ANMERKUNG: Ich hasse Disclaimer *G*
KAPITEL 3 - Padfoots Rückkehr
An die nächsten Tage konnte sich Sirius später nur noch verschwommen erinnern. Einen guten Teil des Weges nach London hatte es wie aus Eimern gegoßen, sodaß das dichte schwarze Hundefell an Sirius' Körper klebte wie Gummi. Auch war es ein tägliches Überlebenstraining, sich etwas zu Essen zu besorgen. Doch als er London am dritten Abend endlich erreichte, machten es ihm die Menschen in der Stadt bei seiner Nahrungssuche sehr viel einfacher.
Ein paar Mal hatten ihm Kinder ein Stück Wurst, Schinken oder Brot abgegeben, und Sirius hatte sich von ihnen streicheln lassen.
Die letzten Augusttage verbrachte Sirius überwiegend im Bahnhofsgebäude, wo er es halbwegs bequem hatte, und außerdem immer wieder auf Reisende stieß, die Mitleid mit dem streunenden Hund hatten und ihm etwas abgaben.
In diesen Tagen hatte Sirius Zeit, über die Zukunft nachzudenken. Vor allem in den frühen Morgenstunden, an denen sich die Reisenden seltener machten, lag er unter einer Bank und überlegte, was nun zu machen sei. Es gab Momente, an denen er fest davon überzeugt war, einen riesigen Fehler zu machen, doch gleich darauf fielen ihm James' weit aufgerissene Augen wieder ein, und er wußte dann, daß er seinem Freund etwas schuldig war.
Er dachte auch viel an Harry und schmiedete Pläne, wie er unbemerkt in Hogwarts eindringen und Peter töten könnte. Wie er allerdings aus Hogwarts wieder hinaus gelangen konnte, war Sirius im Augenblick herzlich egal. Zwar fürchtete er nach wie vor die Dementoren, doch sein Haß auf Peter war stärker. Manchmal kam ihm die verrückte Idee, daß Harry ihm Glauben würde, wenn er ihm die ganze Wahrheit erzählte.
Dann schüttelte er nur den Kopf: Harry würde ihm nicht glauben. Warum sollte er auch? Er, Sirius Black, war einer der meist gesuchten Schwerverbrecher der letzten Jahre, also nicht gerade eine Person, der man glauben kann.
Sirius schloß die Augen und döste vor sich hin. Das Geräusch eines vorbeiratternden Zuges ließ ihn die Ohren spitzen. Das mußte der Expreß nach Rom sein. Es war also 22 Uhr 46.
Am Morgen des ersten Septembers wachte Sirius sehr früh auf. Er versuchte zwar, noch ein paar Stunden zu schlafen, doch die Aufregung ließ ihm keine Ruhe. Als er nicht mehr still halten konnte, sprang er auf die Beine und machte einen Rundgang durch den Bahnhof. An einem Kaffeestand, welches gerade öffnete, machte er Halt. Hier kannte man den schwarzen Hund inzwischen, und der dicke Bob, der Besitzer, mochte Hunde über alles.
- Guten Morgen, mein Großer, du bist heute aber früh dran!
Sirius setzte sich vor seine Füße und sah zu ihm hoch.
- Warte, ich finde sicher etwas für dich.
Bob wendete sich ab und holte ein Wurstbrötchen raus einer Glasvitrine. Sirius war indessen auf und ab gegangen, vor Aufregung konnte er einfach nicht länger still halten. Bob schien es bemerkt zu haben.
- Na was ist denn heute mir dir los? Hast du etwas besonderes vor?
Ohne nachzudenken nickte Sirius.
Bob sah ihn mit erhobenen Brauen an.
- Weißt du, manchmal bist du mir nicht ganz geheuer, sagte er und reichte Sirius das Brötchen.
Der setzte sich hin und verspeiste sein Frühstück im Eiltempo. Dann strich er dem freundlichen Muggel noch einmal dankbar um die Beine und trottete davon.
- He!, reif Bob ihm nach.
Sirius drehte sich um.
- Viel Glück, mein Großer!
Sirius bellte kurz und verschwand um die Ecke. Bob sah ihm eine Weile kopfschüttelnd nach.
- Ein merkwürdiger Hund, sagte er schließlich, bevor er sich wieder an die Arbeit machte.
