ANMERKUNGEN: Ich liebe diesen Sirius *G*
Kapitel 2 : Wiedersehen und Abschied
Wie lange er schon gelaufen war, hätte Sirius nicht sagen können, doch nach und nach veränderte sich die Landschaft um ihn herum, es wurde deutlich wärmer und er spührte förmlich, wie Azkaban in weite Ferne gerückt war.
Tagelang war Sirius schon gelaufen, hatte sich meistens von Kleintieren wie Ratten oder Hasen ernährt, in Menschengestalt auch ab und zu auch von ein paar Beeren, die am Rande des Weges wuchsen.
Sirius' Hundetatzen waren inzwischen wund geworden, doch ihm blieb nichts anderes übrig als weiterzulaufen. Der Gedanke an die Dementoren trieb ihn immer wieder vorwärts.
Er wollte niemals wieder zurück nach Azkaban.
Nach zwei Wochen etwa, da Sirius nicht mit Sicherheit sagen konnte, wieviel Zeit vergangen war, erreichte er die ersten bewohnten Gebiete. So hoch im Norden waren die Häuser klein und die Menschen selten, doch wo es Menschen gab erhoffte sich Sirius den einen oder anderen Bissen.
Als Sirius am ersten Abend um eines der Häuser schlich, erkannte er, daß es sich hier um Muggel handeln mußte, und ihm wurde klar, daß er es geschafft hatte, die Grenze zur Muggelwelt zu erreichen und zu überschreiten, ohne daß die Dementoren ihn aufgehalten hatten.
Mit den Bewohnern allerdings hatte Sirius weniger Glück, denn als die Frau ihn erblickte, schrie sie nach ihrem Mann, der mit einer Mistgabel bewaffnet vor die Tür trat und diese gefährlich nah an Sirius' Schnauze schwenkte. Sirius blieb nichts anderes übrig, als die Flucht zu ergreifen und unter einem Busch zu übernachten.
Nicht immer wurde er so grob davongejagt, einige Male stieß er auf freundliche Muggel, die dem schwarzen Streuner gern das eine oder andere Stück Fleisch abgaben. In seltenen Fällen hatte er sogar das Glück, eine Nacht oder zwei in einer warmen Scheune oder an einem Herd zu schlafen.
Jeden Tag legte Sirius mehrere Kilometer zurück, nach und nach kamen größere Dörfer und Städte in Sicht. Inzwischen hatte er herausgefunden, wo er sich befand: Irgendwo im Norden Englands oder Schottlands, und wenn er immer in der Richtung weiterging, die ihm sein Instinkt riet, war er fest davon überzeugt, zurück nach London finden zu können.
Und nach London wollte er.
Als er eines Nachmittags durch eine nordenglische Kleinstadt trottete, erblickte er in einem Elektrogeschäft eines dieser seltsamen und doch genialen Geräte, die von den Muggeln "Fernseher" genannt wurden.
An diese Sicht war Sirius gewöhnt, doch nicht an die seines eigenen Gesichtes auf dem Bildschirm.
Wie erstarrt blieb er stehen und sah sein eigenes, furchteinflößendes Bild auftauchen und wieder verschwinden, um einem dicklichen Nachrichtensprecher Platz zu machen.
Nun begann Sirius zu ahnen, daß die Information seiner Flucht über die Grenzen der Hexenwelt hinausgetreten war, und daß die Muggel ihn auch suchen würden, wenn auch nicht aus dem gleichen Grund.
Beide Welten schienen vor ihm zu zittern, und Sirius wußte, daß sie ihn unerbittlich jagen würden.
In Gestalt eines Hundes schlich er an den Mauern entlang, immer im Schatten, aus der Stadt hinaus.
Selbst in dieser genialen Deckung hatte er immer wieder das Gefühl, daß die Menschen ihn anstarrten, und das eine oder andere Mal hatte er gespührt, wie im das Fell zu Berge stand.
Zum ersten Mal seit seinem Ausbruch hatte Sirius Angst, große Angst, weniger der Muggelpolizei in die Hände zu fallen, als davor, jemals wieder den Kontakt eines Dementoren auf seiner Haut spüren zu müßen.
