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Songs verschiedener Musikrichtungen vermischten sich zu einem Klangteppich, der eine Art Leinwand für die unzähligen ineinanderfließende Szenen bildete. Bunte Farben, Lichter, Menschen, Stimmen, Gelächter verbanden sich zu einem wahren Bilderrausch, der sich gleich einem Karussell immer schneller zu drehen begann, während sich die einzelnen Laute nach und nach zu entfernen schienen.

Langsam erwachte Alisha aus ihrem Traum. Sie warf einen Blick auf die große Wanduhr. Es war kurz nach elf. Sie blickte zu Zoe herüber, doch die schien noch fest zu schlafen, also kuschelte sie sich auch wieder unter die Decke und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Gestern war so viel passiert, daß sie beinahe der Ansicht war, daß ein Tag für all diese Ereignisse eigentlich gar nicht lang genug war. Und dank Zoe hatte sie sowieso das Gefühl, daß sie schon viel länger hier war.

Die Party im Verbindungshaus war besser als erwartet gewesen. Kurz nach ihrer Ankunft war Damon mit einem äußerst attraktiven Mädchen mit langen goldblonden Locken verschwunden. Zoe hatte nur genervt die Augen verdreht und etwas von "Sieh' an, Nummer dreizehn und noch immer kein Geschmack." gemurmelt.

Alisha war ziemlich verwundert gewesen; zunächst über die Einladung ansich und dann darüber, daß Harmony sich tatsächlich eine ganze Weile mit ihr alleine unterhalten hatte, selbst nachdem sie höflich deutlich gemacht hatte, daß sie nicht vorhatte, in ihre Studentenverbindung einzutreten. Ihrer Ansicht nach gehörten diese Verbindungen zu den dümmsten Erfindungen, die es gab. Das hatte sie natürlich für sich behalten. Sie hatte den Sinn eines solchen Vereins einfach nie begriffen. Ein Buchclub – okay. Ein Schachclub – in Ordnung. Von ihr aus auch noch ein Mathe- oder ein Sportclub. Aber soetwas? Damit sich Leute, die sich sowieso schon für die Elite hielten an einem Ort treffen konnten, wo das gemeine Volk keinen Zutritt hatte? Wo sie sich ganz in Ruhe der Erhaltung und Verbesserung ihres exklusiven Lebensstils widmen konnten? Bei diesem Gedanken schnaubte sie verächtlich.

Im weiteren Verlauf des Abends hatte Zoe ihr einen kurzen Überblick über das Unileben, sowie ein paar nützliche Tips gegeben und ihr geduldig Fragen über Seminare, Professoren und Tutoren beantwortet. Sie hatten viel getanzt, einige Drinks getrunken und waren erst in den frühen Morgenstunden, jedoch bester Laune, auf ihr Zimmer zurückgekehrt.

Am Sonntag führte Zoe sie dann nach dem Frühstück ein wenig auf dem Campus herum, zeigte ihr die einzelnen Gebäude und erklärte ihr dann anhand ihres Stundenplans, wo die einzelnen Seminarräume lagen und welche Bücher und sonstige Materialien sie jeweils benötigte. Da beide das gleiche Hauptfach im selben Semester studierten, hatten sie, wie sich herausstellte, einige Kurse gemeinsam.

Den Abend verbrachten sie hauptsächlich damit, irgendwelche Magazine zu lesen und Musik zu hören. Entgegen ihrer sonstigen Angewohnheit beschloß Alisha, früh zu Bett zu gehen, damit sie nicht gleich am ersten Tag unausgeschlafen war.