Um Punkt acht Uhr stand Sirius vor der Schranke, einem geheimen Tor zwischen der Muggelwelt und der Zauberwelt. Hier war er schon als Junge jedes Jahr durchgegangen, als er zusammen mit seinen Freunden zurück nach Hogwarts ging. Zwischen den Gleisen neun und zehn lag das geheime Gleis neun-dreiviertel, auf dem der Hogwarts Express fuhr.
Jedes Jahr nahmen die Schüler diesen Zug, um die lange Reise nach Hogwarts anzutreten. An diesem Tag mußte man ganz besonders vorsichtig sein, daß die Muggel, die im Bahnhof auf und ab gingen, von dem Verschwinden ganzer Schülergruppen nichts merkten. Früher hatte es ihm immer besonderen Spaß gemacht, die anscheinend so feste Schranke einfach zu durchqueren. Dieses Gefühl hatte ihm beim ersten Mal so sehr gefallen, daß er den Vorgang ganze fünfzehn Mal wiederholt hatte, bis ihn seine Mutter, Amanda Black, beim sechzehnten Mal erwischt und ausgeschimpft hatte.
- Der Muggelschaffner auf der anderen Seite guckt schon sehr mißtrauisch!, hatte sie ihrem Sohn gesagt.
Keine zwei Meter von ihm und seiner Mutter stand ein anderer Junge, ewta in seinem Alter, der ebenfalls eine Standpauke von seinem Vater einstecken mußte.
- Also ehrlich, James! Wie konntest du das dem armen Jungen antun! Du weißt doch, daß feuchte Kracher in der Muggelwelt verboten sind!
Der Junge mit dem wirren, schwarzen Haar schob schmollend die Unterlippe vor und sah auf die Seite. Sein Blick traf zum ersten Mal den von Sirius.
Sirius seufzte laut (so gut ein Hund eben seufzen kann), als er sich daran erinnerte, wie er James zum ersten Mal auf dem Bahnsteig angesehen hatte. Die beiden hatten sich angegrinst. Dies sollte der Anfang einer langen Freundschaft werden. In ihrem Abteil trafen sie später auf einen anderen, dunkelblonden Jungen: Einem gewissen Remus Lupin.
Die drei Jungs begannen, miteinander zu sprechen, und freundeten sich sehr schnell an. Nach etwa einer Stunde Fahrt hatten sie auf dem Gang lautes Schreien gehört.
Remus, James und Sirius stürtzen nach drußen und duckten sich gerade noch rechtzeitig, um nicht von einer vorbeifliegenden Unterhose getroffen zu werden.
Ein Koffer lag offen auf dem Gang, der gesamte Inhalt war auf dem Boden verstreut. Ein kleiner, etwas pummeliger Junge mühte sich damit ab, seine Sachen wieder aufzusammeln, doch das ohne großen Erfolg. Vor ihm standen drei größere Jungen und hatten sichtlich ihren Spaß daran, mehrere Kleidungsstücke durch die Luft sausen zu lassen.
- Komm schon, Fettkloß, höher!, jauchzte der eine Junge, der weißblondes Haar hatte und zynisch lächelte.
Sirius, Remus und James machten einen Schritt nach vorne.
- Laßt das!, schrie James wütend.
Die Socken und Schuhe, die gerade einen Sturzflug hinlegten, stützten auf die Erde, als die drei Jungs im Gang auf James aufmerksam wurden.
- Ihr solltet euch lieber verziehen, flüsterte der hellblonde Junge mit einem drohenden Unterton, sonst lassen wir EUCH fliegen.
Der kleine dicke Junge war unterdessen beschäftigt, seine Sachen hastig aufzusammeln und in den Koffer zu stopfen. Der blonde Junge hielt ihn auf, indem er auf den Koffer trat, so daß der Kleine seine Hand gerade noch rechtzeitig zurückziehen konnte.
- Hörst du schwer? Du sollst es LASSEN, sagte Sirius laut.
Der andere nahm den Fuß vom Koffer und schritt auf Sirius zu. Seine beiden Begleiter kamen ebenfalls dazu. Sirius mußte erkennen, daß der Bengel auf der rechten Seite einen guten Kopf größer war als er selbst.
