2. Here we are

Verschlafen rieb ich mir mit meinen Händen die Augen, ich hatte nicht sonderlich lange geschlafen. Irgend etwas blendete mich, Licht drang von außen durch das große ovale Türkisglas, das in der Einstiegsluke verarbeitet war, hinein. Wir mussten wieder in einem Sonnensystem sein und ein kurzer Blick auf den Radar verriet mir, dass es mein heimisches System war. Durch das Funkgerät hörte ich auf einmal ein lautes Rauschen, dass schon nach kurzer Zeit zu einer klaren Stimme umschlug. Nanami, meine Begleiterin und mittlerweile beste Freundin, war auch bereits wach und funkte mich an.

"Hey Ayu!", rief sie begeistert durch das Funkgerät. "Ich glaub, diese kleine Kugel da unten ist deine Erde!"

Ich lehnte mich nach vorne, um durch das Türkisglas nach dem besagten Planeten zu schauen. Glücklich erkannte ich dort unten die größtenteils blaue Kugel, sah einzelne grüne Landstriche und hohe Gebirge, weiter nördlich davon Eislandschaften. Weiße Wolkenfetzen bedeckten diverse Teile des Planeten, unter denen ich nur erahnen konnte, was sich darunter verbarg. Verstreut erblickte ich einige der riesigen Städte, weite graue Landschaften, dessen Wolkenkratzer in die Höhe schossen und die Wolkendecke durchbrachen. Das war die Erde, da war ich mir so sicher wie noch nie zuvor in meinem Leben. In den sechs Jahren, in denen ich nicht hier war, hatte sie sich kaum verändert.

"Ja, das ist sie!"

"Na dann nichts wie runter!"

Ich lächelte und schaltete das Funkgerät ab, denn musste ich die Landung vorbereiten, indem ich Unzählige der vielen Knöpfen und Schaltern betätigte. Daraufhin hieß es sich einfach zurückzulehnen, denn den Rest würde der Bordcomputer für mich übernehmen. Ich versuchte mich zu entspannen, was aufgrund meiner Aufregung nicht sonderlich einfach war. Noch einmal atmete ich tief durch, dann bestätigte ich die Frage des Computer, runterzugehen.

Die Geschwindigkeit der Raumkapsel nahm schlagartig zu, was mich tief in den Sitz preßte. Ich krallte mich in die Armlehnen, da ich das Gefühl hatte, ansonsten durch den Sitz durchgeschleudert zu werden. Den genauen Weg, den die Raumkapsel flog, konnte ich nicht bestimmen, da ich durch den Druck nichts sehen konnte. Den Bruchteil einer Sekunde später wurde die Lage schon wesentlich lockerer, der erste Schub war vorbei. Durch das Training auf den vielen verschieden Planeten, die wir bereist hatten, hatte ich, genau wie Nanami, gelernt, der Schwerkraft bis zu einem gewissen Punkt zu wiederstehen. Diese Fähigkeit war immer wieder von Nutzem, genau wie wir uns sie jetzt zu Nutzem machten. Bald konnte ich auch schon wieder die Erde sehen, wie wir uns ihr näherten. Es gab ein kleines Knacken aus dem Funkgerät, Nanami musste mich nochmals angefunkt haben und brüllte schon wieder hinein, da bei sonst nichts ankam.

"Sag mal, wo landen wir eigentlich?"

"Willst du eine ehrliche Antwort darauf haben?", entgegnete ich stirnrunzelnd und sah zu dem Funkgerät, das in einer Halterung an der Titanwand hing, als würde ich auf ihre Rückäußerung warten.

"Du hast keine Ahnung, stimmt´s?"

"Nicht die Blasseste. Bleiben wir einfach beieinander, damit wir uns später nicht verlieren."