Als der Abend hereinbrach und die Staßen leerer wurden, setzte sich Sirius auf den Gehweg und dachte nach, was jetzt zu tun war.
Nachdem er Peter auf dem Foto erblickt hatte, würde ihn sein Weg auf jeden Fall nach Hogwarts führen, aber dazu mußte er erst einmal London erreichen. Außerdem wollte er hier noch etwas erledigen, bevor er sich in die Höhle des Löwen begab.
Sein erstes Ziel war, nach der Landkarte in einem Schaufenster zu schließen, nur einige Kilometer entfernt. Da Sirius' Tatzen sich weigerten, ihn noch lange zu tragen, lief er die kurze Strecke bis zum Bahnhof, studierte den Fahrplan (Ohne dabei auf die gaffenden Muggel zu achten, die wohl noch nie einen Hund vor einem Fahrplan gesehen hatten), und huschte zwischen den Beinen des Schaffners in den Zug.
Als er eine offene Abteiltür erblickte, schlich er schnell hinein, bevor der Bahnbeamte ihn sehen konnte. In dem Abteil saßen zwei Kinder, der ältere Junge vielleicht zwölf, das Mädchen, wahrscheinlich die kleine Schwester, etwa zwei Jahre jünger. Diese keuchte entsetzt, als der riesige schwarze Hund in ihr Abteil stürmte und sich unter einem Sitz verkroch. Der Junge ging vorsichtig in die Knie und sah unter den Sitz nach Sirius.
- He du, komm da raus, rief der Junge ihm zu.
- Paß auf, Andrew, er könnte beißen!, rief seine Schwester erschrocken.
Sirius wartete, bis der Junge wieder aufgestanden war und die Abteiltür geschloßen hatte. Dann kam er langsam und vorsichtig unter dem Sitz hervor. Er ließ den kleinen Jungen nah an sich herankommen und wartete, bis er eine Hand nach ihm ausstreckte und ihm durch das dichte Fell strich. Sirius legte den Kopf auf die Vorderpfoten und genoß es richtig, er hatte vergessen, daß manche Berührungen anders waren als die Eisfinger eines Dementoren.
Jetzt war auch Andrews kleine Schwester aufgestanden und war auf Sirius zugegangen.
Dieser wartete geduldig, bis die beiden Kinder ihn gestreichelt hatten, ehe sie bemerken, wie dürr und abgemagert der schwarze Streuner aussah.
- Hast du Hunger?, fragte Andrew beiläufig, und Sirius sprang auf und bellte kurz.
- Er tut fast so, als könnte er uns verstehen, sagte das kleine Mädchen leise, während es eine breite Tragetasche von einem Sitz holte.
- Magst du Salami?, erkundigte sich Andrew und hielt Sirius ein Sandwich unter die Nase.
Auf die Antwort brauchte er nicht lange zu warten, denn schon hatte sich Sirius mit heißhunger über Brot und Wurst hergemacht, und in kürzester Zeit blieb kein Krümel mehr übrig.
Die beiden Kinder, die sowieso schon genug gegessen hatten, schien es Spaß zu machen, den schwarzen Hund richtig durchzufüttern, und so bekam Sirius noch zwei weitere Salamibrote, sowie Kekse, Kuchen, Brot, Schinken, Ei und Schokolade.
Sirius hatte solchen Hunger, daß er sich kaum die Zeit zum Kauen nahm, sondern alles sehr hundeartig herunterschlag. Sogar den Apfelmost, den Andrews' Großmutter den Kindern mitgegeben hatte, nahm er gern im Empfang.
Die beiden Geschwister staunten nicht schlecht, nachdem der schwarze Streuner das letzte Stück Schokolade verschlungen hatte.
- Du meine Güte, wie lange hat man dich denn nicht gefüttert?, fragte Andrews Schwester Sophie teilnahmsvoll.
Wenn du wüßtest , dachte Sirius bei sich.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren fühlte er sich richtig satt und beinahe zufrieden, sodaß er am liebsten auf einen der Sitze geklettert und auf der Stelle eingeschlafen wäre.
Aber der Zug näherte sich langsam einem Bahnhof und wurde immer langsamer. Jetzt mußte Sirius dafür sorgen, ungesehen aus dem Zug zu kommen. Schnell sprang er auf den Sitz am Fenster und kratzte mit den Forderpfoten dagegen. Andrew und Sophie erhoben sich.
