.
"Morgen früh besorgen wir Euch ein Schwert. Und dann machen wir uns auf Lariens Spuren."
~
Sie hatten ein Zimmer mit zwei Betten genommen und nun saß jeder schweigend auf seinem. Link polierte seine Stiefel und reagierte nebenbei seine Wut am Putztuch ab; Lumien lag auf seinem Bett und blätterte ohne zu lesen in einem Buch herum. Außer dem klagenden Quietschen, wenn Link das Tuch zu fest über seine Schuhe gleiten ließ, und dem Rascheln der Seiten war nichts zu hören. Die Straße, in der das Wirtshaus zur Holden Nudel lag, war still und menschenleer, und so drangen auch keine Geräusche von außen zu ihnen außer dem Prasseln des Regens, der vor einiger Zeit eingesetzt hatte.
Link war mit den Gedanken bei Minu und der furchtbaren Rache, die er an ihrem Entführer ausüben wollte, wenn ihr etwas geschehen war. Wer immer das sein sollte. Es war ihm völlig egal. Und wenn es Lumien war.
Lumien. Er wusste immer noch nicht, was er von ihm halten sollte. Konnte er diesem Filou vertrauen? Ihm glauben? Was anderes konnte er wohl kaum tun. Er war ihm schutzlos ausgeliefert, denn diese Kerle hatten sein Schwert. Und ohne das konnte er sich nicht wehren. Verfluchter Mist. Er donnerte den ersten Stiefel vom Bett und schnappte sich den zweiten. Im Moment musste er ihm vertrauen. Er brauchte jemandem, der sich hier auskannte, damit er Minu befreien konnte. Wieso hatte er sich überhaupt mit diesem Kerl eingelassen, der ihm - ihnen - nur Unglück gebracht hatte, weil er angeblich in einen Zwist mit seinem Zwillingsbruder verwickelt war?
Das brachte ihn auf einen Gedanken.
"Lumien?", fragte er.
Der Angesprochene drehte sich zu ihm und sah ihn fragend an. "Was ist?" "Wieso ist dein Zwillingsbruder - wenn es ihn denn wirklich gibt - so zornig auf dich?"
"Oh, das ..." Schlagartig verschloss sich Lumiens Gesicht, er schottete sich ab. "Ich glaube nicht, dass Euch das etwas angeht. Es hat mit unserer Vergangenheit zu tun."
"Ah. So." Plötzlich tat er Link Leid. Er sah so müde und verzweifelt aus. Wie jemand, der Hilfe brauchte. "Vielleicht kann ich dir helfen", schlug er spontan vor. "Man kann alles auch anders regeln als mit Gewalt." Er hielt überrascht inne. Hatte nicht Minu mal etwas in der Art gesagt, ganz am Anfang? Also seine Ansichten waren das bis vor kurzem gar nicht gewesen.
"Nein. Unsere Blutfehde nicht." Bitter schüttelte der andere den Kopf. "Larien hat geschworen, mich zu ruinieren, mir alles zunichte zu machen, was ich je erreicht habe, alle Menschen zu vernichten, mit denen ich den Umgang pflege. Es tut mir Leid, Euch hineingezogen zu haben. Normalerweise meide ich den Kontakt zu allen, bei denen es mir möglich ist." Er sah nicht Link an, sondern die Bettdecke.
"Und wieso hast du uns dann angesprochen?"
"Das weiß ich ja selber nicht." Lumien grinste schwach zu ihm hinüber. "Als ich Euch beide da so gesehen habe - die Vertrautheit und das Band zwischen Euch - da habe ich mich seltsam berührt gefühlt. Seit Narsilla ging, habe ich niemand mehr gehabt, mit dem ich so zusammen sein konnte. So offen."
"Offen! Zusammen! Ein Band zwischen ... WAS?!" Links Gesicht nahm die Farbe einer Tomate an. Aus seinen Ohren pfiff es wieder einmal wie aus einem Wasserkessel.
"Natürlich! Ihr gehört zusammen, das sieht doch jeder! Wenn Ihr noch nicht um die Hand des Mädchens angehalten habt, dann ist es aber höchste Zeit, das jetzt zu tun."
"A-a-a-ach was", sagte Link puterrot. "A-a-also wenn du das ... meinst ..." Er schüttelte hastig den Kopf. "Das geht nicht, wir müssen uns sowieso trennen."
"Wieso DAS?! Unliebsamer Ehemann auf der Spur des Fräuleins?" Lumien starrte ihn an.
Link kriegte fast einen Tobsuchtsanfall. "Wieso denken eigentlich ALLE, dass wir zusammen sind?! Herrgott, ich habe eine Aufgabe zu erfüllen und kann sie nicht mitnehmen, weil es zu gefährlich ist - das ist alles!"
"Andere Männer leben auch getrennt von ihren Frauen, und die Ehe funktioniert wunderbar", sagte Lumien beiläufig.
"Genug des Unsinns!" Links Stimme war scharf. "Was zwischen Minu und mir ist - nämlich gar nichts - geht dich nicht das geringste bisschen an. Und jetzt sag mir, wer Narsilla ist. Vorhin hat der Mann deines Bruders diesen Namen erwähnt, und du selbst hast auch eben über sie gesprochen."
"Narsilla." Lumien ließ das Wort in der Luft hängen. "Narsilla hat mit der Vergangenheit zu tun. Es ist meine Schuld, dass sie nicht mehr lebt."
"Hast du sie umgebracht?", fragte Link geschockt und unterdrückte den Impuls, aufzuspringen und zur Tür zu hasten, um sich im Falle eines Falles aus dem Zimmer retten zu können.
"Fast", sagte Lumien bitter und schüttelte den Kopf. "Ich habe sie nicht umgebracht. Aber ich habe ihren Tod zu verschulden."
"Erzähl mir die Geschichte", sagte Link leise und ließ von seinen Schuhen ab. "Geteiltes Leid ist oft halbes Leid."
Lumien fixierte ihn kurz, dann sackten seine Schultern hinab. "Wenn Ihr es wünscht." Er seufzte und holte tief Luft.
"Es geht eigentlich nur mich was an und Larien", begann er seine Geschichte. "Als es vor sieben Jahren passierte, waren wir beide noch jung, achtzehn, und unbeschwert. Damals waren wir ein Herz und eine Seele. Larien neigte ab und an zu jähzornigen Ausbrüchen, wenn etwas nicht so klappte, wie er es haben wollte, aber alles in allem hielt er sich doch unter Kontrolle. Unsere Eltern waren bei einem Großbrand gestorben, als wir dreizehn Jahre alt gewesen waren. Seitdem hatten wir uns allein über Wasser gehalten. Wir hatten uns mit kleinen Diebereien, Botengängen und solchem Kleinkram durchgeschlagen. Dann lernte Larien ... Narsilla kennen." Er schluckte bei den Erinnerungen, die in ihm hinaufkrochen und die er so lange verdrängt hatte. "Sie war eine Tochter aus reichem Hause, bildhübsch und lieblich. Ich weiß noch, ihre Haare, weißblond und so glatt, und wenn sie in der Sonne glänzten, dann hatte man das Gefühl, auf Seide zu blicken ... Und ihr Gesicht war - so schön, dass es unglaublich war, dass so etwas überhaupt existieren konnte." Sein Blick wurde weich. "Ihre Hände waren fein und zart und weiß, sie hatte noch nie damit gearbeitet ... eine Herrenhaustochter, was soll man erwarten? Larien hatte vom Mann einer der Küchenmägde den Auftrag bekommen, seiner Frau Blumen zu bringen, und als er zur Hintertür hereinkam, da stand sie da."
"In der Küche? Eine Frau von solchem Stand?"
"Ja, sie war ... nicht arrogant oder so. Eine ihrer besten Freundinnen war ihre Kammermagd Yui. Die war zu dem Zeitpunkt schwer krank und musste das Bett hüten, also war Narsilla in die Küche gegangen, um ihr etwas zu essen zu holen ... Narsilla war immer so gütig zu allen, sie half jedem, der Hilfe brauchte." Er machte eine kurze Pause. "Larien hat es mir später immer wieder erzählt, wie er sie zum ersten Mal da stehen sah, als sei sie ein Engel. Sie trug immer helle Kleider", fügte er hinzu. "Ich hab sie nie in schwarz gesehen oder dunkelblau oder rot, nie ... ihre Kleider waren immer so hell. Sie war wirklich ein Engel. Sie sah nicht nur so aus."
"Und weiter?", ermutigte Link ihn. Er begriff, dass dieser ihm fast fremde Mann ihm seine Seele offen darlegte. Lumien vertraute ihm, sonst hätte er ihm das nicht erzählt. Also konnte er ihm auch vertrauen. Und jetzt brauchte Lumien seelische Unterstützung.
"Sie fragte Larien, wer er sei. Von ihrer unirdischen Schönheit geblendet, wusste er erst nicht, was er sagen sollte ... sie lächelte und wollte wissen, ob sie ihm helfen könne. So hat es alles angefangen ... oh Gott, hätten wir gewusst, wie es enden sollte, dann ..." Er schüttelte ungläubig den Kopf und fuhr dann fort. "Von da an kam Larien öfter vorbei, als er Aufträge bekam. Immer wieder schwärmte er mir von ihr vor, von ihrer Schönheit und Gutmütigkeit und Sanftheit. Er sagte immer: 'Jeder Mensch hat einen Engel, aber meiner ist für mich zu Fleisch geworden.' Wie sich herausstellte, hatte sie sich auch in ihn verliebt. Als sie neunzehn waren, planten sie zu heiraten, aber du weißt ja sicher, wie das mit diesen Herrenhausbesitzern ist ... für Narsillas Vater war Larien nichts anderes als ein Stück Dreck." Seine Stimme wurde grimmig. "Dienerschaft. Menschen, die dazu gemacht waren, anderen die Schuhsohlen zu küssen. Er bot ihm an, Kammerdiener zu werden, aber dazu war Larien viel zu stolz ... Ihre Liebe war stärker. Narsilla floh mit Larien von zu Hause, und von da an lebte sie mit uns in dem Keller, in dem wir uns einquartiert hatten. Ich vermählte sie mit selbstgedrehten Ringen aus Draht. Sie waren so glücklich ... Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem sie geheiratet haben. Der ganze Keller war mit Kerzen erleuchtet und wir hatten alles beiseite geschoben und aus zwei Kisten mit einer Obstschale zwischen zwei hohen weißen Kerzen einen behelfsmäßigen Altar aufgebaut. Sie strahlten vor Freude, alle beide. Nun, es blieb nicht lange so." Er seufzte. "Was erwartest du, wenn die einzige Frau, die du kennst, mit dir zusammen wohnt - Larien mal außer Acht gelassen - und wenn sie auch noch von einem Glanz ist, der nicht von dieser Welt kommen kann, und wenn dieser Glanz selbst in einem dunklen Kellerloch nicht aufhört zu strahlen? Natürlich verliebte ich mich in sie! Mit jedem Tag mehr und mehr, und mehr, und mehr, und mehr ... Ich kann in Worten nicht ausdrücken, wie sehr ich sie liebte. Es geht nicht." Er schwieg für einen Moment von Emotionen überwältigt, und Link wartete geduldig, bis er die Kraft gefunden hatte, weiterzusprechen. "Zu dem Zeitpunkt begann ihre Ehe den Bach hinunterzugehen. Lariens kleine Geschäfte liefen schlecht, wir hatten kein Geld, uns Essen zu kaufen, und er wurde mehr und mehr zu dem Menschen, den ich heute kenne, jähzornig, eigenwillig, egoistisch. Narsilla hatte natürlich darunter zu leiden, wenn er sie anschrie und beschimpfte als nutzloses Weibsstück, weil sie nichts konnte, sie hatte ja nie was gelernt außer lieblich zu sein! Und ich, ich war so dumm damals. Ich konnte die Finger nicht von ihr lassen. Ich litt mir ihr ... wenn er ... grässlich zu ihr war. Eines Tages, als er nicht da war, machte ich ihr einen Antrag. Ich weiß noch genau, was ich sagte. Ich werde diese Worte nie vergessen." Er holte Luft. "Ich sagte: 'Narsilla, sieh dich an. Du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Und Larien zerstört dich mit seiner Wut, für die du nichts kannst! Narsilla, möchtest du mit mir kommen? Wir gehen in eine andere Stadt, wir lassen Larien und seinen sinnlosen Zorn hier zurück, weißt du, wir beginnen ein ganz neues Leben! Nur wir zwei, zusammen.' So einfältig war ich! Die Ehe ist doch heilig, wer ihren Bund bricht, der ist ein Sünder! Und ich! Bot dem zartesten Mädchen auf dieser Welt die schlimmste Versuchung an, die sie sich vorstellen konnte. Narsilla ... sie wollte so gerne vor Larien fliehen, aber sie war nicht stark genug."
Plötzlich hörte er auf zu sprechen. Seine Stimme war während der letzten Sätze immer leiser und zittriger geworden, und nun schwand sie ganz. Lumien wandte das Gesicht ab.
Link wusste nicht, was er sagen sollte. Und das nicht, weil es ihn nicht berührte. Es hatte ihm die Worte verschlagen. Bisher hatte er über Liebe selten, wenn nicht gar nie, nachgedacht, und wenn doch, dann war es immer unbewusst gewesen. Er hatte sie immer als etwas heiliges gesehen, das gehütet werden musste wie ein Schatz von unmessbarem Wert. Er hatte nie daran gedacht, dass es auch Leute gab, die seine Meinung nicht teilten. Leute, die Liebe beschmutzten, zerstörten, verloren. Und erneut erschauderte er: Was würde ein solcher Mann mit Minu tun?
"Was geschah dann?", fragte er schließlich, als er genug Mut gesammelt hatte.
Lumien blickte zu ihm auf. Seine Augen waren rot. "Hin- und hergetrieben zwischen meinem unmoralischem Angebot und Lariens Zorn, hat sie sich ... hat sie sich ... sie hat ..." Als er merkte, dass er es nicht schaffte, das zu sagen, was geschehen war, schüttelte er den Kopf. "Es war das Messer, dass ich ihr ein halbes Jahr zuvor zum Geburtstag geschenkt hatte. Als Küchenmesser. Sie hatte sich eins gewünscht, damit sie uns etwas zu essen machen konnte. Narsilla eben ..."
"Oh Gott." Link senkte den Blick.
"Ja." Lumien lachte, humorlos, trocken und kurz. "Larien hatte wohl etwas von dem geahnt, was zwischen ihr und mir war. Er verschob ihren Tod zurecht auf mich. Und dann hat er seinen Schwur abgelegt ... ich kann es nicht glauben, aber verstehen - trotz allem hat er Narsilla iimmer/i geliebt. Man musste sie einfach lieben. Und ich bin Schuld, dass sie gehen musste."
Schweigen breitete sich aus.
"Ich glaube nicht, dass das stimmt", sagte Link schließlich sanft. "Lumien, es war ihre eigene Entscheidung."
"Aber ich habe sie dazu gebracht, dass sie überhaupt erst so in die Enge getrieben war, dass sie so eine Entscheidung getroffen hat! Treffen musste!"
Daraufhin wusste Link nichts mehr zu sagen. Er öffnete den Mund, doch ihm fehlten die Worte. Er sah Lumien an, sah seinen Blick, und schwieg. Manchmal war es besser, nichts zu sagen.
~
i~Er kämpfte. Er kämpfte wie noch nie zuvor in seinem Leben - wenn man es Leben nennen kann, was ein Schatten während seiner Zeit auf der Erde verbringt. Etwas hatte in hier unten eingesperrt, im Dunkeln der Seele des Körpers, den er besessen hatte, bis diese Teufelsmagie an ihm ausgeübt wurde. Ja, Teufelsmagie, das war es gewesen, was ihn eingemauert hatte. Er musste sich befreien. Er musste diesen Körper übernehmen. Alle Schatten träumen davon, einen Körper zu besitzen. Obwohl Schatten nicht träumen. Es ist nur das Bedürfnis in ihnen, dass sie dazu bringt, es wieder und wieder zu probieren, bis sie eine geschwächte Seele oder einen entkräfteten Körper finden, um ihn zu übernehmen.
Das hatte er geschafft. Er hatte sich einquartiert und es war ihm teilweise sogar gelungen, die Kontrolle zu übernehmen. Er diente niemandem. Für ihn gab es nur sich selbst, und es war befriedigend gewesen, einen Körper zu haben.
Aber dann war ihm dieses verfluchte Zeug in die Quere gekommen, und nun saß er hier, eingesperrt, ausweglos, um seine Freiheit kämpfend. Egal was es war, er würde seine Chance nutzen, und wenn sie noch so klein war. Er versuchte das Gewebe zu durchbrechen, das die Magie um ihn gesponnen hatte, um ihn einzusperren. Er war stark. Er konnte es schaffen. Er war sich sicher, dass es nicht mehr lange dauern würde. Das Gewebe veränderte sich ständig, verlagerte sich von einem Ort zum anderen, immer dorthin, wo er gerade war. Er musste es überlisten. Wenn es sich so stark bewegte, dann gab es immer Stellen, die Schwachpunkte waren. Er musste diese Schwachpunkte nur finden und hindurchbrechen ... also zischte er von einer Stelle zur anderen, versuchte schneller zu sein als das Gefängnis und eine Fluchtmöglichkeit zu finden ...
Halt! Was war das? Wie ein Adler sich auf eine Maus stürzt, stürzte er sich nun auf das Gewebe, in dem er etwas entdeckt hatte.
Schwachpunktschwachpunktschwachpunktschwachpunkt. Er umklammerte es, begann daran zu nagen, sich hindurchzufressen, obwohl ihm von der Magie fast übel wurde. Aber er würde es schaffen ... ~/i
~
Drip. Drip. Drip.
Das monotone Geräusch, wenn die von der Decke fallenden Wassertropfen in die Pfütze platschten, hatte sie irgendwann schläfrig gemacht, so dass sie sich auf dem Heuhaufen zusammengekauert und den Kopf auf die Knie gelegt hatte. Sie spürte das kalte Leder um ihren Unterarm noch immer, und trotzdem wusste sie nicht, ob es eine weise Entscheidung gewesen war, den Dolch um ihren Arm zu schnallen und den Pullover drüber zu ziehen. Nun, getan war getan. Und im Moment fühlte sie sich nicht fähig, irgendetwas zu tun außer dazusitzen und zu dösen. Also blieb der Dolch vorerst, wo er war.
Drip. Drip. Drip.
Das Heu stach ihr in den Hintern und den Rücken, es war kalt und ungemütlich und sie war eigentlich viel zu aufgeregt um zu schlafen. So ein Mist. Dabei war Schlaf vielleicht das, was sie im Moment am nötigsten hatte. Außer natürlich einem Federbett, eine Portion Spaghetti mit richtig viel Tomatensoße und Parmesan, ein riesiges Glas eisgekühlte Cola, ein gutes Buch zu lesen oder ihren Walkman ... ouf. Jetzt driftete sie vollends in die Traumwelt ab.
Tock. Tock. Tock.
Minu schrak auf, als sich hinter der Biegung Schritte näherten. Sie kämpfte sich an den Rand des Bewusstseins zurück, rappelte sich auf und trat hastig ans Eisengitter. An der Kurve konnte sie den flackernden Lichtschein einer Kerze oder Fackel sehen und darin den schwarzen Schatten ihres Trägers, und sie verhielt sich so ruhig wie möglich. War das etwa Lumien? Sie hatte keinen Menschen mehr gesehen, seit er sie hier eingesperrt hatte. Wie lange das wohl her sein mochte ... Es mussten Stunden sein. Sie war sich sogar sicher, dass inzwischen eine ganze Nacht vergangen war, obwohl sie jegliches Zeitgefühl verloren hatte. Was hatte Link währenddessen gemacht? War er schon unterwegs, um sie zu retten? Oder war er vielleicht sogar froh, sie auf diese Weise losgeworden zu sein? Verzweiflung überkam sie. Sie umklammerte die Gitterstäbe.
"Lumien?", rief sie mit zitternder Stimme. "Wieso tust du das? Wieso sperrst du mich hier ein?! Sag mir wenigstens, ob ihr Link auch habt oder ob der noch draußen rumrennt!"
Als Antwort kam nur ein Lachen. Bildete sie sich das ein oder war da ein bitterer Unterton drin? Na ja, was auch immer. Vielleicht wurde sie ja iwirklich/i verrückt.
"Fragt mich was anderes, Fräulein", sagte seine Stimme schließlich.