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Die nächsten Tage und Wochen verbrachte sie damit, sich richtig einzuleben. Die Ansprüche der Professoren waren ziemlich hoch, höher als an ihrer alten Universität, und es bereitete ihr einige Mühe, mit dem Stoff nicht zu sehr hinterherzuhinken. Jede Universität setzte ihre eigenen Schwerpunkte, was sich bei einem Wechsel meist als schwierig erwies, doch andererseits waren die einzelnen von den Studenten gebildeten Lerngruppen auch wesentlich besser organisiert als sie es bisher gewohnt war. Dennoch verbrachte sie die ersten drei Wochen fast jede freie Minute in der Bibliothek und lernte, sobald diese geschlossen hatte, entweder auf ihrem Zimmer, im Aufenthaltsraum oder, wenn es das Wetter und die Lichtverhältnisse erlaubten, im Freien weiter.

Zoe stand ihr mit Rat und Tat stets zur Seite. Alisha hatte ein wenig Angst, daß ihr die Neue bald lästig werden könnte, doch als sie es einmal zur Sprache brachte, winkte sie entschieden und sogar ein wenig entrüstet ab.

In ihren Kursen oder Arbeitsgruppen neue Bekanntschaften zu schließen erwies sich auch nicht gerade als einfach. Zwar gab es neben einem beträchtlichen Teil ziemlich arroganter Studenten auch andere, weniger eingebildete, doch da die meisten von ihnen schon länger als sie hier waren, waren sie zumeist in festen Cliquen und Alisha hatte auf keinen Fall vor, sich irgend jemandem aufzudrängen, eher würde sie ihr Leben hier mit sich selbst als bester Freundin verbringen. Doch soweit ließen es Zoe und ihr Bruder gar nicht erst kommen. Und so bildeten die drei bald ein unzertrennliches Gespann und wurden von ihren Freunden nur noch scherzhaft ‚das Trio' genannt..

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Die Sonne schien angenehm warm und von der Regenflut der letzten Nacht war fast nichts mehr zu sehen, lediglich der Boden war an einigen Stellen noch feucht und so beschlossen Zoe, Damon und Alisha, ihre Freistunde draußen zu verbringen. Während sich die beiden Geschwister darum stritten, wem von beiden der mitgebrachte Tomaten-Thunfischsalat gehörte, lehnte ihre Freundin sich auf der Bank zurück und ließ ihren Blick über den Campus schweifen. Die meisten Studenten hatten um diese Zeit Seminare oder Vorlesungen oder sie saßen, wie es sich für einen fleißigen Menschen gehörte, brav in der Bibliothek und lernten, doch Alisha hatte beschlossen, daß das Wetter dafür eindeutig zu schön war; Zoe brauchte nie viel für die Uni zu tun und schrieb trotzdem gute Noten und Damon .... nunja, Damon hatte ein ausgesprochenes Talent dafür, so gut wie nie zu arbeiten und sich trotzdem irgendwie durchzuschummeln. Nein, das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Im Grunde genommen entwickelte sich sein Lerneifer nur immer erst ein paar Wochen vor Semesterende, wie er selbst sagte. Warum sollte er sich auch zwei Monate lang mit etwas herumplagen, was er auch in einem sehr gut schaffte?