- Da willst du raus?
Sirius bellte kurz, was die beiden Kinder sofort als ein "Ja" verstanden. Andrew zog und zerrte an dem Fenster, bis die Öffnung groß genug war, um einen dünnen Hund durchzulassen.
Sirius drehte sich noch einmal um und sah die beiden Kinder mit seinem schwarzen Hundeblick groß an. Sophie lächelte, ihr großer Bruder Andrew strich Sirius noch einmal durch das Fell.
- Nichts zu danken, mein Großer.
Nach einem letzten Blick zurück auf seine Wohltäter sprang Sirius aus dem Fenster, landete zielstrebig auf dem Bahnsteig und hastete davon.
"Ein Blick sagt mehr als tausend Worte" - da muß was dran sein.., dachte er im Laufen.
Der Abend legte sich langsam über das kleine Städtchen Nordenglands, dessen Name über der Grenze des Ortes selbst kaum bekannt ist. Sirius hatte schnell die Hauptstaße durchquert und trottete an den letzten Cafés vorbei auf das Hügelland zu. Als er an einer Terrasse vorbeiging, fiel ihm ein dunkler Mantel auf, den ein Gast wohl vergessen hatte. Schnell sprang er auf den Stuhl zu und riß den Mantel von der Lehne. Den könnte er bestimmt gebrauchen können, da er in Menschengestalt in seinem zerfetzten Gewand Aufsehen erregen würde. Und Aufsehen war das, was Sirius jetzt am wenigsten gebrauchen konnte. Selbst in der Muggelwelt galt er als gefährlicher Krimineller.
Auch war das, was Sirius jetzt vorhatte, eigentlich gegen jegliche Vorsichtsmaßnahme, aber dieses Risiko war er bereit einzugehen.
Als das Dorf nicht mehr in Sicht war, machte Sirius Halt und verwandelte sich zurück. Sofort begann er in der Abenddämmerung erbärmlich zu frieren, sodaß er sich den Mantel anzog und ihn so fest wie möglich um seinen dünnen Körper zog. Langsam ging er weiter - diesmal auf zwei Beinen - immer geradeaus.
Es dauerte lange, bis Sirius in das nächste Tal blicken konnte, und in der Zwischenzeit war es dunkel geworden. In der Ferne schien ein kleines weißes Haus im Tal durch die Dunkelheit zu scheinen. Die letzten Meter legte Sirius rennend zurück, bis er vor dem alten Ferienhaus seiner Eltern stand, in dem er einst mit seinen Freunden so viel Zeit verbracht hatte.
Er ging um das Haus herum, doch als er zur Eingangstür kam, blieb er plötzlich stehen:
Die Eingangestür war aus ihren Angeln gerissen worden, im Inneren hatte es allem Anschein nach einen Brand gegeben. Sirius' Herz begann zu rasen, als er über die Schwelle trat und sich suchend umsah.
Was einst ein gemütliches Ferienhaus war, konnte man nur noch eine Ruine nennen. Einige Reste verbrannter Möbel standen hier und da in den Ecken, die Wände waren schwarz geworden und aus Löchern in der Decke hatte sich der Regen einen Weg in das Haus gebahnt, sodaß der Boden feucht und glitschig geworden war.
Noch immer stand Sirius in der Tür und sah sich fassungslos um. Sein Alptraum war wahr geworden, alle Andenken an seine Eltern, an seine Ferien und an den glücklichen Tagen mit seinen Freunden waren zusammen mit diesem Haus zerfallen.
Gerade wollte er sich wegdrehen und die Ruine so schnell wie möglich verlassen, als sein Blick auf etwas fiel, was im blassen Licht, welches der Mond durch die Tür warf, silbrig glänzte. Langsam ging er durch das Zimmer, den Blick immer auf das glitzernde Etwas gerichtet. Als er näher kam mußte er feststellen, daß es nur Glasscherben waren, die das Licht des Mondes reflecktierten.
Die Scherben hatten früher zu einem Rahmen gehört, Sirius bückte sich und schob sie weg. Unter den Scherben lag ein altes Bild, verblaßt und zerrissen, aber von der Zerstörung verschont.