Sie überlegte. Na gut. Wenn er es so haben wollte, dann sollte er es auch kriegen. "Wie viele Fragen hab ich?", schrie sie herausfordernd. "Ich hab zu Hause im Zwanzig-Fragen-Spiel auch immer gewonnen, also nimm dich -bloß- in Acht, Lumien, du ekelhafter Schuft!!!"
Er lachte wieder nur. "Eine Frage, Fräulein. Eine Antwort."
"Wie viel Uhr haben wir?"
Oh Gott. Klar. Supertoll, Minu. Echt. Das erste und bescheuertste, was dir einfällt. Argh. Sie hätte sich selbst ohrfeigen können.
"Es sind die frühen Morgenstunden. Gleich wird es draußen hell. Also wenn das das einzige ist, was Euch Sorgen macht ..."
Plötzlich näherten sich weitere Schritte. Zum ersten Schattenriss gesellte sich ein zweiter, und Minu machte sich unwillkürlich klein. Das war sicher ein Mitglied von Lumiens elender Räuberhorde.
"Was soll ich tun, Boss? Ihr habt mich hergerufen."
"Ich brauch jemanden, der das Mädchen bewacht, während wir den grünen Sack mit der schwulen Zipfelmütze suchen."
Was?! Grüner Sack mit schwuler Zipfelmütze? Oh. Ihr ging ein Licht auf. Die meinten sicher Link.
"Aus der Zelle bricht die sicher nicht aus", sagte der andere Mann. "Kann ich nicht mitmachen? Der Typ ging mir vorhin schon so auf die Nerven."
"Auf keinen Fall, Tak." Lumiens Stimme war scharf. "Ich will auf Nummer Sicher gehen. Wenn sie doch ausbricht, dann haut mein ganzer schöner Plan nicht hin. Also schwing deinen Arsch gefälligst auf den Hocker da und pass auf, dass sie brav drinnen bleibt, kapiert?! Und wehe, ihr passiert etwas!"
"Ja." Die Stimme klang unterwürfig, aber etwas genervt.
"Und hör auf mich so durchdringend anzustarren, wie du es gerade tust", sagte Lumien böse. "Wo wir grade von grünem Sack mit schwuler Mütze sprechen - hast du das Schwert in die Waffenkammer gebracht?"
"Ja. Wie Ihr befohlen hattet."
"Braver Junge." Lumien lachte. "Nun denn, ich trommle dann mal die anderen zusammen. Je eher das über den Tisch ist, desto besser. Vielleicht können wir ihn ja gefangen nehmen und zum Mädchen stecken ... herrlich, wie mein lieber Bruder sich dann quälen wird! Göttlich. Tja. Wir machen uns dann mal auf die Socken."
Minu sah, wie der erste Schattenriss kurz zum Abschied die Hand hob. Dann entfernte er sich mit großen Schritten. Der zweite Mann trat um die Biegung und blieb stehen. Gegenseitiges Mustern brach aus.
Er war etwa so groß wie Link und hatte kohlpechrabenschwarze Haare. Seine Kleidung war befleckt und an einigen Stellen zerrissen. In der Hand hielt er einen Kerzenleuchter. Zweifelnd starrte er sie an.
"Also dich soll ich vom Ausbrechen verhindern", knurrte er schließlich und setzte sich auf den Hocker. "Pff, das soll wohl ein Witz sein. Du siehst nicht mal so aus, als könntest du ein Schwert schwingen."
"Pass auf, was du sagst", zischte Minu und starrte ihn durch die Gitterstäbe hinweg so giftig an, wie sie nur irgend konnte - und sie konnte giftig gucken, dass es unglaublich war. Er zuckte überrascht zusammen. "Ich mach dir gleich Feuer unter deinem schicken Hintern, wenn du sexistischer Chauvi auch nur noch ein Wort in diesem lächerlich künstlich herablassenden Tonfall fallen lässt, der so gar nicht zu dir passt, Bubiface, hast du das verstanden?"
"Von dir muss ich mir nichts sagen lassen!", sagte er aufgebracht. "Du bist eine Frau und eine Gefangene dazu, und ich habe hier die Macht! Ich kann mit dir machen, was ich will!"
"So", sagte Minu spitz. "Und wer hat dir dazu die Erlaubnis gegeben? Dein Chef etwa? Ich hab eure ganze Unterhaltung mitbekommen. Mir soll nicht das kleinste Härchen gekrümmt werden."
"Der Boss hat einen Narren an dir gefressen", brummte er wütend und grinste plötzlich anzüglich, "aber wenn ich irgendetwas mit dir mache, dann wirst du sicher nichts sagen, oder?" Ein dreckiges Lächeln zog über sein Gesicht.
"Da kannst du aber Gift drauf nehmen, dass ich dem Arschloch jedes kleine Detail berichten werde", keifte Minu. "Ich weiß auch gar nicht, was dir Grund zur Annahme gibt, ich würde nichts sagen!"
"Wenn ich dir die Zunge rausschneide, wirst du ja wohl kaum die Möglichkeit bekommen, etwas zu sagen."
"Oh Gott, wie blöd ibist/i du eigentlich?! Dann merkt er, dass du mir was angetan hast", fuhr Minu ihn an. "Wenn ich die Fresse voller Blut habe, wird das irgendwie auffallend sein, oder?!"
Plötzlich weiteten sich ihre Augen. Sie riss den Mund vor und stieß hart die Luft aus, dann krallte sie ihre Arme um den Bauch und sank auf die Knie, nur um sich dann unter Schmerzen stumm wieder aufzubäumen.
~
Din schrie laut auf.
~
Tak fuhr hoch und starrte sie entgeistert an. Was war los?
i~Schwachpunktschwachpunktschwachpunktschwachpunktschwachpunkt~/i
Minu legte den Kopf in den Nacken und kreischte trommelfellzerreißend. Ein erneuter Krampf durchfuhr sie, stechend wie ein Messer im Bauch, wie eine Lanze in der Lunge, wie ein Pfeil im Kopf, wie ein Gift, dass sie langsam von innen zerfraß. Sie wurde von Wehe um Wehe glühend heißen Schmerzes geschüttelt, ihr Innerstes schien sich nach außen zu drehen und ihr äußeres nach Innen. Ihre Gedärme fingen Feuer, durch ihre Adern floss rote Glut, sie schien zu brennen, brennen, brennen, BRENNEN!
i~Zerstörenzerstörenzerstörenzerstörenzerstörenzerstören~/i
"Mein Gott, was ist mir Euch los?", brüllte Tak entgeistert. Scheiße! Genau während seinem Dienst überkam die Gefangene ein epileptischer Anfall oder was auch immer! Das würde dem Boss nicht gefallen.
i~KontrolleübernehmenKontrolleübernehmenKontrolleübernehmenKontrolleüberne hmenKONTROLLEÜBERNEHMEN~/i
"NEIIIIIIN!!!"
Sie wusste, was kommen würde. Trotz all dieser furchtbaren Schmerzen, die ihre Sinne hätten vernebeln sollen, war ihr Kopf klar wie Wasser aus einer frischen Quelle. Sie wusste, was geschah. Sie wehrte sich dagegen. Aber sie war zu schwach.
~
Din kreischte, kreischte, kreischte, ihr Kopf schien zu explodieren und sie sank am Türrahmen zusammen, aus dem sie gerade erst getreten war. Mit beiden Händen umklammerte sie ihren Kopf, spürte den Schmerz in jede Faser ihres Selbst dringen und brach unter ruckartigen Krämpfen direkt vor den Füßen des fassungslosen Ladenbesitzers zusammen.
~
i~Frei, frei, er war frei! Wie ein fliegender Komet schoss er aus seinem Gefängnis, schoss bis in die entlegendsten Ecken dieses Körpers, bereit, ihn zu übernehmen, Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle, KÖRPER! KÖRPER! KÖRPER!~/i
Tak fiel ein Stein vom Herzen, als das Mädchen aufhörte zu schreien und in sich zusammenfiel wie ein Luftballon, den man mit der Nadel piekst. Nur - jetzt regte sie sich gar nicht mehr. War sie etwa tot? Ungläubig trat er ans Gitter heran. "Fräulein?", fragte er vorsichtig.
Wo war sie? Behutsam richtete sie sich auf, stützte sich auf ihre Arme und sah sich um. Grau. Stein. Kalt. Ihre milchigen, weißen Augen nahmen alles noch schärfer wahr als sonst. Ihr Blick fiel auf ihre Finger, und langsam bewegte sie sie. Sie richtete sich auf und grinste schräg. Kontrolle! Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr. Sie schoss herum und fixierte den Menschen, bis ihr das Gitter auffiel. War sie eingesperrt? Ein unmenschliches Knurren entwich ihr, und sie riss die Augen auf. Der Mensch wich zurück, doch sie war schneller. Sie schoss hoch, ihre linke Hand fuhr durch das Eisengitter, und ihre Finger schlossen sich um seinen Hals. Er zuckte zusammen, doch es war zu spät; sie hatte ihn in ihrer Gewalt. Plötzlich wusste sie, dass sie noch eine Waffe besaß, und sie zog mit der freien Rechten den Dolch vom Unterarm und setzte seine scharfe Klinge an die Kehle des Mannes.
"Du, Mensch", zischte sie so verächtlich, dass die Temperatur zu sinken schien. "Wo bin ich? Sprich!"
"Fräu...lein?", keuchte er. "Was ... ist mit Euch ge...schehen ... ?"
"Wo bin ich? Sag es mir, bevor ich dir die Kehle durchschneide, du niederes Wesen!"
i~Machtmachtmachtmachtmachtmachtmacht~/i
"I-im un-unterirdischen Diebespa-palast", stammelte er.
"Wie ist dein Name?!"
"Tak."
"Tak", fauchte sie und trat so nah an ihn heran, dass sie seinen Atem an ihrem Gesicht spüren konnte. Er schwitzte. Ihre überirdische Sehkraft ermöglichte es ihr, in der Dunkelheit seine Schweißperlen zu sehen, und waren sie noch so klein. "Diese Zelle ist erbärmlich." Behutsam ließ sie den Dolch an seiner Kehle entlang streichen. Ein perfekt runder Blutstropfen quoll hervor, und er kiekste in panischer Angst auf und versuchte sich zu befreien. Sie war stärker. "Sie ist meiner nicht würdig. Ich befehle dir, mich hinauszulassen."
"Ich - ich darf nicht, der Boss hat - akh ... !!"
Sie drückte ihre Finger zusammen. "Das ist für mich von Unwichtigkeit! Lass mich aus dieser Zelle hinaus, oder du hast das Tageslicht zum letzten Mal gesehen."
"Fräulein!", sagte er erstickt, doch seine Hand wanderte zu seinem Gürtel, an dem ein großer Schlüssel hing. Kraftlos schloss er die Tür auf, und sie trat aus der Zelle, ohne ihn loszulassen. "Dieser in der Erde versenkte Palast ist mir zuwider! Ich wünsche ihn zu verlassen."
i~Gib ... mir ... meinen ... Körper ... zurück!~/i
Das Unterbewusstsein des in diesem Körper verankerten Geistes meldete sich zu Wort. Der Schatten begann es zu bekämpfen.
i~Nie!~/i
i~Gib ihn mir wieder!~/i
i~Nie!~/i
Während er Tak an die Wand drückte und sich überlegte, was er am besten tun sollte, schwieg es kurz. Plötzlich tauchte ein Bild in ihm auf, vermutlich vom Unterbewusstsein heraufgerufen. Er erkannte den Schwertkämpfer, den Begleiter dieses Körpers. Bis jetzt hatte er den Leib noch nicht dazu zwingen können, ihn zu töten, aber sobald er seine nächste Chance hatte, würde er sie erfolgreich nutzen. Der Mensch war gefährlich. Er konnte mit seiner Willenskraft die eigentliche Seele seines Körpers zur Rückkehr zwingen. Er spürte etwas wie ein menschliches Lachen in ihm.
i~Ohne mich kommst du nicht hinaus.~/i
i~Das wollen wir sehen! Ich werde diesen Menschen töten und mir meinen Weg bahnen! Halt still! Sonst treffe ich seine Halsschlagader nicht!~/i
i~Mit einem Dolch kannst du dir deinen Weg nicht gegen eine Horde bis an die Zähne bewaffneter Räuber erkämpfen! Du brauchst ein Schwert.~/i
i~Hier gibt es keine Schwerter! Ich werde sie mit diesem Dolch alle töten!~/i
i~Das schaffst du nie!~/i
i~Ich werde es dir an diesem Menschen beweisen.~/i
"Nun werde ich dich töten", knurrte sie und senkte den Dolch langsam an seinen Hals. Tak schloss in ohnmächtiger Angst die Augen. Der Tod, der Tod ... !
i~Halt ein! Er kann dir ein Schwert geben, du Narr!~/i
Der Schatten hielt inne und erstarrte. i~Ein Schwert?~/i
i~Genau, du Depp, genau, hat es dich jetzt endlich erreicht, ja?! Er hat vorhin eins gestohlen und in die Schatzkammer gebracht. Er soll dir sagen, wo es ist!~/i
i~Vielen Dank~, sagte der Schatten höhnisch, nahm einen Teil seiner Kraft zusammen und sperrte das Unterbewusstsein in irgendeine ferne Ecke seines Geistes. Es schrie empört auf, doch bevor es wusste, wie ihm geschah, war es gebändigt und musste gezwungenermaßen aufgeben.
"Du!" Sie spuckte Tak die Worte entgegen. "Du hast vorhin ein Schwert gestohlen! Wo hast du es hingebracht? Führ mich zu dieser Stelle."
Er schnaubte. "Dazu lasst mich los!"
"Auf keinen Fall!", zischte sie. "Versuche nicht, mich für dumm zu verkaufen! Du würdest versuchen zu fliehen. Das kann ich nicht dulden."
"Argh ..." Er überlegte rasch, doch schließlich nickte er. Sie ließ ihre Hand sinken, doch kaum hatte er sich umgedreht, krallte sie ihm ihre Finger in den Nacken und hob den Dolch. "Hiermit werde ich dir das Leben aus dem Körper stechen, wenn du etwas falsches machst", drohte sie mit rauer Stimme. "Jetzt geh und zeig mir, wo das verdammte Schwert ist."
~
Der Laden war klein und eng, und kaum dass sie ihn betreten hatten, fühlte Link sich eingeengt und bedrängt. An den Wänden waren in hölzernen Halterungen unzählige Schwerter, Schilder und andere Waffen befestigt, so viele, dass man die Wand dahinter nicht mehr sehen konnte. Gegenüber der Tür stand vor einer zweiten Tür, die ins Hinterzimmer führte, ein riesiger Tisch, der mit Waren genauso zugekleistert war wie die Wände.
Lumien kannte offenbar den Ladenbesitzer, den kaum trat er ein, eilte er zu dem Mann hinüber und schüttelte ihm die Hand, während Link sich erst einmal umsah. Hmm. Ob die Waffen hier etwas taugten?
Lumien winkte ihn zu sich hinüber.
"Das ist Osgrim", stellte er den Ladeninhaber vor. "Osgrim, Link." Er räusperte sich, während Osgrim Link unter seinen buschigen, dunklen Augenbrauen hervor misstrauisch beäugte. Link fühlte sich sehr unwohl unter dem Blick des gebeugten Mannes. "Osgrim, wir suchen zwei Schwerter", sagte Lumien schließlich. Link sah ihn überrascht an.
"Zwei!"
"Natürlich. Es ist meine Schuld, dass das Fräulein gefangen genommen wurde. Ich muss mithelfen sie zu retten." Lumien blickte starr geradeaus.
Link seufzte. Lumien schien dazu zu tendieren, alle Schuld auf sich zu nehmen. Trotzdem nickte er. Er konnte wahrscheinlich alle Unterstützung gebrauchen, die er haben konnte.
"An was habter gedacht?", krächzte Osgrim. Er hatte eine raue, heisere und unsympathische Stimme. "Ick führ alles. Wollter och 'n Schild?"
"Nein." Link schüttelte den Kopf. "Für mich nicht, ich hab noch ein Spiegelschild, das ... VERDAMMT!" Er hieb mit der Faust auf den Tisch, als ihm einfiel, dass Larien auch das Pferd gestohlen hatte - und somit alles, was sich in den Satteltaschen befunden hatte. Seine ganze Ausrüstung. "Ja, wir brauchen Schilder", knirschte er wutentbrannt. "Diesen Mistkerl mach ich ifertig/i ..."
"Also zwei Schilder und zwei Schwerter. Möglichst gute", sagte Lumien. "Für mich eins mit Ledergriff, aber ich weiß nicht, welche Größe mir passt ... was sagt Ihr?"
"Wat zwischen middel und groß. Eher middel. Für den jungen Herrn in Grün wird's aber schwierich wern", schnarrte Osgrim unfreundlich. "Schwerter in seiner Größe hab ick nich viele da. Pech jehabt. Welcher Griff?"
"Metall, bitte", sagte Link unbehaglich. "Aber ich -"
"Hier warten", grunzte Osgrim mürrisch und verschwand ins Hinterzimmer. Für eine Weile war metallisches Klirren zu hören.
Link betrachtete Lumien aufmerksam. "Hast du eigentlich schon mal mit dem Schwert gekämpft?"
Lumien nickte. "Mein Vater war Schwertkampfmeister und hat mich bis zu seinem Tode unterrichtet. Allerdings hab ich nie selbst ein Schwert besessen. Ich hoffe bloß, ich bin nicht allzu eingerostet."
Link grinste. "Wenn ja, dann bleibt dir nichts anderes übrig, als das schleunigst zu ändern. Immerhin stürmen wir heute zu zweit ein Räubernest."
Über Nacht hatte Lumien Link alles erzählt, was er über die Machenschaften seines Bruders wusste. Dabei war Link aufgefallen, dass der Braunhaarige nie über sich selbst redete. Schließlich hatte er ihn gefragt, wie er selbst denn seinen Lebensunterhalt verdiene, und Lumien hatte erklärt, er arbeite größtenteils erfolgreich als Stadtführer. Trotzdem nahm er wohl immer wieder Aufträge als Botengänger oder Lohnarbeiter an, wenn es ihm angeboten wurde. Zu Zeiten half er in Gaststätten, Kneipen oder Herrenhausküchen aus.
Osgrim kehrte mit sechs verschiedenen Schwertern zurück und ließ sie vor ihnen auf den Tisch fallen. "Da", hustete er. "Müsster aber selbst rausfindn, welches passt. Dat da is' für dich janz gut, gloob ick." Er sah zu Lumien und deutete auf ein Schwert mit kunstvoll gearbeitetem Ledergriff.
Lumien nahm es probeweise in die Hand und ließ es ein paar Mal durch die Luft fahren. Dann schüttelte er stirnrunzelnd den Kopf und legte es wieder hin. "Nein", sagte er. "Zu leicht. Ein bisschen Gewicht muss schon da sein."
Link ließ seinen Blick über die verschiedenen Metallgriffe gleiten und griff sich schließlich eins der Schwerter hinaus. Es war groß und simpel. Er hielt es in prüfend in der Hand und ließ seine Finger über die Klinge fahren. Sie war stumpf. Er schnaubte und legte es zu den anderen zurück, bevor der den Blick erhob und Osgrim in die Augen sah. "Ist das ein Witz? Verkauft Ihr Euren Kunden nur stumpfe Schwerter?"
"Beruhigt Euch, Link", sagte Lumien schneidend. "Wir wollen keinen Streit anfangen. Ich bin davon überzeugt, dass es ein Versehen war. Nicht wahr, Osgrim?"
Osgrim schnaufte. "Wenner nich zufrieden seid, dann sucht Euch doch n anderen Schwertladen ... Ick bin sijjer, Ihr werdet keenen finden." Er grunzte selbstgefällig.
Link verbiss sich jegliches Kommentar und senkte die Augen zu den Waffen auf dem Tisch. Schließlich blieb sein Blick an einem der Schwerter hängen. hängen. Er zog es unter den anderen hervor und hielt es ans Licht. Es war nicht sehr groß und glänzte stumpf. Der Griff war mit braunem Leder umwickelt.