Alisha stutzte. Irgend etwas hatte sie aus ihren Gedanken gerissen. Sie brauchte einen Moment, bis sie begriff, was es war. Wenn sie intensiv nachdachte oder mit offenen Augen vor sich hin träumte, nahm sie die Welt um sich herum meist gar nicht mehr war. Wie jetzt. Sie senkte den Blick. Peinlich, peinlich. Unbewußt hatte sie einen jungen Mann angestarrt und das wahrscheinlich seit – sie sah verstohlen auf ihre Uhr und rechnete die ungefähre Zeit aus – etwa zehn Minuten. Sie hatte keine Ahnung, wie lange er sie schon beobachtete und eigentlich wollte sie es auch gar nicht so genau wissen. Sie riskierte einen kleinen Blick. Er starrte sie immer noch an, während er sich weiter unterhielt. Seine Freunde und er standen etwa dreißig Meter von ihr entfernt, umringt von einigen affektiert lachenden neuen My Lambdas, die sofort beleidigt abzogen, als ein brünettes Mädchen, das Alisha sofort als Tara Montgomery, ihres Zeichens Präsidentin der Gamma Phi Deltas, erkannte, auf ihn zugerauscht kam und ihm wütend eine Szene machte. Er warf ihr einen undefinierbaren Blick zu, betrachtete sie einmal von unten nach oben und ließ sie dann einfach stehen. Tara starrte ihm mit offenem Mund nach, warf ihr langes Haar zurück und stolzierte hocherhobenen Hauptes von dannen. Ihr Freund wurde unterdessen erneut von einem ziemlich aufgeregten Jungen aufgehalten, der sofort mit hektischen Gesten auf ihn einzureden begann. Dabei beobachtete er Alisha genauso offensichtlich wie sie ihn, was sie jedoch mittlerweile nicht mehr so sehr störte, da sie der Ansicht war, daß sie sich ohnehin nicht noch unmöglicher machen konnte, als sie es bereits getan hatte.

"Wer ist das?" fragte sie.

"Wör isch wör?" wollte Damon, der sich endlich mit seiner Schwester aufs Teilen geeinigt hatte, mit vollem Mund wissen.

"Der Typ da vorne." Sie deutete mit ihrem Kopf in seine Richtung.

"Wölscha?"

"Der große, äußerst gutaussehende, durchtrainierte, blonde, junge Mann, der sich mit seinen dunklen Klamotten nur ganz unwesentlich von der hellen Häuserwand gegenüber abhebt."

Die Geschwister sahen in die angegebene Richtung. "Schwarzes Seidenhemd, schwarze Hose, schwarze Schuhe?" erkundigte sich Damon.

Seine Schwester hielt ihm ihre Hand vor das Gesicht und fragte: "D., wieviele Finger siehst du?"

Er schob sie unwirsch zur Seite. "Thomas?" fragte er dann.

Zoe sah ihn an, als sei er nicht mehr ganz dicht. "Wieviele Typen, auf die diese Beschreibung passen könnte, siehst du eigentlich da drüben?"

Alisha mußte lachen. Die anderen Jungen in seiner Nähe trugen tatsächlich alle wesentlich hellere Sachen. Und bis auf ihn und seine Freunde stand dort niemand.

Damon schnitt Zoe eine Grimasse. "Thomas Carter-Corday, III", fuhr er fort.

"Und?" fragte Alisha, der diese Auskunft nicht genügte.

Er hörte für einen Moment auf zu kauen und studierte ihren Gesichtsausdruck, der für seinen Geschmack etwas zu großes Interesse zeigte. "An den solltest du dich nicht halten", sagte er dann.

"Wieso nicht?"

"Sagen wir einfach; er ist niemand, den du in die engere Wahl mit einbeziehen solltest, wenn du keine Probleme haben willst."

"Buuuhuuuuuh", ahmte sie einen Geist nach und rasselte mit Luftketten, "er ist gefährlich."

Damon und Zoe lachten, bevor letztere hinzufügte: "Ich weiß, es klingt ein bißchen blöd, aber .... Damon hat recht."

"Das sagt sie selten", warf er ein, "hat jemand einen roten Stift?"

"Was ist, hat er jemanden umgebracht?"

Es wurde auffällig still, bis Damon sich räusperte, um den Kloß in seinem Hals loszuwerden.

"Wirklich?" wollte Alisha ungläubig wissen. "Ja klar, verarscht mich ruhig."

Die beiden sahen sie nur ernst an.

Sie verschränkte die Arme und zog eine Augenbraue hoch. Sie glaubte kein Wort. "Und warum sitzt er dann nicht im Gefängnis?"

"Die Polizei sagte, es war ein Unfall; es kam nicht mal zu einem Prozeß", antwortete Damon bitter.

"Aber trotz des ganzen negativen Presserummels, den so eine Geschichte unweigerlich nach sich zieht, hat diese renommierte Universität ihn behalten, ja?" fragte Alisha ironisch.

