Besuch im Vergnügungspark

Irgendwie hat er einen Weg hinausgefunden. Ist unzählige Treppen nach oben gestiegen, bis er eine Tür aufstoßen kann und endlich wieder im freien ist. Dichter Nebel umgibt ihn und er ist erneut allein. Atmet tief ein und aus und versucht sich zu beruhigen. Versucht herauszufinden wie es nun weitergehen soll. Die Tochter denkt er kurz gesehen zu haben, auch wenn sie anders wirkte. Die Mutter fand er zusammen mit Officer Bennett und verlor am Ende beide. Keine besonders gute Erfolgsbilanz denkt er säuerlich.

Aktuell hat er Glück und es ist ruhig. Endlich kann er das tun was er schon vor einer Ewigkeit hätte machen sollen. Er ruft seinen Bruder an. Es dauert unendlich lange bis es klingelt und dann springt sofort der Anrufbeantworter unter statischen Kratzgeräuschen an.

„Sam, ich versuche dich zu erreichen. Ich weiß nicht was genau an diesem Ort vor sich geht, aber er scheint irgendwie verflucht zu sein. Hier sind Monster die ich vorher noch nie in meinem Leben gesehen habe und dieser Orden den du erwähnt hattest scheint immer noch sein Unwesen zu treiben. Das sind echt mal Fanatikern", sagt Dean schnell und überlegt was er noch sagen soll ohne seinem Bruder sorgen zu bereiten oder dazu zu verleiten hierherzukommen. „Ruf Bobby an, ob er vielleicht noch mehr über Silent Hill in Erfahrung bringen kann und vielleicht kennt er ja auch einen Zauber um uns alle hier herauszubekommen, denn ich fürchte, ich stecke hier irgendwie fest."

Er beendet den Anruf und hofft das Sam seine Nachricht bekommt, während er langsam weitergeht. Die Kirche war nicht allzu weit entfernt und trotz allem seine beste Chance, vielleicht wenigstens Officer Bennett noch zu retten. Er geht weiter, das Telefon immer noch in der Hand, als es unkontrolliert zu rauschen und zu blinken beginnt. Mit einem Blick darauf erkennt er das er keinen Empfang hat und als er wieder nach oben sieht, hat sich seine Welt erneut verändert.

Der Nebel hat sich wieder einmal gelichtet und er kann in einiger Entfernung das Mädchen und den jungen Mann an einem Metalltor stehen sehen, die er vor einer gefühlten Ewigkeit im Nebel verloren hatte. Sie stoßen es auf und gehen hinein, dicht gefolgt von Männern in Bergbauuniformen. Er folgt ihnen und als auch er das Tor durchquert erkennt er das er einen Vergnügungspark betritt.

Der direkte Eingang ist der riesige Kopf eines Clowns durch dessen weit geöffneten Mund man den Park betreten muss und Dean denkt sich das spätestens hier Sam nicht mehr weiter mitgegangen wäre. Er kommt vorbei an einem Schaukasten mit schaurigen Puppen, die ihn auslachen, während er in der Ferne die bunten Lichter der sich drehenden Fahrgeschäfte sehen kann. Immer wieder sieht er gruselige Fratzen von Clowns und ist sich nicht sicher ob nicht vielleicht auch er keine mehr sehen kann wenn das hier vorbei ist.

„Vincent, nicht!", ruft das Mädchen, nachdem der Junge sie geküsst hat und dann rennt er davon. Versucht ihre Verfolger auf eine andere Fährte, weit weg von dem Mädchen, zu locken.

Sie dagegen versteckt sich hinter einer der Buden, während Dean weiter in ihre Richtung geht. Er kann jetzt die Preise die es einmal zu gewinnen gab erkennen. Tote Fische treiben bäuchlings im trüben Wasser ihrer kleinen versifften Aquarien. Dreckige Plüschhasen hängen in einer Reihe und als Dean nah genug ist kann er sogar Blut darauf erkennen. Er kommt um die Ecke, vorbei an einem mannshohen und ebenfalls schmutzigen Plüschhasen, der auf einer Bahre liegt, als er sich dem Mädchen nähert.

„Wer bist du?", fragt sie und sieht sich erschrocken um.

„Mein Name ist Dean. Bist du Sharon?"

„Woher kennen sie meinen Namen?", sagt sie und bestätigt damit seine schlimmsten Befürchtungen.

Diese Welt hier war anders. Statt grauem Nebel und Ascheregen ist alles braun und blutig und Sharon um die 18 statt der 9 Jahre, die sie auf dem Bild ist das er von Bobby bekommen hatte. Er war nicht nur gefangen in einer Hölle, nein es waren mehrere und er sprang anscheinend in den Zeiten immer wieder hin und her. Wer weiß ob Sam seine Nachricht bekommen konnte oder ob er jemals einen Weg hier herausfinden würde. Und ihn überkommt das Gefühl wirklich zurück zu sein. Zurück in einer neuen, sich unendlich überlappenden Hölle. Gefangen, ohne die Möglichkeit eines Auswegs.

Er schüttelt die Vorstellung dessen ab. Reißt sich zusammen für den Moment, weil es keinem von ihnen beiden helfen würde wenn er jetzt die Fassung verliert.

„Ich weiß deinen Namen von deinen Eltern. Sie suchen nach dir und machen sich große Sorgen", sagt Dean wieder einmal nur einen Teil der Wahrheit.

„Ich verstehe nicht. Meine Mutter starb vor Jahren bei einem Unfall und mein Vater ist hier. Sie halten ihn in ihrer Kultstätte unter dem Karussell gefangen. Nur deshalb bin ich überhaupt nach Silent Hill gekommen. Also wer sind sie?", sagt sie mit scharfer Stimme und deutlichem Nachdruck.

„Ich bin ein Freund und will nur helfen", antwortet Dean und denkt sich das sie ihrer Mutter nicht unähnlich ist.

In diesem Moment hören sie Schritte. Sharon dreht sich um und entdeckt einen ihrer Verfolger, als dieser sie angreift. Verzweifelt versucht sie sich von ihm loszureißen, als Dean ihn sich von hinten schnappt und von ihr wegzerrt. Aus Reflex langt sie nach seiner Atemschutzmaske und der Mann fällt röchelnd zu Boden. Schwarze Flüssigkeit sprudelt aus seinem Mund während er qualvoll daran erstickt.

„Los, weg hier!", sagt Dean, schnappt sich ihren Arm und zerrt sie mit sich in Richtung Karussell, aber er schwankt bevor er es betreten kann. Sieht das große Monster mit dem pyramidenförmigen Metallkopf in Ketten gelegt das Karussell bewegen und weiß, dass sie dort nicht hingehen sollten.

Sharon jedoch ist wie ihre Mutter. Stürmt voran und ist im nächsten Augenblick auch schon umschlossen von Flammen, und während er sich immer weiter vor der Hitze zurückzieht gehen unzählige Okkultisten in langen Roben immer näher. Die Flammen schlagen hoch und wüten um sich. Verschlingen die Bergarbeiter und Ordensbrüder in qualvollen Schreien, während er nur aus der Ferne hilflos zusehen kann. Das Feuer will ihn nicht und verschwindet stattdessen mit Sharon und dem Karussell in der Tiefe.

Zurück bleibt nur die Dunkelheit in der die Schatten wachsen. Er ist allein im Nebel und nichts und niemand ist mehr da.