"Det is, wat ich ne jute Waffe nenn!", sagte der Verkäufer sofort. "So unsembadisch, wie de bis', n judes Ooge für Schwerter hasse, Junge. Det hat früjer dem letzten Bürgermeister von Trori jehört, biser ermordet wurde. Dat war ne janz trajische Geschichte." Osgrim schüttelte fast bedauernd den Blick, als seine kleinen Schweineäuglein das Schwert musterten. "No jo, weilet eben dem Stadtherren jehört hat, willet niemand haben. Die sin' hier alle sehr abergloobisch, die Trorianer. Die globen, die werden ooch ermordet, wenn se dat Schwert da ham. So wat wie n Fluch oder wat."
Link wog es vorsichtig in der Hand. Es hatte fast das richtige Gewicht, nur war es ein bisschen zu leicht, und allemal zu klein für ihn. Was mochte dieser Bürgermeister wohl für ein Mann gewesen sein? Er ließ es versuchsweise die Luft zerschneiden und war überrascht, wie gut es sich trotz seines Gewichtes und seiner Größe anfühlte. Trotzdem, wenn er damit kämpfte, dann hatte er eine zu kleine Reichweite für seine Größe. Kopfschüttelnd ließ er es sinken und erklärte den anderen - insbesondere Lumien und weniger Osgrim - was er dachte.
Lumien nickte bedächtig. "Du könntest Recht haben." Ein Grinsen zog über sein Gesicht. "Leg es am Besten erst mal zurück und schau, ob du ein anderes findest. Wie teuer soll das hier sein?" Er wandte sich an Osgrim und deutete auf die Klinge, die er währenddessen ausprobiert hatte.
"Gut", seufzte Link und legte das Schwert etwas abseits der anderen auf den Tisch.
"Fümfzich Rubine", sagte Osgrim. "Da gibbet ein passendes Schild für, dat wurde ingwie nur im Doppelpack herjestellt. Ick jeh eben in den Hinterraum und schau mich um, ob ick et noch da hab." Fragend sah er zu Link hinüber. "Soll ick für dich ooch mal schaun, ob ick noch wat da hab, dat dir passt? N Schwert und n Schild?"
Link nickte.
Osgrim verschwand im Hinterzimmer und kehrte kurz darauf mit zwei Schildern und zwei Schwertern zurück. Er drückte Lumien eine der Schutzwaffen in die Hand und breitete den anderen Kram vor Link auf dem Tisch auf. Abwägend betrachtete Link sie. Eins der Schwerter nahm er sogar in die Hand, legte es jedoch gleich wieder auf den Tisch, weil es um Tonnen zu leicht war. Mit dem Schild war er zufrieden.
"Habt Ihr nicht noch andere Schwerter in dieser Größe da?", fragte er schließlich.
"Näh." Osgrim schüttelte den Kopf. "Dann müsster doch dat Bürgermeisterschwert nehmen. Steht Euch aber jut. Dat macht dann allet in allem -", er rieb sich die Hände und legte die Stirn in tiefe Furchen, "hunnertsiebzich Rubine."
"Woah!", entwich es Link. "Was, so viel?!"
"Ich übernehme das", sagte Lumien hastig und trat lächeln zwischen die beiden. "Ich hab vom letzten Stadtrundgang noch was da. Also zusammen waren das -"
"Ich bezahle meinen Kram selber", presste Link zwischen den Zähnen hervor. "Derzeit hab ich kein Geld, aber ich gebe es dir zurück. Das schwöre ich."
Lumien musterte ihn kurz, dann grinste er wieder und legte das Geld auf den Tisch. "Nun gut, wenn Ihr darauf besteht! Man soll einen Mann nicht von seinen Überzeugungen abbringen. Das macht dann in ferner Zukunft mal fünfundachtzig Rubine für mich."
Link verfluchte seinen Edelsinn.
Kaum hatten sie neu bewaffnet das Geschäft verlassen, fühlte er sich plötzlich dermaßen erleichtert, dass es ihm wie ein Segen vorkam. "Wie kannst du nur bei diesem Typen einkaufen?", fragte er vollkommen verständnislos. "Der ist doch so was von unsympathisch, dass -"
"Ich würde ja auch nicht mehr da hingehen", seufzte Lumien.
"Und wieso tust du's dann noch?!"
"Weil Osgrims der einzige Schwertladen in der ganzen Stadt ist. Und das weiß er. Überall anders hätten wir den Kram mindestens zehn Rubine billiger bekommen."
Link stöhnte und griff sich an den Kopf.
~
"Das ist des Schwert des grünen Helden!", entfuhr es ihr ungläubig.
Tak hatte sie unter diversen Schweißausbrüchen in die Schatzkammer seines Herrn geführt und ihr das Schwert überreicht, das er am Abend zuvor Link gestohlen hatte. Der Weg hierhin war überraschenderweise sehr leicht gewesen. Einmal wahren sie einem kleinen Grüppchen von Räubern begegnet, doch sie hatten sich gerade im rechten Moment in einer Wandnische verbergen können, die glücklicherweise da gewesen war, wo sie war. Die Männer waren grölend an ihnen vorbeigezogen, ohne sie zu bemerken. Danach hatten sie ihren Weg durch den halbdunklen Korridor fortgesetzt. Sie hatte sich gefragt, weshalb so wenig von Lumiens Leuten hier unten waren, aber sie hatte keine Antwort finden können, und sie war viel zu beschäftigt mit sich selbst gewesen, als dass sie Tak gefragt hatte. Es war so überwältigend gewesen, einen Körper zu haben. Das Gefühl der Macht, das sie über den verängstigten Mann ausübte, hatte ihr regelmäßig ein angenehmes Kribbeln durch den ganzen Körper geschickt. Dies war ihre wahre Gesinnung, war sie zum Ergebnis gekommen; einen Körper zu besitzen und Macht auszuüben. Sie musste es irgendwie schaffen, die alte Seele zu vertreiben, um selbst die Kontrolle zu übernehmen. Nur wie?
"Ich habe es gestern Abend Eurem Begleiter entwendet", stammelte Tak. Er fühlte sich sichtlich unwohl. "Es ist - es ist das Beste, das wir hier haben."
Sie ließ ihren Blick über den restlichen Inhalt des Raumes schweifen und musste ihm wohl oder übel zustimmen. Die meisten der hier liegenden Schwerter waren verbogen, verrostet oder hatten zerkratzte Klingen, die ihrer nicht würdig waren. Bei manchen war das Heft abgebrochen, bei anderen die Spitze der Klinge. Links Schwert war so ziemlich das einzige, das etwas taugte. Sie wandte sich wieder an ihn, und erneut zuckte er vor ihren blinden Augen zurück.
"Ich brauche ein Schild", sagte sie herablassend. "Ich brauche das beste Schild, das ihr habt. Welches ist es?"
"D...dort." Zitternd zeigte er auf die gegenüberliegende Wand. Auf die Anordnung seines Herrn hatte er das Spiegelschild, das im Gepäck des gestohlenen Pferdes gewesen war, dort an einen Haken gehängt.
Sie ging hinüber und nahm es ab. Dann drehte sie sich um.
"Ich befehle dir nun, mir den Ausgang zu zeigen", sagte sie herrschend.
Tak schluckte. "Dann bringt mich der Hauptmann um."
"Ist es dir vielleicht lieber, wenn iich/i dich umbringe?" Ihre Finger schlossen sich um den Griff und sie wog das Schwert schätzend. Für diesen Körper wäre es ein wenig zu schwer gewesen, aber mit der Kraft des Schattens ließ es sich perfekt handhaben. Sie ließ den Dolch in die Scheide an ihrem Unterarm zurückgleiten und zog den Pulloverärmel darüber, so dass niemand die versteckte Waffe sah. Dann richtete sie ihren Blick auf Tak.
"So. Und jetzt zeig mir, wo es hinaus geht."
Der Gang war leer. Das Fackellicht wurde wie von einem gespenstischen Windzug hin- und hergeworfen, und der Schein flackerte ständig. Ihre Schritte hallten im Tunnel wieder, und es war grausig kalt. Tak zitterte, aus Angst und Kälte. Minus erkaltete Nerven nahmen nichts wahr. Wenn der Schatten die Oberhand hatte, spürte sie nichts - auch nicht die Schmerzen, die Din zu diesen Zeiten erlitt. Der Schatten blockte alles ab.
Schließlich kamen sie an eine Kreuzung.
"Wie lange ist es noch bis zum Ausgang?", fragte Minu ungeduldig. "Armselig ist es hier unten. Ich wünsche dieses Tunnelsystem zu verlassen."
"Ja ... Fräulein", sagte Tak zögerlich und spinxte um die Ecke. "Es geht nach rechts ... jetzt."
Wieder schien der Weg ewig zu sein. Auch Minu zitterte langsam. Ihre Schritte wurden schwacher und unentschlossener, je weiter sie liefen, und die sonst so scharfe Sicht verschwamm vor ihren Augen. Der Schatten fluchte innerlich. Hatte er wirklich nur noch so wenig Zeit? Er wusste, er konnte diesen Körper nicht ewig in Besitz nehmen, dazu fehlte ihm noch die Kraft. Aber noch konnte er sich nicht zurückziehen. Wenn er jetzt floh, dann würde das unsichtbare Gefängnis ihn wieder einsperren, denn es war immer noch da, es lebte noch ... er musste es schnellstmöglich beseitigen. Erst dann würde er sich sicher fühlen. Doch zuerst musste er durchhalten, bis er diese stinkende Dunkelgrube verlassen hatte.
Endlich kamen sie an ein Ende des Tunnels, und der Räuber deutete unentschlossen auf metallene Sprossen, die jemand in die Wand geschlagen hatte. Minu legte den Kopf in den Nacken. Die Decke bestand aus Holz.
"Wenn Ihr diese Falltür öffnet, gelangt Ihr in einen Hinterhof", erklärte er. "Von dort aus müsst Ihr über eine Mauer klettern. Dann befindet Ihr Euch im Stadtzentrum. Im Karneval", fügte er hinzu.
"Du bist mir nun nutzlos", zischte Minu und schnallte sich die Schwertscheide auf den Rücken. "Lauf, lauf so schnell du kannst! Lauf bloß weg, sonst bringe ich dich um!"
Tak erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde. Da war diese fürchterliche Entschlossenheit in den Augen des Mädchens - sie meinte es ernst, bitterernst. Ohne mit der Wimper zu zucken würde sie ihn umbringen. Er drehte sich um und rannte davon.
Minu schnaubte verächtlich. "Feige Menschen. Ich hätte ihn doch umlegen sollen. Wenn er jetzt den Rest der Meute auf mich hetzt ... aber nein! Er muss es zuerst seinem Obermann beichten."
Sie kletterte die Treppe hinauf, stieß die Tür auf und zog sich auf den sandigen Hof hinaus. Das Licht blendete in ihren Augen; es schien Mittag zu sein oder Vormittag, die Sonne stand hoch am Himmel. Von nahem konnte sie laute, aufgeregte Stimmen hören wie von einer großen Menschenmasse. Tak hatte nicht gelogen. Dort hinter der Mauer befand sich das Stadtzentrum.
Sie schlug die Falltür mit Schwung hinter sich zu, sah sich um und entdeckte die Mauer, von welcher der Mensch geredet hatte. Nur noch diese läppische Mauer, und sie war frei.
Ihr wurde schwindelig. Ihre Sicht wurde mit jedem Schritt milchiger, und sie taumelte. Keuchend sank sie auf die Knie. Kein langer Weg mehr. Nur noch so kurz. Das schaffte sie jetzt auch noch.
Minu kämpfte sich wieder hoch und grub ihre Finger in den bröckeligen Stein der Mauer. Sie zog sich daran hoch und erklomm die Wand rasch. Oben verharrte sie kurz still und ließ ihren Blick über die unzähligen Köpfe wandern und über die Stände, die man hier auf dem riesigen Platz aufgebaut hatte mit exotischen Früchten, Töpfen, Souvenirs und Snacks. Jongleure, Narren und Menagerien gab es, verkleidete Menschen, Kinder, die Spaß hatten. Eigentlich hatten alle Spaß.
Minu runzelte verächtlich die Stirn, richtete sich auf und sprang von der Mauer.
Mitten im Sprung verließ den Schatten seine Kraft. Er brüllte erzürnt und wurde wie von einem Staubsauger ins Gefängnis zurückgesogen. Minu aber schrie gellend auf, verlor das Bewusstsein und schlug hart auf den Boden.
Sofort ringten sich Leute mit besorgten Gesichtern um sie. Eine etwas korpulentere Frau bückte sich und stieß sie behutsam an. "Fräulein? Seid Ihr wohlauf?"
Minu stöhnte.
"Sie lebt noch", zischte die Dicke wichtigtuerisch zu den anderen und ging in die Hocke. "Kann ich etwas für Euch tun?"
Minu murmelte etwas.
"Was?" Die Frau beugte sich hinab.
Murmel, murmel.
Mit erstauntem Gesicht richtete sie sich wieder auf und sah die anderen an. "Sie gibt unsinnige Dinge von sich! Vielleicht hat sie sich den Kopf gestoßen!"
"Was sagt sie denn so?", erkundigte sich jemand aus der Menge.
"Kocka Kohlah ..." Mit gespanntem Gesicht hörte sie Minu zu. "Ew ... Ewannessenz ... Ibäi ... das hört sich ja gemeingefährlich an! Ist sie vielleicht eine Hexe? Oh, und sie sagt: Link ... was ist ein Link? - und dann sagt sie noch: Wo bist du?"
"Wir müssen sie zu Bewusstsein bringen!", rief jemand, stürzte vor und lehnte Minu aufrecht an die Wand. Eine andere Frau legte ihr einen feuchten Lappen auf die Stirn, jemand maß ihren Puls, wieder jemand sah sich nach Sanitätern um.
Plötzlich öffnete Minu die Augen. Sie starrte die anderen überrascht an. "Was ist passiert?", nuschelte sie schlapp.
"Ihr seid von der Wand gefallen", erklärte die erste Frau freundlich. "Und wir haben -"
Schlagartig fiel es Minu alles wieder ein. Lumien, die Entführung, die Zelle, Tak, und dann ... Blackout. Der Schatten. Er hatte wieder zugeschlagen. Was war mit der Medizin, hatte sie nicht gewirkt? Und wieso war sie nicht mehr in der Zelle? Sie riss die Augen auf. Der Räuberpalast unter der Erde! Sie war geflohen. Aahh. Die waren ihr sicher auf den Fersen.
Sie schrie laut, sprang auf, schüttelte alle helfenden Hände ab und stürzte davon. "IIIAAAHHHEEEOOOEEEIII!!!"
"Was für ein Wildfang!", sagte die erste Frau naserümpfend und stand auf. "Hat sich nicht einmal bedankt, aber rennt schon barbarische Schreie ausstoßend davon! Also nein, dass man jetzt auch schon den jungen Frauen Bier ausschenkt, hätte ich nicht gedacht."
~
Lola Marita war ein bildhübsches, junges Ding. Bildhübsch und reich. Bildhübsch, reich und mindestens ebenso hochnäsig, wenn nicht noch mehr. Sie war sich durchaus der Tatsache bewusst, dass sie zu den schönsten Maiden der Stadt zählte - manche sagten sogar, sie sei die allerschönste von allen - und dass sie unzählige junge Männer hatte, die ihr den Hof machten, machte die Sache nicht gerade einfacher. Natürlich gedachte sie nicht ernsthaft, einen von ihnen zu heiraten - das hätte ihre Herkunft auch gar nicht erlaubt - aber mit ihnen zu spielen, machte doch einigen Spaß. Seit sie klein war, hatte ihr Vater, der Bürgermeister von Trori, sie zum verschwenderischen Leben verwöhnt, und sie war nichts anderes gewöhnt. Was sie wollte, bekam sie. Und was sie hatte, war ihr nicht genug.
Der Karneval war ihr schon immer verhasst gewesen. Sie konnte diesen entsetzlichen, endlosen Frohsinn nicht ausstehen. Wo doch alle wussten, dass nach einer Woche alles vorbei war und jeder in den normalen Trott zurückkehrte! Außerdem war Fasching nutzlos. Zumindest ihr brachte es nichts. Wäre es nach ihr gegangen, hätte man das Narrenfest längst abgeschafft, aber leider ging es nicht nach ihr, und der Fasching war der einzige Punkt, in dem ihr Vater ihr nicht zustimmte. Er sagte immer, der Mummenschanz sei Tradition, und man könne ihn nicht einfach so streichen. Dann würde er ja bei der nächsten Wahl nicht mehr gewählt werden. Pah! Als ob das so wichtig sei. Geld hatten sie ja genug und Ansehen auch. Wozu also auch noch Bürgermeister sein? Humpf.
Gerade jetzt saß sie in ihrer türkisgrünen Sänfte und ließ sich mit verächtlichem Blick über den Marktplatz im Zentrum der Stadt tragen, um allen ihre Schönheit zu präsentieren. Normalerweise kamen von allen Seiten die Jünglinge herbei - zu dieser Zeit des Jahres die meisten in Verkleidung, argh - um ihr Blumen zu schenken. Natürlich wussten alle, wer sie war. Jeder wusste das. Immer von neuem gab ihr das ein sehr zufriedenstellendes Gefühl. Nur heute, heute schien etwas in der Luft zu liegen. Die meisten grüßten sie, aber wo waren die heißen Liebesschwüre, die Blumen und die schnulzigen Lieder, die man normalerweise für sie sang?
Ärgerlich und mit gerümpften Näschen beugte sie sich hinüber zu Jork, ihrem Ritter, der neben ihr auf einem nachtschwarzen Ross ritt, natürlich das beste, das zu haben war. Ihr Vater hatte Jork für sie ausgesucht und er war sehr zuverlässig. Natürlich würde sie sich nie in ihn verlieben können, für einen potentiellen Ehepartner war er einfach zu alt. Sicher schon über 30. Uff! Aber ein brauchbarer Rittersmann. Und sein Ritterschwur war aus ganzem Herzen gekommen. Vielleicht war er ja insgeheim auch scharf auf sie? Ach, wie niedlich! Jork, der verliebte Ritter.
"Wieso preisen sie mich heute nicht?", fragte sie in ihrer Arroganz verletzt. "Üblicherweise kann ich mich vor Blumensträußen und Heiratsanträgen kaum retten. Warum heute nicht?"
"Das weiß ich nicht, Fräulein Lola Marita", sagte Jork in seiner ernsten, etwas förmlichen Art. "Es ist einer der ersten Tage im Fasching. Vielleicht ist die Menge zu aufgedreht, um ..."
WHAM, BOOM, DANG, RUMS.
Irgendetwas hatte einen der zwei vorderen Sänftenträger umgerannt, der gegen seinen Mitmann gefallen war. Vor Überraschung hatten beide den Tragstuhl losgelassen und laut aufgeschrieen. Von dem lauten Gebrüll wurde Jorks Pferd kopfscheu und schlug heftig nach hinten aus; erschrocken ließ einer der hinteren Träger ebenfalls los, um den Hufen auszuweichen. Für eine Sekunde hing Lola Marita schief in der Luft. Dann rutschte sie unter hysterischem, extrem femininem Geschrei schräg nach vorne, aus der Sänfte hinaus und geradewegs in eine gigantische Matschpfütze hinein.
"HIIIIIIIIIIÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄCHHHHHHHHIIIIIIIIHHHHHHH!!!!!!!!!!!!!!!!!!"
Als ihr kleiner Geist in vollständigem Maße erfasste, was gerade geschehen war und iwo sie sich jetzt befand/i, brach sie in ein Geheul aus, das dem einer Robbe gleich kam. Ihre Tränenströme verteilten den Schlamm, der ihr bei ihrem Aufprall ins Gesicht gespritzt war, über ihre Wangen, und plötzlich sah sie gar nicht mehr schön aus mit ihren bematschten grünen Kleidern. Sie erinnerte an einen Spinatkuchen, den man mit alter Schokoladensoße dekoriert hatte, und genauso fühlte sie sich auch. Ihr Hang zur Übertreibung machte es nicht besser.
Jork stürzte vom Pferd, war sogleich zur Stelle und zog sie hoch.
"Fräulein Lola Marita!", sagte er ehrlich entsetzt. "Was ist denn geschehen, seid Ihr in Ordnung?"
"Neiiiheeeiiieiiin", jaulte sie unter sturzbachartigen Tränenbächen und fuhr sich dummerweise mit ihren Händen, mit denen sie versucht hatte, ihren Sturz abzubremsen, durch die Haare. "SEHT IHR DAS DENN NICHT?! Schaut mich an!! Ich bin r-u-i-n-i-e-r-t! Man hat mich z-e-r-s-t-ö-r-t, mir unsagbare Schande z-u-g-e-f-ü-g-t!! Ich bin nun hässlich! Hässlich!! H.Ä.S.S.L.I.C.H.! Unansehlich! UND MEIN KLEID IST AUCH ERLEDIGT! Meiner Psyche wurde ein enormer Schaden zugefügt und ich ... ICH WILL ZU MAMIIIHIII!!!"
