Spielst du noch mit Puppen?
Der Himmel über Silent Hill ist grau, genauso wie seine gesamte Umgebung. Nur schemenhaft erschließt sich ihm diese und er weiß nicht wohin er gehen soll. Als er an einem Busfahrplan vorbeikommt wirft er einen Blick darauf. Vielleicht sollte er noch einmal zur Schule gehen und nachsehen, ob er jetzt jemanden entdecken kann. Er geht die Straßen entlang und folgt der Fahrplanauskunft, während er seine Umgebung nicht aus den Augen lässt. Mehr als einmal hat er das Gefühl aus den Fenstern beobachtet zu werden, aber wenn er ein zweites Mal hinsieht, ist nichts zu erkennen.
Sein Weg führt ihn an einer Kirche vorbei und da beginnt es wieder. Diesmal kann er deutlich erkennen das der Klang der Sirenen vorhin von hier gekommen sein muss. Als sicheren Zufluchtsort sollte vermutlich der geweihte Boden einmal dienen, aber jetzt löst sie sich genauso auf wie der Rest.
Er sieht in einiger Entfernung vor sich eine alte Frau und ein junges Mädchen miteinander sprechen. Alles geht zu schnell, als dass er erkennen könnte das es sich dabei um die von ihm gesuchten handelt, aber als das Mädchen rennt, rennt auch er. Rennt ihr hinterher und ist doch wieder einmal nicht schnell genug. Während sie in einer Gasse verschwindet, muss er in eines der Gebäude vor sich fliehen, bevor ihn die sich nähernde Flut aus Asche und Dunkelheit verschlingt.
Drinnen erwartet ihn ein sich windender Gang und viele Türen, die nach links und rechts abgehen. Er ist sich ziemlich sicher, dass er auf einem dieser Wege das Mädchen findet, denn die Gebäude scheinen alle miteinander verbunden zu sein, aber er hat keine Ahnung, welcher und weiß das es im schlimmsten Fall ewig dauern kann.
Die Waffe im Anschlag und seine Ausrüstung über der Schulter geht er Stück für Stück weiter. Er hat das Gefühl in den Eingeweiden einer Bestie festzustecken, während er die heruntergekommenen Wände betrachtet. Alles in ihm sagt ihm, dass es eine miserable Idee ist weiterzugehen und er wäre lieber überall als hier, aber er hat keine andere Wahl als den Job zu Ende zu bringen, als sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und so kontrolliert er jede Tür, von denen wiederum fast jede verschlossen ist und geht immer tiefer hinein.
Ein Schrei in der Ferne weckt seine Aufmerksamkeit. Lässt seine Muskeln sich anspannen, während er den Stimmen entgegenrennt. Er landet vor einer verschlossenen Stahltür, entriegelt diese und findet dahinter ein Monster, das sich seine kühnsten Träume oder Albträume nicht hätten ausdenken können. Der Raum ist voller fast deckenhoher metallener Schwerlastregale und das zu seiner linken ist schräg gegen die Wand gekippt, aber das ist es nicht was seine Augen sofort erfassen.
Es ist ein Ding aus unzähligen Köpfen und Gliedmaßen. Auf Beinen und Armen bewegt es sich flink über die Regale wie eine Spinne. Hat ihre sich windende und jammernde Beute zwischen ihren Klauen, bis es oben angekommen ist, dann schallt ein Übelkeit erregendes Geräusch durch den Raum. Ihr Körper wird zerrissen, wie der einer Stoffpuppe und klatscht feucht und dumpf auf den Boden. Kein Winden und kein Jammern mehr von ihr.
Dean hat seine Waffe im Anschlag noch bevor der tote Körper den Boden berührt. Schießt Kugel für Kugel in Richtung des Monsters, während dieses hinter den Regalen in Deckung geht. Er weiß das er es getroffen hat, aber wie viele Kugeln nötig sind, um es zu töten, weiß er nicht. Er hofft einfach darauf das etwas das zu leben scheint auch sterben kann.
Es schreit und brüllt mit verschiedenen Stimmen, während es sich von der Seite nähert. Dean gibt Schüsse durch die Zwischenräume der Regale ab und springt zur Seite, als das Monster ihm eines entgegen kippt. Fast alle der Köpfe hängen reglos herab und er hofft das es mit dem letzten fällt als er zu Boden gerissen wird. Seine Tasche schlittert über den Beton, unerreichbar für diesen Moment.
Hände und Füße krallen sich wie Klauen in seine Beine. Halten seinen Körper fest am Boden, während es sich über ihm aufbaut. Jetzt kann er es deutlich von nahem sehen. Sieht Hände, die die unterschiedlichsten Köpfe halten, aus denen dickes schwarzes Blut sickert. Kann den letzten verbliebenen Kopf sehen, dessen Augen über seinen Körper huschen und ihn dann anblicken. Es starrte ihn an, starrt tief in seine Seele, während sich ein unangenehmes Gefühl in ihm breit macht. Kälte schleicht sich seine Beine hinauf, aber er wagt es nicht hinzusehen. Lässt das Monster nicht aus den Augen, genauso wie dieses es mit ihm macht. Erst als es mit zwei Händen sein eigenes Gesicht auseinanderzieht und eine Fratze aus unzähligen Reihen von Zähnen schreiend entblößt, kommt Dean zur Besinnung und schießt.
Er schießt sein ganzes Magazin leer. Jagt zig Kugeln hinein, bevor es tot auf ihm zusammenbricht und er sich mühselig unter ihm hervor stemmen muss. Sein Atem geht schwer als er sich rasch umblickt. Unklar, ob nicht noch eines dieser Dinger auf ihn wartet, geht er zu seiner Tasche und lädt seine Waffe, das erste Mal unsicher ob er für einen solchen Ort genügend Munition eingepackt hat.
Das tote Mädchen auf dem Betonboden ist nicht das welches er bei der Kirche gesehen hat, da sie eindeutig keine weiße Jacke mit roten Ärmeln trägt, auch wenn sie jetzt in Rot getaucht ist. Er sieht sich weiter um und entdeckt einen Luftschacht neben der Tür durch die er hereingekommen ist. Vermutlich wollte sie durch diese fliehen, aber da Dean sie erst von der anderen Seite entriegelt hatte, blieb ihr nichts anderes übrig als sich für den Schacht zu entscheiden, auch wenn es ihr nicht dienlich war.
Dean hofft, dass das andere Mädchen auch hier gewesen ist und durch den Luftschacht entkommen konnte als auch er sich hineinzwängte. Mit dem wenigen Licht seines Feuerzeuges bewegt er sich vorwärts und kann, trotz der Surrealität der Situation und dem Bewusstsein, dass er eigentlich ganz woanders ist, einfach nicht anders.
„Besuchen sie Kalifornien. Das Land der Sonne. Da macht das Leben doch Spaaaß."1
1 Aus dem Film Stirb Langsam von 1988.
