Um Hilfe zu bitten, ist keine Schwäche!

„Es ist halb fünf am Morgen. Ich hoffe, es ist wichtig", grummelt Bobby am anderen Ende der Leitung.

„Entschuldige, falls ich dich geweckt habe, aber Dean ist allein in Silent Hill und ich kann ihn seit Stunden nicht erreichen. Alle hier scheinen etwas im Zusammenhang mit der Stadt zu verbergen und der leitende Inspektor hat mich in meinem Motelzimmer unter Arrest gestellt, sodass ich auch keine Nachforschungen mehr anstellen kann. Etwas geht hier vor sich Bobby, und es ist nichts Gutes", rasselt Sam schnell die Fakten herunter. Um diese Uhrzeit ist es vermutlich besser nicht erst um den heißen Brei herumzureden.

„Dean ist also auch verschwunden? Das ist wirklich nicht gut, Junge."

„Was meinst du mit auch, Bobby?", fragt Sam und befürchtet das schlimmste.

„Nachdem ich euch den Fall gegeben hatte, habe ich begonnen noch ein wenig mehr dazu zu recherchieren und bin auf unzählige Vermisstenfälle gestoßen. Seit November '74 verschwinden immer wieder Menschen dort. Über 50 bestätigte Fälle von denen einige nur zufällig verschwanden, weil sie auf der Durchreise waren; andere dagegen waren Spinner die sich die brennende Stadt ansehen wollten und wieder andere jagten irgendwelchen Geistergeschichten nach in denen die Stadt angeblich verflucht sei", antwortet ihm Bobby. „Und ich befürchte sie haben recht, denn niemand von ihnen ist je wieder aufgetaucht. Weder tot noch lebendig."

„Scheiße", ist alles was Sam angesichts dessen antworten kann.

„Warum hast du uns das nicht eher gesagt?", fragt er nach einer Weile, in der beide in der statischen Ruhe der Telefonleitung ihren Gedanken nachhingen.

„Weil ich die letzten Stunden mit der Recherche verbracht habe und mir dann den Luxus von ein paar Stunden Schlaf heraus nehmen wollte. Ich konnte ja nicht ahnen das ihr Idioten sofort ohne Vorbereitung und allem in diese Stadt hinein rennt", pflaumt er ihn an und sie wissen beide das es nicht böse gemeint ist, sondern nur aus der Sorge um Dean heraus entstanden ist.

„Und was nun? Ihm hinterher nur damit wir beide dann dort verschwinden ist sinnlos. Kennst du vielleicht einen Zauber oder eine Beschwörung oder sonst etwas?", fragt Sam und ihm kommt die Idee wen er vielleicht noch um Hilfe fragen könnte.

„Nein, aber ich kann in meinen Büchern nachschlagen und ein wenig rumtelefonieren. Bleib wo du bist falls er sich doch meldet und ich sehe was ich herausfinden kann. Ich melde mich später."

„Bis dann Bobby", verabschiedet sich Sam und ruft die nächste Nummer an, sobald er aufgelegt hat.

Es dauert etwas über eine Stunde, bis es an seiner Tür klopft und auch wenn er immer noch hofft das es Dean ist, weiß er es doch besser. Er hält seine Waffe zur Sicherheit hinter seinem Rücken versteckt und öffnet die Tür.

„Wie bist du an den Polizisten vorbeigekommen?", sagt er zur Begrüßung.

„Ein Mädchen hat so seine Tricks", sagt sie mit einem diabolischen Lächeln, während sie hineingeht.

„Ich hoffe sie leben noch, Ruby."

„Keine Angst großer. Ich habe keine Sauerei veranstaltet. Ich habe ihnen gesagt dir ist langweilig und du hast dir etwas Spaß und Ablenkung bestellt", antwortet sie ihm und er weiß nicht ob das jetzt besser ist. „Was willst du das du mich in die Nähe dieser Vorhölle bestellst."

„Was weißt du über Silent Hill?", fragt Sam und kann nicht verbergen wie dringend er auf jede Art von Antwort hofft.

„Es ist ein Ort verlorener Seelen. Eine Welt die zum Brennen verurteilt wurde. Geschaffen aus der Angst und dem Schmerz eines jungen Mädchens, der zu Hass wurde. Dort verschwimmen die Grenzen der Welten. Er existiert außerhalb unserer Realitäten. Eine Albtraumwelt die man definitiv nicht betreten sollte. Warum fragst du Sam?", antwortet ihm Ruby und kann ihre Neugier darüber, warum er das alles wissen will, nicht verbergen. „Wo ist Dean?"

„Er ist da drin und ich kann ihn nicht erreichen und habe keine Ahnung wie ich ihn da wieder herausbekommen soll", sagt Sam und schluckt dabei seine Verzweiflung mühselig herunter.

„Das ist scheiße, aber ich kann dir da leider nicht helfen. Silent Hill ist eine Art Vorhölle, die ich definitiv nicht betreten werde. Wirklich dumm gelaufen für Dean. Gerade erst frisch aus der Hölle entkommen und jetzt schon wieder drin", sagt sie und kann Sam's Wut nicht rechtzeitig ausweichen.

Er packt sie am Kragen ihrer Jacke und schleudert sie unter der Wucht seines Körpers nach vorn an die Wand des Motelzimmers. Sein Arm presst sich unangenehm auf ihren Brustkorb und würde ihr vermutlich Probleme bereiten wenn sie atmen müsste.

„Immer mit der Ruhe, großer. Ich habe keine Ahnung wie es genau in Silent Hill aussieht oder wie es Dean geht, aber ich kann dir auch leider nicht helfen. Ich kann nicht eben fix in die Hölle und zurück und jemanden dort herausholen", sagt sie zu ihm, während sie beruhigend seinen Arm tätschelt und sich aus seinem Klammergriff befreit.

„Das mag sein, aber ich kenne jemanden der das schon einmal gemacht hat", antwortet Sam und spricht dabei mehr zu sich selbst als zu ihr. Seine Gedanken sind schon zehn Schritte weiter denn sie hat ihn auf eine Idee gebracht die vermutlich Dean's einzige Chance ist. „Du musst jetzt wieder gehen."

Mit fester Hand schmeißt er sie raus und ignoriert ihre Beschwerden darüber das sie das auch am Telefon hätten klären können und sie nicht extra dafür herfahren musste.

„Danke für das Gespräch, Arschloch", brüllt sie noch durch die Tür, dann ist sie weg.

Sam ist in Gedanken schon längst woanders, während er zu seinem Bett geht und sich hinsetzt. Es ist lange her und er braucht ein paar Minuten um die richtigen Worte zu finden, aber dann beginnt er einfach sein Gebet.

„Lieber Gott bitte schicke mir deinen Krieger Castiel. Castiel, wenn du mich hören kannst. Ich bin im Motelzimmer 13 in Brahams und benötige deine Hilfe. Dean ist in Silent Hill verschwunden, nachdem wir diesen Vermisstenfall bearbeitet haben und …", betet Sam in Gedanken und kommt doch nicht weiter, als das Zimmer vom leisen Rauschen eines kräftigen Windes erfasst wird.