Jork wandte sich zum Rest der Truppe, der aus den Sänftenträgern bestand.
"Ihr seid alle gefeuert! Und jetzt findet den Verantwortlichen", donnerte er, "oder ich schneide euch die Hände ab!"
Den Verantwortlichen hatte man offensichtlich bereits gefunden: Ein Mädchen, das sich vor Lachen nicht mehr halten konnte. Sie wurde vom dritten Tragsesselhalter festgehalten. (Augenscheinlich konnten die auch noch was anderes als Sänften tragen und fallen lassen)
"MWAAARHARRHARRMUAHAHAHAAAAMWAAAHHAAA!!! Was ist denn mit DER los?! Es geht aber noch, ja?! 'Ich will zu Mami', süüüß, hahahahaaaaa ha haaaa, wer ist die denn?!"
"Die Tochter des Bürgermeisters der Stadt Trori", sagte Jork und blickte das Mädchen durchdringend an. "Ich weiß nicht, wer Ihr seid, aber ich weiß definitiv, iwas/i Ihr seid: In großen Schwierigkeiten."
"Oh." Sie verstummte und riss die Augen auf. "SIE MÜSSEN MICH GEHEN LASSEN! Ich flehe Sie an, sonst - SONST KOMMEN UND HOLEN DIE MICH!! Lassen Sie mich GEHEN! Ich bin auf der FLUCHT!"
"Ihr seid nicht auf der Flucht", erklärte Jork ungeduldig. "Ihr seid verhaftet worden und zwar von mir, der Ritter des Fräuleins Lola Marita, Tochter des Bürgermeisters!"
"Maaann! Ich glaub, Sie begreifen nicht! Ich bin sehr wohl auf der Flucht und zwar vor so einer verkappten Diebesbande! Jetzt lassen Sie mich ilos/i", keifte Minu und trat nach hinten aus. Der Mann ließ sie nicht los.
"Diese Schande wirst du mir bitter bereuen!"
Anscheinend hatte Lola Marita sich wieder gefasst. Verschmutzt und geschändet wie sie war - sie war immer noch Tochter des Bürgermeisters und hatte hier das Sagen! Und diesem Dreckskind dort würde sie es zeigen!! So wahr sie hier stand! Sie streckte den Finger aus und zeigte wütend auf Minu, während sie sich mit der anderen Hand den Rock raffte. Ihre kunstvolle Frisur fiel auseinander. "Ich werde dir zeigen, was es heißt, mich, Lola Marita, die Tochter des Bürgermeisters, zu blamieren und das vor allen Leuten!"
"Du blamierst dich gerade selber, du sackige Trumm!", kreischte Minu empört.
Durch die gigantische Menschenmenge, die sich angesammelt, ging ein entsetztes Raunen. "Weibercatchen!", schrie jemand.
"Wo ist dein Ritter?!" Mit feurigem, fast irrem Blick sah sich Lola Marita um. "Ich sagte, WO IST DEIN RITTER?!"
"Ich hab keinen!", schrie Minu. "Lasst mich endlich looos!!"
~
Link und Lumien hatten das Wirtshaus gerade erst verlassen, als sie an einem Grüppchen von Menschen vorbeikamen, die sich angeregt unterhielten und es offenbar sehr eilig hatten, irgendwohin zu kommen. Link fing einige Gesprächsfetzen auf.
"Hast du gehört, die Verrückte ..." - "In der Stadtmitte?" - "Ja, auf dem Marktplatz, die der Tochter des Bürgermeisters ..." - "Sie sagt, sie hat keinen Ritter!" - "Aber dafür trägt sie ein Schwert bei sich und -" ... "Wie die kreischt, ist nicht zu überhören, als ob ..." - i"... absolut gestört!!"/i
Link und Lumien warfen sich entsetzte Blicke zu, dachten das selbe und pesten wie auf Kommando in Richtung Marktplatz davon.
~
Man hatte Minu die Hände vor dem Bauch zusammengefesselt und ließ das sich lauthals beschwerende Mädchen nun vor der Sänfte niederknien. Irgendjemand hatte ein Handtuch für Lola Marita aufgetrieben, die sich hoheitlich schlammig auf ihren grünen Kissen niedergelassen und Jork befohlen hatte, die Vorhänge halb zuzuziehen, so dass sie Minu noch gut im Auge hatte und sie mit feurigen, hasserfüllten Blicken beschießen konnte, das Publikum die Tochter des Bürgermeisters jedoch nicht mehr sehen konnte.
Lola Marita war im Moment dabei, sich die schlimmstmöglichen Strafen für Minu auszudenken, und Jork stand daneben und hörte aufmerksam zu.
"Wenn sie keinen Ritter hat", sagte Lola Marita absichtlich so laut, dass sie sichergehen konnte, dass Minu auch jedes Wort hörte, "dann steht es uns laut Gesetz zu, mit ihr zu machen, was wir wollen, nicht wahr, Jork?!"
"Ja, Fräulein Lola Marita. Gesetz der Stadt Trori, Paragraph 152, Absatz 1: 'Bei einer tödlichen Beleidigung zweier Frauen untereinander'", zitierte er hingebungsvoll, "'tragen die Ritter der Damen die Angelegenheit in einem Schwertkampf aus, dessen Bedingungen das Opfer stellt. Hat die Täterin keinen Ritter, so steht es dem Opfer frei, mit ihr anzurichten, was ihr beliebt.'"
"Was mir beliebt? Oh, ich denke da im Moment so an", sie schloss die Augen und legte beschwörend die Finger an die Schläfen, "an den Kerker im Stadtknast, du weißt schon, den fensterlosen. Oder, was auch keine schlechte Idee wäre, die mittlere Folterkammer? Für die Mittelschwerverbrecher? Oh, das wäre sicher auch lustig ... oder wir ketten sie an und geben ihr nichts zu essen und zu trinken. In der Waschfrauenkammer brauchen sie wohl auch noch eine Wäschekorbschlepperin, hab ich gehört ... Hmm ... was ist noch mal mit der letzten passiert, Jork, kannst du dich noch erinnern?"
"Mit der letzten Wäschekorbschlepperin, Fräulein Lola Marita? Dem armen Kind mussten sie am Ende ein Bein abnehmen. Da war ein Wäschekorb draufgefallen. Einer der metallenen."
"Oh nein, wie igrässlich/i", sagte sie und funkelte zu Minu hinüber. "Ich denke, ich bin äußerst gütig, wenn ich dieses Balg zu meiner persönlichen Wäschekorbträgerin mache, oder was denkst du, Jork? Natürlich nur für die metallenen."
"Ja, eine hervorragende Idee ..."
Plötzlich ging ein empörter Aufschrei durch die Menge. Eine kurze Rangelei entstand, und zwei bewaffnete junge Männer kämpften sich bis zum Ort des Geschehens vor; einer von ihnen ganz ihn grün mit einer seltsamen Mütze, der andere in Brauntönen gekleidet.
Link stürzte sofort zu Minu, Lumien dagegen durchschaute gleich die Situation. "Link!", zischte er warnend, aber es war zu spät.
"Link!", schrie Minu überglücklich, sprang auf und taumelte auf ihn zu.
Spontan drückte er sie vor lauter Erleichterung, sie am Leben zu sehen, an sich. "Weißt du eigentlich, was für verdammte Sorgen ich mir gemacht hab?!", sagte er mit rauer Stimme. "Du hättest itot/i sein können! Wie hast du dich befreit, was ist passiert?"
"Noch bin ich am Leben", ächzte sie, "aber wenn du mich weiter so drückst, dann bin ich in ernsthafter Gefahr ..."
Mit blutrotem Gesicht ließ er sie los. Vor all den Leuten und Lumien ... !! Er machte sich stattdessen daran, ihre Fesseln zu lösen.
"Was geht hier vor sich?", kreischte Lola Marita empört und stieß die Vorhänge beiseite. "Was tut Ihr da? Sie ist meine Gefangene! Sie steht unter meiner Fuchtel, also lasst sie gefälligst gefesselt!"
"Gefangene?", fragte Link ungläubig. "Minu, was ist hier passiert?"
Minu druckste erst einmal herum. "Ich ... ich hab sie umgerannt und sie ist in eine Schlammpfütze gefallen, und jetzt ist sie beleidigt", sagte sie verlegen. "Es stimmt leider, was sie sagt. Irgend so ein seltsames Gesetz besagt, dass ich sie tödlich beleidigt habe, und dass sie jetzt mit mir anstellen kann, was sie will."
"Das ist Lola Marita, die Tochter des Bürgermeisters." Lumien trat neben sie.
Sofort stand Minu zehn Meter weiter weg. "DER DA HAT MICH ENTFÜHRT UND DU MACHST MIT IHM GEMEINSAME SACHE?!", brüllte sie entsetzt. "Ich glaub ja nicht, was ich seh! Ich dachte, du wolltest mich retten, stattdessen hängst du mit dieser Arschgeige da rum? Bist du Matschbirne oder was?"
Lumien lächelte niedergeschlagen und hob abwehrend die Hände. "Ich war es wirklich nicht", sagte er behutsam. "Es war mein -"
"KLAAAR, ERWARTEST DU, DASS ICH DIR DAS GLAUBE?! HAHAHAHA! ICH BIN DOCH NICHT BLÖD! HA! HA! HAAA! Wer solls den gewesen sein, huh?"
"Beruhig dich, er war es echt nicht." Link nickte zustimmend. "Sein Zwillingsbruder hat ... eine ewige Geschichte. Wir erzählen sie dir nachher."
"Wenn du das sagst." Grimmig schlenderte sie zu ihnen hinüber, warf Lumien einen drohenden Blick hinüber, ohne etwas zu sagen, und stellte sich demonstrativ neben Link.
"Beachtet mich!", schrie Lola Marita zornerfüllt. "Ich bin hier die Geschändete, klar?! Sie ist meine Gefangene! Ich darf mit ihr machen, was ich will, sie hat mich blamiert!"
"Gibt es nicht irgendeinen Weg, sie davon zu erlösen?", fragte Lumien ruhig. "Ich bin sicher, dass es auf einem Missverständnis beruht und dass -"
"Es gibt nichts, das sie freikaufen könnte", keifte Lola Marita. "Absolut nichts, stimmts, Jork?"
"Nein, Fräulein", sagte ihr Ritter bedauernd. "Leider kann ich Euch nicht zustimmen."
"Wieso?! Sie hat keinen Ritter! Sie ist - "
"Gesetz der Stadt Trori, Paragraph 152, Absatz 2: 'Im Falle eines noch abzulegenden Ritterschwures ist es dem zukünftigen Ritter der Täterin erlaubt, an Ort und Stelle den Schwur abzulegen. Dann tritt Paragraph 152, Absatz 1 in Kraft'", erklärte Jork.
"Aber es ist niemand da, der für diese Ratte den Schwur ablegt", sagte Lola Marita gehässig und warf einen spitzen, siegessicheren Blick in die Runde. "Stimmt doch, oder? Ihr wisst alle, was ein Ritterschwur bedeutet! Die Person, auf die er geschworen wurde, nie allein zu lassen und sie mit Leib und Seele und wenn nötig, mit dem eigenen Leben zu beschützen! Sie vor sich selbst zu stellen und alles zu tun, damit ihr Wohlbefinden sichergestellt ist! Der Ritterschwur gilt bis zum Ende des Lebens, und wird er gebrochen, so kommt dies einer Todsünde gleich! Bis ans Ende aller Tage wird der Schuldige dafür verbannt, und ihm wird der Umgang mit seiner Schutzgeschworenen verboten. Ein neues Leben hat er zu beginnen, wenn er es denn wagt, denn nicht nur die körperliche Qual ist eine furchtbare, auch die seelische ist von einem normalen Menschen fast nicht auszuhalten, wenn die Pflicht gebrochen wurde!" Am Anfang noch bis in jede Ecke zu hören, war ihre kraftvolle, laute Stimme nun zu einem bedeutungsvollen Flüstern verebbt, und eine unnatürliche Stille hatte sich über den Marktplatz gelegt. Sie wusste, dass ihr jeder zuhörte, und sie genoss es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. "Die meisten der Ritter sterben, nein, verrecken elendig bei dem Versuch, ihre Schutzgeschworenen zu beschützen, und wenn nicht, dann sterben sie an den Folgen eines Bruches, und selbst wenn sie das nicht tun - sie können keine Familie gründen, kein eigenes Leben führen, denn sie sind immer von einer Person abhängig! Wer würde schon freiwillig einen solchen Schwur tun, und das für diese", sie deutete anklagend auf Minu und erhob ihre Stimme wieder, "für diese unreife Chaotin? Nun? Habe ich Recht? Niemand wird für sie den Ritterschwur schwören, niemand! Sie ist meine Gefangene! Und ich verhänge ihr die TODESSTRAFE!" Triumphierend reckte sie die Faust in die Luft und sah sich innerlich jubelnd um. "Keiner wird sie retten!"
Ein ungläubiges Raunen ging durch die Menge.
Hach, wie sie das alles liebte. Jeder schenkte ihr jetzt Aufmerksamkeit, alle hingen an ihren Lippen. War das nicht einfach wunderbar? Was sie mit diesem Mädchen machte, war sowieso egal. Todesstrafe war zwar etwas überzogen - und wenn schon! Sie war Lola Marita, die Tochter des Bürgermeisters, und es stand ihr frei, zu tun und zu lassen, was ihr beliebte! Dieses Mädchen hatte sie tödlich beleidigt, und sie hatten keinen Ritter. Folglich durfte sie mit ihr machen, was sie wollte. Die Todesstrafe kam schön dramatisch. Das würde für die Dauer von Wochen das Interesse der Stadtbewohner einbringen. Eine Demonstration ihrer Macht. Sie seufzt innerlich vor Selbstliebe und wiederholte siegessicher: "Niemand, niemand wird dich retten!"
bi"Ich tu es!"/b/i
Seine Stimme war laut und deutlich. Es war so still, dass jeder ihn hörte, obgleich er nicht schrie. Sein Kopf war von einer solchen Klarheit, dass es ihn selbst überraschte. Er hatte irgendwie gewusst, dass es so kommen würde. Dass sich Minu irgendwann so in den Mist reiten würde, dass er ihr helfen musste, hinauszukommen. Es schien, als sei dieser Zeitpunkt nun gekommen, und er wusste, was er zu tun hatte. Er war darauf vorbereitet. Er war sich der Auswirkungen, die dies auf sein Leben haben würde, bewusst.
Es würde alles schwerer machen, komplizierter. Seine Aufgabe würde dadurch nicht leichter zu erfüllen sein. Aber was würde kommen, wenn er Minu jetzt hier einfach so sitzen ließ? Dann hätte ier/i ihren Tod zu verschulden. Und vermutlich hätte er sich mit dieser Last auf den Schultern in die nächste Schlucht gestürzt. Mit dem Gedanken, Minu im Stich gelassen zu haben, hätte er nicht leben können.
Es war sehr egoistisch, was er hier tat, und definitiv nicht gut für Minu; zumindest nicht für ihr späteres Leben. Er würde sie in Zukunft in Gefahr bringen, denn er musste sie ja jetzt immer auf seinen Reisen mitnehmen. Der Gedanke, nicht mehr allein sein zu müssen, versetzte ihm einen durchaus nicht unangenehmen Stich, obwohl er wusste, wie eigennützig er war. Aber war es weniger eigennützig oder auf irgendeine Art und Weise gesünder für Minu, sie hier sitzen zu lassen und sie in den Tod gehen zu sehen? Egal was er tat, er brachte sie in Gefahr! Und deshalb war es doch eigentlich egal, ob er es mit oder ohne Egoismus tat.
Lumien starrte ihn an. Minu starrte ihn an. Lola Marita starrte ihn an, während sie ihre Faust langsam wieder sinken ließ. Jork starrte ihn an, wenn auch so, dass es fast nicht zu bemerken war. Die Menge starrte ihn an. Alle starrten ihn an. Er richtete sich zu seiner vollen Höhe auf, machte die Schultern und den Rücken gerade und hob den Kopf. Dann räusperte er sich.
"Ich werde", sagte er ebenso klar wie zuvor, "ich werde Minus Ritter sein. Ich werde sie nicht einfach im Stich lassen, weil ich nicht will, dass sie stirbt."
Er wusste, dass er sich unbeholfen ausdrückte, aber es war das, was er dachte, und in diesem Moment war es ihm egal.
Minu begann zu zittern. "Mach es nicht", sagte sie fast ungläubig. "Mach es nicht. Du kannst den verdammten Schwur nicht halten."
Irgendwann würde sie wieder in ihre Welt zurückkehren. Dann war der Schwur gebrochen, ohne dass jemand etwas dafür konnte. Eine Todsünde. Link. Todsünde. Link. Todsünde. Die Gedanken verschwammen in ihrem Kopf, die Bilder vor ihren Augen. Sie ließ sich schwach auf die Knie sinken und starrte ihn an.
Lumien ließ den Kopf sinken und schloss die Augen, als wolle er nicht wissen, was geschah, als wüsste er nur zu gut, was kommen sollte, was geschehen würde.
Das Publikum begann aufgeregt zu tuscheln, als könne es nicht glauben, was sich da vor seinen Augen abspielte. Lola Marita runzelte die Stirn und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Jork hielt es für besser, sie zu unterbrechen.
"Es ist das Gesetz", sagte er ruhig. "Es steht ihm frei, diese Entscheidung jetzt zu treffen. Das Gesetz erlaubt es."
"Nein", sagte sie wutentbrannt. "Nein. Das glaube ich einfach nicht." Ein Gedanke schoss durch ihren Kopf. "Das heißt, du musst mit ihm kämpfen, nicht wahr, Jork?"
Er nickte.
"Und ich darf die Bedingungen stellen?"
Er nickte wieder.
Lola Maritas Stimme wurde wieder höhnisch. "Dann macht es keinen Unterschied, ob er jetzt diesen dummen Schwur schwört oder nicht. Ihr werdet beide sterben, denn Jork ist ein unübertrefflicher Schwertkampfmeister! Er hat sein Leben der Aufgabe gewidmet, mir zur Seite zu stehen, und er wird tun, was ich ihm befehle! Ich werde meine Bedingungen stellen und sie werden hart sein. Aber", sie ließ sich in ihre Kissen zurücksinken und machte eine träge, aber ebenso selbstsichere Handbewegung, "mach erst den Schwur, dann sehen wir weiter."
"Mach's nicht, mach's nicht, Link", flüsterte Minu furchtsam und ballte ihre Faust so fest, dass sich ihre Fingernägel ins Fleisch gruben. "Hör auf, lass das, lass das! Du bist so dumm, wenn du das machst! Du weißt doch genau, dass du den bekloppten Schwur nicht halten kannst, und dann ..."
Hilflos begann sie am ganzen Leib zu zittern.
Er trat vor, ohne sie anzusehen.
"Ich weiß die Worte nicht", sagte er. "Ihr müsst ..."
Minu fiel nach vorne und schlang die Arme um seine Beine. "Mach das nicht!", schrie sie ohne nachzudenken. "Du kannst das nicht! Das ist Selbstmord! Lass es! Ich hab gesagt, du sollst den Scheiß lassen, also mach das gefälligst auch! Es ist noch nicht zu spät! Geh weg und lass es!!"
"iWillst du denn sterben?!/i", brüllte er sie plötzlich an, und sie schrak zurück. "Bist du lebensmüde? Ich tu das für DICH, kapierst du das nicht?"
Er sah in ihr Gesicht und sah, dass sie weinte. Sie wusste, dass nichts ihn von seiner Entscheidung abbringen konnte. Egal was sie tat, er würde diesen Schwur ablegen.
Dann wandte er sich ab, blickte Jork in die Augen und nickte.
"Kniet nieder", sagte Lola Maritas Ritter und zog langsam sein Schwert aus der Scheide. Link tat, wie im geheißen, und Jork legte ihm die flache Klinge auf die Schulter.
"Sprecht mir nach", befahl er. "Ich ..."
"Ich, Link ...", wiederholte er mit gesenktem Kopf.
"... schwöre, dieser Lady mit Leib und Seele zu dienen und sie ..."