Sirius nahm es in seine knochigen Finger und drehte es ins fahle Licht.
Vier Jungen, alle etwa achtzehn Jahre alt, grinsten ihn an und stießen sich gegenseitig. Gerade hielt einer von ihnen, der pechschwarzes Haar hatte und eine Brille trug, triumphierend sein Jahrbuch mit der Aufschrift " HOGWARTS YEARBOOK `85 " in die Kamera. Die vier Jungen schienen die besten Freunden auf Erden zu sein.
Sirius' Hand begann zu zittern, als er auf das letzte gemeinsame Schulfoto sah. Er blickte in sein eigenes, lachendes Gesicht und wunderte sich, wie strahlend er damals ausgesehen hatte. Er stieß einen tonlosen Seufzer auf, als sein Blick James Potter streifte, der mit Remus Lupin eine Yearbookschlacht begonnen hatte.
Sirius' Zorn zog plötzlich wieder in ihm auf, als er den kleinen, bleichsten der vier Jungen ansah.
Einem Moment lang flammte Sirius' Blick auf, dann faßte er das Foto mit beiden Händen und riß ein Stück davon ab, trennte es sauber von dem anderen.
Dann nahm er die Abbildung von Peter Pettigrew und riß es so lange in Stücke, bis nur ein feiner weißer Regen aus Papirfetzen übrigblieb.
Sorgfältig strich Sirius das restliche Bild wieder glatt und steckte es in seine Manteltasche. Dann richtete er sich auf und verließ die Ruine, ohne noch einmal nach rechts oder links zu sehen.
Der Verfall seines Hauses hatte Sirius sehr mitgenommen, und so keuchte er heftig, als er die Anhöhe hinaufstieg. Der Pfad war genauso eng und rutschig wie das letzte Mal, als er diesen Weg eingeschlagen hatte. Das war jetzt zwölf Jahre her, aber an diesem Abend war er fast genauso verzweifelt gewesen als er es nun war.
Nur war damals vieles anders gewesen: Er war jung gewesen, gutaussehend, damals hatte er noch Freunde und eine letzte Chance gehabt, James zu rächen.
Das einzige, was sich in diesen zwölf Jahren nicht verändert hatte, war sein Zorn, der sich in Azkaban sogar gesteigert hatte. Nach wie vor würde er alles tun, um Peter Pettigrew zu töten.
Ein Schauer überfiehl ihn, als er die letzten Meter des Pfades entlangschritt. Er fragte sich, was er auf dem Hügel antreffen würde. Vielleicht auch nur Ruin und Verfall.
Doch zu seiner großen Erleichterung erblickte er das kleine weiße Haus, genau im selben Zustand, wie er es vor mehr als einem Jahrzehnt zum letzten Mal gesehen hatte.
Aus de Fenstern schien Licht und erhellte den kleinen Gemüsegarten, der sich auch nicht verändert hatte.
Sirius' Herz klopfte ihm bis in den Hals, als er auf die Tür zuging. Er hob die Hand und wollte klopfen, doch im letzten Moment fragte er sich, ob er da keinen Fehler machte. Einen Augenblick lang stand er unschlüssig da, bis er sich ein Herz faßte und entschloßen an die Tür klopfte.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er schwere Schritte hörte, die sich langsam näherten.
Die Tür ging auf und gab den Blick auf eine alte, weißhaarige Frau frei, die Sirius mit großen blauen Augen ansah.
Eigentlich hätte Sirius etwas sagen wollen, doch als er die alte Dame ansah, konnte er kein einziges Wort herausbringen. Schon wollte sie fragen, was Sirius wünschte, als die alte Dame auf einmal unterdrückt keuchte.
-.......Si - Sirius?
Sirius nickte nur.
Die alte Dame ließ die Türklinke los und fiel ihm um den Hals, ohne auch nur das geringste auf sein zerzaustes Aussehen zu achten.
- Wo warst du nur all die Jahre? Warum hast du mich nie mehr besucht?
- Das wäre eine zu lange Geschichte, Frau Flickwert, bekam Sirius schließlich heraus.
Die alte Frau zuckte bei Sirius' gebrochener Stimme zusammen, ließ ihn los und rückte ihre Brille zurecht. Dann musterte sie ihn von Kopf bis Fuß.
