Dies ist eine Fantasy-Lovestory mit Figuren aus Harry Potter.

Anmerkung: Diese Geschichte hat nichts mit den Büchern oder Filmen zu tun, sondern ist eine eigenständige Story.

Bitte keine Vergleiche zu den HP Büchern ziehen.

Autor: Ashahebsed

LUCIUS

Wie Perlen sind die Tränen deiner Huld.

Und sie sind kostbar, lösen jede Schuld.

Solange Menschen atmen, Augen seh'n,

So lang lebt Liebe, und heißt dich fortbestehen.

(Shakespeare)

Kapitel 1

Alles begann mit einem Unfall.

Genauer gesagt, einem Autounfall.

Lucius Malfoy und sein Sohn Draco waren auf dem Heimweg von einer Abendgesellschaft, die ihr guter Freund Severus Snape geben hatte.

Es war schon spät in der Nacht, das Wetter war stürmisch und regnerisch. Die vor Feuchtigkeit im Scheinwerferlicht glänzende Straße schlängelte sich schmal und recht kurvig durch die hügelige, stellenweise dicht bewaldete Landschaft.

Bis Malfoy Manor war es noch ein gutes Stück des Wegs durch eine fast menschenleere Gegend.

Die Gesellschaft war recht launig gewesen.

Lucius hatte sich gut unterhalten, sein Sohn jedoch war etwas missgestimmt, denn die Erwachsenen hatten ihm, nachdem die anfänglichen Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht waren, keine große Aufmerksamkeit mehr geschenkt und das war für einen Heranwachsenden, von sich selbst  überzeugten 14-Jährigen nur schwer zu ertragen.

Missmutig lümmelte er sich auf dem Rücksitz der geräumigen Limousine und spielte abwesend mit einem der Kissen.

Sein Vater saß ihm gegenüber und schenkte ihm ab und zu einen Blick.

Lucius war in Gedanken versunken.

Plötzlich quietschen die Reifen, es gab einen dumpfen Aufprall und der Wagen kam schlingernd zum Stehen. Lucius und Draco wurden sehr unsanft aus ihren Gedanken gerissen und im Wagen herumgeschleudert.

„Was zum Teufel ist da los?" knurrte Lucius, nachdem er seine Gliedmaßen sortiert und sich aus den Falten seines Umhangs befreit hatte.

„Bist du in Ordnung Draco" fügte er nach einen kurzen Moment hinzu.

„Ja Vater" zischte Draco, dem nicht entgangen war, dass sein Vater eher an der Ursache des plötzlichen Halts interessiert war, als am Wohlergehen seines Sohnes.

Und er sah seinen Verdacht bestätigt als sein Vater ohne ein weiteres Wort ausstieg um nach dem Zustand des Wagens zu sehen und mit James dem Fahrer ein ernstes Wort zu wechseln.

Mit einem Unmutslaut ließ sich Draco wieder zurück auf den Sitz plumpsen und schmollte. Nach einem kurzen Augenblick jedoch siegte seine Neugier und er stieg ebenfalls aus dem Auto.

James und sein Vater standen diskutierend vorne am Auto.

„...wie konnte das passieren?" hörte er seinen Vater fragen.

„Ich weis es nicht Sir. Sie war auf einmal da. Erschien plötzlich aus den Nichts" stotterte James mit schreckensblassem Gesicht.

Sie? fragte sich Draco. Was war hier los? Er trat neugierig näher.

Und dann sah er sie.

Den Grund, der das Schicksal der Malfoy-Familie für immer verändern sollte.

Draco grämte sich in späteren Jahren immer wieder mit der Gewissheit, dass, wenn er gewusst hätte, was durch diesen unglückseligen Unfall passieren würde, er hätte alles dafür gegeben, es zu verhindern.

Doch der Strudel der Ereignisse begann bereits in diesem Augenblick, die gewohnten Bahnen der Malfyos durcheinander zu bringen, obwohl weder Vater noch Sohn sich dessen in diesem Moment bewusst waren.

Und man kann die Vergangenheit leider nicht ungeschehen machen.

Selbst wenn man ein Zauberer ist.

So stand Draco nur wie ein dummer Junge daneben und sah zu, wie sich sein Vater zu dem vermeintlichen Unfallopfer hinab beugte um sich zu vergewissern, ob sie noch lebte.

Sie war noch am Leben. Nur ohnmächtig. Die einzige sichtbare Verletzung war eine blutende Schramme an der Schläfe, die vermutlich durch den Aufprall auf der Straße verursacht worden war.