Minu warf sich auf den Boden und schlug schreiend die Fäuste auf den Pflasterstein. Es war ihre Schuld, dass Link für sie in seinen Untergang rannte. Wenn er diesen Schwur tat, dann war es um ihn geschehen. Ihre Schuld.
"Ich, Link, schwöre, dieser Lady mit Leib und Seele zu dienen und sie ..."
Heraufgerufen durch ihre Schrecklähmung und ihre Furcht und dem Wissen der Schuld, das auf ihr lag, war plötzlich die Erinnerung an das Spiel, in das sie gefallen war, in ihrem Kopf, und plötzlich schien die ganze Situation auf sie einzustürzen; wie eine Irre begann sie krampfhaft zu lachen, während sie ihr tränenüberströmtes Gesicht dem grauen Himmel zuwandte.
"... mit meinem Schwert und meinem Schild und, wenn nötig ..."
"... mit meinem Schwert und meinem Schild und, wenn nötig ..."
Lumien kniete sich neben ihr nieder und zog sie hoch. Wortlos schloss er sie in seine Arme, ohne den Blick von Link zu lassen, der zu ihrem Ritter geschlagen wurde, und Minu rollte sich zusammen wie ein kleines Kind und begann zu schluchzen. Lumien verstand nicht, warum sie weinte, aber es erinnerte ihn seltsamerweise an seine Vergangenheit, und er versuchte, ihre Trauer zu lindern. Etwas in ihm erwachte, eine seltsame Sehnsucht, doch nach was, das wusste er nicht oder ahnte es nur.
"... mit meinem Leben zu schützen, um das ihre zu erhalten."
"... mit meinem Leben zu schützen, um das ihre zu erhalten."
"Ich gelobe hiermit ..."
"Ich gelobe hiermit ..."
Lola Marita hatte ihren Blick gedankenverloren auf Link und Jork gerichtet und versuchte zu erkennen, was den Helden in Grün mit dem Mädchen verband. Was war das, dieses Band zwischen ihnen, das tiefer ging als alles, was sie bisher erlebt hatte? Er gab sich für sie auf. Was bewegte ihn dazu? Sie wusste es nicht und konnte es nicht erraten, aber es machte sie rasend vor Zorn, dieses Band nicht selbst zu besitzen. Sie wollte es zerstören, dem Erdboden gleichmachen, vernichten, zerreißen - wenn sie es nicht selbst haben konnte, dann sollten es die anderen auch nicht bekommen! Sie fletschte fast die Zähne vor Eifersucht auf das, was sie noch nie besessen hatte und vielleicht nie besitzen würde.
"... alles dafür zu tun, ihre Ehre, Schönheit, Sicherheit und Reinheit zu erhalten."
"... alles dafür zu tun, ihre Ehre, Schönheit, Sicherheit und Reinheit zu erhalten."
"Ich beeidige, sie vor meiner selbst zu stellen und ..."
"Ich beeidige, sie vor meiner selbst zu stellen und ..."
"So ein Blödmann", flüsterte Minu und sah zu Lumien auf. "Wieso macht er das?"
"Ich denke, Ihr seid ein Teil seines Lebens geworden", sagte Lumien sanft. "Es ist viel mehr, als ihr beide wisst. Aber das mag noch kommen."
"Ich hab keinen Schimmer, wovon du redest." Sie schloss die Augen.
"... ihr in Zeiten der Unsicherheit und Schwäche einen Platz der Sicherheit zu bieten, wenn sie einen solchen braucht."
"... ihr in Zeiten der Unsicherheit und Schwäche einen Platz der Sicherheit zu bieten, wenn sie einen solchen braucht."
Plötzlich erschien ihm ein Bild von Narsilla vor seinen Augen, ohne dass er wusste, was diese Erinnerung in ihm heraufgerufen hatte. Dann wurde es ihm bewusst: In Link sah er sich, als er jung gewesen war. Nicht dass er nicht immer noch jung war, aber damals war es imehr/i gewesen. In der Zeit, in der er mit Larien und Narsilla im Keller gelebt hatte, war alles noch so leicht gewesen. Nichts hatte ernsthafte Probleme mit sich gebracht, und wenn doch, so wurden diese enthusiastisch zur Seite geschoben. Eine so von Lebenslust erfüllte Zeit hatte er seitdem nicht mehr erlebt. Er wünschte sich von ganzem Herzen, dass Minu und Link irgendwann erkannten, dass die Zeit viel zu schnell vorüberflog. Wenn sie nicht bald einsahen, dass es wichtigeres gab als sich zu streiten und immer bloß zu leugnen, zusammen zu gehören, dann war es irgendwann zu spät.
"Mit Rat und Tat habe ich ihr von nun an zur Seite zu stehen und ihren Befehlen zu folgen."
Link wiederholte, was Jork gesagt hatte. Er nahm nichts mehr von seiner Umwelt wahr, seine Aufmerksamkeit galt einzig und allein dem, was er sagte. Es war nicht einfach nur so dahergesprochen - er meinte es ganz ernst mit dem, was er schwörte. Die Bedeutung dieses Eides war ihm klar. Er meinte es ernst mit allem.
Jork erhob ein letztes Mal seine sonore Stimme. "Ich ..."
"Ich, Link ..."
"Ich lege am heutigen Tage mit Geltung bis zum Ende der Zeit den unantastbaren Ritterschwur für ..."
Er schluckte, und sein Herz pochte aufgeregt.
"Ich, Link, lege am heutigen Tage mit Geltung bis zum Ende der Zeit den unantastbaren Ritterschwur für Minu ab ..."
"... und bezeuge, ihn bis in alle Ewigkeiten zu halten", donnerte Jork.
"... und bezeuge, ihn bis ... in alle Ewigkeiten zu halten", beendete er seinen Schwur leise.
"Hiermit schlage ich dich, Link, zum Ritter des Fräulein Minu", sagte der große Mann, berührte mit der flachen Spitze seiner Klinge zuerst Links rechte, dann seine linke Schulter und schließlich seine Stirn. "Erhebe dich."
Zitternd, fast taumelnd stand er auf. Kaum befand er sich auf den Füßen, schoss er einen Blick hinüber zu Minu, die ihm erst mit blassen Gesicht begegnete, dann jedoch die Augen senkte. Er sah noch, wie Lumien ihr aufhalf, dann wurde er von Lola Maritas schneidender Stimme zu den Geschehnissen zurückgerissen.
"Juhu", sagte sie kalt. "Nun, wie fühlt Ihr Euch jetzt, als todgeweihter Ritter?"
"Besser als zuvor", sagte er ebenso kühl. "Zumindest ist Minu nicht mehr todgeweiht, wie Ihr das so schön dramatisch-theatralisch ausdrückt."
"Ich darf mich ausdrücken, wie ich will", sagte sie zuckersüß und warf einen Blick hinüber zu Jork, der gerade sein Schwert wieder in der Scheide versenkte. Dann richtete sich auf.
"So", sagte sie spitz, "ich darf jetzt die Bedingungen für den Kampf stellen. Darauf habe ich die ganze Zeit nur gewartet."
Er erinnerte sich an das Gesetz und richtete den Rücken gerade.
"Erstens", begann sie. "Der Kampf wird direkt hier auf der Stelle ausgeführt. Zweitens: Der Kampf geht bis zum Tod. Drittens: Sollte Link verlieren, ist auch Minus Leben beendet. Viertens ..." Sie schien kurz zu überlegen, doch dann zog ein Lächeln über ihr Gesicht. "Nein, das soll genügen." Sie winkte mit der Hand. "Macht ein bisschen Platz, es geht los!"
Die Leute rückten mit großen Augen zurück und machten einen größeren Kreis platz, auf dessen Fläche Link und Jork kämpfen sollten.
"Ihr seid wohl irgendwie geil auf den Tod, oder?!", zischte Link verächtlich, rieb sich die Hände und setzte seine Mütze gerade. "Gut, Ihr sollt ihn bekommen! Jork hat keine Chance gegen mich."
"Ich bin der beste Schwertkämpfer der Stadt", sagte Jork gleichgültig und nahm eine Angriffshaltung an.
"Und ich der beste der Welt."
Plötzlich merkte er, wie ihm jemand die Hand auf den Arm legte. Er sah sich um und erblickte Minu, die sich mit blassem Gesicht neben ihn gestellt hatte. Ihre Augen waren ziemlich rot, und es war leicht zu erkennen, dass sie eben noch Wasserfälle geheult hatte.
"Ich muss kämpfen", sagte er unwirsch, "du kannst nicht -"
Wortlos griff sie sich auf den Rücken und zog sein Schwert hervor, um es ihm zu überreichen. Für den Bruchteil einer Sekunde fielen seine Gesichtszüge auseinander, dann versuchte er ein winziges Lächeln und nahm das Schwert entgegen. Minus Mundwinkel zogen sich ein bisschen in die Höhe, als sie das Schwert des Bürgermeisters in Empfang nahm.
"Viel Glück", sagte sie leise und trat zurück.
"Auf mein Zeichen", rief Lola Marita und richtete sich auf.
Die Spannung steigerte sich bis ins unerträgliche. Auf dem ganzen Platz war kein Laut zu hören, ja, sogar der Wind hatte ausgesetzt und die Vögel sangen auch nicht mehr. Es schien, als hielten alle die Luft an. Selbst Minu und Lumien zitterten vor Aufregung. Man könnte förmlich die Spannung zwischen Link und Jork knistern sehen; Link, dessen Gesichtszüge unbändige Wut zeigten und der sein Schwert umklammert hielt, als ginge es um sein Leben, und Jork, der ruhig und gelassen wirkte, fast ein wenig bedauernd, einen so jungen, enthusiastischen Menschen aus dem Leben werfen zu müssen.
"Drei ..."
Lola Marita begann nahezu spöttisch den Countdown.
"Zwei ..."
Link stieß hart die Luft aus.
"Eins ..."
Jork richtete sich auf.
"UND LOS!"
~
Es war durch und durch ein Bild der Ruhe, und trotzdem lief es ihr kalt den Rücken hinunter, als ihr Auge das ganze Ausmaß des Geschehens erfasste.
Farore stand auf der Spitze eines Hügels im hohen Gras. Vor einer ganzen Weile war sie abgestiegen und hatte das Pferd an den Zügeln hinter sich hergeführt, da es in den letzten Stunden erste Anzeichen der Erschöpfung aufgewiesen hatte - was kein Wunder war, so wie sie Tag und Nacht durchgeritten war.
Auf dem Kugelkamm hatte sie einen Großteil der Zutaten für das Elixier bekommen können. Im Nachhinein hatte sie ein schlechtes Gewissen, dass die Goronen so großzügig zu ihr gewesen waren, nachdem sie ihnen versprochen hatte, sich nach einer Lösung für das Problem mit den schwarzen Iglus umzusehen - dabei hatte sie nicht den blassesten Schimmer, woher diese kamen oder, noch wichtiger, wie man sie wieder dahin zurück bekam. Das hatte sie ihnen natürlich nicht gesagt - ansonsten hätten sie ihr wohl die Pflanzen, die sie so dringendst brauchte, nicht gegeben.
Ihr nächstes Ziel war der Laden von Syrup und Martha auf dem Yoll-Friedhof in Labrynna. Das Rezept besagte, dass eine Magieflasche die Wirkung verbessern würde, und sowieso brauchte sie zur Herstellung die Schalen eines zerschlagenen Lon-Lon-Eis. Sie hoffte, Martha würde das Problem verstehen und ihr ihres überlassen. Ansonsten wusste sie nicht, wo sie eins herkriegen konnte.
Ihr Weg führte sie über die Birkenhaine des lichten Waldes, in dem sich auch Nayrus kleines Häuschen befand - wenn sie Glück hatte, war Impa noch dort, die ihr sicher helfen konnte, und weil es kein Umweg war, hatte sie schon vor einiger Zeit beschlossen, dort eine kleine Rast einzulegen. Bis dahin waren es aber noch ein oder zwei Tagesreisen, und sie machte sich auch nicht wirklich große Hoffnung, die Kammerzofe und engste Vertraute der Prinzessin dort aufzufinden.
Zelda. Was mochte sie wohl gerade tun? Sie galt gemeinhin als Symbol der Hoffnung und Zuversicht, aber hatte sie in der schwierigen Angelegenheit, die es im Moment zu bewältigen gab, schon etwas von ihr gehört? Wo war das Symbol der Hoffnung und Zuversicht - Farore schnaubte verächtlich - jetzt, wo es Ärger gab? Nun, vielleicht würde sie sich ja noch zu Wort melden - was Farore bezweifelte.
Doch jetzt gab es andere Dinge, um die sie sich Sorgen machen sollte; zum Beispiel das, was vor ihr in der Senkung zwischen zwei besonders großen Hügeln lag.
Es war ein Dorf. Oder zumindest war es einmal ein Dorf gewesen. Jetzt war es nur noch eine einzig große Ruine. Die Häuser waren zum Teil bis in Grund und Boden abgebrannt, von anderen wiederum waren die Grundfesten stehen geblieben, aus denen es nun schwelte. Das erklärte auch die gigantische Rauchwolke, die sie schon von weitem hatte sehen können. Die verbrannten Überreste der Häuser lagen auf geschwärztem Boden völlig still da - es schien nicht so, als sei dort noch etwas am Leben. Wie auch.
Für einen Moment stieg Übelkeit in ihr hinauf und ihr wurde schwindelig, sie klammerte sich am Sattelknauf ihres Pferdes fest, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Erinnerungen drohten sie zu überwältigen, Erinnerungen an ihre eigene Heimat und an dem Tag, an dem ihr Dorf -
Nein. Nein, das hatte hier nichts zu suchen. Und es brachte auch nichts, diese uralten Geschichten wieder auszugraben, die bis jetzt unangetastet in der hintersten Ecke ihres Bewusstseins gelegen hatten und dort gefälligst auch bleiben sollten.
Sie holte tief Luft, schloss ihre Finger dann fester um das Leder der Zügel, als suche sie daran Halt, blickte mit kalten Augen aus einem verschlossenen Gesicht zum Dorf und begann, durch das hohe, sich im Wind wogende Gras den Hügel hinab zu stapfen.
Wenig später, und sie hatte es erreicht. Von nahem sah es sogar noch schlimmer aus. Ihre Füße verursachten ein knirschendes Geräusch, als sie in die Asche trat, und sie begann unwillkürlich zu zittern, als ihr bewusst wurde, welch grausige Atmosphäre sich über das ehemalige Dorf gelegt hatte. Es herrschte Totenstille, und es kam ihr ein wenig so vor, als trampele sie unter lautem Getöse durch die Ruinen - dabei schlich sie auf Zehenspitzen dahin. Als sie an einem der Häuser vorbeikam, erhob sich düster krächzend ein Schwarm schwarzer Krähen, und ihr blieb fast das Herz stehen vor Schreck, dass hier noch etwas am Leben war. Kaum hatten sich die dunklen Vögel flügelschlagend entfernt, senkte sich wieder diese absolute Grabesstille herab, vor der es ihr so grauste, fürchtete sie doch, sie könne Erinnerungen wecken.
Plötzlich hörte sie etwas. Ein Tappen. Schritte.
Sie fuhr zusammen und schoss herum, und es war einer der seltenen Fälle, in denen ihre Gesichtszüge vollkommen auseinander fielen und preis gaben, was sie dachte und fühlte.
Wieder. Schritte, ganz sicher. Aber sie hörten sich nicht so an wie die ihren, nicht wie das Geräusch, wenn Asche zertreten wurde.
Tapp. Tapp.
Das hatte sie schon einmal erlebt. Das kannte sie.
Sie drehte sich misstrauisch, fast ängstlich im Kreis, versuchte die Ruhe zu bewahren und herauszufinden, woher das Geräusch kam - es musste hier alles tot sein, wieso also hörte sie Dinge, die nicht sein konnten? Ihr schoss ein Gedanke durch den Kopf: iAlles wiederholt sich. Irgendwann ist das Rad der Zeit abgelaufen und fängt von vorne an./i
"Tot und kalt und starr ..."
Eine gleichgültige Stimme von irgendwoher - eine Kinderstimme. Sie riss die Augen auf. Dieselben Worte, dieselben Worte ... ! Plötzlich begann sie zu zittern, als wäre ihr kalt, verfluchte sich selbst. Sie hätte nie hierher kommen sollen, sie hätte das Dorf Dorf sein lassen und weiterziehen sollen. Die verbrannten Ruinen waren der Schlüssel zum Kästchen gewesen, das sie so lange hatte verschlossen ruhen lassen. Aber jetzt überwältigte sie dessen Inhalt.
"Ich hab sie vergraben, damit sie ein bisschen Ruhe finden. Vielleicht können sie ja schlafen, bis ich wiederkomm' und wir alle beisammen sind."
Sie runzelte die Stirn. Seltsam, sie konnte sich nicht erinnern, das gesagt zu haben, als ... tja, als. Damals. Zögerlich hob sie den Kopf und sah sich um. Ihre Hand tastete nach dem Verschluss der Satteltasche, und sie war nahe daran, wie eine hysterische Heulsuse in der Tasche nach ihrer einzigen Waffe zu suchen, einem kleinen Stilett, dass sie vorsorglich eingepackt hatte. Doch sie bezwang ihre Aufregung und sah sich um.
Farore brauchte eine Weile, bis sie ihn entdeckt hatte. Er war nicht besonders groß und seine schwarzen Haare hingen ihm fransig auf die Stirn, als seien sie noch nie gekämmt worden. Seine Haut war dunkel, seine Kleidung zerrissen, schmutzig und blutig - wie seine Hände, die zerschunden und zerkratzt zu seinen Seiten hingen. Aus schrägen, dunklen und nicht anwesend sein zu scheinenden Augen starrte er sie an.
Sie streckte den Rücken, immer noch zittrig auf den Knien, und sah zu ihm hinauf. Er stand auf einer Mauer in einer der halb übriggebliebenen Ruinen und es war seltsam, wie er einfach da war und lebte, inmitten dieses Ortes des Todes.
"Wer bist du?" Ihre Stimme klang dünn, und sie hasste sich dafür, dass man die Angst heraushören konnte. Sie stand halb hinter dem unruhig scharrenden Pferd verborgen und kam sich ein wenig lächerlich vor, sich hinter einem Tier zu verstecken.
"Ich hab keine Grabsteine gefunden, und Kreuze konnt' ich nicht basteln, weil ich keine Nägel hatte und keinen Hammer, und das ganze Holz ist ja eh verbrannt." Nachdenklich hob er die Hände und betrachtete sie, wie als ob er gar nicht richtig da war, sondern ganz woanders. Er schien so erwachsen und reif für einen kleinen Jungen, nicht älter als zehn oder elf.
Sie schluckte, bevor sie erneut sprach. "Wer - wie heißt du?"
"Ziemlich schmucklos also, die Gräber." Er seufzte leise. "Wahrscheinlich reiten bald die Menschen drüber, ohne überhaupt zu wissen, dass unter der Erde mehr ist als ... Erde. Na ja, aber hier kommt ja sowieso nie jemand hin. Der einzige, der weiß, wo sie schlafen, bin ich." Plötzlich blickte er Farore an, und sie erschrak über seinen todernsten Blick. "Ich muss hier bleiben und sie bewachen, weißt du. Ich muss die Totenwache halten."
"Das - das musst du nicht." Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. "Was ist denn passiert?"
Er schüttelte den Kopf, überraschend heftig, und ballte die Hände zu Fäusten. Ein paar Blutstropfen fielen hinab. "Wenn ich nicht hier bleib, dann vergisst man sie!", rief er. "Und wenn man sie vergisst, dann sind sie nur noch tot und kalt und starr! Wenn ich weggeh, dann werden sie zu Erde und dann ... und dann kann man über die Gräber laufen. Ich muss Grabsteine machen." Er sah sie wieder an. "Hilfst du mir?"
Langsam konnte sie sich denken, was geschehen war. "Wenn du mir deinen Namen nennst", sagte sie sanft, "und hinunterkommst. Du bist ja ganz abgemagert. Ich hab etwas zu essen dabei."
"Ich muss doch nichts essen", sagte der Junge, als wäre es selbstverständlich. "Weißt du, eigentlich bin ich nicht mehr hier, ich bin schon bei ihnen, verstehst du? Und sie müssen ja auch nichts mehr essen."
Er machte sich daran, von der Mauer zu klettern.
