Hermine erwachte keuchend und verschwitzt. Ein kurzer Blick durch die Vorhänge ihres Bettes sagte ihr, dass es noch mitten in der Nacht war. Sie tappte hinüber zum Fenster und öffnete es einen Spaltbreit - es schien ihr, dass es unglaublich heiß im Zimmer war.

Dann huschte sie zurück ins Bett. Was hatte sie nur geträumt? Es war etwas sehr wirres gewesen. Sie war durch die Gänge von Hogwarts gelaufen. Überall hatte Schnee gelegen. Dann hatte sie festgestellt, dass sie nackt war. Panisch hatte sie versucht, sich in ein leeres Klassenzimmer zu flüchten. Jederzeit konnte jemand sie sehen. Doch alle Türen waren verschlossen gewesen. Sie war weiter und weiter gelaufen - immer in der Angst, dass jemand sie sehen könnte. Tatsächlich war irgendwann das Geräusch von Schritten hinter ihr aufgetaucht - und war ihr gefolgt, wohin sie auch lief. Bis sie endlich einen Klassenraum fand, dessen Tür nicht verschlossen war. Erleichtert war sie hineingestürmt und hatte die Tür hinter sich geschlossen und einen Riegel vorgeschoben und sich mit dem Rücken an die Tür gelehnt. Sie hatte überlegt, warum sie bloß nackt war. Dann hatte sie an sich hinunter gesehen und festgestellt, dass ihr Schamhaar abrasiert worden war.

Der Schock wurde nur noch übertroffen von einer seidigen Stimme, die in kühlem Tonfall sagte: "Ah - Miss Granger. Da sind Sie ja." Hermine hatte den Kopf hochgerissen und direkt in Snapes schwarze, kalte Augen gestarrt.

Dann war sie aufgewacht.

Während die kalte Nachtluft ins Zimmer strömte beruhigte Hermine sich langsam wieder. Was für ein ekelhafter Traum.

Obwohl sie danach wieder eingeschlafen war und bis zum Morgen durchgeschlafen hatte, fühlte sich Hermine am nächsten Tag wie zerschlagen. Professor MacGonagall warf ihr in Verwandlungskunde einen scharfen Blick zu, als Hermine zum wiederholten Male hinter vorgehaltener Hand gähnte. In Professor Binns Klasse schlief sie tatsächlich ein - doch das fiel nicht weiter auf. Schließlich war sie auf dem Weg hinunter in den Kerker zu ihrer Zaubertränkestunde. Zu ihrer Zaubertränke*doppel*stunde.

Hermine war fest entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen. Immer wieder sagte sie sich, dass sie gar nicht in der Bibliothek gewesen war. Sie hatte dieses Buch niemals angefasst. Niemals aufgeschlagen. Und ganz sicher hatte sie nichts über irgendein außergewöhnliches Ritual gelesen.

Sie hatte sich sogar vorgenommen so zu tun, als sei sie nicht einmal in Snapes Büro gewesen. Nichts von alledem hatte stattgefunden.

Während sie ihren Kessel aufstellte und ihre Zutaten ordnete, beobachtete sie Snape aus den Augenwinkeln, der Neville zurechtwies und dann mit Engelsgeduld Goyle und Crabbe die Aufgabe erneut erklärte.

Er war wie immer. Er sah Hermine nicht einmal an. Aber er sah auch nicht gezielt weg. Er war wie immer. Hermine war erleichtert. Sie hatte befürchtet, dass er ihr vielleicht durchdringende Blicke zuwerfen würde - oder vielleicht grinsen würde... Doch nichts dergleichen. Es war eine Zauberstränkestunde wie jede andere in den vergangenen Jahren zuvor auch. Malfoy bewarf Harry und Ron hinter Snapes Rücken mit Molchaugen, Parvati und Lavender ekelten sich vor den lebenden Käferlarven, die sie zerstampfen mussten und Nevilles Kessel explodierte. Alles wie immer. Hermine hatte sich beruhigt und war vollkommen entspannt, als Snape neben ihr stehen blieb, um einen Blick auf ihren Zaubertrank zu werfen. Hermine sah nicht auf, sondern tat, als würde sie sich ganz darauf konzentrieren, die Ranunkelwurzel in gleichgroße Würfel zu schneiden, als ihr Blick auf Snapes Hand fiel, die mit der Kelle in ihrem Kessel rührte und dann ein wenig Zaubertrank heraushob und zurücklaufen ließ.

Snape hatte schöne Hände, wie Hermine zu ihrem Entsetzen feststellen musste. Noch nie hatte sie zuvor darauf geachtet. Seine Hände waren schlank und feingliedrig. Er hatte sogar saubere Fingernägel. Sie waren ein bisschen kurz - zugegeben - aber nicht schmutzig. Und die Haut war glatt und...

Snape ließ die Kelle in den Kessel zurückfallen und ging weiter. Ohne ein Wort. Wie immer. Noch nie hatte er ein Wort des Lobes für Hermines perfekte Tränke übriggehabt. Sie war das gewohnt. Aber warum ärgerte es sie heute plötzlich?

Die Stunde näherte sich dem Ende. Hermine ertappte sich bei dem Gedanken, dass es ihr zu schnell ging. Sie wollte nicht, dass die Stunde vorbei war. Sie spielte mit dem Gedanken, am Ende herumzutrödeln, um länger bleiben zu können - aber dann fiel ihr auf, dass sie dann mit Snape allein sein würde. Womöglich würde er sie auf das Ritual ansprechen...

Hermine packte ihre Sachen am Ende der Stunde so schnell zusammen, dass sie als eine der ersten den Kerker verließ.