Das Blut färbe ihr nasses, schmutziges, blondes Haar, das ihr am Kopf klebte. Sie war noch jung, vielleicht Anfang Zwanzig. Das konnte man auch im diffusen Licht der Scheinwerfer und trotz ihrer unordentlichen Kleidung erkennen.

Lucius beugte sich nieder und strich einige der nassen Haarsträhnen zurück, die ihr ins Gesicht gefallen waren und es halb bedeckt hatten. Dabei berühren seine Finger kurz ihre Haut und er zuckte leicht zusammen.

Was hatte er da gerade eben verspürt? Von diesem Mädchen ging eine eigentümliche Macht aus die ihm vage vertraut vorkam. Keine Macht die Zauberern innewohnte. Die kannte er gut, denn er war selbst ein mächtiger Magier.

Nein, was von ihr ausging war etwas völlig anderes. Etwas Unheimliches, Uraltes.

Er runzelte die Stirn.

Wie konnte das sein? Dieses Mädchen war kaum halb so alt wie er und doch umgab sie eine Aura von etwas Altem, beinahe Ewigem.

Ihm wurde bewusst, dass er vor vielen Jahren schon einmal etwas Derartiges gespürt hatte, konnte sich aber nicht mehr so recht an die Umstände erinnern.

Das war der Fluch eines ereignisreichen Lebens, grübelte Lucius. Man konnte sich beim besten Willen nicht alles merken.

Unzweifelhaft war für ihn jedoch die Tatsache, dass dieses Geschöpf hier vor ihm auf der Straße kein gewöhnlicher Muggel war. Es würde wahrscheinlich einige Zeit dauern und mit etwas Mühe verbunden sein, grübelte er. Aber dann traf er eine Entscheidung. Er war fest entschlossen, ihrem Geheimnis auf die Spur zu kommen.

Zeit dafür hatte er ohnehin genug.

Draco würde morgen wieder nach Hogwarts zurück kehren, das Haus wäre leer und er könnte sich der Sache fast uneingeschränkt widmen.

Der Schulrat belastete ihn zur Zeit glücklicherweise nicht mit besonders vielen Pflichten und auch im Ministerium vermissten sie ihn nicht sonderlich, wenn er hin und wieder für einige Zeit fern blieb.

„James, heben sie das Mädchen auf und legen Sie sie nach hinten auf die Rückbank" befahl er seinem Fahrer knapp.

„Jawohl Sir" antwortete James und tat wie ihm befohlen.

„WAS... du willst dieses dreckige Schlammblut auch noch mitnehmen Vater?" mischte sich Draco da ein.

„Sei still Draco. Ich habe meine Gründe" erwiderte Lucius etwas ungehalten.

Sein Sohn reizte ihn erheblich mit seinen lächerlichen Teenager-Launen.

„Aber...".

„Ich sagte du sollst den Mund halten" knurrte Lucius mit unheilvollem Blick.

Draco lief rot an im Gesicht.

Doch dann fing er sich. Es hatte keinen Zweck, sich mit seinem Vater anzulegen. Er zog doch nur immer den Kürzeren.

„Aber ich setze mich bestimmt nicht neben das Schlammblut. Ich fahre vorn bei James mit" zischte Draco, wirbelte herum, riss die Beifahrertür auf und ließ sich auf den Sitz fallen.

Die Tür wurde geräuschvoll zugeschlagen.

Mach was du willst, dachte Lucius. Ob du vorne bei James sitzt oder hinten bei dem Mädchen, neben einem Muggel sitzt du in jedem Fall.

Manchmal war sein Sohn in seinem Zorn so einfältig, dass es Lucius fast schon wieder belustigte.

Dracos Hass auf Muggel machte Lucius dennoch auch ein wenig stolz. Schließlich hatte er selbst wenig für sie übrig. Doch diesen blanken, blinden Hass auf Muggel hatte Draco von Narcissa geerbt, seiner Mutter.

Narcissas Familie war schon seit Jahrhunderten das, was man als reinblütig bezeichnen konnte. Das Haus Malfoy war ebenso reinblütig und auch bestimmt ebenso stolz darauf wie Narcissas Familie.

Narcissa jedoch übertrieb es in manchen Dingen. Das betraf ihren Umgang mit Muggeln –das Personal fürchtete sie mehr als die sieben biblischen Plagen- genauso wie ihre Selbstüberschätzung. Sie war zwar wunderschön, jedenfalls war sie es gewesen als Lucius sie geheiratet hatte, aber auch von einer nicht zu ertragenden Hochnäsigkeit.