- Oh Sirius....wo hast du denn den Rest von dir gelassen?
Einen Moment lang überflog ein Grinsen Sirius' mageres Gesicht.
- Es ist nicht so gelaufen,wie ich es mir gedacht hatte, Frau Flickwert.
Anscheinend hatte die alte Frau noch immer kein Fernsehn und auch kein Radio im Haus, und so wußte sie nichts von den Anschuldigungen, die auf Sirius lasteten. Insegeheim war Sirius erleichtert, ihr dafür keine Erklärungen geben zu müssen.
Die alte Dame nickte.
- Ich hatte gehofft, daß du noch einmal kommen würdest. Ich muß dir etwas sagen: Das Haus deiner Eltern....
Sirius seufzte.
- Ich weiß.
Frau Flickwert sah Sirius teilnahmsvoll an. In diesem Moment kam ein gestreifter Blitz auf Sirius zugestürtzt und kletterte an ihm hoch. Reflexartig warf Sirius die Hände vors Gesicht, als er etwas warmes auf seiner Brust fühlte. Und dieses Etwas war in lautes Schnurren ausgebrochen.
- Tiger!, rief Sirius erfreut, und diesmal lächelte er wirklich. Mein Tiger!
Frau Flickwert lachte.
- Er hat auf dich gewartet.
Sirius streichelte seinen Kater und sah ihn an. Er war ein wenig dünner geworden und in seinem Fell zeigten sich graue Strähnen. Aber das schien ihm im Augenblick herzlich egal zu sein.
- Ich hatte nicht damit gerechnet, ihn noch einmal zu sehen, sagte Sirius mit erstickter Stimme.
Die alte Frau betrachtete Sirius und Tiger.
- Tiger und ich sind zusammen alt geworden, und wir haben einander Gesellschaft geleistet.
Sirius nickte und steckte die Nase in Tigers Fell, so wie er es früher einmal gern getan hatte. Frau Flickwert lächelte.
- Möchtest du nicht hereinkommen?
Sirius sah wieder auf und blickte die alte Dame an.
- Ich kann nicht, so gern ich es auch möchte.
Frau Flickwert betrachtete Sirius traurig.
- Du steckst noch immer in Schwierigkeiten.
Sirius nickte.
- Ja, aber jemand anderes ist in großer Gefahr, und ich muß etwas tun.
Frau Flickwert brachte ein Lächeln zustande.
- Dann mußt du diesem Jemand helfen, Sirius.
Sirius strich über das getigerte Fell seines Katers.
- Ich wollte Sie nur noch einmal sehen.
Frau Flickwert senkte den Blick.
- Du wirst nicht wiederkommen, nicht wahr? Auch, wenn du diese Person rettest wirst du nicht wiederkommen.
Sirius setzte Tiger in den Armen der alten Frau ab. Als er sprach, klang seine Stimme fast so wie früher.
- Sie werden weiterhin in guter Gesellschaft bleiben.
Die alte Frau nickte, Tiger miaute kläglich.
- Darf ich dich um etwas bitten, Sirius?, fragte sie schließlich.
Sirius nickte.
- Ich möchte einmal nur ein einziges Mal so tun, als würdest du noch in dem Haus da unten wohnen, und mit deinen Freunden morgen vorbeikommst.
Sirius sah die alte Frau mit dem Kater im Arm lange an. Dann nickte er wieder. Tiger sah ihn groß an, sodaß Sirius den Blick auf die Seite richtete.
- Dann bis morgen, Frau Flickwert. Ich komme vorbei, zusammen mit Remus...und James....und...und Peter.
Frau Flickwetrt nickte.
- Ich werde auf euch warten. Dann gute Nacht, Sirius.
- Gute Nacht, Frau Flickwert, flüsterte Sirius, als die alte Dame schluchzend die Tür schloß.
Danach wußte Sirius nicht mehr, wie er den Hügel wieder heruntergekommen war, aber er mußte den gesamte Weg gerannt sein.
Ihm war übel geworden, als er Peters Namen in Zusammenhang mit Freundschaft ausgesprochen hatte, aber diesen einen Gefallen war er Frau Flickwert schon lange schuldig gewesen.