- Ihr Kleinen solltet lieber vorsichtig sein, bevor euch noch etwas passiert, sagte der hellblonde Junge drohend. Ich bin Lucius Malfoy, und dies sind Rosier (er deutete auf einen dürren, braunhaarigen Jungen zu seiner linken, der große Ähnlichkeit mit einem Maulwurf hatte) und Macnair (ein riesiger Muskelprotz von mindestens ein Meter achtzig).
- Wie angehm, murmelte Sirius.
- Ihr solltet euch gut an diese Namen erinnern, wenn ihr keinen Ärger haben wollt, sagte Malfoy drohend.
James ballte die Fäuste.
- Ach wirklich? Und du glaubst doch nicht etwa, daß du und deine idiotischen Freunde uns Angst machen, oder?
Malfoy zog die Augenbrauen zusammen, sodaß seine eisblauen Augen zu blitzen schienen.
- Paß auf, was du sagst, Kleiner.
- Ich heiße James Potter, und das sind Sirius Black und Remus Lupin. Ihr braucht euch allerdings nicht an diese Namen zu erinnern, falls es euch schwer ist!
Der riesige Macnair machte einen Schritt auf James zu und packte ihn am Kragen. Sirius ging dazwischen, doch Malfoy hatte seinen Zauberstab schon auf ihn gerichtet.
- Jetzt zeig mal, was du drauf hast, sagte er grinsend.
Remus kam Sirius zu Hilfe und holte seinen eigenen Zauberstab heraus.
Gerade als Malfoy einen Formel sprechen wollte, hörte er ein ratterndes Geräusch, daß schnell näher kam: Es war die spindeldürre Hexe, die mit ihrem kleinen Wagen vor jedem Abteil hielt und Süßigkeiten verkaufte.
Malfoy funkelte Sirius, Remus und James boshaft an. Dann ließ er seinen Zauberstab sinken und ging ein paar Schritte zurück.
- Wir sehen uns noch, versprach er, bevor er sich umdrehte und auf dem Gang verschwand.
Macnair und Rosier folgten ihm.
- Alles in Ordnung, Jungs?, fragte die Hexe.
- Alles bestens, antwortete James und strich sein Hemd wieder glatt. Es ist nur ein Koffer umgefallen.
Während Sirius und James dem rundlichen Jungen halfen, seine Sachen wieder in den Koffer zu zwängen, kaufte Remus eine ordentliche Ladung Süßigkeiten, die er zurück ins Abteil brachte.
- Komm am besten in unser Abteil, schlug James dem kleinen Jungen vor, dessen Gesicht vor Scham und Tränen rot angelaufen war. Er nickte stumm und ging hinter James und Sirius her, die seinen Koffer schleppten.
- Mach dir keine Gedanken, das sind nur Idioten, sagte Remus aufmunternd und reichte eine Packung Cauldron Kuchen in die Runde.
Der pummelige Junge nickte heftig und griff nach einem Kuchen.
- Ich wollte doch nicht...ich wollte ihm wirklich nicht auf den Fuß treten!
- Ich würde es sehr gern, murrte Sirius und streckte die Beine aus.
James sah den fremden Jungen teilnahmsvoll an.
- Geht es wieder?
Dieser nickte schnell und schluckte seinen Kuchen hinunter.
- Ja.....übrigens...danke.
- Das geht schon in Ordnung, sagte Remus lachend und reichte die Packung ein zweites Mal umher. - - Bist du auch neu?
Der wasserblauen Augen des rundlichen Jungen strahlten.
- Oh ja! Ich fange dieses Jahr an! Ich möchte einmal ein mächtiger Zauberer werden!
Sirius grinste und biß in seinen Kuchen.
- Da bist du in Hogwarts sicher richtig, sagte James nickend, ich habe mich auch schon sehr darauf gefreut. Mein Vater hat mir schon so viel davon erzählt. Ich bin übrigens James, der freundliche Kuchenspender da ist Remus, und der mit der unmöglichen Frisur ist Sirius.
- He!, rief Sirius und verschluckte sich fast, DEINE Frisur ist aber auch nicht ohne!
James lachte und fuhr sich durch das wirre Haar, und Sirius schüttelte den Kopf, sodaß seine schulterlangen Haare um ihn herumflogen.
- Schneide sie dir endlich ab!, äffte Sirius seiner Mutter nach.
Die drei Jungs lachten, und der Kleine strahlte über das ganze Gesicht.
- Ich bin Peter. Peter Pettigrew.
- Na dann, willkommen, Peter, sagte James lächelnd.