"Gerade der Presse wegen", bestätigte Zoe.

"Was?" Langsam verstand sie überhaupt nichts mehr.

"Sagt dir der Name gar nichts? Thomas Carter-Corday?" Damon sah sie erstaunt an.

Seine Freundin zuckte die Schultern. "Nein."

"Carter-Corday?" wiederholte Damon und fragte, als er bei ihr immer noch kein Zeichen der Erkenntnis feststellen konnte, noch einmal: "Carter-Corday??"

"Ich bin nicht schwerhörig, Damon."

"Aber offensichtlich ein wenig blind. Carter-Corday Corp.? Die Banker aller Banker? Finanzimperium? Wall Street? Klingelt da gar nichts bei dir?"

"Jetzt komm mal wieder runter", mischte sich seine Schwester ein. "Wenn du nicht zufällig auf die gleiche Uni wie er gehen würdest, hättest du auch keine Ahnung."

Sein unverwechselbares Grinsen blitzte für einen kurzen Augenblick auf. "Stimmt", gab er zu, dann verschwand es unvermittelt wieder.

"Und weiter?" wollte Alisha wissen, die noch immer nicht überzeugt war.

"Und?" fragte er abfällig zurück. "Weißt du, was solche Leute für Anwälte haben? Die besten, die man für Geld kriegen kann; die absolute Superelite. Wenn du dazugehörst, kannst du vor den Augen von fünf ehrlichen Polizeibeamten einen Mord begehen und wenn sie die nicht anderweitig einschüchtern, werden denen nach dem Gerichtsverfahren so die Ohren klingeln, daß sie selbst der Ansicht sind, sie hätten da wohl was mißverstanden, gar nichts gesehen und so weiter. Die können dich so in die Mangel nehmen und einer Gehirnwäsche unterziehen, daß du selbst als überzeugter Atheist hinterher vollkommen davon überzeugt bist, die Reinkarnation Jesu zu sein!"

"Du kannst dir also ungefähr ein Bild davon machen, was es für den Ruf dieses Institutes bedeutet hätte, wenn die Sache in der Presse breitgetreten worden wäre." Zoe schüttelte verächtlich den Kopf. "Auf der anderen Seite hätte man den Zeitungen Klagen und Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe auf den Hals gehetzt. Der Presse ist für 'ne Bomben-Titelstory zwar eigentlich nie was zu schade, aber sie weiß auch, wo ihre Grenzen liegen. Und diese ist eine der eindrucksvollsten. Die haben wirklich an alles gedacht; die Presse hätte zwar gerne die Titelseiten gefüllt, aber sie hatten keine Lust, sich mit den Anwälten anzulegen und das Institut wollte möglichst den Ärger mit beiden vermeiden. Es muß toll sein, soviel Einfluß zu besitzen."

Alisha sah nachdenklich zum Hauptinhalt ihres Gespräches herüber. Thomas' Freunde erzählten ihm irgend etwas, doch er schien sie kaum zu beachten; statt dessen erwiderte ihren Blick. Ein seltsamer Ausdruck lag auf seinem Gesicht, so als ob er ganz genau wüßte, worüber sie sich gerade unterhielten, und er schien ein wenig spöttisch zu lächeln. Er sagte etwas zu den drei Jungen, die mit dem Rücken zu ihr standen, woraufhin diese sich kurz zu ihr umdrehten und sie interessiert musterten.

"Wow", sagte sie dann tonlos und wandte sich wieder ihren Freunden zu. "Dann ist es also doch wahr."

"Ja", bestätigte Damon und hielt einen Moment inne, bevor er hinzufügte, "es ist genauso real wie die Spinne auf deiner Hose."

