Friseurbesuch des Grauens

Er reagiert ganz instinktiv. Jahre der Jagd haben ihn darauf vorbereitet achtsam zu sein und so stellen sich seine Nackenhaare schon beim ersten Klang der Sirenen auf. Sein Körper spannt sich an und sein Blick geht erneut nach oben in den Himmel, von dem es Asche regnet. Die Vögel flüchten alle in die gleiche Richtung und er beginnt zu rennen. Rennt ihnen hinterher, während die Sirenen unaufhörlich dröhnen. Es schallt in seinem Kopf. Durchzieht seinen Körper und mobilisiert alle Kräfte. Er weiß nicht wohin er rennt. Weiß nicht, ob es überhaupt Sinn ergibt, aber er weiß, dass er zu langsam ist, als die Dunkelheit über ihn hereinbricht und sich seine Umgebung beginnt zu verändern. Es ist als würde man der Welt die Haut abziehen. Als wäre dieser Ort ein lebendiger aber kranker Organismus, der verdammt ist zu sterben und Dean weiß das er nicht draußen auf den Straßen sein will um herauszufinden was als Nächstes passiert.

Das Dröhnen wird zu einem dumpfen Schlagen, als er seinen Körper gegen die Tür eines Friseursalons wirft um hineinzugelangen. Beim dritten Anlauf klappt es und er landet direkt in der Hölle. Einem Ort dem er hatte entfliehen wollen. Von dem er dachte das er ihm entkommen war und doch ist es wie ein nach Hause kommen. Der Boden löchriges und rostiges Metall, das einem ermöglicht, ins Angesicht der Höllenfeuer hinab in die lodernden Tiefen zu blicken. Die Wände feuchtes und schwarz verfaultes Fleisch, das, wenn es sich löste, nass auf den Boden schlug und einem den Magen umdrehen ließ. Der Geruch von Schwefel und verbrannten Körpern, verfault und verdorben kriecht er ihm in die Nase und schickt all die Erinnerungen zurück, die er hatte vergessen wollen.

Er ist in Gedanken wieder dort. Liegt schwer atmend auf dem Boden und blickt hinauf auf einen Stuhl, auf dem einst auch er selbst gesessen hat. Angekettet, verstümmelt und schwach um Gnade winselnd. Die Luft erfüllt von einem nassen Röcheln, als er versuchte nicht an seinem eigenen Blut zu ersticken und er weiß nicht woher es kommt. Ist er es der wieder brennt? Ist es seine Haut, die sich Schicht um Schicht löst? Er, der jammernd zugrunde geht? Seine Sicht klärt sich und er erkennt, dass tatsächlich jemand auf diesem Stuhl sitzt. Vielleicht ist es aber auch eher nur noch ein Etwas. NATO-Stacheldraht ist eng um den Körper und Stuhl gewickelt und hat sich tief in das Gewebe geschnitten. Er kann an manchen Stellen den hellen Knochen bei dem ansonsten entstellten Geschöpf durchblitzen sehen. Geronnenes Blut ist überall auf und um den Stuhl herum verteilt und Dean hofft, dass derjenige nicht hat lange leiden müssen.

Als ein Ruck durch den Körper geht und feucht rasselnder Atem das Wesen verlässt, schleppt er sich in eine Ecke. Tut die Dinge instinktiv, obwohl sein Geist dabei ist, ganz woanders hin zu flüchten. Seine Gedanken treiben ihn zurück und hinein in seinen ganz persönlichen Horror, von Flashback zu Flashback, von Erinnerung zu Erinnerung, in ein Meer aus Illusionen und keine Ahnung was davon jemals real war. Jemand schreit und er weiß nicht, ob er es ist. Tränen laufen sein Gesicht herunter, während sein ganzer Körper zittert und kalter Schweiß seinen Rücken herunterläuft. Seine Fingernägel graben sich in das Fleisch seiner Oberarme, bis Blut fließt. Er tut es, um sich wieder zu erden, bis er zurück ins hier und jetzt kommt und doch nicht weiß, was das eigentlich bedeutet. Zurück in eine Welt die seiner Hölle gleicht, hat er nun einen fühlenden Körper von dem er nicht weiß ob er ihn will.

Zu wissen oder nicht zu wissen was nun folgt. Was dieser Ort noch alles an Grauen für ihn zu bieten hat, weiß er nicht ob er real sein will. Er hatte mehr Zeit ohne Körper gefoltert in der Hölle verbracht als als fühlender Mensch unter den lebenden. Hatte all das Körperliche ertragen, weil er begriffen hatte keinen zu besitzen. Hatte selbst als Mensch Leid ertragen und früh begriffen, welch essenzieller und unabdingbaren Bestandteil des Lebens das ist. All das war erträglich. An all das hatte er sich irgendwann gewöhnt, aber genau wie die Hölle ihre Methoden geändert hatte, um ihn zu brechen, war auch dieser Ort wieder anders. Kribbelte auf seiner Haut und ließ ihn fühlen was sonst nur ein Impuls in seiner brennenden Seele war.

Er öffnet die Augen und die Welt um ihn herum ist doch die gleiche wie dahinter. Die gleichen schrecklichen Bilder und doch wirkt es jetzt haptischer, räumlicher und er begreift endlich das es echt ist. Er ist nicht zurück an dem Ort, aus dem Castiel ihn gerettet hatte. Ist nicht tot und trotzdem an einem tödlichen Platz, von dem er aufstehen muss, wenn er überleben will. Als er endlich beginnt zu begreifen, löst sich die Hölle um ihn herum wieder auf. Dreck und Blut, genauso wie das Geschöpf, verschwinden. Wände setzen sich Stück für Stück aus verbranntem Material wieder zusammen und der Stuhl, der eben noch zum Foltern gedacht war, wird wieder zu dem Friseurstuhl, der er eigentlich ist, als sich der stählerne Draht im Nichts auflöst.

Die Welt ist wieder in grauem Nebel, als er aus dem Laden tritt. Alles wirkt, als wäre nichts von dem passiert das er eben gesehen hat. Wenn nicht sein Herz immer noch rasen und sein Shirt verschwitzt an seiner Haut kleben würde, könnte er das fast denken. Mühsam bekommt er seine Atmung unter Kontrolle, bekommt er sich selbst wieder unter Kontrolle. Schüttelt ab was eben passiert ist und ist froh das Sam ihn so nicht gesehen hat. Er sollte sich beeilen und versuchen die Frauen zu finden für die er hier ist, denn er will diesen Ort so schnell wie möglich wieder verlassen.