Mit diesen Worten war dieses kurze Gespräch auch schon wieder beendet, da war kurz vor dem Eintritt in die Atmosphäre waren. Ich checkte noch mal alle Systeme durch, sah noch einmal zu Nanami rüber um mich zu vergewissern, dass sie mit mir mithielt. Alles war in Ordnung, wir konnten mit dem Manöver beginnen. Ich machte es mir noch einmal bequem auf meinem Sitz und konzentrierte mich, um auf das Bevorstehende gefaßt zu sein. Doch ich wurde abermals gestört.

"Könnten wir vielleicht auf der Hälfte landen, wo es gerade Tag ist?", fragte Nanami vorsichtig.

"Frag doch deinen Computer und nicht mich! Ich hab da doch genauso wenig Ahnung wie du!" Ich hielt einen Moment inne, und als sie nicht mehr antwortete, fuhr ich langsam fort. "Lass uns das einfach hinter uns bringen, OK?"

"Bleibt mir was anderes übrig?", entgegnete sie rhetorisch und schaltete ihr Funkgerät nun ein für alle Mal ab. Ich tat es ihr gleich und atmete wiederholt tief durch. Noch einmal versuchte ich mich zu konzentrieren, doch nun schwirrten mir so viele Gedanken durch den Kopf, dass es mir ziemlich schwer fiel, mich auf das Eine zu besinnen. Ich bereitete mich darauf vor, all diese Gedanken für den einen kurzen Moment, in dem wir in die Atmosphäre eintraten, zu unterdrücken, so müsste es eigentlich klappen. Für den Eintritt musste mein Kopf frei sein, damit ich die Raumkapsel unter Kontrolle halten konnte.

Plötzlich fuhr ein starker Ruck durch die Kapsel, der mich erst kurz nach vorne riß und dann wieder in den Sitz schleuderte. Meine ohnehin schon beachtliche Geschwindigkeit wurde durch die Anziehung noch weiter gesteigert, wie ich nicht darauf vorbereit war. Es wurde auf einmal unerträglich heiß hier drin, draußen konnte ich nur noch rotorange Luftströme an mir vorbeirasen sehen. Ein roter Knopf oberhalb mir begann nervenaufreibend zu piepen, als hätte ich nicht schon genug mit der Wärme und der Steuerung zu tun, als könne ich mich auch noch darum kümmern. Solange, wie ich in dieser kritischen Phase war, ließ ich ihn außer Acht. Die Kapsel ratterte und zitterte auf einmal, mir kam es so vor als würde sie jeden Moment auseinanderbrechen. Irgend etwas lief hier ganz gewaltig falsch, so eine komplizierte Landung hatte ich bisher noch nie gehabt, und ich hatte eine Menge Landungen hinter mir.

Die Sicht war immer noch grottenschlecht, dennoch versuchte ich mehr als nur die feurigen Luftströme zu sehen. Bald schon wechselten sie ihre Farbe, sie wurden weiß und schließlich unsichtbar. Mit Erleichterung stellte ich fest, dass der Knopf aufgehört hatte zu Piepen. Wir waren aus dem Gröbsten raus. Dennoch stand uns aber noch die eigentliche Landung bevor und da ich aus meinen Erinnerungen von damals noch wußte, dass der Boden der Erde nicht sehr nachgiebig war, machte ich mich wieder auf Einiges gefaßt.

Schräg gegenüber vor mir sah ich dort unten, eine gräuliche Landschaft, auf die ich geradewegs zuraste; eine Stadt. Wie vom Blitz getroffen hämmerte ich auf dem Armaturenbrett vor mir herum, um die Kapsel ihrgendwie zu drosseln oder sie wieder an Höhe gewinnen zu lassen, doch meine Bemühungen waren umsonst. Der Computer hatte seine Anweisungen erhalten, noch bevor wir in die Atmosphäre eingetreten waren, und so schnell ließ er sich nicht davon abbringen, sie abzubrechen. Unerwartet sah ich auf einmal Nanami´s Raumkapsel an mir vorbei rasen, sie wußte nicht, dass vor ihr eine Stadt voller Menschen war und sah diese nicht als Hindernis. Doch bevor ich mich um sie kümmern konnte, versuchte ich immer noch verzweifelt, mich zu stoppen, denn ich war genauso eine Gefahr für die Menschen dort wie Nanami. Bald schon erkannte ich, dass ich nichts mehr tun konnte und bereitete mich schon mal auf einen extrem harten Aufprall vor. Ich betete, dass ich nicht in einen der Wolkenkratzer hineinpreschte, denn die darauffolgende Explosion, die abzusehen war, wäre verheerend. Kurz bevor ich den harten Beton einer Straße vor dem Glas der Kapsel erblickte, kreuzte ich meine Arme schützend vor meinem Gesicht.