Sirius starrte gedankenverloren auf die Schranke, noch immer in seine Erinnerungen versunken. Jetzt wünschte er sich, die Abteiltür vor Peters Nase zugeknallt zu haben. Vielleicht hätte er Lucius Malfoy sogar die Hand dafür geschüttelt, daß er Peter so behandelt hatte.
Doch über das Geschehene nachzudenken erschien ihm nicht mehr sehr sinnvoll.
Er nahm all seinen Mut zusammen, stand langsam auf und trottete auf die Schranke zu. Nach einem letzten Blick nach links und rechts schloß er die Augen und durchquerte das geheime Tor. Dieses kribbelnde Gefühl hatte er seit Jahren nicht mehr verspührt, und wieder kamen ihm unzählige Erinnerungen an seine Schulzeit.
Als er die Augen wieder öffnete befand er sich auf dem Gleis neun-dreiviertel, sein Blick fiel sofort auf die leutend rote Lokomotive des Hogwarts Express, die immer wieder kleine Dampfwolken ausstieß. Das Gleis war noch ziemlich Menschenleer, da der Zug erst in mehreren Stunden losfahren würde. Sirius hatte seine Idee so einkalkuliert, daß er sich vor Ankunft der Schüler in den Zug schleichen würde. Doch als er in die Nähe der Wagen kam, wurde ihm klar, daß Türen und Fenster noch verschloßen waren, und daß es keine Hoffnung gab, sie irgendwie zu öffnen.
Sirius hatte nun keine andere Wahl, als sich unter dem Zug zu verstecken.
Er rutschte unter dem Wagen hinunter auf die Gleise, und machte sich so platt wie möglich. Es war ihm zwar nicht ganz wohl unter dem Zug, doch dieses Versteck war bestimmt sicherer als irgendwo zwischen dem Gepäck auf dem Bahnsteig. Zwar wußten nur sehr wenige Menschen von seinem Geheimnis, doch er wollte auch als Hund kein Risiko eingehen.
Sirius saß da und zählte die Minuten, die unendlich langsam zu verstreichen schienen. Nach einer Weile kamen die ersten Schüler an, zusammen mit ihren Eltern, ihren Koffern und in vielen Fällen mit ihren Haustieren, die in breiten Käfigen saßen und darauf warteten, im Zug hinausgelassen zu werden. Von überall kamen Stimmen, viele Schüler riefen durcheinander, rannten aufeinander zu und umarmtem sich, als sie in der Menge ein bekanntes Gesicht erkannten.
Ein Bahnangestellte öffnete die Wagentüren, und sofort stürmten etliche Füße die Stufen hinauf in den Zug. Sirius hörte, wie es über seinem Kopf rumpelte und stampfte, er hörte lautes Lachen und lebewohl Rufe, die Eltern ihren Kindern zuriefen. Von seinem Platz aus konnte Sirius das Geschehen auf dem Bahnsteig gut beobachten, und immer wieder wanderte sein Blick zur der Schranke zwischen den beiden Welten. Er wartete darauf, Harry noch einmal zu sehen, bevor er sich in den Zug schleichen würde. Harrys Gesicht würde ihm bestimmt Mut machen, es würde ihn an seine Zeit mit James erinnern.
Plötzlich erstarrten Sirius' Hundepfoten, als er in Richtung Schranke sah. Jemand hatte soeben den Bahnsteig betreten, doch es war nicht Harry.
Sirius brauchte eine Sekunde, bevor er den Mann erkannte, der jetzt langsam in seine Richtung schritt:
Sein Gang war deutlich langsamer geworden, doch das hing vielleicht daran, daß er einen Koffer in der rechten Hand trug, der ihm allen Anschein nach viel zu schwer war. Als er näher kam erkannte Sirius sein dunkelblondes Haar, in dem sich hier und da eine weiße Strähne befand. Seine blaugrünen Augen waren die gleichen geblieben, und auch das freundliche Lächeln, daß er einigen Bekannten zuwarf, hatte sich nicht verändert. Dennoch wirke sein Gesicht blaß und müde, und Sirius erkannte deutlich die dunklen Ringe unter den Augen. Sein Gewand war an mehreren Stellen geflickt worden, und seine ganze Erscheinung wirkte dadurch um Jahre gealtert.
Doch auch nach zwölf Jahren erkannte Sirius diesen Mann sofort wieder.