Sie bildete sich viel zu viel auf ihre magischen Fähigkeiten ein. Es stimmte zwar, sie war eine der Besten ihres Jahrgangs in Hogwarts gewesen. Dies war, neben ihrem Aussehen, dass dem Malfoyschen Schönheitsideal am Nähesten kam, ein wichtiger Grund dafür gewesen, dass Lucius sie überhaupt als Mutter seiner Kinder in Betracht gezogen hatte. Schließlich musste die unvergleichliche Blutlinie der Malfoys aufrecht erhalten werden und das ging natürlich nicht mit einer minderwertigen Magierin. Nacrissas Können war zwar recht gut, doch sie war Lucius in dieser Hinsicht nicht ganz ebenbürtig. Und das ließ sie ihn immer wieder aufs Neue spüren. Vor allem in den letzen Jahren war dieser Kleinkrieg zwischen ihnen fast nicht mehr zu ertragen gewesen..

Lucius war zum wiederholten Male sehr froh, dass seine Frau es vorgezogen hatte, wieder zu Ihrer Familie zurück zu kehren.

Sie hatte ihn all zu oft durch ihre Blasiertheit beinahe in den Wahnsinn getrieben. Und sie hatte einen schlechten Einfluss auf Draco. Der wiederum vergötterte seine Mutter und verachtete seinen Vater immer mehr, je älter er wurde.

Lucius wusste das.

Doch er unternahm nichts dagegen.

Als sich Lucius anschickte, wieder in den Wagen zu steigen, fiel ihm kurz der mächtige, uralte Baum am Straßenrand auf. Es war eine Buche. Da es Frühling war hatten sich die faltigen Blätter gerade in einen zartgrünen Schimmer hervorgetan.

Er wunderte sich, dass ihm dieser Baum aufgefallen war. Es war doch ein Baum wie jeder andere auch hier.

Kopfschüttelnd stieg er in den Wagen und der Rest des Wegs verlief ohne weitere Zwischenfälle.

Nun hatte er endlich Zeit, seinen Gast etwas genauer in Augenschein zu nehmen.

Lucius betrachtete das immer noch ohnmächtige Mädchen, das ihm gegenüber auf der Bank lag.

Das Gesicht wies Schmutz- und Blutspuren auf und die Hände waren so dreckig, als hätte sie in der Erde gegraben. Die Kleidung, wenn man die Fetzen so nennen wollte, war ebenfalls schmutzig und auf den zweiten Blick für diese Gegend doch etwas ungewöhnlich.

Ihre Füße steckten in schweren, schwarzen Schnürstiefeln, wie sie Lara Croft sicherlich nicht verschmäht hätte.

Die Beine waren von grobmaschigen, schwarzen Netzstrümpfen umhüllt. Das kurze schwarze Kleid, das eher einem unförmigen Kittel ähnelte, bedeckte kaum die Hälfte ihrer Schenkel. Darüber trug sie einen alten, abgetragenen schwarzen Mantel, wie ihn ein Flussschiffer tragen würde. Sie war schlank, ihre Gliedmaßen wirkten zerbrechlich, die Haut hatte fast keinerlei Farbe. Und dazu diese platinblonden, unecht wirkenden Haare. Alles in Allem eine recht sonderbare Mixtur.

„Wer bist du?" fragte Lucius tonlos.

„Oder sollte ich besser fragen: was bist du?" ergänzte er.

Endlich zu Hause in Malfoy Manor angekommen ließ er das Mädchen in sein Arbeitszimmer bringen. Dort stand eine Chaisse-Lounge auf die man sie gelegt hatte. Dass sie dabei den teuren Stoff der Liege beschmutzte kümmerte Lucius in diesem Augenblick wenig. Narcissa würde sich fürchterlich über die Flecken auf dem Brokat aufregen. Doch Narcissa war zum Glück nicht da und auch Draco hatte sich schnurstracks schmollend auf sein Zimmer zurück gezogen.

Lucius hatte nach Martha der Haushälterin geschickt, die auch prompt mit Verbandszeug, heißen Wasser und anderen Utensilien erschienen war. Er hatte es sich, nachdem er sich seines Umhangs und Jackets entledigt hatte, in einem Ledersessel bequem gemacht und beobachtete nun Marthas Bemühungen, das Mädchen wieder ins Reich der Lebenden zurückzuholen.

Martha wischte ihr zuerst einmal den Schmutz und das Blut aus dem Gesicht. Darunter kamen milchweiße Haut und feine, ebenmäßige Gesichtszüge zum Vorschein.

Lucius ertappte sich bei der Frage, welche Farbe wohl ihre Augen haben würden.

Er musste nicht lange auf die Antwort warten.