Der Aufschlag war fast genau so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte: hart, und unglaublich schmerzhaft, dass ganze nur noch extremer als ich es mir erhofft hatte. Wiedereinmal wurde ich nach vorne geschleudert, als sich die Kapsel in den Boden bohrte, und wieder in den Sitz gepreßt, als sie nicht mehr genug Schub hatte, weiter vorzudringen. Ich atmete schwer, die beinahe unerträgliche Hitze setzte mir verdammt zu, die Landung, hatte einen Teil meiner Kraft vorrübergehend eingefordert.

Kurz darauf schlug auch Nanami ein, wahrscheinlich sehr nahe, die Erde bebte für einen Moment und verklang dann langsam. Ihre Landung schien nicht weniger spektakulär gewesen zu sein als meine. Meine Einstiegsluke öffnete sich automatisch, woraufhin ich mich so schnell wie ich nur konnte von meinem Sitz erhob und hinaus an die frische Luft torkelte. Ich war noch nicht ganz draußen, da musste ich mich noch einmal an der Außenwand abstützen, um nicht umzukippen; sie war heiß, so daß ich schnell wieder losließ und versuchte, mich selber abzustützen. Ich geriet dabei ein wenig ins Schwanken, fing mich aber schnell wieder.

Um mich herum war nicht viel zu sehen, braune Rußschwaden umhüllten den durch die Kapsel entstandenen Krater. Ich suchte nach eine Anhöhe, die ich heraufklettern konnte. Oben angelangt schien mir die grelle Sonne entgegen, doch ich nahm gar keine Notiz von ihr; genauso wenig wie von all den Leuten, die sich mittlerweile um die beiden Krater herum versammelt hatten. Entsetzt starrten sie mich an, wie kurz darauf auch Nanami, die freudig grinsend aus dem anderem Abgrund kletterte.

"Hey Ayu!", rief sie mir glücklich winkend zu. "Das war ne Landung! Also ich geb ihr mindesten 9 ½ Punkte, was meinst du?"

"Mindestens doppelt so viel!", antwortete ich ihr erleichtert, dass es ihr gut ging. "So heftig war bisher noch keine Landung!"

Nanami war wirklich erstaunlich. Sie konnte selbst noch optimistisch sein, wenn ein ganzer Planet in die Luft gesprengt würde, auf diese Art und Weise überraschte sie mich, genau wie in diesem Moment, immer wieder. Sie kam enthusiastisch auf mich zu gerannt und lächelte mir mitten ins Gesicht.

"Na schön, da wären wir, und wo ist jetzt deine Family?"

"Wenn wir Glück haben, immer noch da, wo wir vor sechs Jahren gewohnt haben," antwortete ich nachdenklich.

"Und wo habt ihr gewohnt?", hakte sie erwartungsvoll nach.

Auf diese Frage hin drehte ich mich einmal um meine Achse um abzuschätzen, wo wir ungefähr waren, doch ich kam zu keinem klaren Ergebnis. Ich war wohl noch nie in dieser Stadt, oder zumindest in diesem Stadtteil gewesen. Das würde uns die Suche nicht sonderlich leichter machen, erschwerend kam auch noch hinzu, dass ich mich hier nicht mehr so gut auskannte wie zuletzt, als ich auf diesem Planeten war.

"Irgendwo an einem Waldrand, aber-"

"Davon scheint es hier ne ganze Menge zu geben!", fiel sie mir skeptisch ins Wort. "Wo könnten wir sonst nach Freunden vielleicht suchen?"

