Kapitel 9

Es vergingen einige Tage.

Lucius und Yi Min nahmen die Mahlzeiten gemeinsam ein und an den Nachmittagen leistete sie ihm, immer noch sichtlich widerwillig, in seinem Arbeitszimmer Gesellschaft.

Er hatte wirklich viel damit zu tun, diesen ganzen Ministeriums-Quatsch abzuarbeiten. Er hatte es viel zu lange vor sich her geschoben und jetzt brauchte er fast eine Woche um alles zu erledigen.

Yi Min und er hatten in dieser Zeit nicht viel miteinander gesprochen. Ihr lag nichts an einer Unterhaltung mit ihm und er hatte zu viel zu tun.

Die meiste Zeit über, wenn er arbeitete, verhielt sie sich recht ruhig. Sie saß im Sessel, drehte gelangweilt einige ihrer Haarsträhnen um die Finger und beobachtete ihn. Oder sie nahm sich ein Buch aus dem Regal und blätterte lustlos darin herum. Dann wieder stand sie am Fenster und ihr Blick war in weite Ferne gerichtet. Manchmal lief sie auch nur ziellos im Zimmer umher.

Yi Min war innerlich aufgewühlt. Die Begebenheit im Park war daran schuld.

Was fiel ihm ein, sie auf diese Art zu berühren?

Zuerst war sie voll Abscheu darüber gewesen. Doch dann verwandelte sich das Gefühl in etwas anderes.

Doch das konnte, durfte nicht sein.

Tashga'ahana war es strikt untersagt, Beziehungen mit Wesen aus einer anderen Dimension einzugehen. Das war Gesetz. So verlangte es die Tradition.

Das Blut musste rein bleiben.

Was hatte dieser Magier mit ihr angestellt? Dass sie sich mit einem Mal fragte, was an den Traditionen ihres Volkes denn so schützenswert sei, dass man dafür auf das eigene Vergnügen verzichten musste.

Yi Min wusste, hätte Begley von ihren Gedanken erfahren, der alte Wehrdrachen wäre glatt versteinert.

Sie musste bei diesem Gedanken lächeln.

Zu gerne hätte sie der ehrwürdigsten Ältesten Begley nochmals eins ausgewischt.

Lucius hatte einen wirklich schlechten Einfluss auf sie.

Sie wandte den Kopf um ihn anzusehen.

Er hatte sich in die Schriftstücke vor ihm auf den Tisch vertieft und eine Grüblerfalte lag zwischen seinen Augenbrauen.

Er trug heute ein schwarzes Hemd, hochgeschlossen mit Stehkragen der von einer silbernen Brosche gehalten wurde. Darüber eine ärmellose, dunkelrote Weste.

Dazu enge schwarze Hosen. Sein über-schulterlanges Haar hatte er mit einem schwarzen Brokatband im Nacken zusammengebunden, damit es ihm nicht in die Augen fiel.

Sie betrachtete ihn wohlgefällig.

Er war wirklich ein anziehender Mann.

Er las in einem Schriftstück, war hochkonzentriert und nahm nichts um ihn herum war.

Yi Min hatte bis jetzt müßig in ihrem Sessel gesessen und hatte lustlos mit einer Haarsträhne gespielt.

Doch nun trieben sie ihre Gedanken aus ihrer bequemen Sitzhaltung und ließen sie ruhelos im Zimmer auf und ab gehen.

Es bestand kein Zweifel daran, sie fühlte sich zu ihm hingezogen. Trotz allem, was er ihr angetan hatte und entgegen aller Vernunft und aller Gebote ihres Volkes.

Und zu allem Überfluss  war er auch noch ein gutes Stück jünger als sie, dachte sie belustigt. Normalerweise konnte sie mit jüngeren Männern nichts anfangen. Doch er war ja auch kein Tashga'ahana sondern ein Mensch, genauer gesagt, ein Magier.

In Murgat-Jahren gerechnet musste er jetzt wohl so um die 45 Jahre alt sein. Für dieses menschliche Alter hatte er sich gut gehalten. Er sah erheblich jünger aus, als er in Wirklichkeit war. Das lag an seinen ebenmäßigen Gesichtszügen und an seinem schlanken, sehnigen Körper.

Sie versuchte nachzurechnen. In Murgat-Jahren musste sie selbst so ungefähr 21 Jahre alt sein. Also fast halb so alt wie Lucius.

Tatsache war jedoch, dass in Hetohke'e, der Dimension aus der sie stammte, die Zeit anders verlief als hier in Aenoheso. In ihrer Dimension war sie bereits 105 Jahre alt und gehörte trotzdem noch zu den Heranwachsenden.

Baumelfen wurden mehrere hundert Jahre alt. Genauso wie die Bäume, von denen sie ihre Lebenskraft bezogen.