Er setzte sich auf einen Stein und stützte den Kopf schwer in die Hände.
Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er nicht wiedergekommen wäre, denn nun rauschten wieder Erinnerungen an glücklichere Zeiten in seinem Kopf herum.
Er zog das alte Foto hervor und betrachtete es lange, sehr lange, bevor er sich Tigers' Katzenhaare vom Mantel strich, sich zurück in einen Hund verwandelte und den Weg nach Süden einschlug.
In den drei Tagen, die auf Sirius' Besuch bei Frau Flickwert kamen, regnete es fast unaufhörlich, sodaß Sirius immer öfter Halt machen mußte, um das Wasser aus seinem Fell zu schütteln.
Er hatte nochmals versucht, seine Reise durch Muggelverkehrsmittel zu verkürzen, doch dieses Mal hatte er es nicht geschafft, sich in den breiten Bus zu schleichen und war vom Chauffeur fortgejagt worden.
Am dritten Tag erreichte er endlich dem Umkreis Londons und machte in einer Kleinstadt Rast. Der Abend dämmerte bereits, und der Himmel zeigte sich noch immer bedrohlich dunkel.
Sirius setzte sich auf eine Parkbank und legte den Kopf auf die Forderpfoten. Er war müde und hungrig, jeder Knochen in seinem Körper tat ihm weh. Die wenige Kraft, die er seit seiner Flucht aus Azkaban angesammelt hatte, war jetzt aufgebraucht, und er war froh, es nicht mehr allzu weit zu haben.
Nach einer Verschnaufpause kam er wieder auf die Beine und warf einen Blick auf den nächsten Stadtplan. Er wußte nicht genau, wo er hinmußte, aber an den Namen der Straße konnte er sich noch genau erinnern. Als er sich halbwegs orientiert hatte, setzte Sirius seinen Marsch fort, quer durch Wohngebiete mit aneinanderstehenden Häusern. Die ganze Umgebung sah sauber und gepflegt aus.
Sirius ging dicht an den Hecken entlang, um nicht bemerkt zu werden, denn diese Gegend sah so aus, als würde sie keine streunenden Hunde dulden.
An einer Straßenkreuzung machte Sirius Halt. "Pivet Drive", stand auf dem Straßenschild, und er wußte, daß er hier richtig war. Langsam schlich er den Gehweg entlang und suchte nach der Nummer 4. Als er das absolut saubere weiße Haus der Familie Dursley erblickte, blieb er mitten auf dem Gehweg stehen und sah es lange und durchdringend an.
Allmählich bekam er Zweifel, ob es auch richtig war, vor dieser Tür zu stehen.
Was erwartest du eigentlich von diesem Besuch ? , fragte er sich nach einer Weile, denn er wußte, daß Petunia Dursley (die er einmal flüchtig gekannt hatte) Tiere, vor allem Hunde, verabscheute.
Und Harry?
Harry würde ihm wohl kaum um den Hals fallen, soviel stand fest. Er würde ihn im besten Fall nur für einen Straßenköter halten, und im schlimmsten Fall für den Mörder seiner Eltern.
Sirius saß noch immer da und sah den hellerleuchteten Fenstern entgegen, als aus dem Inneren des Hauses ein lauter Schrei ertönte, gefolgt von mehreren Stimmen, die wild durcheinander riefen.
Sirius spitze die Ohren und erkannte ganz deutlich die hohe, piepsende Stimme Petunias, gefolgt von einem Donnern, der wohl ihrem Mann gehörte.
Jemand rannte, und plötzlich wurde die Tür aufgestoßen. Sirius sprang gerade noch rechtzeitig hinter einen Fliederbusch, bevor eine Gestalt in der Tür erschien.
Die Gestalt war auffallend dünn und schleppte anscheinend etwas sehr schweres mit sich herum. Als
sie an der nächsten Straßenlaterne vorbeiging, fiel das Licht einen Augenblick lang auf die schwarzen Haare, die wild in alle Richtungen standen, und ein blasses Gesicht erschien in der Dunkelheit, aus dem zwei smaragtgrüne Augen leuchteten.
- James...., hauchte Sirius, doch brachte er nur ein jämmerliches Jaulen zustande.