Farore überwand sich und lächelte ihn an, um ihm menschliche Wärme zuteil werden zu lassen. "Du hast Asche am Kleid", sagte er abwesend und erwiderte ihren Blick nicht. "Da unten, schau hin, am Saum. Wenn man so schön ist wie du, sollte man nicht durch den Dreck laufen, dann wird man ganz schmutzig." Er sah an sich herab und deutete auf sein schmutziges Hemdchen. "Kuck, so passiert einem das!" Er sah plötzlich sehr besorgt aus. "Hoffentlich findet man sie nicht."
"Wie heißt du?" wiederholte sie. "Ich bin Farore."
"Das ist vielleicht ein komischer Name. Mein Bruder hieß Farfareo. Das hört sich ähnlich an, nicht wahr?"
Sie gab es auf. "Die Grabsteine, weißt du noch?", erinnerte sie ihn sanft und schloss seine kleinen, verletzlichen Hände in ihre großen. "Wir wollten Grabsteine suchen."
~
Der Junge bestand darauf, die gefundenen Steine, die sich als Grabmale eigneten, allein zu den Gräbern seiner Familie zu bringen, und so verließ er das Dorf ohne Farore, um zum nahen Waldrand aufzubrechen. Sie rang ihm das Versprechen ab, anschließend zurückzukehren, obwohl sie sich selbst fragte, was für einen Sinn das hatte. Sie konnte ihn weder mitnehmen noch hier sitzen lassen, und sie wusste auch nicht, wie sie mit einem Kind umzugehen hatte, dass seine Familie zuerst verloren, danach tot aufgefunden und sie selbst begraben hatte. Wie war das damals mit ihr gewesen? Das Schicksal des Jungen erinnerte sie an ihr eigenes, aber die Erinnerungen waren unscharf umrissen und irgendwie konturlos. Außerdem war sie danach als Orakel ausgebildet worden und es war ausgeschlossen, dass ihm dasselbe wiederfahren würde - sie lachte bitter - also hatte sie sowieso keine Ahnung, was sie mit ihm machen sollte. Seine abschottende Art weckte jedoch irgendwie den Drang in ihr, ihn zu beschützen und seinen Kern aufzubrechen. Mutterinstinkt. Seit wann hatte sie Mutterinstinkt?
Darüber konnte sie nur den Kopf schütteln.
Farore nutzte die Zeit, die er für sich brauchte, um sich ein wenig in den Ruinen des Dorfes umzusehen. Von den Häusern war größtenteils nichts mehr übrig außer morsche, verkohlte Holzbalken, und sonst gab es nichts. Erst als sie das schwarze Iglu entdeckte, das im Zentrum des Dorfes stand, wurden ihr die Zusammenhänge klar.
Fassungslos stand sie davor und starrte es an. Es war identisch mit den Iglus, die sie auf dem Kugelkamm gesehen hatte. Es gab praktisch keine Unterschiede. Dann begriff sie, was die unheimliche Stimmung hier ausmachte; nicht nur das Wissen um das Geschehen, sondern auch die Aura, die von diesem Gebilde ausging. Sie begann langsam zu zittern. Das gleiche Gefühl wie bei den Goronen überkam sie, der Drang, wegzurennen und alles stehen und liegen zu lassen, einfach nur zu flüchten, aber sie versuchte sich zu beruhigen und erst keine Panik aufkommen zu lassen.
Sie überlegte rasch, was sie tun sollte. Dann fasste sie einen Entschluss, schwang sich in den Sattel und ritt in die Richtung, in die der Junge davongelaufen war.
Sie begegneten sich schon bald, nachdem sie das Dorf verlassen hatte, auf einer großen Wiese, die zwischen dem Hain und dem Waldrand lag. Er wanderte gedankenverloren in Richtung Ruinen, doch Farore zwang das Pferd zum anhalten und sprang ab.
"Du darfst nicht zurückgehen", sagte sie ohne Umschweife. "Es ist viel zu gefährlich."
"Aber da ist mein Zuhause." Er sah sie aus großen, ratlosen Augen an, und erst jetzt verstand sie, dass er nicht so stark war, wie er vorgab zu sein. Sie versuchte es ihm zu erklären. "Du wirst verrückt. Da ist ... siehst du dieses Iglu?" Sie deutete zum Dorf. Von ihrem Standpunkt aus war das seltsame Gebilde gut erkennbar.
Er nickte schweigend und ließ seinen Blick nicht von ihr, was sie etwas verwirrte.
"Das war vorher noch nicht da", erklärte sie. Diese Tatsache war zwar nur geraten, aber rein theoretisch musste sie damit Recht haben. "Und das hier ist nicht das einzige." Farore entschloss sich plötzlich ihn nicht mit der Wahrheit zu verschonen - aus welchen Gründen auch immer. Irgendwie hatte sie das Gefühl, er würde begreifen. "Weiter nördlich auf dem Kugelkamm. Da habe ich solche Dinger schon einmal gesehen, und die Goronen dort, sie - sind verrückt geworden." Sie schluckte bei der Erinnerung. "Vermutlich drehst auch du durch, wenn du dich länger der Einwirkung dieses ... Etwas aussetzt."
Er schwieg eine Weile. "Es ist böse", sagte er schließlich. Sie nickte und setzte an, um etwas zu sagen, da fuhr er fort: "Die ganze Geschichte. Schicksal? Wer weiß schon, was Schicksal ist? Aber es wird noch viel mehr passieren. Du weißt es auch, nicht war?" Er sah sie auf eine seltsame Weise an, und sie fühlte sich plötzlich durchsichtig, wie ein Buch mit offenen Seiten - als könne er in ihre Seele sehen und lesen, was darin stand. Im Moment las er daraus vor. "Dass noch mehr passiert. Wir stehen erst am Anfang einer Geschichte, von der man in hundert Jahren singen wird oder vielleicht tausend - wer kann das wissen? Und wer kann wissen, ob in hundert oder tausend Jahren gesungen wird? Wenn das Licht nicht siegt, siegt der Schatten, und dann verstummen alle Lieder. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, wie die Geschichte endet. Einer gewinnt und einer verliert. Das ist doch immer so." Er verfiel in sein übliches, abwesendes Schweigen.
Farore spürte, wie ihr eine eiskalte Gänsehaut den Rücken hinaufkroch.
Schließlich schluckte sie und beschloss, die Sache einfach zu übergehen. "Bleibst du nun hier oder nicht?"
"Es macht eigentlich keinen Unterschied mehr, ob ich verrückt werd oder nicht", sagte er gleichgültig. "Ich hab ihre Gräber geschmückt, weißt du? Die Trauerblumen hab ich hier gepflückt, auf der Wiese." Er machte eine allumfassende Handbewegung. "Jemand muss die Totenwache halten, sonst reitet man über ihre Gräber." Er räusperte sich. "Ich mach das schon. Sonst kennt sie ja keiner - die anderen Leute, die sind alle verbrannt ..."
Farore riss die Augen auf. Das Dorf hatte in Flammen gestanden. Sein Haus hatte in Flammen gestanden. Seine Familie musste verbrannt sein. Was genau hatte er dann vergraben?
"Wie sind deine Eltern gestorben?", fragte sie behutsam. "Sind sie nicht verbrannt? Oder hast du gar nicht deine Eltern beerdigt und deinen Bruder?"
Der Junge warf ihr einen verständnislosen Blick zu.
"Sie sind zerschmettert worden von einem goldenen Morgenstern", sagte er. "Ich hab ihre Überreste beerdigt. Was denn sonst?"
~
Sie gingen aufeinander los wie zwei aufeinander prallende Fronten in einer Schlacht. Fast sprühten Funken, wenn sie ihre Klingen aufeinander schlugen, ihre Körper den auf den Tod des Gegners gezielten Hieben geschmeidig ausweichend. Jork bewegte sich wie eine Schlange, seine Bewegungen gingen nahtlos ineinander über und es schien, als tanze er, während Link an einen jungen Löwen erinnerte, stark, jede seiner Schläge und Schritte so mit Kraft erfüllt, dass es schien, als drohe er davon zu zerbersten. Jorks Gesichtsausdruck war immer noch ruhig und fast gleichgültig, aber nur fast: Man konnte erkennen, dass ihn der Kampf genau so wenig kalt ließ wie Link. Etwas hatte sich in seinen Augen verändert, die Unnahbarkeit war einer gewissen Mischung zwischen Aufregung und Vergnügen gewichen. Links Gesichtszüge waren noch immer vom Zorn gekennzeichnet.
Jork griff schräg von oben an, und mit einem gewaltigen Satz wich Link zur Seite aus; er nutzte seinen Schwung und versuchte Jork in der Hüfte zu treffen. Der große muskulöse Mann ließ das Schwert erst gar nicht so weit herankommen, dass es ihm gefährlich werden konnte, er schlug Links Klinge mit seinem eigenen vertikal gehaltenen Schwert entgegen. Ein lautes Klirren erklang und eine lange Sekunde verstrich, in der die Zeit wie angehalten schien, dann riss Link sein Schwert los und sprang zurück, um Jorks schnellem Kreisschlag auszuweichen, der ihn zweifellos direkt in die Hüfte getroffen hätte.
Mehrere Minuten rangen die beiden Gegner stumm miteinander, ohne dass sich ein Ende des Kampfes herauskristallisierte. Keiner der beiden wies erste Anzeichen von Schwäche auf. Außer dem Scheppern der Schwerter und dem Keuchen der Kämpfer war kein Geräusch zu hören. Alles schien die Luft anzuhalten.
Dann plötzlich tat Jork einen gigantischen Sprung nach vorne und Link konnte gerade noch rechtzeitig das Schwert hochreißen, um den Schlag mit einem Gegenhieb abzublocken. Ihre Klingen wurden in einem Kreuz gefangen, und die beiden Gegner drückten ihre Waffen mit verbissenen Gesichtern aneinander. Link wich erneut einem in die Hüfte gezieltem Schlag aus, und sie spritzten auseinander wie Tropfen heißen Fetts, nur um wieder aufeinander loszugehen wie zwei Berserker.
Unerwartet machte Jork eine jähe Bewegung, und im nächsten Moment schrie Link gepeinigt auf.
"Er ist getroffen!", rief jemand aus der Menge.
Jork trat einen Schritt zurück und ließ sein Schwert sinken, als betrachte er sein vollbrachtes Werk. Auch Links Schwert war zu Boden gefallen, er kniete mit gesenktem Kopf und umklammerte seinen linken Arm. Verschwitzte Haarsträhnen fielen in sein Gesicht und verdeckten es. Er atmete stark. Lola Marita applaudierte langsam und überheblich.
Minu wollte sich vorstürzen, um zu ihm zu gelangen, doch Lumien riss sie zurück. "Wenn Ihr euch einmischt, seid Ihr des Todes!", rief er heftig.
"Sein scheiß Schwertarm ist getroffen", presste Minu zwischen den Zähnen hervor. "Er hat sowieso verloren, mit einer Wunde kann er nicht -"
Sie bekam nie die Gelegenheit, ihren Satz zu beenden. Link gab ein Schnauben wie ein wütender Stier von sich und tastete nach seinem Schwert. Seine Finger fanden den Griff und klammerten sich darum, und dann schoss er hoch und griff ohne Vorwarnung Jork an, der in letzter Sekunde seine eigene Waffe heben konnte, um dem Schlag auszuweichen.
Minu erzitterte bis in ihr Innerstes, als sie den Blutfleck erblickte, der sich langsam, aber sicher auf dem Ärmel seiner Tunika ausbreitete, wo sie durch den zerrissenen Stoff eine Wunde sehen konnte.
Der Kampf ging weiter, Schlag auf Schlag, Klirren nach Klirren, ein unaufhörlicher Tanz der beiden Gegner, in dem sie aufeinander prallten und zurückschossen, Hiebe ausführten und Hiebe abblockten, vorstießen und auswichen. Plötzlich war ein lautes Reißen zu hören, und Jork gab einen überraschten Laut von sich, als Link ihn mit einem gewaltigen Schlag an der Schulter traf. Er sprang zurück, und er und sein Gegenüber unterbrachen den Kampf in stummer Absprache.
"Es scheint, als sei ich getroffen", sagte Jork ruhig, fuhr mit der Hand über den blutigen Stoff und betrachtete seine rotgefärbten Fingerspitzen. "Nun sind unserer beider Schwertarme verletzt. Möchtet Ihr aufgeben? Euer Tod wird schnell und schmerzlos sein."
Link gab keine Antwort. Heftig keuchend richtete er seinen hasserfüllten Blick auf Jork. Das Blut sickerte weiter.
"Jork", rief Lola Marita anklagend. "Jetzt mach schon, es wird langsam langweilig!"
Und weiter ging es.
~
Lumien verfolgte den Kampf mit großer Aufmerksamkeit und gab sich trotzdem Mühe, ein Auge auf Minu zu haben, so dass sie keine Dummheiten machte - wie etwa eben, als sie versucht hatte aufs Schlachtfeld zu stürzen. Im Moment stand es unentschieden. Als Link verletzt worden war, hatte er für einen kurzen Augenblick geglaubt, die Minute der Entscheidung sei gekommen, doch der junge Held war wieder aufgesprungen und hatte tapfer weiter gekämpft, was ihn mit Zuversicht erfüllte - zumal Jorks Schwertarm nun auch nicht mehr unversehrt war und sie also beide unter den gleichen Bedingungen kämpften.
Von einer auf die andere Sekunde stand plötzlich jemand hinter ihm. Er konnte die Anwesenheit der Person spüren, und es lief ihm kalt den Rücken herunter. Vorsichtig legte er seine Finger um seinen Schwertgriff, aber es war von vorneherein klar, dass ein Kampf in dieser Menschenmenge unmöglich war.
Ein leises Lachen, so leise, dass Minu, die direkt neben ihm stand und deren Aufmerksamkeit an den Kampf gefesselt war, es nicht hörte.
Nun sprach die Person, sehr schnell, als hätte sie es eilig, aber er verstand es dennoch. "Du kannst hier nicht kämpfen also gib es lieber gleich auf", flüsterte eine heisere Stimme, und Lumien erkannte sie mit einem kalten Schock als die eines der Männer seines Bruders. "Ich bin nicht gekommen um dir den Kopf abzuschlagen - wogegen ich selbstverständlich auch nichts gehabt hatte - sondern um dir eine Nachricht von deinem Bruder zu überbringen."
Lumien hob den Kopf zum Zeichen, dass er zuhörte.
"Er fordert dich heraus zum Eingang des Räuberschlosses zu kommen."
"Wieso", flüsterte Lumien angespannt.
"Ich weiß nicht, er schweigt darüber. Ich vermute einen Zweikampf."
"Wann?"
"Jetzt."
Und so schnell, wie der Mann gekommen war, verschwand er auch wieder. Lumien überlegte nicht lang. Er warf einen kurzen Blick hinüber zu Minu, die immer noch gebannt den Kampf beobachtete. Sie würde es nicht merken, wenn er verschwand.
Ohne ein Geräusch zu verursachen, trat er einen Schritt zurück. Die Schaulustigen schlossen die Lücke, die er hinterlassen hatte, bald wieder, und nichts verriet, dass er einmal dort gestanden hatte.
~
Link spürte, wie seine Kräfte wichen. Sein Atem ging schneller und abgehackter, sein Herz hämmerte ihm gegen die Rippen, und seine Wunde schmerzte - auch wenn er es nicht zeigte. Die Hiebe, die er mit seinem verletzten Schwertarm ausführte, wurden schwächer und zielloser, und er hatte das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, während Jork überhaupt keine Anzeichen der Schwäche aufwies. Er selbst konnte keine Angriffe mehr durchführen, zu sehr war er damit beschäftigt, Jorks Schläge abzuwehren.
Etwas musste geschehen. Schnell. Sonst hatte er verloren.
Es war eigentlich keine Zeit zum Denken da, so schnell kamen die Attacken jetzt. Er fragte sich, wieso sich die Gedanken in seinem Kopf dennoch jagten. Es kam ihm vor, als stünde er in einer Zeitblase. Er hörte nichts außer dem Geräusch, das die an den Klinge vorbeisausende Luft verursachte. Er spürte nichts außer seine wachsende Erschöpfung und den immer stärker pochenden Drang, dass er handeln musste. Er wusste nicht wie.
Dann ruckte es in ihm.
Er sprang einen Schritt zurück, seufzte auf und breitete die Arme aus.
"Komm", sagte er tonlos. "Bringen wir es zu Ende."
Er wusste, was er tat. Es musste geschehen. Dies war seine letzte Möglichkeit, den Kampf zu beenden.
Jork starrte ihn fast ungläubig an, und er wagte nicht, sich nach Minu umzudrehen. Er konnte Lola Maritas überhebliches Lächeln im Rücken spüren, und dann verfestigte der große Ritter seinen Griff um das Schwertheft und richtete sich auf.
Für eine Zehntelsekunde trafen sich ihre Blicke, und Link fragte sich, ob Jork wohl in seinen Augen las, was er vorhatte. Wenn, dann ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.
Mit einem gewaltigen Aufschrei ließ der Mann sein Schwert über dem Kopf kreisen und schnellte auf Link zu, der im letzten Moment all seine Kräfte zusammennahm und auswich. Von seinem ungeheuren Sprung getragen, stolperte Jork einen Schritt vorwärts.
Dann geschah alles ganz schnell.
"KKKKYYYYAAAAAAHHHHHH!!!"
Auch Link schrie jetzt. Er schrie all seine Stärke und seinen Mut aus sich hinaus, während er durch die Luft flog, mit der Waffe über dem Kopf Schwung holend, und sie dann mitten im Sprung auf Jorks Hinterkopf niedersausen ließ; kurz bevor seine Füße den breiten Rücken seines Gegners berührten, sich am Kettenhemd abstießen und sicher auf dem Boden landeten, bereit für einen nächsten Angriff. Jork ließ ein markerschütterndes Stöhnen von sich und kippte vornüber, und Link stürzte sich auf ihn, wälzte ihn herum und kniete sich auf seine Brust.
Langsam, tödlich langsam drückte er mit der Hand Jorks Kinn nach hinten und legte dann behutsam die Schnittseite seiner Klinge an die Kehle des Mannes. Er hielt sie das Schwert am Griff und an der Spitze so sanft, als wäre es ein kostbarer Schatz, als wolle er es liebkosen.
Mit der selben quälenden Langsamkeit hob er den Blick und begegnete den türkisgrünen Augen Lola Maritas. Sie saß bibbernd in ihrer Sänfte, ihr blasses Gesicht von Entsetzen und furchtbarer Angst gekennzeichnet, ihre schlanken Finger sich in die Kissen krallend. Von ihrer Selbstsicherheit und Siegesgewissheit war nichts übrig geblieben. Sie schluckte, als sie die Kälte in seinen Augen sah.
"Ändert", sagte er ruhig, gelassen und mit einer Grausamkeit in der Stimme, die selbst Minu bis ins tiefste erschreckte, "die Regeln."
Wie zur Demonstration drückte er ein wenig zu, und ein Tropfen Blut trat hervor. Jork gab keinen Ton von sich. Sein Körper war angespannt wie die Saite eines Instrumentes.
Zittern hob sie die Hand. "Hiermit verkünde ich eine Regeländerung", rief sie mit ebenso dünner wie bebender Stimme in die Totenstille aus. "Ich ... nehme zurück, dass der Kampf bis zum Tod geht, und i..ich ernenne Link zum Sieger!"
Das Publikum explodierte in einer ohrenbetäubenden Welle tosenden Applauses, als wäre das alles nur ein Spiel gewesen, ein Spaß, ein Theaterstück, das man sich ansieht und bei dem man erzittert, aber bei dem man nicht um ein Leben fürchten muss. Die sichtbare Grenze zwischen Kampflatz und Menschenmenge löste sich von einem Augenblick auf den anderen auf, und die aufgeregten Leute stürmten auf die runde Fläche, um Link anerkennend auf die Schulter zu schlagen, um ihm zum Sieg zu gratulieren, um ihn einfach nur ehrfürchtig zu berühren. Er suchte mit den Augen nach Minu, doch er fand sie nirgends; auch sie war vom Sog der Menschen mitgerissen worden.
Nach und nach löste sich die Menge jedoch auf. Kleine Grüppchen gingen begeistert über das Gesehene schwatzend und diskutierend davon, andere machten sich auf, um nach Hause zurückzukehren und ihren Lieben wild gestikulierend von dem spannenden Erlebnis zu erzählen und vermutlich Links Rolle dabei ins Unendliche aufzubauschen, während sein Gegner zum bösen Schwarzmagier gemacht wurde - oder so etwas in der Art. Lola Marita und Jork waren in dem riesigen Auflauf spurlos verschwunden, aber Link bedauerte dies nicht.