- REMUS! rief er, als Lupin in den letzten Wagen einstieg.
Sirius hörte ein lautes Jaulen, und ihm fiel wieder ein, in welcher Situation er sich befand. In jenem Moment hatte er alles vergessen, als er Remus erblickt hatte. Es war eine Mischung aus Erleichterung und Furcht gewesen, als sein alter Freund auf ihn zugegangen war. Wie gern wäre er aus seinem Versteck gesprungen, wäre auf ihn zugegangen und hätte ihm alles erklärt, doch in letzter Sekunde hatte sich Sirius zurückhalten können.
Er schloß die Augen und versuchte, sich wieder einigermaßen zu beruhigen.
Remus ist hier, er geht ebenfalls nach Hogwarts, Remus lebt...
Eine hohe Stimme ließ Sirius zusammenzucken.
- Harry! Hey, Harry! Wo bleibst du?
Sirius sprang auf die Beine und stieß sich den Kopf. Im Gedanken stieß er einen Fluch aus und reckte den Hals.
Endlich sah er ihn:
Harry stand noch auf dem Bahnsteig, unweit von ihm, und redete mit einer rundlichen Frau mit roten Haaren, die Harry freundlich anlächelte. Eine ganze Schar rothaariger Kinder stand um ihn herum, und das Mädchen mit den langen braunen Haaren, die eben Harrys Namen gerufen hatte, stand an der Zugtür.
Harry winkte der Frau und ihrem Mann, der neben ihr stand, und kletterte in den Zug. Das Mädchen folgte ihm, ebenso die Gruppe von Kindern, alle mit feuerrotem Haar.
Sirius war so damit beschäftigt, Harry von oben bis unten anzusehen, daß er zusammenzuckte, als der Zug plötzlich einen Ruck gab. Er konnte seine rechte Forderpfote gerade noch vom Gleis nehmen, ehe der Zug darauf rollte.
Die letzten Nachzügler stürmten in Richtung Zug und kletterten hinein.
JETZT! , dachte Sirius, sprang mit einem Satz unter dem Wagen hervor und flitzte wie ein schwarzer Blitz zwischen den Beinen eines blonden Mädchens hindurch in den Zug.
- Ieh!, rief diese entsetzt, als Sirius' Fell ihr die Beine entlangstrich. Percy! Was war das?
- Schon gut, Penelope, antwortete ihr der etwa siebzehnjährige Junge vor ihr (schon wieder einer mit rotem Haar!), ich bin ja da!
Hätte Sirius die Zeit zu grinsen gehabt, hätte er es sicher nicht versäumt, doch er konnte es sich nicht leisten, auch nur eine Minute an kostbarer Zeit zu verlieren. Schnell rannte er durch den Gang, immer an der Wand entlang und hoffte inständig, nicht erwischt zu werden.
Der Zug setzte sich ratternd in Bewegung und verließ das Gleis neun-dreiviertel.
Zu seinem Glück waren beinahe alle Schüler schon in ihren Abteilen, und so konnte er ungehindert weiterlaufen. Sirius wußte zwar noch nicht, wo er sich am besten verstecken konnte, doch er dachte zuerst daran, bis ans Zugende zu gelangen, wo sicher weniger Leute waren. Leise und unauffällig schlich Sirius den Gang entlang und vermied es, zu nahe an die Abteiltüren zu kommen. Als er den letzten Waggon durchquerte, blieb er doch ganz plötzlich vor einem Abteil stehen. Leise öffnete er die Tür, die zum Glück nur angelehnt war, mit der Pfote einen Spalt breit und sah durch die Öffnung.
Das Abteil war fast leer, nur eine einzige Person saß an einem Fensterplatz und schien tief zu schlafen.
Die Person war Remus.
Sirius saß da und blickte Remus an. Sein erster Eindruck auf dem Bahnsteig hatte ihn nicht getäuscht: Remus sah krank und blaß aus. Sein Haar wirkte weißer denn je, und er sah aus, als könnte ein einziger Fluch ihn zu Boden bringen.
Sirius wurde abwechselnd heiß und kalt, er wußte nicht, was er tun, denken oder fühlen sollte. Vor ihm saß einer seiner besten Freunde, den er seit über einem Jahrzehnt nicht gesehen hatte. Aber dieser Freund hielt ihn für einen Mörder und einen Verräter.
