Hermine zog sich eine der Regalleitern heran und stieg hoch um das Buch aus dem Regal zu ziehen. Es war schwer - und ein wenig staubig. Offenbar vertrieb Madame Pince nicht in allen Ecken der Bibliothek den Staub so häufig, wie in den vorderen Bereichen.

Vorsichtig legte Hermine das Buch auf eines der Lesepulte und strich mit der Hand über den schwarzen Einband. Die Schrift musste wohl einmal aus Gold bestanden haben - aber es war kaum mehr als ein gelblicher Schatten davon übrig geblieben.

Noch vorsichtiger als zuvor öffnete Hermine den Buchdeckel. Auf der ersten Seite stand erneut der Titel des Buches - und ein Hinweis auf die Verfasser. Beziehungsweise - die Verfasserinnen.

// Gesammelt von den Hexen von Sodom. // Las Hermine. Dann blätterte sie die weit mehr als betagten Pergamentseiten um, bis sie zum Inhaltsverzeichnis kam.

Sie schluckte, als sie die Kapitelüberschriften las. Das Buch beschäftigte sich offenbar mit Ritualen der Dunklen Künste. Das also hatte Snape gemeint, als er gesagt hatte, sie würde Opfer bringen müssen. Wenn sie sich vor den Todessern schützen wollte, musste sie sie mit ihren eigenen Mitteln schlagen - und das Gesetz brechen. Hermine schluckte und hielt inne. War sie bereit dazu? Konnte sie die dunklen Künste anwenden? Immerhin ging es um ihr Leben!

Hermine entschied, dass sie sich damit anfreunden konnte, die Dunklen Künste zur Verteidigung gegen Voldemorts Gefolgsleute anzuwenden - im äußersten Notfall.

Ihr Blick glitt weiter über die Kapitelüberschriften, bis sie bei Seite 600 ankam.

Hermine riss die Augen auf - dann schlug sie schockiert den Buchdeckel zu. Winzige Pergament-Teilchen rieselten zu Boden, doch Hermine bemerkte es kaum.

Das Ritual, das Snape ihr sozusagen empfohlen hatte, befand sich auf Seite 669. Und alle Seiten von 600 - 699 beschäftigten sich mit - Hermine schluckte erneut - Sexualmagie.

Heftiger Ekel regte sich in ihr. Das war es also, was Snape dazu gebracht hatte, ihr 'helfen' zu wollen. Er wollte ihr nicht helfen - er wollte *sie*!

Der Gedanke an ihren hakennasigen, fahlhäutigen Lehrer mit seinen fettigen Haaren ließ ein flaues Gefühl in Hermines Magengrube entstehen, das sich noch verstärkte, als sie sich vorstellte, wie Snape langsam seine Robe ablegte und sie angrinste.

Hermine trat zwei Schritte vom Lesepult weg und atmete tief durch. Sie würde einfach das Buch wieder wegstellen und so tun, als wäre nichts geschehen. Und wenn Snape sie darauf ansprach - falls er das überhaupt tun würde - würde sie einfach behaupten, dass sie noch keine Zeit gehabt hatte, nachzulesen.

Ja, das war es. Der perfekte Plan. Hermine atmete noch einmal tief durch und öffnete wieder die Augen. Da lag es, das Buch. Auf dem Lesepult. Hermine fixierte es wie ein Kätzchen eine Schlange, die sich zum Angriff aufrichtete.

Sie würde einfach hingehen, das Buch nehmen, auf die Leiter steigen und es zurück an seinen Platz schieben und dann die Bibliothek verlassen. Ganz einfach. Kein Problem.

Während Hermine auf das Buch starrte begann sich die Neugier in ihr zu regen. Natürlich würde sie Snape nicht sagen, dass sie das Ritual nachgelesen hatte - aber es war schon interessant herauszufinden, was er ihr vorschlug. Hermine hatte das Gefühl, einen Blick in Snapes schmutzige Fantasie werfen zu können und obwohl sie wusste, dass es klüger gewesen wäre, einfach wieder zu gehen und dieses Buch zu vergessen, trat sie wieder ans Lesepult. Sie öffnete erneut den Buchdeckel und blätterte mit trockenem Mund die Seiten um, bis sie auf Seite 669 angekommen war.

[Ritual zur Verstärkung der magischen Kräfte]

[Für dieses Ritual ist es zunächst notwendig, dass die Hexe einen Hexenmeister findet, der sie bei der Durchführung des Rituals unterstützt.]

Hermine schluckte trocken, zwei Illustrationen veranschaulichten sehr deutlich, was mit "Unterstützung" gemeint war. Sie überflog den Abschnitt, in dem die Vorbereitungen beschrieben wurden. Es waren schwarze Kerzen notwendig, eine Paste für Körperbemalung und die Liste der Zutaten für den entscheidenden Zaubertrank las sich recht unappetitlich.

Hermines Nackenhaare stellten sich auf, als sie Begann, die Beschreibung der Durchführung zu lesen.

[Zunächst entfernt der Meister sorgfältig das Schamhaar der Hexe. Es muss vollständig für einen späteren Verwendungszweck aufgehoben werden.]