Das heiße Wasser hatte wohl die Lebensgeister des Mädchens wieder erweckt, sie schlug die Augen auf und blickte orientierungslos in die Runde.

Ihre Augen hatten einen Grünton, wie ihn Lucius noch niemals zuvor erblickt hatte. Weder bei Magiern noch bei Menschen und auch nicht bei Tieren oder anderen Kreaturen.

Es schien fast so, als würden diese Augen ein Eigenleben führen. Man konnte meinen, sie würden jede Sekunde ihre Farbe wechseln. Als sie die Augen aufschlug waren sie dunkelgrün wie ein dichter Tannenwald. Dann veränderte sich die Farbe, wurde heller und goldene Punkte tauchten darin auf. Als er diesen Farbton sah, musste Lucius unwillkürlich an frische, junge Buchenblätter denken.

Dann verdunkelten sich ihre Augen wieder und erstrahlten in einem dunklen blaugrün.

Lucius riss sich mit einem Ruck von der Betrachtung los. Diese Augen hatten etwas hypnotisches an sich. Es erfasste einen ein unheilvoller Sog, wenn man zu lange hinein sah. Er beschloss, sich vorzusehen.

„Www..wo bin ich" flüsterte das Mädchen matt.

„Liebes du bist in..." weiter kam Martha nicht, denn Lucius hatte ihr mit einer Handbewegung Schweigen geboten.

„Das ist alles Martha. Lassen sie uns allein".

„Jawohl Sir". Mit diesen Worten verließ Martha schnell das Zimmer.

Immer noch etwas benommen versuchte sich das Mädchen aufzurichten. Schmerzvoll zuckte sie zusammen und hielt sich die Seite.

„Was haben Sie meine Liebe?„ fragte er liebenswürdig. Er beschloss, erst einmal höflich zu ein. Das andere konnte warten.

Sie wandte sich zu ihm um, offenbar überrascht, dass sich noch jemand im Zimmer befand.

„Ich..." begann sie. Doch sie verstummte abrupt als sie ihn genauer anblickte. Kurz blitzte Erschrecken in ihren Augen auf.

Oder war da noch etwas anderes?

Lucius dachte nicht weiter darüber nach. Er war sich seiner einschüchternden Wirkung auf andere sehr wohl bewusst. Das war wahrscheinlich auch der Grund für ihre Reaktion.

„Ich, ... wo bin ich?" fragte sie noch einmal.

„In meinem Haus" erwiderte er. Irgendetwas bewog ihn, ihr den Namen dieses Hauses noch nicht zu offenbaren.

„Was ist mit Ihnen?" fragte er sie nun seinerseits.

„Ich glaube, ich habe mir eine Rippe gebrochen" erwiderte sie.

„Ich kann mich aber nicht erinnern, wie das passiert ist".

„Es gab einen Unfall. Sie sind vor meinen Wagen gelaufen" erklärte er.

„Unfall? Welcher Wagen?" sie sah ihn völlig verwirrt an. Dann versuchte sie, tief Luft zu holen, unterließ es aber mit einem leisen Schmerzenslaut und atmete forthin so flach wie möglich.

„Darum kümmern wir uns später" erklärte Lucius und deutete auf Ihre Seite.

„Später?" fragte sie unsicher.

„Ja, später". Lucius musste sich eingestehen, dass er zuerst noch ein Zauberformelbuch aus seiner Schulzeit zu Rate ziehen musste, bevor er den Knochenbruch heilen konnte. Hogwarts war schon lange her und in den Jahren die folgten, hatte er nicht oft Gebrauch vom Wissen aus einem Semester ‚Heilende Magie' gemacht, das er während seiner Schulzeit absolviert hatte.

Bevor sie ihn mit weiteren Fragen bestürmen konnte beschloss er, das Frage-Antwortspiel umzudrehen und nun seinerseits ein paar Informationen aus ihr herauszuholen.

„Wie ist Ihr Name?" fragte er.

Immer noch etwas orientierungslos sah sie ihn an.

Dann schüttelte sie ein paar mal den Kopf.

Als sie wieder aufsah, war ihr Blick klar.

Und wachsam, wie Lucius bemerkte.

„Mein Name ist Yi Min" erwiderte sie. Ihre Stimme klang sehr melodisch. Ihr Tonfall war jedoch nicht einzuordnen.

„Yi Min? Ein ungewöhnlicher Name. Asiatisch?" fragte er. Die Frage war eigentlich rein rhetorisch denn ihre Gesichtszüge wiesen auf keinerlei asiatische Abstammung hin.

„Nein nicht asiatisch. Nur ungewöhnlich".