Aber vielleicht würde er es schaffen, mit ihm zu reden und ihm endlich, endlich, die ganze Wahrheit zu sagen. Vielleicht würde er ihm dann bei seiner Jagt auf Peter helfen.
Sirius stand auf und machte einen Schritt auf Remus zu. Dann zögerte er. Sollte er ihn wirklich wecken? Und was wäre, wenn Remus ihm nicht glaubt? Dann würde er zurück nach Azkaben gebracht werden. Sirius' Tatze erstarrte. Nein...nicht Azkaban, eher würde er sich vor den Zug werfen.
Sollte er dieses Risiko eingehen?
....Doch plötzlich, noch während er zögerte, hörte ein mehrere Stimmen, die schnell näher kamen.
- Verschwinde, Ginny.
- Oh, wie reizend!
- Probieren wir es hinten, vielleicht ist da noch was frei.
Diese Stimmte gehörte dem braunhaarigen Mädchen von vorhin, die allem Anschein nach eine von Harrys Freunden war.
- Nicht so schnell, Hermine!, hörte er Harry rufen.
Bevor Sirius begriff, was er getan hatte, war er schon den Gang entlang gerannt und hatte sich hinter einem Koffer versteckt, der noch auf dem Gang stand. Es war keine Minute zu früh.
Drei Hogwarts Schüler, noch in Muggelkleidung, kamen den Gang entlang gelaufen, jeder mit einem schweren Koffer. Sirius erkannte das Mädchen, Hermine, gefolgt von Harry und einem anderen Jungen mit leuchtend rotem Haar.
Die drei blieben von Remus' Abteil stehen und zögerten. Schließlich betrtaten sie das Abteil und schloßen die Tür hinter sich.
Sirius kam aus seinem Versteck und atmete auf. Solange er in Remus' Nähe war, konnte Harry nichts passieren. Dann mußte er jetzt an seine eigene Sicherheit denken. Er sah sich am Ende des Waggons um und entdeckte eine kleine Falltür, hinter der sich ein paar Lappen und eine Flasche Mrs. Skowters' Allsweg Reiniger befand. Sirius machte sich so dünn wie möglich (was bei seinem mageren Körper kein allzu großes Problem darstellte) und rutschte in die Öffnung. Die Kammer dahinter war wirklich sehr klein, und der halbe Inhalt der Flasche Mrs. Skowters Allsweg Reiniger ergoß sich über Sirius' Fell, was ihm ein starker Lavendelgeruch in die Nase stieß.
Sirius gab sich alle Mühe, nicht zu husten und möglichst still zu liegen.
Nach einer Weile hatte er sich an seine unbequeme Lage gewöhnt, und hatte nun wieder alle Zeit, um gründlich über die letzten Ereignisse nachzudenken.
Er fragte sich, warum er gezögert hatte, und ob es nicht besser gewesen wäre, wenn er Remus sofort geweckt hätte. Dann dachte er an Remus selbst, wie müde und gealtert er ausgesehen hatte. Er wußte, daß Remus schon immer kränklich ausgesehen hatte, vor allem nach Vollmondnächten, doch dieses Mal war es schlimmer der je. Sirius fragte sich, wie es ihm in diesen zwölf Jahren ergangen war, ob er jemals auch nur an ihn gedacht hatte, ob er nachts noch von James träumte, ob seine Lyncatrophie noch schlimmer geworden war, ob er sich fragte, wo was aus ihm werden sollte, ob er sich genauso schuldig fühlte wie er, Sirius, es selbst tat.
Mit diesen Gedanken mußte Sirius eingeschlafen sein, als ein plötzlicher Ruck ihn unsanft weckte. Er wollte sich aufrichten, doch konnte er sich in der winzigen Kammer kaum bewegen. Inzwischen schien es draußen dunkel geworden zu sein, und in der engen Kammer war es noch schwarzer als vorher. Im ganzen Zug schien kein einziges Licht zu funktionieren, ein starker Regen trommelte gegen die Fenster.
Sirius' Hundeblick konnte gut im Dunkeln sehen, doch es war weit und breit nichts zu erkennen. Vorsichtig spähte er nach draußen, doch der Gang war leer. Als er die Ohren spitzte, hörte er das ängstliche Flüstern einiger Schüler. Irgend etwas sagte Sirius, daß da etwas nicht stimmen konnte. Der Hogwarts Express war seit seiner Schulzeit nicht schneller geworden, und es war noch viel zu früh, um schon in Hogwarts zu sein.