Erst jetzt wurde er sich bewusst, dass sein linker Ärmel vor Blut troff. Er verdeckte die Wunde hastig mit der Hand und kam sich plötzlich sehr verloren vor. Sein Schwert war mit Blut benetzt, und er versuchte hastig, es an seiner Tunika abzuwischen, um seine Schuld zu verbergen. Um ihn herum waren nur fremde Gesichter.
Plötzlich stand aus dem Nirgendwo erschienen Minu neben ihm. Sie setzte an, um etwas zu sagen, aber er schüttelte den Kopf, als er in ihr blasses Gesicht sah.
"Meine Lady", sagte er und verbeugte sich zum Spaß, aber sie lachte nicht. Ehrlich gesagt wusste er auch nicht, ob es wirklich ein Spaß gewesen war - angesichts seines Schwures. "Danke für das Schwert", murmelte er schließlich. "Das hat mir ... sehr geholfen."
"Du - du warst echt gut", sagte sie unbeholfen. "Ich mein, natürlich hab ich so einen Zweikampf noch nie gesehen und ich hab auch gar keine Ahnung von solchen Sachen, aber - immerhin hast du gewonnen, und ..." Hilflos brach sie ab. Ihr Blick fiel auf seinen Ärmel, und sie wurde totenblass und schlug die Hände vor dem Mund zusammen.
"Oh Gott", sagte sie geschockt. "Das ist ja - das ist - iih, Blut ..."
"Ist nicht so schlimm", sagte er hastig. "Ich muss nur -"
"Euch verarzten lassen, das müsst Ihr", tönte plötzlich eine Stimme, von anerkennendem Klatschen begleitet. "Das war ein wahrhaft großartiger Kampf - aber das Blut macht sich nicht so gut auf Eurer Kleidung."
"Ähm?", sagte Minu verwirrt und sie drehten sich um.
Eine etwas feistere Frau näherte sich ihnen über den Marktplatz. Sie trug ein weißgraues Kleid, das Minu, die sie auf den ersten Blick auf irgendetwas zwischen fünfzig und sechzig schätzte, an ein Ballkleid erinnerte, vielleicht aus dem viktorianischen England oder so, oder Barock - sie hatte keine Ahnung, aber es glich den alten, historischen Festgewändern aus ihrer Welt.
Die Frau schritt majestätisch und zielstrebig auf sie zu, und das erste, das den beiden auffiel, war ihre ungeheuer autoritäre Ausstrahlung. Man erkannte auf den ersten Blick, dass diese Frau zweifellos eine souveräne Führernatur war. Drei Männer folgten ihr, von denen der eine aussah wie ein Butler, der andere wie ein Leibwächter, und der dritte trug eine kleine weiße Tasche bei sich - vermutlich ein Arzt.
"Ähm", wiederholte Minu noch etwas verdutzter und schielte zu der großen Dame hinüber. "Ähm, was -"
Sie wurde einfach übergangen. "Ihr müsst wirklich ein guter Kämpfer sein, habe ich Recht? Wer hat euch die Schwertkunst beigebracht? Ich nehme an, Ihr habt schon eine ganze Menge Erfahrung, denn was Ihr da gerade geleistet habt, war wirklich beachtenswert."
Der Arzt riss Link beim Inspizieren der Wunde fast den Arm aus, und er keuchte wütend auf. "Was soll das?!"
"Hemd aus! Ich muss nähen!", sagte der Heilfachmann streng. "Die Bekleidung ist mir im Weg." Ungeduldig wedelte er mit der Hand.
"Aus der Nähe sieht er eher schmächtig aus", sagte der Leibwächter abschätzend. "Meint Ihr wirklich -"
"Nein, nein, es stimmt schon!", entgegnete die Frau. "Das ist der Kämpfer, ganz sicher."
"Sollten wir die Wunde vielleicht nicht lieber im Gasthof verbinden?", erkundigte sich der Diener höflich. "Hier vor Ort und Stelle -"
"Ich muss den Blutfluss stoppen, ansonsten sieht es nicht gut aus!", beschwerte sich der Mediziner.
"Wer ist die Lady?", wollte der Leibwächter wissen.
"Ähm -"
"Ich will meine Sachen aber ANbehalten!"
"Na los! Runter mit der Tunika! Oder schämst du dich was, Jüngelchen?"
"Ich - nein, aber - hier auf dem Marktplatz - und alle schauen zu - das ist -"
"Ääähhhmmm -"
"Ich bin davon überzeugt, dass man das Problem in Ruhe im Gasthof lösen kann."
"Ich werde Euch Glauben schenken - aber dennoch halte ich daran fest, dass er ÜBERHAUPT NICHT wie ein Schwertkämpfer aussieht. Wären da nicht Scheide und Schild -"
"Ääääääääähhhhhhhhmmmmmmmmmmm -"
Als der Arzt an Links Gürtel zu zerren begann und sich dieser in einem Schreikrampf erging (Link, nicht der Gürtel), hob die Frau die Hand und rief: "Jetzt ist aber Ruhe!"
Und siehe da, es war Ruhe. Kaum ließ sie die Hand wieder sinken, hatten alle die Münder geschlossen, hörten auf, durcheinander zu plappern und starrten sie stattdessen an, was sie aber nicht im Geringsten zu stören schien.
"Wir gehen jetzt in den Gasthof", sagte sie ruhig. "Wo wir Links Wunde verbinden und bei Speis und Trank alles klären werden. Ist das allen in Ordnung?"
Der Arzt bestand noch darauf, einen provisorischen Verband zu machen, zauberte ein Verbandstuch aus seiner Tasche hervor und zerrte es etwas heftiger als nötig fest.
"Dann lasst uns zur Kutsche gehen", sagte die Frau danach galant, drehte sich um und ging von dannen.
Link, Minu, der Arzt - der immer noch beleidigt zum Helden hinaufstarrte - der Leibwächter, der mit der Frau vorausging, und der Diener folgten ihr.
"Was soll das alles?", zischte Minu Link misstrauisch los. "Kennst du die?"
"Nein", antwortete er einsilbig.
"Großer Gott, weißt du, was das bedeutet? Wir werden gerade ENTFÜHRT!"
Link war damit beschäftigt, sich den Gürtel zuzumachen. "Solange es dann was zu essen gibt", murmelte er. Im selben Moment verfluchte er sich für eine Unachtsamkeit. Wäre dies wirklich eine gefährliche Situation und er würde nur ans Essen denken, dann ... Immerhin hatte er jetzt die Verantwortung für Minu.
Die Frau und ihr Wächter führten sie zu einer prachtvollen Kutsche, die am Rande des Marktplatzes stand. Minus Kinnlade klappte hinunter, als sie die Droschke und die davor angespannten, kräftigen weißen Hengste sah. Auch Link war überrascht, aber er konnte sich gerade noch zügeln, nicht wie Minu in diesem Moment laut loszuBOOOAAH!en. Die Kutsche selbst war nach oben hin geschlossen und weißgrau, wie das Kleid der Frau. Sie glänzte matt wie Perlmutt - er fragte sich, aus welchem Material sie gemacht war - und die grauen Details waren in Form kleiner Blumen daraufgemalt worden. Hinter den Fenstern konnte man weiße Vorhänge sehen. Das ganze Gefährt war ein Traum in Weiß und Grau.
Der Diener eilte voraus und öffnete die Tür. "Lady Firrin", sagte er galant und verbeugte sich, als die Frau die Treppen hinauf und in die Karosse stieg. Sie winkte Link und Minu, die ihr hastig folgten. Der Arzt, der Leinwächter und der Diener sprangen entweder auf die Hinterbank oder neben den Kutscher nach vorne.
"Ich weiß, ich weiß", sagte die Lady und machte eine wegwerfende Handbewegung, sobald sich die Kutsche in Bewegung gesetzt hatte. "Es ist ein wenig übertrieben, in der Stadt mein Baby", sie klopfte an die Wand, "zu benutzen, aber ein kleines bisschen angeben tun wir ja alle gern, nicht wahr?" Sie lächelte.
Weder Link noch Minu, die sich auf der grau gepolsterten Bank gegenüber der Frau niedergelassen hatten, wussten, was sie von der ganzen Situation halten sollten.
"Ihr fragt Euch sicher, was das alles soll", sagte sie im selben Moment. "Mein Name ist Firrin. Lady Firrin."
"Link - Minu", stellte er sie vor und sah sie direkt an. "Was wollt Ihr von uns?"
"Das ist eigentlich eine ganz einfache Angelegenheit", sagte sie und lächelte wieder. Minu konnte das Gefühl nicht ganz loswerden, dass diese Frau alles eiskalt kalkulierte. "Am Besten, wir sprechen im Gasthaus darüber, bei einem guten Tropfen Wein und -"
"Ich trink kein Alkohol", trompetete Minu.
"Na gut, für Euch dann eben Wasser", lenkte Lady Firrin ein. "Ich werde Euch dort von meinem Anliegen erzählen."
~
Es war Abend geworden.
Nachdem sie im Wirtshaus eingetroffen waren, das zwar klein, aber umso schöner war und am Rande der Stadt stand, hatten sie von Lady Firrin ein kleines Zimmer für zwei gemietet bekommen, das direkt neben ihrem eigenen lag. Danach hatte der Arzt darauf bestanden, Links Wunde zu nähen, der diesmal etwas genervt eingewilligt hatte, nachdem der kleine Mann eine geschlagene halbe Stunde lang vor der Zimmertür gestanden, penetrant gegen das Holz geschlagen und im Dreiminutentakt "Die Wunde muss genäht werden! Die Wunde muss genäääht werden!" gekräht hatte. Als auch das erledigt war, hatte sich Lady Firrin mitsamt Angehörigen zurückgezogen und die beiden allein gelassen.
Das erste, was Minu tat, war, sich aufs Bett zu werfen und einzuschlafen. Link starrte sie etwas fassungslos an, wie sie da so seelenruhig lag und hingebungsvoll schnarchte, dann klappte er den Mund wieder zu und schüttelte den Kopf. Eigentlich hatte er ihr noch mit ihr reden wollen. Er wusste selbst nicht, über was. Über irgendetwas eben. Er hatte sich entschuldigen wollen, für was auch immer. Hatte sie fragen wollen, was ihr geschehen war. Ihr erzählen wollen, was ihm geschehen war. Und sie schlief einfach ein. Na, super.
Er stand auf und ging langsamen Schrittes zum Fenster hinüber, um einen Blick hinauszuwerfen. Die Hände hinter dem Rücken gefaltet stand er dort und beobachtete, wie sich die Dunkelheit vom Himmel senkte und alles verschluckte bis auf die Kerzen, die nun unten im Biergarten angezündet wurden, der direkt hinter dem Wirtshaus lag und den man von hier oben wunderbar sehen konnte. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen, aber es war noch immer viel zu aufgeregt um sich zu beruhigen. Er dachte an seinen Schwur. Noch immer war er sich nicht sicher, ob er ihn wirklich halten konnte - aber er konnte sein Bestes geben um das zu versuchen. Er dachte auch an den Kampf, und als er sich an die Aufregung, die Kampfeslust erinnerte, blitzte sie in seinen Adern wieder auf, und er konnte nicht anders als seine Hände ineinander zu verkrampfen, so dass sich die Fingernägel ins Fleisch gruben, und die Zähne aufeinander zu beißen, dass es fast weh tat.
Ein leises Klopfen an der Tür holte ihn aus seinen Gedanken zurück, und er ging hin und öffnete sie. Draußen stand Lady Firrin.
Sie blickten sich eine Weile an, dann trat er wortlos beiseite.
Die Frau entdeckte sogleich, dass Minu schlief, und verhielt sich dementsprechend. Sie schlich herein und schloss die Tür hinter sich geräuschlos, bevor sie sich zu Link umdrehte.
"Warum seid Ihr hier?", flüsterte er.
"Ich hatte einen guten Grund, Euch beide heute auf dem Marktplatz aufzugabeln", sagte sie genauso leise. "Sehr selten tue ich etwas iohne/i einen guten Grund. Ich habe Euch ein Angebot zu machen."
Er ließ sich Zeit, ehe er antwortete. "Ich weiß nicht, ob ich es annehmen kann", sagte er scharf, aber gedämpft. "Ich habe selbst eine Aufgabe, die ich erfüllen muss."
"Wenn mich nicht alles täuscht, was selten geschieht, habt Ihr sogar zwei", sagte sie süffisant. "Was immer Eure Aufgabe zuvor war iund/i das Mädchen zu beschützen.
Er starrte sie wortlos an, und sie fuhr fort.
"Ich biete Euch an, für eine Weile in mein Herrenhaus zu kommen. Es liegt ein oder zwei Tagesreisen nördlich von hier in Mandira - wo ich im Bürgerrat tätig bin - und Ihr könntet dort einige Tage verbringen."
"Wozu soll das gut sein?", fragte er schlicht. "Es stiehlt mir nur Zeit."
Sie lächelte eiskalt. "Schaut Euch das Mädchen an", sagte sie.
Er wandte den Blick und betrachtete Minu. "Na und?", fragte er verständnislos. "Was soll mit Ihr sein?"
"Ihre Haare zum Beispiel."
Er musterte Minus Mähne. Na gut, sie waren ein wenig ungekämmt, schmutzig, und ein paar Kletten hingen darin - Überbleibsel aus dem Dschungel - aber was hatte das zu tun mit ...
"Ihre Kleidung."
Hmm. Seit Ewigkeiten nicht mehr gewechselt, wie seine eigene. Aus demselben Grund dreckig - unten an den Hosenbeinen (er hatte immer noch nicht begriffen, wieso ein Mädchen Hosen trug) Schlammspritzer, im Hemd ein paar Risse, vermutlich hatte sie sich einmal in irgendeinem Dornenbusch oder so verfangen. Die ursprüngliche Farbe war fast nicht mehr zu erkennen.
Er begriff noch immer nicht.
"Ihre Haut."
Blaue Flecken, Kratzer, Schmutz. Langsam dämmerte es ihm.
"Versteht Ihr?", fragte Lady Firrin leise, ohne den Blick von seinem Gesicht zu nehmen. "Ihr könnt jetzt nicht mehr nur an iEuch selbst/i und iEure Aufgabe/i denken. Mit dem, was Ihr heute auf dem Marktplatz getan habt, habt Ihr einen Schwur für Minu abgelegt." Sie zitierte. "'Ich gelobe hiermit, alles dafür zu tun, ihre Ehre, Schönheit und Reinheit zu erhalten.' Und jetzt schaut mal genau hin - ist sie vielleicht schön in diesem Moment? Oder rein? Und so schmutzig wie sie ist, hat sie da noch Ehre? Und werft vielleicht mal einen Blick in den Spiegel, Ihr seht auch nicht besser aus! Der Drecksritter und sein Drecksfräulein, so seht ihr beide aus!"
Link wusste nicht, was er darauf sagen sollte.
"Ihr müsst für sie sorgen. Es ist Eure Pflicht. Und irgendwo müsst Ihr ja anfangen. Außerdem", fügte sie zum ersten Mal warm lächelnd hinzu, "ist sie auch nur ein junges Mädchen. Und die haben eine natürliche Eitelkeit. Wenn sie morgen früh aufsteht und in den Spiegel schaut und ihr eine getrocknete Schlammpfütze mit ungekämmten Haaren entgegenstarrt, wird ihr das wahrscheinlich gar nicht gefallen. In meinem Haus kann sie sich waschen und schönmachen und kann sich neue Kleider anziehen - und Ihr auch -"
"Ich ... verstehe." Er räusperte sich, und es schien ihm plötzlich gar nicht so unpraktisch, einige Tage bei Lady Firrin zu verbringen. "Und im Gegenzug? Was muss ich im Gegenzug tun?"
"Das ist eine andere Geschichte", sagte sie und er bereute gleich gefragt zu haben. "Eine iganz/i andere Geschichte. Ich möchte, dass Ihr meinem Enkelsohn den Schwertkampf beibringt."
"Was?" Er fing an zu lachen, kriegte sich aber gleich wieder ein, als er sich an Minu erinnerte, die ja immer noch am Schlafen war. "Das ist alles? Nur Schwertkampf? Das ist doch nicht Euer -" Plötzlich wurde seine Stimme dumpf, als ihm etwas einfiel. "Oh nein. Nein. Nein, das KANN nicht Euer Ernst sein."
"Doch." Lady Firrin nickte siegessicher. "Eine lange Angelegenheit, nicht wahr? Jemandem das Kämpfen beizubringen lässt sich wohl kaum in drei Tagen schaffen."
"Aber das bedeutete ja - das bedeutet - dass wir ihn auf unsere Reise mitnehmen sollen?!"
"Exakt."
"NEIN!", schrie er ohne Rücksicht auf Minu zu nehmen. "NEIN! Das geht nicht! Absolut nicht! Das will ich nicht und kann ich nicht und werde ich nicht verantworten!"
Sie räusperte sich lieblich. "Nein? Und Euren Schwur könnt Ihr wohl auch nicht verantworten? Außerdem -"
"Sie kann sich hier im Wirtshaus waschen", tobte er. "Das macht keinen Unterschied! Wasser ist Wasser und Seife ist Seife!"
"Danach schlüpft sie wieder in ihre abgetragene Schmutzkleidung, und außerdem -"
"DIE DUMMEN SACHEN KÖNNEN HIER AUCH GEWASCHEN WERDEN!!"
"Ja, gut, meinetwegen, aber -"
"UND MEINE AUCH!!! HAHA!!! HAHAHAHAHAHA!!! HAAAAAAHAAAAAAAA!!!"
"Ihr seid ja völlig hysterisch", stellte Lady Firrin fest. "Jetzt lasst doch das Mädchen schlafen und MICH UM GOTTES WILLEN AUSREDEN!"
"Oh. Natürlich." Er räusperte sich verlegen.
"Also! Erstens könnt Ihr von eurem Verantwortungstrip runterkommen! Die einzige, für die ihr die Verantwortung übernehmen müsst, ist Minu! Mein Enkelsohn wird die Verantwortung für sich selbst übernehmen und damit basta! Genug Verantwortung jetzt. Und Punkt zwei: Tut ihr doch einfach mal was gutes! Habt Ihr hier schon mal die Waschräume gesehen? Da fühlt man sich nicht wirklich wohl drin!"
Link starrte sie entgeistert an. In seinem Kopf flog alles durcheinander. Kälte. Komfort. Meerwasser und Schlammpfützen. Ein heißes Bad. Seine Dschungelhütte. Lady Firrins Herrenhaus. Früchte mit Würmern drin. Ein Gänsebraten. Ein verlaustes Lager aus Decken und Fellen. Ein warmes großes weiches Bett. Eng. Viel Platz. Dreckige Kleidung. Saubere, neue Kleidung.
Minu.
Schließlich seufzte er. Resignierend hob er die Hände. "Na gut, ich ergebe mich", sagte er widerwillig. "Aber nur dass Ihr es wisst, ich machs nicht, weil ich gerade lustig danach bin."
"Das ist mir klar", sagte die Lady lächelnd und schüttelte ihm die Hand. "Ich danke Euch trotzdem. Ihr werdet es nicht bereuen."
Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer und ließ Link nachdenklich zurück, ohne zu wissen, dass Minu gar nicht geschlafen, sondern nur vorgegeben hatte zu schlaffen, und dass sie alles mit angehört hatte.
~
Nachdem er den Kampfplatz verlassen hatte, war Lumien eiligst davon gehechtet, um so schnell wie möglich das "Räuberschloss" zu erreichen.
Was konnte Larien von ihm wollen? Der Mann hatte gesagt, einen Zweikampf. Aber was war das für eine Sinneswandlung; jahrelang hatte er versucht Lumien alles zunichte zu machen, und jetzt wollte er ganz ehrenhaft ein Duell austragen? Da stimmte doch etwas nicht. Er hatte ein ungutes Gefühl, während er den Weg so rasch er konnte zurücklegte.
Als er an der verabredeten Stelle eintraf, musste er eine herbe Enttäuschung erleben. Niemand war dort. Die hohen kahlen Hausmauern, die den kleinen Platz eingrenzten, warfen ihre langen Schatten auf den Boden, nicht auf einen Menschen, geschweige denn seinen Bruder. Das zerfallene Häuschen, in dem sich die Falltür befand, lag verlassen und einsam dort. Es herrschte eine unheimliche Stille, ja, es war so ruhig, dass es ihn unweigerlich an die Geräuschlosigkeit auf einem Schlachtfeld nach einem blutigen Kampf zweier Heere erinnerte. Oder an die Stille vor dem Sturm. Ihm schauderte.