- KOMM SOFORT ZURÜCK UND HOL MARGE WIEDER RUNTER!, donnerte es ihm aus dem Haus nach, doch Harry Potter - denn die kleine Gestalt war zweifellos James Potters Sohn - hatte zu rennen begonnen, so schnell es ihm seine schwere Last erlaubte.
Sirius huschte ihm geräuschlos hinterher, im Schatten bleibend.
Harry bog immer wieder um die Ecke, und Sirius mußte darauf achten, ihn nicht aus den Augen zu verlieren.
Vor einer Garagenauffahrt blieb Harry schließlich stehen, legte den den leeren Käfig, den er unter dem Arm trug auf den Boden und setzte sich neben seinen Koffer auf den Boden.
Sirius schlich näher an ihn heran und verbarg sich hinter einem Busch. Er hörte, wie Harrys Keuchen leiser wurde, bis er schließlich zu überlegen schien, dann seinen Koffer öffnete und etwas suchte.
Auf einmal bewegte er sich nicht mehr. Sirius reckte den Hals, um besser sehen zu können. Harry hatte sich in seine Richtung gedreht und hielt etwas in seiner Hand, daß aussah wie ein alter Stecken: Sein Zauberstab.
- Lumos, hörte Sirius ihn leise sagen.
Das Endes des Stabes begann plötzlich zu scheinen und erhellte die Stelle, an der er saß. Den Bruchteil einer Sekunde starrten Harry und Sirius sich gegenseitig an. Es gab nun keinen Zweifel mehr, daß Sirius gesehen worden war.
Harrys Augen weiteten sich vor Schreck. Er stand auf und ging einen Schritt zurück. Sirius zog schnell den Kopf wieder ein und rannte so schnell er konnte die Hecke entlang.
Hinter ihm vernahm er ein Gepolter, gefolgt von einem lauten Knall.
Es wird ihm doch nichts passiert sein! , dachte Sirius in Panik. Aus sicherer Entfernung sah er zurück an die Stelle, wo Harry vorhin noch gestanden hatte.
Harry stand wieder auf dem Gehweg, nur stand er dort nicht mehr allein. Er unterhielt sich mit einem anderen Jungen, der um einige Jahre älter zu sein schien als Harry und eine violette Uniform trug.
Hinter ihnen hatte ein breiter Bus gehalten, der auf den ersten Blick auf keinen Fall für ein Muggelfahrzeug gehalten werden konnte, denn auch der Bus war von leuchtend violetter Farbe.
"THE NIGHT BUS " , stand in großen, goldenen Buchstaben darauf.
Sirius atmete auf: Dieser Bus war als Notfalltaxi für Zauberer mit Transportschwierigkeiten gedacht.
Harry und der andere Junge luden gemeinsam das Gepäck in den Bus, und eine knappe Minute später erhob sich der Bus in die Luft und jagte Richtung Süden.
Die Straße wurde wieder still und dunkel, Sirius saß wieder allein im Schatten einer Hecke.
Lange sah er dem Bus nach, und wieder fiel ihm Harrys Gesicht wieder ein. Einen Augenblick hatte er daran glauben wollen, daß James wieder aufgetaucht war.
Sirius lächelte.
Harry hatte das gleiche wilde Haar wie sein Vater, die leuchtenden Augen aber hatte er von Lily. Als er an Lily dachte seufzte Sirius laut, was in Hundesprache als leises Wimmern hervorkam.
Sirius hatte ihn endlich wiedergesehen, und jetzt war er um so besorgter um sein Patenkind. Er versprach sich, für Harry da zu sein und aus einiger Entfernung auf ihn aufzupaßen.
Um das zu schaffen mußte er jedoch nach Hogwarts, und auch in Hogwarts suchte man ihn. Er würde sich also in die Höhle des Löwen begeben, doch Sirius wollte dieses Risiko nun umso mehr auf sich nehmen.
In Azkaban hatte er nach einem Grund gesucht, um weiterzuleben, und diesen Grund hatte er jetzt gefunden: Er wollte den letzten Potter beschützen, James Potters Sohn sollte leben!
Mit diesem Gedanken sprang Sirius wieder auf die Beine und lief so schnell er konnte in Richtung London....in die Höhle des Löwen.