Hermine starrte mit aufgerissenen Augen auf das Buch. Wie konnte Snape auch nur im Entferntesten daran denken, dass sie ihn *das* tun lassen würde? Schon die Vorstellung mit ihrem Lehrer zu schlafen war ekelerregend. Nein! Schon die Vorstellung, dass Snape abends seine Roben ablegte und dann *nackt* war, war ekelerregend.

Hermine schauderte. Niemals würde sie dieses Ritual durchführen. Und doch las sie weiter.

Es folgte die Beschreibung, wie - und vor allem wo - eine Reihe von magischen Symbolen auf ihre Haut aufgetragen werden musste. Hermine verzog das Gesicht, als sie die Anleitung für die Zusammensetzung der Farbpaste las. Das fehlte gerade noch, dass Snape ihren Körper mit einer Mischung aus Schweinefett, Hühnerblut und zerriebenen Spinnenbeinen beschmierte. Hermine stutzte. Insbesondere nicht an *diesen* Stellen.

Es folgte die Beschreibung einiger Zaubersprüche, die in einer bestimmten Reihenfolge in Verbindung mit weiteren Vorbereitungen gesprochen werden mussten, bevor das eigentliche Ritual begann.

Hermine war nicht sicher, ob sie überhaupt weiterlesen wollte - doch jetzt, wo sie angefangen hatte wusste sie, dass sie sich immer über sich ärgern würde, wenn sie jetzt aufhörte. Sie würde sich immer fragen, wie es weitergegangen wäre - und so las sie.

[Für die erste Vereinigung werden zwei schwarze Kerzen benötigt, die am Kopfende des Tisches aufgestellt werden. Eine Schale muss bereitgestellt werden...]

Hermine verlor den Faden, als ihr auffiel, was sie gerade gelesen hatte. // Für die *erste* Vereinigung? // Sie schnaufte empört. Das wurde ja immer besser und besser. Nicht nur, dass Snape mit ihr schlafen wollte - nein! Er musste das auch noch mit einem ekligen und entwürdigenden Ritual verbinden und es reichte nicht, dass sie es *einmal* mit ihm tat - nein... Hermine überflog den Rest der Beschreibung. *Drei mal!*

Hermine schüttelte den Kopf. Das war unglaublich. Niemals würde sie sich darauf einlassen. Niemals! Wie absurd von Snape zu denken, dass sie... Hermine kam ein Gedanke. Vielleicht war Snapes Angebot gar nicht ernstgemeint? Er konnte nicht ernsthaft davon ausgehen, dass sie in *dieses* Ritual einwilligen würde. Sie war gerade 15 geworden - es war vollkommen absurd, dass sie ein solches Ritual durchführte. Noch dazu, mit einem Mann, der mehr als doppelt so alt war wie sie! Und ihr Lehrer! Und hässlich und ekelhaft! Ganz davon abgesehen, dass es ihr erstes Mal wäre. Hermine schüttelte leicht den Kopf. *Absurd!*

Sie las den Rest der Beschreibung. Es wurde nicht besser. An einem Nebensatz blieb Hermine dennoch hängen.

[War die Hexe zuvor unberührt, so verstärkt sich die Wirkung des Rituals um ein Vielfaches.]

// Na toll! //

Hermine kam in den Sinn, dass es möglicherweise das gewesen war, was Snape mit "Opfer bringen" gemeint hatte. Sie hatte ebenfalls bereits den Eindruck gewonnen, dass dieses Ritual ausgesprochen fortgeschrittene Magie war - eigentlich nichts für eine Schülerin in ihrem Alter. Wahrscheinlich sogar zu schwierig für viele erwachsene Hexen. Man musste praktisch in allen Gebieten der Magie exzellente Leistungen erbringen können. Allein der Zaubertrank war schwerer als die Tränke die für die Abschlussprüfung verlangt wurden. Und die Sprüche waren auch nicht ohne. Sehr komplex. Am Ende war Snapes Vorschlag doch ernst gemeint gewesen? Ein ausgesprochen schwieriges Ritual - mit einem maximalen Nutzen. Wenn man bereit war, Opfer zu bringen.

Die Buchstaben verschwammen vor Hermines Augen, als sie darüber nachdachte, was Snape gesagt hatte. // ... Es gibt Möglichkeiten, ihre Ausgangssituation um ein Vielfaches zu verbessern - wenn Sie bereit sind, einige *Opfer* zu bringen... //

Aber was für Opfer. Wenn sie sich darauf einließ - was sie niemals tun würde, wie Hermine schnell in Gedanken hinzufügte - dann würde sie ihr erstes Mal nicht mit einem Jungen erleben, den sie liebte, sondern mit einem Mann, den sie verabscheute. Und nicht nur das - schließlich ging es hier nicht um ein Schäferstündchen in Snapes Schlafzimmer. Sie musste sich einiger entwürdigenden Maßnahmen unterziehen. Und sie musste es *drei Mal* mit Snape tun - wobei der Erfolg der ganzen Sache davon abhing, wie *lange* es beim dritten Mal dauern würde - denn das war die Zeitspanne, für die ihr im Falle eines Duells ein Vielfaches ihrer normalen Fähigkeiten zur Verfügung stehen würde.

Hermine schüttelte den Kopf und klappte entschlossen die Buchdeckel zusammen. Ausgeschlossen. Niemals.

Sie stieg auf die Leiter und schob das Buch zurück in das Regal an seinen Platz. Dann verließ sie die Bibliothek, ohne sich umzusehen.