"Was??" Alisha zuckte zusammen und sah auf ihre Beine. Sie haßte Spinnen. Mittlerweile war ihre Angst vor ihnen zwar nicht mehr so groß wie früher und sie konnte die kleineren Exemplare sogar in die Hand nehmen und rausbringen, dennoch erschreckte sie sich immer noch zuerst, wenn sie unvorbereitet eine sah. Sie untersuchte beide Beine, konnte jedoch nichts entdecken. "Wo denn??" fragte sie ungeduldig. "Damon, da ist gar keine –"

Sie sah hoch und direkt in zwei vor Schadenfreude blitzende braune Augen. Endlich fiel der Groschen. "Oh, du .... du.... Arsch!!" Sie gab einen ungläubigen Laut von sich. "Und du hilfst ihm auch noch!!" beschwerte sie sich bei Zoe.

"Sorry, aber ich konnte einfach nicht anders", gackerte die.

"'Er hat mich gezwungen, euer Ehren'", zitierte Alisha. "Das kannst du vor Gericht erzählen!"

"Macht nichts, ich habe doch einen guten A-aaaaaah!!" Als sie versuchte, dem Rippenstoß ihrer Zimmergenossin auszuweichen, fiel sie fast von der Bank. Sie versuchte, sich an Damon festzuhalten, mit dem Erfolg, daß sie beide ziemlich unsanft, aber laut lachend auf dem Boden landeten.

"Geschieht euch ganz recht!" sagte Alisha zufrieden, aber auch sie mußte grinsen.

"Aber ganz so ausgedacht ist die Geschichte nicht." Damon verschränkte die Arme hinter dem Kopf und legte die Beine auf die Bank.

"Ja, sicher", erwiderte sie ironisch. Ich glaub' euch ab jetzt auch jedes weitere Wort.."

"Nein, ehrlich –"

"Die Erde ist eine Scheibe, Alisha." unterbrach sie ihn mit großen Unschuldsaugen.

"Okay, wir haben ein wenig übertrieben, aber –"

"Ein wenig, mmh."

"- aber einen wahren Kern hat die Sache schon."

"Ungefähr so wie eine düstere Legende, was?"

"Wenn du so willst ist es eine düstere Stanton-Legende."

"Und ich sagte gerade neulich zu meinem Freund George Michael ...." Sie ließ den Satz unbeendet. "Blödsinn, Leute!"

"Aber er hat recht", meldete sich Zoe zu Wort und setzte sich wieder neben sie.

"Laß mich raten; der wahre Kern ist der mit dem Mord?"

"Also, in Wirklichkeit war es so, zumindest nach unserem Wissensstand: Thomas ist, wie sein Vater und Großvater vor ihm auch, seit Beginn seines Studiums Mitglied bei den Sigma Theta Phis, der einflußreichsten Bruderschaft auf unserem Campus. Wenn dein Besitz bzw. der deiner Eltern nicht mindestens die Zehn - Millionenmarke übersteigt, brauchst du dich bei denen gar nicht erst blicken zu lassen. Damals war Mark Temple ihr Präsident. Schon nach kurzer Zeit wurde der Vizepräsident, Lewis Vartan, abgewählt und Thomas nahm seinen Platz ein. Von Anfang an gab es Machtkämpfe zwischen ihm und Mark, die natürlich nun noch verstärkt wurden. Schließlich eskalierte die Situation, als Thomas was mit der damaligen Freundin seines Gegners angefangen und daraus auch kein großes Geheimnis gemacht hat. Das konnte Mark sich in seiner Position selbstverständlich nicht ungestraft bieten lassen, also hat er seinen Widersacher zur Rede gestellt, doch ganz entgegen ihrer guten Erziehung zogen sie es vor, sich zu prügeln und die halbe Einrichtung des Verbindungshauses zu zerstören. Unmittelbar danach ist Mark wütend davongefahren, Thomas hinterher. Auf einer Landstraße muß Mark dann die Kontrolle über seinen Wagen verloren haben .... Tja, und hier scheiden sich die Geister natürlich: die einen sind der Ansicht, Thomas habe ihn von der Straße gedrängt, seine Bremsleitungen durchgeschnitten oder sonstirgendwas getan, um ihn umzubringen, die andern halten das alles für ausgemachten Schwachsinn und einen ganz normalen Unfall. Tatsache ist und bleibt jedoch, daß Mark in diesem Moment von der Bildfläche der Stanton-Uni verschwunden ist - und zwar auf Nimmerwiedersehen."