Vorsichtig legte er die Hand um seinen Schwertgriff, ohne die Augen von der Umgebung zu lassen. Zögernd trat er einen Schritt nach vorne. Seine Schritte hallten in der grauen Häuserschlucht wieder. Er schluckte. Die Situation hatte etwas beunruhigendes. Erneut sah er sich um, um sich zu vergewissern, niemanden übersehen zu haben, aber es befand sich außer ihm tatsächlich niemand hier.
"Hallo?", rief er leise. "Ist da wer?"
Es kam keine Antwort. Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf, und er fuhr heftig zusammen. Dies konnte eine Falle sein. Sicher, dies imusste/i eine Falle sein! Ein Zweikampf? Nein, das passte nicht zu Larien - aber eine Falle, das war genau das, was er sich ausgedacht haben konnte, um ihn ein für alle Mal zu beseitigen. Sein scharfer Blick wanderte über den Platz. Irgendwo musste hier jemand stehen, der sich auf ihn stürzte, sobald er sich umdrehte.
"Verdammt", zischte er sich selbst zu.
Plötzlich nahm er aus den Augenwinkeln über ihm eine Bewegung wahr. Er schoss herum, fixierte das Dach des Hauses, vor dem er stand. Er war sich ganz sicher, dort oben etwas gesehen zu haben.
Auf der anderen Seite des Platzes polterte es. Jemand hatte von den Dächern einen Stein losgetreten. Er drehte sich um, zu spät, wer immer sich dort oben aufhielt, war wieder in Deckung gegangen. Man spielte Katz und Maus mit ihm.
"Komm raus und kämpfe wie ein Mann, du Bastard!", brüllte er zornerfüllt. "Was bist du, ein Feigling, der sich auf den Dächern versteckt, statt einen ehrlichen Kampf auszutragen?!"
Schritte von irgendeinem der Dächer. Er spürte sein Herz klopfen. Das war kein Spiel mehr. Das war bitterer Ernst.
Etwas traf ihn im Rücken. Er fuhr zusammen. Jemand warf Steine nach ihm. In seiner Nähe schlug ein weiterer Stein ein. Er drückte sich mit dem Rücken gegen die Hauswand, um zu verhindern, dass er von hinten angegriffen werden konnte.
Zwei weitere Steine. Ihm ging ein Licht auf. Wer immer dort war, er versuchte nur ihn zu verunsichern, nicht ihn wirklich zu treffen. Fehlschlag.
"So nicht!", schrie er und sprang nach vorne. "Nicht mit mir!"
Und dann geschah alles auf einmal.
Von oben flog ein Schatten auf ihn zu, er riss ohne zu überlegen das Schwert aus der Scheide und stieß es in der gleichen Bewegung in die Luft, um sich zu verteidigen - dann das plötzliche Gewicht auf seiner Klinge - ein fast überraschtes Aufächzen, und alles war rot, rot und nass - er hatte nie gewusst, das Blut so heiß sein konnte, es verbrannte ihn fast - für den Bruchteil einer Sekunde starrte er in sein völlig perplexes Gesicht, bis ihm klar wurde, dass es nicht seins war, sondern das seines Bruders, das dort über ihm in der Luft hing, und dann gaben seine Knie nach und er und Larien fielen gemeinsam zu Boden.
iFalsch. Etwas war fürchterlich falsch./i
Er kämpfte sich auf die Beine, taumelte zurück, als er seine Hände sah, seine blutgebadeten Hände. Sein Herz verkrampfte sich ihn ihm so fürchterlich, dass er meinte sterben zu müssen, und noch immer begriff er nicht, was geschehen war - oder wollte es nicht begreifen. Er starrte ohne einen klaren Gedanken zu fassen auf Larien, der vor ihm auf dem Boden lag in seinem eigenen Blut, und er verstand immer noch nicht, als Larien hustete und Blut spuckte.
Dann warf er sich mit einem Aufschrei auf die Knie.
Rasend schnell breitete sich ein fürchterlich hässlicher Blutfleck auf Lariens Hemd aus, und gleichzeitig überrascht und schockiert starrte er auf die Wunde in einem Bauch, die sich von seiner Brust zu seinem Becken zog. Seine Finger krampften sich darüber, und er keuchte und drehte den Kopf zur Seite und spie Blut. Noch mehr Blut. Alles rot.
Das alles geschah nur von fern. Lumien war nicht wirklich hier, war nicht wirklich er selbst. Er stand neben sich und sah zu, was diese Person machte, die er einmal gewesen war. Alles zog rasend schnell an ihm vorbei, immer noch erfasste sein schockgelähmter Verstand nicht, was hier geschah oder geschehen war. Er wehrte sich dagegen, denn dies konnte nicht wahr sein, das war einfach unmöglich! Ungläubig starrte er auf das Schwert, das mit blutiger Klinge neben Larien lag. Plötzlich weinte er, ohne es zu merken, und er ballte die Hände zu Fäusten und senkte den Kopf über dem Körper seines Bruders.
Larien hustete erneut. Seinen halbgeöffneten Lippen entwich ein Stöhnen. "Gottverdammter Hurensohn", keuchte er und bäumte sich unter einem Hustenfall auf. "Verfluchter ... gott...verdammter Hurensohn ..."
"Larien?", flüsterte Lumien. "Larien? Das ist kein Blut, oder? Das passiert doch alles gar nicht, oder? Oder?"
"Siehst du das?" Larien krächzte, versuchte seinen Bruder anzuschreien. "Das?" Unter enormer Anstrengung hob er zitternd seine Hand und hielt sie ihm vors Gesicht. "Blut, du Scheißkerl! Du hast mich umgebracht!" Seine Stimme erstarb zu einem Flüstern, und Lumien begann am ganzen Körper so stark zu zittern, dass aussah, als schüttle ihn eine unsichtbare Person. "Einmal ... in deinem verdammten ... verdammten Leben machst du was ... was ... richtig", sagte Larien so leise, dass er fast nicht zu hören war. Ein Blutrinnsal lief von seinen Lippen hinab.
"Was redest du da?!"
Langsam dämmerte es Lumien. Verzweifelt kämpfte er gegen die Gewissheit an, doch als sie den schützenden Damm des Schocks durchdrang, brach sie mit einer solchen Macht über ihn herein, dass er schrie. "LARIEN!!"
"Siehst du's?", murmelte Larien und alle Anspannung wich von ihm. Er schloss die Augen halb und zog die Mundwinkel in die Höhle, als lächle er. Seine Brust hob sich unter rasselnden, unregelmäßigen Atemzügen, doch er schien weit, weit fort von diesem Platz. Vielleicht war er schon längst gegangen, und dies war nur der Überrest seiner Selbst. Der eigentliche Larien war schon dort, wo man hingelangt, wenn man dieses Leben zuende gelebt hat.
Lumien weinte. "Was? Was soll ich sehen?"
"Das Licht ...", flüsterte Larien. "Schau doch hin ... es ist da ... und ... sie ist da ... sie ist ... gekommen ... für mich ..."
"Wer?", fragte er mit erstickter Stimme, doch er wusste die Antwort, bevor er die Frage gestellt hatte.
Sie waren nicht mehr alleine. Da war etwas in der Luft um sie herum, warm, zart, etwas, das sie liebkoste, das sie in die Arme schloss und ihnen gut zuredete, etwas, das sie kannten und das sie kannte. Es tröstete sie und machte ihnen Mut - Larien weiterzugehen, sich nicht an das Leben zu klammern, es enden zu lassen, und auch Lumien weiterzugehen - aber dennoch hier zu bleiben, die Kraft zu finden, ein neues Leben zu beginnen. Und dennoch sah er nichts, der Hof war derselbe, die grauen Hauswände waren dieselben, all das Blut war immer noch da.
"Narsilla", hauchte Larien und schloss die Augen, und so schrecklich er sich auch fühlte, Lumien lächelte.
"Narsilla", wiederholte er leise.
Ein leichter Windstoß zerzauste sein Haar, fuhr über Lariens Gesicht und trocknete den kalten Schweiß auf seiner Stirn. Und mit einem Schlag spürte Lumien, dass Larien einverstanden war. Einverstanden zu gehen. Nichts hielt ihn mehr im Leben. Narsilla holte ihn ab, geleitete ihn zu sich. Die beiden waren wieder vereint, vergessen war der Hass und die Qualen und das viele Streiten, vergessen die düstren Zeiten. Sie blickten nach vorne ins Licht. Der Wind strich an ihm vorbei, spielte mit seinen Haaren und seiner Kleidung, und für eine Sekunde hatte er das Gefühl, ein leises Flüstern darin zu hören, fast zu leise, um es überhaupt wahrzunehmen, aber er vernahm es tief ihn sich drin -
iDanke./i
Er spürte ein Lächeln. Narsilla lächelte.
Dann seufzte Larien auf. Und ganz leise erlosch sein Leben, um gemeinsam mit Narsilla an einem anderen Ort erneut zu erglühen - dort, wo niemand ihn erreichen konnte.
~~~ Fortsetzung folgt ~~~
############################################### endloses Nachwort (Na ja, war ja auch ein endloses Kapitel. Ihr müsst das Nachwort aber nicht lesen, müsst ihr eigentlich nie - da brenn ich nur den Gedankensaft ins Papier, der mir während dem Schreiben aus den Hirnwindungen tropft *ggg* Aber wichtig für die Story ist es nicht ... OK?)
Holla, sind das viele neue Charaktere auf einmal. Na ja, ein paar treten ja nur in diesem Teil auf, also macht euch keine Sorgen, ihr werdet euch nicht dauerhaft mit ihnen rumschlagen müssen *ggg* Bei Lumien und Larien bin ich immer mit den Namen durcheinander gekommen ^^;; Mal war Lumien der "Böse" und Larien der "Gute" und dann wieder umgekehrt, teilweise gabs plötzlichen Luriens und Lamiens. Ich hoffe, ich habe alle Fehler behoben ... *tüdeltütü* Persönlich kann ich Larien nicht ausstehen. Die Teile mit ihm waren bescheuert zu schreiben, weil ich nicht wusste, ob ich ihn jetzt als Möchtegern-Brutalo oder echten Brutalo darstellen sollte ... na ja ... ihr seht ja, es ist irgend so ein untauglicher Mix draus geworden _ _" Lumien mag ich dafür ganz gerne. Er gibt sich als Tausendsassa, dem man nichts anhaben kann und der immer gut drauf ist. Außerdem tut er nur, was er will. In Wahrheit steckt aber noch viel mehr dahinter. Der Typ hat nämlich irgendwie voll die Dark Mind. Lumien zu verstehen, fällt selbst mir nicht ganz leicht, aber ich wünsche mir dennoch, dass es mir irgendwann geling ( ... und euch auch ... ) Seltsamerweise fasziniert mich dieser Charakter, außerdem wird er im späteren Story-Verlauf wichtig sein, also werde ich ihn ausbauen ^^ Er hat eine tragische Vergangenheit (die übrigens noch nicht ganz ausgeleuchtet ist, auch wenn es so scheint ... !) und muss damit fertig werden, trotzdem lässt er keinen _richtig_ an sich ran. Ich mag den Typen, der gefällt mir echt. Aus dem mache ich was *sich das ganz fest vornehm* Ach ja ... Ich wette, von euch hat keiner mein "Untitled Shôjo Ai Story" gelesen, aber da gibt es diesen einen Charakter namens Aoi und die grinst oder lächelt auch immer ... Boh! Lumien erinnert mich mit seiner ständigen Strahlerei voll an sie ^^; [EDIT] Na gut, jetzt am Ende lächelt er gar nicht mehr so viel ^^"" [/EDIT]
Lalala ... ist der Teil mit der Entführung und den Räubern zu "schmutzig"? Ich meine, dass Larien und seine Leutz andauernd diese Androhungen machen ... das ist so gar nicht mein Stil, und ich weiß auch nicht, ob es reingepasst hat in die Geschichte. *soifz* Ich hatte auch keinen großen Spaß an diesem Teil der Story, also die Entführung und so, hat man das gemerkt? Beim Schreiben hatte ich nicht das übliche Gefühl, den Drang, da so viel raussaugen zu müssen wie möglich, ich wollte es einfach nur hinter mich bringen. Deswegen ist der Part auch nicht so großartig geworden. Ich hätte viel mehr rausholen können ^^;; Aber das war wichtig, weil sich daraus alle folgenden Ereignisse ergeben haben. Als dann allerdings der Schatten auftauchte, war ich wieder mit Feuer und Flamme dabei *löl* Ich liiiebe es einfach, diese Parts zu schreiben ... die mit dem Schatten ... *ggg* Leider wird mir das wegen der "Medizin" der Schamanin ja nicht mehr sooo oft vergönnt werden ... aber wartet ab, was ich vorhabe *eg*
LOL. Dass Link mit seinen Ohren einen Wasserkessel nachahmen kann, wird langsam zu seiner herausstechendsten Charaktereigenschaft.
Falls ihr die Geschichte mit Narsilla zu kitschig findet oder die Szene auf dem Marktplatz, wo Minu heult, oder nachher als Larien abkackt, sagt mir das bitte. Eines der vielen Dinge, die ganz oben auf meiner "WENN DU DAS TUST, BIST DU TOT" Liste stehen, ist KITSCH SCHREIBEN. Ich möchte mich wirklich so weit wie möglich davon fern halten, aber manchmal passiert es eben doch ^^; Also bitte, Kritik ^^;;; Wie gesagt habe ich mit solchen Dingen auch noch keine Erfahrung ... (Oärrh *das gerade noch mal gelesen hat* Ich weiß ja nüscht wieso, aber mir kommt das sooo kitschig vor . Alle drei Szenen ...)
Oh Gott, an alle, die Kenshin lesen. NEIN! Ich wollte Enishis Blutrache NICHT nachmachen! Ob ihr es glaubt oder nicht, ich hatte die Idee dieses Brüderzwistes auch schon, !!bevor!! ich die Bände mit Enishi gelesen habe. Bitte glaubt mir. Mir war es schon ultrapeinlich, als ich Fushigi Yuugi und Ayashi no Ceres nachgemacht habe, da würde ich NIEMALS extra noch mal was übernehmen! (LOOOOL, das ist nicht ganz ernst gemeint (meistens passiert so was eher unbewusst OO;; - aber Enishis Blutrache ist !nicht! aus Kenshin geklaut.)
Uff. War versucht, Jork Jörg zu nennen, meiner Meinung nach der schlimmste Name der Welt, sorry an alle, die so heißen. Habs aber gelassen. Jörg, der tapfere Ritter - nah, hat einfach nicht genug Aussagungskraft XD
Was mir aufgefallen ist, ist, dass Minu ein sehr oberflächlicher Charakter ist. Ich meine, sie ist verrückt, ein bisschen trottelig, aber sie hat eigentlich ein gutes Herz. Und mehr? NIX. Ehrlich mal, schaut sie euch doch mal an! Auf seine ganz persönliche Art und Weise ist meiner Meinung nach niemand oberflächlich, aber Minu - MINU!! - wirkt eben so! Ich werde daher versuchen, in den nächsten Teilen ihren Chara etwas zu vertiefen. Es stecken eigentlich so viele verschiedene Seiten in ihr, aber die sind bis jetzt nicht zum Vorschein gekommen. Wie auch? Wenn man in einer fremdem Welt rumrennt, ist man eben mit anderen Dingen beschäftigt als mit Tiefsinnigsein. Und man kann ja nun wirklich nicht sagen, dass Minu irgendwie ein ruhiges Leben hat oder so OO;; Na, ich werd mich auf alle Fälle mal drum bemühen, dass auch Minu ein paar Facetten bekommt. Nayru hat welche, Din hat welche, Farore hat (glaub ich ... XD) auch welche, Ralph hat welche, und Link auch (jupp! Der auch!). Lumien ist ganz neu, also hat er noch keine (na ja, eigentlich doch - meistens strahlt er, aber darunter ist er unglaublich ... düster ...) Larien hat nicht die Gelegenheit gehabt, welche zu haben. (HARHARHAR MWAAHAHAHAHAAAAA ... Nein, OK, fies ... MWAHA ...)
Meine herzallerliebste MadCatkin ^o^ hat gemeint, die Orakel gingen im Kapitel mit der Goronentollheit völlig unter, außer natürlich Farore. Das will mir auch in den Kopf, aber es musste einfach Farore sein, die dieses abgefackelte Dorf und den Jungen (dessen Name im übernächsten Kapitel genannt wird) findet - es tut mir Leid, es tut mir Leid, aber nur so haut es hin. Es musste ein Orakel sein, das alleine ist, und deshalb kamen nur Din oder Farore in Frage; Din war aber erstens nicht in der Nähe und zweitens kriegt sie bald ihren großen Auftritt und Farore nicht, deswegen musste ich das etwas aufbessern - außerdem hat es mit ihrer Vergangenheit zu tun. Bitte verzeih mir, MC ^^" Man merkt wahnsinnig dolle, dass Farore mein Lieblingsorakel ist, nicht wahr?
Hmmmm. Dieser Junge. Er verwirrt selbst mich, dabei habe ich ihn doch sozusagen "erschaffen" ... ich meine, er sagt immer diese unzusammenhängenden Dinge, als würde er gar nicht zuhören, aber er ist trotzdem immer bei der Sache, auch wenn es gar nicht so scheint. Und irgendwie kann er in die Zukunft sehen, oder zumindest hat er so "Vorahnungen". Für sein Alter ist er viel zu erwachsen, aber das liegt an seiner Kindheit. Und seit er seine Family begraben hat, hat er einen kleinen Schuss in der Waffel XD ... Haha ... ihr wollt sicher seinen Namen wissen, stimmts? Stimmts? Stimmmmmts??? Haha, haha *eg* No way! Den verrate ich erst im übernächsten Kapitel. [PREVIEW] Das nächste Kapitel ist ganz allein den Vergangenheiten der Orakeln gewidmet, weil ich mich damit seit geraumer Zeit auseinandersetze. Ich meine: Wieso sind sie so, wie sie sind? Was haben sie erlebt? Hatten sie einmal ein "normales" Leben, in der Familie und mit Freunden? Wie war ihre Kindheit? Und wie wird man eigentlich zum Orakel? Wollten sie Orakel werden oder nicht? Wird man in dieser Stellung geboren? Fragen über Fragen, und ich hoffe teilweise auch, mir darauf im nächsten Kapitel selbst Antworten zu geben. Ihr dürft gespannt sein ^^ [/PREVIEW]
Ach du meine Scheiße. Da hab ich doch glatt eine Kampfszene eingebaut, dabei sind diese Teile wohl das, was ich am allerwenigsten kann - wie hier wohl jetzt alle gemerkt haben =.= Ich entschuldige mich hiermit offiziell, dass ich damit das 6. Kapitel voll und ganz versaut habe. °(-`.´-)° Ich bin absolut nicht mit mir zufrieden. Vielleicht überarbeite ich die Szene noch mal, wenn ich Zeit und mehr Übung habe. Aber hallo, WAS bitte ist eine Zelda Fic OHNE Kampfszenen?! ¬¬ Ahhh, der Szene fehlt einfach der Pep ... Und was Link da am Ende macht, das ist technisch gar nicht möglich glaub ich ... hab ich ne Ahnung ... hahaha ... ich weiß gar nichts ^^"
HEY. Ist euch aufgefallen, wie oft ich das Wort Zeitblase verwende? Insgesamt in allen meinen Geschichten ... also ich glaub, ich hab noch nichts geschrieben, wo das nicht drin vorkam ... aber hey ... das ist ja so was von unwichtig ... weiß auch gar nicht, wieso ich das hier hinschreibe ... vermutlich will ich mich bloß davor drücken, die bescheuerte Kampfszene fertig zu schreiben ... da arbeite ich im Moment dran ... (ich schreib die Nachworte immer während des Schreibens) aber ... das geht einfach nicht ... außerdem ... HAB ICH DA GRAD ZEITBLASE HINGESCHRIEBEN! mwaha
*froi wie so n Schnitzel* Aya hat gesagt, sie findet meine Nachworte lustig. Dieses drei Word-Seiten lange Nachwort ist Aya gewidmet ^o^