Wenn sie also bei ihm blieb, dann wäre ihnen nur ein kurzer Moment zusammen vergönnt, denn er würde sehr viel früher alt werden und sterben als sie.

Erschreckt stellte Yi Min fest, dass sie sich bereits Gedanken über eine gemeinsame Zukunft machte.

Das konnte doch alles nicht wahr sein.

Er musste sie verhext haben.

Doch insgeheim wusste sie, dass dem nicht so war.

Dass ihre Gefühle für ihn aus freiem Willen geboren waren. Sein Mut und seine Stärke zogen sie an wie ein Magnet.

Und sie konnte und wollte sich auch nicht dagegen sträuben.

Unschlüssig lief sie im Zimmer umher.

Sein Schreibtisch stand frei ihm Raum. Man konnte bequem darum herumgehen, selbst wenn Lucius in seinem Sessel dahinter saß.

Langsam näherte sie sich ihm.

Strich mit dem Finger an der äußeren Tischkante entlang.

Noch zwei Schritte, dann blieb sie halb hinter ihm stehen und blickte auf ihn hinab.

Er ließ sich nicht von ihr stören sondern las weiter in seinen Papieren.

Ein kleiner frecher Gedanke kam über Yi Min.

Als hätten ihre Finger ein Eigenleben entwickelt, hob sie eine Hand, knüpfte das Brokatband auf und löste sein Haar.

Zärtlich strichen ihre Finger über die weißen Strähnen. Sein Haar war wundervoll. Weich und duftig umrahmte es sein ausdrucksvolles Gesicht.

Sie konnte ihre Hände nicht davon lassen.

Er hatte das Schriftstück aus der Hand gelegt, als er ihre Finger an seinen Haaren spürte. Ansonsten rührte er sich nicht.

Er genoss ihre Berührung.

Dann, langsam und ganz vorsichtig hob er eine Hand, ergriff ihr Handgelenk, zog ihre Hand an seine Lippen und hauchte einen Kuss in ihre Handfläche.

Yi Min seufzte leise auf.

Sein Kuss auf ihre Handfläche hatte ihren letzten Widerstand gebrochen. Bei den Baumelfen war es eine sehr intime Handlung und Verliebten vorbehalten. Woher hatte er das wissen könnten? fragte sie sich.

Es konnte natürlich sein, dass er es auch einfach nur so getan hatte. Dass er nicht wusste was diese Geste für eine Tashgan bedeutete.

Nichts desto trotz verfehlte dieser Kuss nicht seine Wirkung auf Yi Min.

Ohne ihren Arm loszulassen erhob sich Lucius langsam aus seinem Sessel und wandte sich ihr zu.

Er sah sie an und versuchte den Ausdruck in ihren Augen zu deuten.

Ihre Augen waren jetzt smaragdgrün und glitzerten.

Ihr Mund war leicht geöffnet.

Sie sprachen kein Wort.

Das war auch gar nicht nötig.

Er hatte verstanden.

Langsam senkte er seinen Kopf und ihre Lippen trafen sich. Sie erwiderte seinen Kuss zuerst vorsichtig, dann fordernd.

Vorsichtig fasste er sie an der Taille und zog sie an sich. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken.

Der Kuss wurde leidenschaftlicher. Beide brannten nun vor Verlangen.

„Warte" flüsterte er heiser als sich ihre Münder wieder voneinander gelöst hatten.

Er drängte sie mit seinem Körper Richtung Tisch, hob sie hoch und setzte sie auf die Tischkante. Dabei fegte er sämtliche Gegenstände von der Tischplatte damit sie ihnen nicht ihm Weg waren.

Ihre Hände hatten sich in der Zwischenzeit nicht von ihm gelöst. Sie glitten über seine Schultern, wühlten in seinem offenen Haar und kehrten dann zurück nach vorne. Zittrig lösten ihre Finger die Brosche an seinem Hals und das Schmuckstück flog achtlos zur Seite. Seine Weste wurde hastig aufgeknöpft.

Dann packte sie den Stoff seines Hemds und riss es auf, dass die Knöpfe nur so in alle Richtungen spritzen.

Ihr Atem ging heiser und ihre Finger glitten fiebrig über seine Haut, streifen ihm Weste und Hemd herunter.

Die Begierde übermannte nun auch Lucius. Er brannte lichterloh.

Er packte ihren Nacken und küsste sie hart.

Dann glitten seine Lippen über ihr Kinn den Hals hinunter.

Yi Min erschauderte wohlig.

„Willst du mich?" flüsterte er.

„Ja" hauchte sie.

Seine Hände schoben ihr Kleid hoch und er drängte sich zwischen ihre Schenkel.

Schnell löste er die Knöpfe seiner Hose und drang machtvoll in sie ein.