Gerade überlegte sich Sirius, ob er nach draußen schleichen sollte um nachzusehen, als ihm eine plötzliche Kälte bis in die Knochen drang. Diese Kälte kannte er.
Sirius' Herz stoppte einen Augenblick lang, als er die dunkle Gestalt am Ende des Ganges erblickte.
Ein Dementor.
Sie hatten ihn also doch gefunden. Aus Azkaban kam es kein Entkommen. Der Dementor glitt den Gang entlang, langsam und drohend. Seine Gestalt schien alles Licht aufzusaugen, und im Zug wurde es dunkler denn je. Sirius kauerte sich zusammen und unterdrückte ein klägliches Heulen, daß aus ihm heraus wollte.
In diesen paar Wochen hatte er fast vergessen, wie kalt es wurde, wenn ein Dementor in der Nähe war, doch nun spührte er es wieder mit aller Gewalt. Sirius wurde auf einmal klar, daß er das nicht länger ertragen konnte. Er hatte schon zuviel Kraft dabei verloren, die Dementoren jahrelang abzuwehren. Dieses Mal konnte er nicht mehr kämpfen.
Er schloß die Augen und wartete darauf, daß der Dementor ihm am Kragen packte und herauszog.
Doch nichts passierte. Ihm war nach wie vor kalt, doch die Kälte schien nicht mehr näher zu kommen.
Vorsichtig spähte Sirius durch seine halb geschlossenen Augen. Der Dementor stand auf der Schwelle einer geöffneten Abteiltür. Sirius erstarrte, als ihm klar wurde, daß es Harrys Abteil war. Jetzt mußte er etwas tun, er konnte sein Patenkind nicht im Stich lassen.
Doch bevor Sirius es geschafft hatte, sich aus der Öffnung zu zwängen, hörte er einen wohlbekannte Stimme, die ihm durch das Dunkel entgegenhallte.
- Ihr habt hier nichts zu suchen! EXPECTO PATRONUM!
Ein grelles Licht kam aus der Abteiltür geschoßen, und der Dementor wich sofort zurück. Eine Sekunde später war er auf dem dunklen Gang verschwunden.
- Remus..., versuchte Sirius zu sagen, doch wieder jaulte er nur.
Es dauerte eine ganze Weile, bis er es schaffte, seine Beine wieder normal zu bewegen und sich zurück in die schmale Öffnung zu zwängen. Das Licht ging auf einmal wieder an, und das letzte bißchen Kälte entwich aus Sirius' Körper.
Dann hörte er, wie eine Abteiltür aufgestoßen wurde, dann ein leises Flüstern, gefolgt von Remus' Stimme.
- Ich muß mit dem Fahrer reden, entschuldigt mich.
Sirius erblickte Remus, der mit saurer Miene die Tür hinter sich schloß und den Gang entlang rauschte. Er schien wirklich wütend zu sein.
Sirius zog sich so eng wie möglich zusammen, vergrub den Kopf in den Pfoten und wartete. Die Angst beim Anblick des Dementos hatte ihn so gelähmt, daß er es wahrscheinlich nicht geschafft hätte, Harry zu helfen.
Die Idee, wieder zurück nach Azkaban gebracht zu werden, löste bei ihm blankes Entsetzen aus. Er wußte, daß er es jetzt nicht mehr schaffen würde, sich gegen die Macht der Dementoren zu wehren. Das hatte er schon viel zu lange gemacht, und seine Nerven waren am Ende.
Nur war es ihm bis jetzt noch nicht bewußt gewesen, bis dieser Dementor aufgetaucht war, und Sirius nichts anderes gespührt hatte als blanke Panik.
Er fragte sich nochmals, ob er den Mut gehabt hätte, Harry zu helfen, wenn Remus nicht zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen wäre.
Es war aber doch eine Erleichterung für Sirius, als er daran dachte, daß Remus in Harrys Nähe war und auf ihn aufpaßte. Nun verfolgten er und Remus zusammen das gleiche Ziel. Auch wenn Remus nichts davon wußte, arbeiteten die zwei früheren Marauders wieder zusammen.
Zusammen würden sie es schon fertigbringen, Harry zu schützen.