"Und was haltet ihr davon?" erkundigte sich Alisha.

"Wir kennen die Wahrheit", sagte Zoe mit verschwörerischer Miene.

"Sie ist irgendwo da draußen." Alisha zog ihre Augenbrauen hoch und sah sie von unten herauf an. "Mmh."

"Im wahrsten Sinne des Wortes", platzte Damon heraus.

"Hey", fuhr er fort, als sie sich wieder beruhigt hatten, "es ist eine nette kleine ungeklärte Begebenheit und man kann damit gut Leute verarschen. Was interessiert mich der Rest? Wahrscheinlich hat Mark, so wie er es sowieso seit längerer Zeit vorhatte, sein Studium in einer privaten Einrichtung in New York fortgesetzt. Sein Vater war seit längerem krank und da der dort ansässige Familienkonzern in Familienhand bleiben sollte und sein Bruder erst siebzehn und somit entschieden zu jung war ....", er machte eine unbestimmte Handbewegung, "was weiß ich!"

Alisha dachte einen Moment nach. "Und seine Bruderschaft hat die ganze Geschichte einfach so widerspruchslos hingenommen?" hakte sie dann nach. "Ich meine .... da kommt einfach jemand Neues hinzu, erhält schon nach kurzer Zeit die zweithöchste Position in ihrer Verbindung .... da wird es doch noch andere gegeben haben, die sich diesen Titel seit

Längerem erhofft haben und trotzdem funktioniert es? Einfach so? Das ist mir alles ein wenig zu unkompliziert. Soweit ich weiß, hat der Präsident bei allen Entscheidungen zwar das letzte Wort , aber immerhin wird er von den Mitgliedern gewählt."

"Ich schätze, da hat sich die Demokratie in den Augen mancher selbst in den Arsch getreten", erwiderte er.

"Aber jetzt, wie in den vergangenen zwei Semestern, scheint alles in Ordnung zu sein. Zumindest nach außen hin." Zoe trank einen Schluck von ihrer Cola. "Und meiner Ansicht nach ist eine Konstruktion, die in sich instabil ist, unweigerlich zum früheren oder späteren Zusammenbruch verurteilt. Die Zweifler wird Thomas auf seine Art überzeugt haben." Sie angelte sich das letzte Tomatenviertel aus dem Salatschälchen. "Auf die eine oder andere Weise."

"Leuten wie den Mitgliedern von Sigma Theta Psi imponiert Macht, Einfluß und alles, was damit zu tun hat. Doch wenn sie schon nicht selbst an der Spitze stehen können, halten sie sich wenigstens so nah wie möglich bei denen auf, die dazu imstande sind. " Ihr Bruder fuhr sich durch die Haare. "Und daß Thomas zur Kategorie ‚extrem skrupellos' gehört, hat er ja wohl mehr als bewiesen."

Alisha sah wieder zum gegenüberstehenden Haus, doch die Hauptperson war samt Gefolge verschwunden.

"Wie dem auch sei", setzte Damon hinzu, "vielleicht ist er nicht gerade der Killer, für den manche ihn halten, aber trotzdem niemand, mit dem ich unbedingt Freundschaft schließen möchte."

"Zum Feind möchte ich ihn allerdings auch nicht unbedingt haben", bemerkte Zoe. "Nicht, daß ich Angst vor ihm habe, aber .... " Sie grinste. "Ich schlafe nicht gerne mit offenen Augen."