Sie stöhnte laut auf.

Der Akt selbst war kurz und heftig. Sie waren beide zu erregt um sich Zeit lassen zu können.

Sie fielen übereinander her wie ausgehungerte Raubtiere.

Was sie auch waren.

Lucius hatte seit Narcissa's Weggehen zwar hin und wieder eine Affäre gehabt. Aber nichts war von Dauer und die letzte lag schon eine Weile zurück.

Yi Min beflügelte die Gier nach der neuen Erfahrung.

Obwohl sie noch so jung an Tashgan-Jahren war, hatte sie doch schon die reizvollen Aspekte der körperlichen Liebe kennen und schätzen gelernt.

Dennoch, das hier konnte man nicht mit dem Liebesakt der Baumelfen vergleichen. Das hier war um soviel machtvoller.

Der Höhepunkt kam für beide fast gleichzeitig.

Yi Min bäumte sich auf und krallte sich vor Lust in seinen Rücken.

Sie fügte Lucius dadurch Schmerz zu denn seine Wunden waren noch nicht wieder vollständig geheilt.

Doch anstatt es störend zu empfinden genoss er es.

Es passte zu ihrer wilden Vereinigung.

Und dann war es auch schon vorbei.

Mit geschlossenen Augen lag sie auf dem Tisch. Lucius ließ sich immer noch schwer atmend auf sie sinken.

So verharrten sie eine Weile bis sich ihrer beider Atem etwas verlangsamt hatte.

Langsam lösten sie sich voneinander.

Lucius ließ sich, immer noch nach Atem ringend, in seinen Sessel fallen.

Yi Min erhob sich mit fließenden Bewegungen und ließ sich von der Tischplatte gleiten. Elegant ließ sie sich auf dem Boden nieder.

Beide sprachen nicht, ließen sich jedoch nicht aus den Augen.

Es verging einige Zeit bevor einer von ihnen wieder im Stande war zu sprechen.

„Warum?" fragte Lucius sanft.

„Ich weis es nicht" lautete ihre Antwort.

In ihren unergründlichen, grünen Augen loderte es kurz auf. Ein wissendes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.

Sie erhob sich vom Boden, blieb jedoch auf den Knien, rutschte zu ihm hin und legte ihre Hände auf seine Schenkel.

Dabei sah sie ihm die ganze Zeit in die Augen.

Langsam glitten ihre Hände seine Schenkel hinauf bis zur Hüfte. Dort verharrten sie für einen Augenblick.

Dann wanderten ihre Finger weiter zur Mitte hin.

Er stöhnte auf und schloss die Augen.

Sie hatte ganz offensichtlich Gefallen daran gefunden und wollte mehr davon.

Doch bevor sie noch weiter gehen konnte, griff er nach ihren Händen.

„Was hälst du davon wenn wir nach oben gehen?" fragte er sie leise.

„Oben haben wir es viel bequemer als hier. Es sei denn du bevorzugst die Härte dieses Tischs. Aber ich bin ein alter Mann und habe es gerne etwas bequemer" fügte er noch hinzu.

Zuerst sah sie ihn überrascht an. Dann zuckten ihre Mundwinkel.

Sie konnte sich nicht länger beherrschen und lachte laut auf.

Lucius und alt? Das war einfach zu lächerlich.

„Warum lachst du?" fragte er sie schalkhaft. Er konnte sich auch kaum das Lachen verkneifen.

„Oh Lucius, ich bin viel älter als du. Wenn hier jemand etwas mehr Bequemlichkeit braucht dann ich" erwiderte sie lachend.

„Älter als ich? Yi Min das ist ein Scherz. Du bist vielleicht halb so alt wie ich" erwiderte er leicht überrascht.

„Oh nein mein Lieber, glaub mir. Ich bin älter als du. Viel älter" erklärte sie immer noch lachend.

„Wie meinst du das?" fragte er.

„Das erzähle ich dir ein anderes Mal. Jetzt haben wir besseres zu tun, würde ich meinen".

Mit diesen Worten erhob sie sich und zog auch ihn auf die Füße.

Ihre Arme umschlangen seine Mitte und ihre Lippen fanden die seinen.

Nun schlang auch er seine Arme um sie und zog sie näher an sich heran. Das Feuer loderte wieder auf in seinem Blut und die Fragen in seinem Kopf lösten sich in Rauch auf.

Als der Kuss endete, flüsterte sie „wie war das noch mal mit nach oben gehen?".

Er legte den Arm um sie und sie verließen das Zimmer.

Eng umschlungen stiegen sie die Treppe zu den Schlafgemächern empor.

In dieser Nacht liebten sie sich noch einige Male wild und leidenschaftlich.

Im Morgengrauen schliefen sie dann für eine kurze Weile ein.

To be continued...