Es war etwa sieben Uhr Abends, als der Hogwarts Express endlich den kleinen Bahnhof von Hogsmeade erreichte. Sirius hörte zu, wie hunderte von Schritten an ihm vorbeigingen und verhallten. Die Schüler redeten und lachten, manche stießen einander und schrien nach ihren Freunden. Es dauerte lange, bis auch die letzten Schritte verhallt waren, und es im Zug wieder still wurde. Nach wie vor war der Regen zu hören.
Endlich wagte es Sirius, sich durch die Öffnung zu zwängen und sich erst einmal zu strecken. Seine Pfoten schmerzten, und er roch noch immer stark nach Lavendel. Als ihm seine Beine wieder halbwegs gehorchen wollten, steckte Sirius den Kopf aus der offenen Waggontür, überprüfte, daß niemand in seine Richtung sah und sprang aus dem Zug.
Schnell schlich er auf das Bahnhofsgebäude zu und blieb dicht an der Wand. Von überall her kamen die Stimmen der Schüler, die sich beeilten, einen Platz in einen der Pferdelosen Kutschen zu bekommen, die in langen Reihen vor dem Bahnhof standen.
Sirius war naß bis auf die Haut, doch er bewegte sich nicht und wartete, bis die Kutschen sich in Bewegung gesetzt hatten.
- Erstklässler bitte hier her!, ertönte eine laute Stimme, die Sirius ebenfalls kannte. Er wendete den Kopf in die Richtung.
Hagrid..., dachte er, als er den lachenden Riesen erkannte. Wieder fühlte Sirius sich seltsam leer und verstoßen. Wie gern wäre er jetzt zu Hagrid gegangen und hätte ihm alles erzählt. Er hatte ihn seit jener schrecklichen Halloweennacht nicht mehr gesehen.
Sirius senkte traurig den Kopf und ließ sich den Regen auf den Pelz fallen.
Nach und nach verklangen auch die Stimmen der letzten Schüler, und er war alleine auf dem Bahnhof. Er wartete noch weitere zehn Minuten, bis er sich langsam in Bewegung setzte und die Richtung zum Schloß einschlug.
Sirius senkte den Kopf, um gegen den Regen anzukommen, der sich in immer dichteren Strömen ergoß. Von weitem erspähte er manchmal einer der Kutschen, die den Weg entlang wanderten und wieder in der Dunkelheit verschwanden.
Dann, endlich, nach einem für Sirius endlosen Gang durch den Regen erkannte er die hellerleuchtete Silouette eines Schloßes: Hogwarts.
Sirius kam näher, doch schlug er nicht den Weg zum Schloß, sondern den zum Park ein, wo sich weiter hinten der verbotene Wald erstreckte.
Als er weit genug weg war, daß ihn keiner erblicken konnte, setzte er sich einfach auf den Boden und betrachtete das massive Bauwerk eine Weile.
Gerade kamen die neuen Schüler, geleitet von Hagird, den Weg vom See hinauf. Bald darauf waren sie durch das riesige Tor gegangen, wo einer nach dem anderen im Inneren der Schloßes verschwand.
Sirius sah zu, wie die letzte kleine Gestalt verschwand und das schwere Tor sich wie von Geisterhand wieder schloß.
Sirius saß nur da und starrte auf das Schloß, wo er einst sein zweites Zuhause gefunden hatte. Seit seiner Schulzeit hatte sich kaum etwas geändert, und jeder Turm, jede Ecke, jede Statue und jedes Licht in einem der Zimmer stecke voller Erinnerungen an bessere, längst vergangene Zeiten.
Das Verlangen, auf das Schloß zuzugehen und es endlich wieder zu betreten war so stark, daß Sirius all seine Vernunft brauchte, um sich davon abzuhalten. Nach all den Jahren in Azkaban hatte er nicht mehr daran geglaubt, diesen Ort je wiederzusehen.
Einen Moment lang nahm er wieder menschliche Gestalt an, stand auf und sah das Schloß, den Park und den See immer wieder an. Dann fuhr er sich mit beiden Händen über das nasse Gesicht und hielt die Tränen zurück.
Es dauerte lange, bis er es fertigbrachte, dem Schloß den Rücken zu kehren, sich wieder in einen großen schwarzen Hund zu verwandeln und an Hagrids Hütte vorbei in der Dunkelheit des verbotenen Waldes zu verschwinden