Es war eine Antwort. Jedoch keine Antwort die seine Neugierde befriedigte.

Lucius war überrascht. Trotz ihrer Verletzungen (die von Martha zwischenzeitlich verbundene Wunde an der Schläfe musste bestimmt mit heftigen Kopfschmerzen einher gehen) war ihr Geist hellwach und offenbar sehr argwöhnisch.

Es fiel ihm auf, dass sie gar nicht gefragt hatte, warum keine Polizei zum Unfallort gerufen worden war oder warum sie nicht in ein Krankenhaus gebracht wurde.

Wirklich ungewöhnlich. Und es bestätigte seinen Verdacht, dass sie ganz und gar kein gewöhnlicher Muggel war.

„Und?" fragte er ganz arglos und versuchte, vertrauenerweckend auszusehen. Was ihm jedoch nicht wirklich gelang, denn er kam nicht oft in die Verlegenheit, höflich und freundlich zu jemandem sein zu müssen.

So etwas wie Belustigung blitzte kurz in diesen unheimlichen, grünen Augen auf.

„Yi Min. Es bedeutet in meiner Sprache Die Katzenhafte" erklärte sie ein klein wenig gönnerhaft nach einer Pause.

„In Ihrer Sprache?" hakte er sofort nach, begierig auf vielleicht weitere unbedacht ausgeplauderte Informationen. Wenn er sie in ein unverfängliches Gespräch verwickeln konnte, würde es ihm wahrscheinlich gelingen, mehr aus ihr herauszuholen.

Doch sie ging auf seine Frage nicht ein sondern rieb sich mit einem Aufseufzen die müden Augen.

In einem Anfall von ungewohnter Mildtätigkeit beschloss Lucius, die Befragung für heute auszusetzen. Morgen war schließlich auch noch ein Tag.

„Oh ich bitte um Verzeihung. Ich hatte nicht bemerkt, wie schlecht Sie sich fühlen" sagte er rasch. Es klang heuchlerisch, dessen war er sich bewusst. Aber er war es wirklich nicht gewohnt, nett sein zu müssen.

„Ich werde Martha bitten, Sie in ihr Zimmer zu geleiten damit Sie sich ausruhen können" fügte er rasch hinzu, stand auf, ging zu dem Klingelzug an der Wand hinter einem Schreibtisch und schickte nach seiner Haushälterin.

Die ganze Zeit über ließ er aber seinen Gast nicht aus den Augen.

Yi Min hatte seine Worte mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis genommen. Etwas in Ihrer Haltung hatte sich jedoch verändert.

Sie kam ihm mit einem Mal etwas nervös vor. Es schien als wollte sie lieber so schnell wie nur irgend möglich von hier weg.

Nun, es spielte keine Rolle was sie wollte, denn er hatte nicht vor, sie in näherer Zukunft dieses Haus wieder verlassen zu lassen.

Wenige Augenblicke später war Martha wieder da, führte Yi Min hinaus und nach oben in den Gästetrakt.

Flüsternd hatte er Martha Anweisung gegeben, seinen Gast in das blaue Zimmer zu geleiten und dafür zu sorgen, dass der ganze Schmutz, der sich auf Yi Mins Haut, Haar und Kleidern verteilt hatte, verschwand.

Lucius verabscheute jegliche Art von Schmutz. Etwas missmutig starrte er auf die Flecken, die sein Gast auf der Liege hinterlassen hatte.

Da musste er sich eingestehen, dass er hier nun doch ein wenig wie Narcissa reagierte und schüttelte unwillig den Kopf.

Wofür hatte er schließlich Domestiken. Die Flecken würden verschwinden und wenn seine gesamte Dienerschaft den Rest der Nacht dafür brauchen würde.

Aber was kümmerte er sich um eine dreckige Liege wo es doch etwas viel Wichtigeres gab.

Er wandte sich dem Bücherregal zu, das die gesamte hintere Wand seines Arbeitszimmers in Anspruch nahm. Der Raum war sehr hoch. An die Bücher in den oberen Regalfächern gelangte man nur über eine Leiter.

Unschlüssig stand Lucius vor der Bücherwand.

Wo war doch gleich dieses verdammte Schulbuch? grübelte er. Nach einigem Suchen fand er es. Natürlich im obersten Fach.

Er ging zu seinem Schreibtisch zurück, setze sich und blätterte ungeduldig darin herum. Endlich fand er das gewünschte Kapitel und überflog den erforderlichen Zauberspruch.

Er lächelte kurz, klappte das Buch zu, stand auf und machte sich auf den Weg in den Gästeflügel.

To be continued...