Wieder so eine Frage, auf die ich nicht sofort antworten konnte. Ich überlegte, wer von den Freunden meines Vaters an einem Ort lebte, den man nicht übersehen konnte.

"Bulma!", rief ich begeistert aus.

"Bulma?"

"Ja, Bulma wohnt in einer großen Stadt, die können wir gar nicht übersehen!"

"Aha, und wo ist diese Stadt?"

"Es ist die westliche Hauptstadt, also muss sie wohl oder übel im Westen sein."

"Und die weiß, wo deine Family ist?", fragte Nanami stirnrunzelnd, weil Bulma ja eigentlich eher weniger unser Reiseziel war. Doch ich war mir ziemlich sicher, dass ich meine Freundin da beruhigen konnte.

"Klar! Ihr Sohn is mit meinem Bruder befreundet, wenn wir Glück haben, ist Goten vielleicht sogar dort!"

"Na gut, ich verlaß mich da auf dich," meinte sie nickend. "Doch da haben wir noch ein anderes Problem."

"Welches?"

Nanami nickte nach vorne, woraufhin ich mich umdrehte und wieder den riesigen Krater sah. "Dieses Problem. Was machen wir mit den Raumkapseln?"

Das war wirklich eine sehr gute Frage. Hier lassen konnten wir sie nicht, die Leute würden sich wie gierige Geier draufstürzen, sie mitzunehmen dagegen wäre ziemlich unkomfortabel. Das beste wäre, sie einfach verschwinden zu lassen, aber wie?

"Lassen wir sie doch einfach verschwinden!", schlug ich vor, obwohl ich nicht die geringste Ahnung hatte, wie wir das anstellen sollten. Auf jeden Fall war dieser Vorschlag besser als keiner, und Nanami würde sich bei dem Wort "Verschwinden" sicher ihren Reim drauf machen.

"Oh, gute Idee," meinte sich und streckte ihre Arme aus. Ganz langsam bewegte sie sie nach oben, als man aus den Kratern plötzlich einen lautes Rumpeln vernahm. Die beiden Raumkapseln schwebten mit Nanami´s Handbewegungen nach oben und blieben letztendlich über unseren Köpfen hängen. Kaum einen Moment später traf ein gebündelter Energiestrahl aus ihren Händen die Kapseln und ließ sie mit einer lauten Explosion in tausende Einzelteile zerbersten.

"Nanami!", rief ich entsetzt, doch sie setzte ihre Unschuldsmiene auf.

"Was?"

""Verschwinden", war nicht im Sinne von "Explodieren", sondern eher von "Verbuddeln" oder so."

"Oh,....... na ja, immerhin ist unser Problem jetzt vor längere Zeit gelöst, was meinst du?"

Ich ließ ein leises Stöhnen verlauten, damit war die Sache für mich abgeschlossen. Sich darüber aufzuregen hätte eh nichts gebracht, was passiert war, war passiert.

"Suchen wir dann jetzt diese Hauptstadt?", wechselte sie schnell das Thema, und wir was es wohl genauso wie ihr nur zu recht. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, erhoben wir uns hoch in die Lüfte. Ich sah noch ein letztes Mal nach unten zu den Kratern, wo ich auf einmal diese vielen Leute erblickte. Ich musste mich wohl fragen, ob die schon die ganze Zeit da gewesen waren, da ich sie wegen Nanami wohl außer Acht gelassen hatte. Interessieren tat mich das auch nicht weiter, jeder von ihnen würde wohl eine eigene Erklärung für das Geschehende finden, so daß wir uns nicht weiter drum kümmern müßten. Dann sahen wir wieder nach vorne, ein Blick zu Nanami reichte mir aus, um sagen zu können, dass sie mindestens so startbereit war wie ich. Mit einem Lächeln auf den Lippen rasten wir dann los, ein bestimmtes Ziel vor Augen, auf nicht mit der geringsten Ahnung, wo es zu finden war.

See you next chapter!