**Hallo Endemic! Nein, Kate gehört mir und ich werde sie garantiert nicht
zu einer glatten, kleinen Mary machen. . In den Comics gibt es sie nicht,
aber es wird ja schließlich nicht gesagt, dass sie KEINE Halbschwester hat!
*g* Und ja, da witterst Du richtig! Danke für die Review!
Kapitel 2
Stimmen der Vergangenheit
Kate hatte ihren Kopf gegen Scotts gelehnt. Sie hatten sich wieder in die Sofaecke zurückgezogen, dieses Mal ungestört. So hatten sie schon oft dagesessen, nachgedacht, geredet und nun, nach einer langen Zeit, war die alte Vertrautheit wieder da.
"Wie lange ist das her?", fragte er irgendwann leise. "Es kommt mir fast wie eine Ewigkeit vor."
"Ich erinnere mich noch an den Abend, an dem ich hierher kam", erinnerte sich Kate, ein wenig träumerisch. Sie spürte Scotts Anspannung und wusste doch, dass sie nicht mehr tun konnte als neben ihm zu sitzen und zu reden. "Ich war 11 und fand es furchtbar, von meiner Mutter getrennt zu werden. Du und Jean, Ihr habt mich sofort unter Eure Fittiche genommen, als mir einer der Jungs einen Bananensplit ins Gesicht schleuderte."
Sie wusste, dass er grinste, dann aber wieder schlagartig ernst wurde, als er ergänzte:
"Weißt Du eigentlich, dass ich irgendwann in diesen Tagen beschlossen habe, dass Jean die Frau meines Lebens sein wird?"
Stille legte sich über den Raum, vom regelmäßigen Geräusch ihres Atems durchbrochen. Vor dem Fenster rauschte ein kühler Nordwind, der in den letzten Tagen Regen gebracht hatte. Die Luftströmungen über dem Anwesen hatten es Kate nicht leicht gemacht zu landen.
"Es tut mir leid." Sie hob den Kopf und sah Scott an, der am Rande seiner Fassung angekommen zu sein schien. Sie nahm seine Hand in ihre und drückte sie. "Man sagt, dass das Leben voller verpasster Chancen ist. Aber ich glaube, dass Du und Jean jede Eurer Chancen genutzt habt."
Scott starrte einen Moment ins Leere, sie konnte es an den Bewegungen seines Gesichts unter der Schutzbrille erkennen. Dann zuckte ein kurzes, bitteres Lächeln um seine Mundwinkel.
"Und das von der Königin der verpassten Chance?"
"Du kannst es immer noch nicht verstehen, dass ich gegangen bin", stellte Kate fest, froh über seinen abrupten Themenwechsel. An diesem Abend war eine Flut von Erinnerungen und Erlebnissen auf sie eingestürmt, die ganze Wucht von Scotts Trauer zusätzlich zu ihrer eigenen zu erleben traute sie sich nicht zu.
"Ich dachte nie, dass Du so leicht aufgeben würdest", lautete die schlichte Antwort. "Das hat uns alle ziemlich erschüttert und vor allem Jean. Sie hat sich immer gefragt, wohin Dich Deine Wut führen würde."
Kate biss sich auf die Lippe, ein kleines Zeichen ihrer Unsicherheit in Gegenwart eines Freundes.
"Ich denke, ich habe das Richtige getan", behauptete sie schließlich, nicht mehr völlig sicher seit dem Moment, in dem sie in die Schule zurückgekehrt war. Was wäre wohl mit ihr geschehen, wenn sie einen anständigen Abschluss gemacht hätte? Hätte sie dann, irgendwann einmal, über das hinwegsehen können, was die Menschen ihr angetan hatten? "Meine Geschäfte laufen gut und ich weiß, dass ich etwas bewegen kann mit meiner Arbeit."
"Bis Dich die Polizei oder noch schlimmer wieder ein paar hirnlose Mutantenfeinde aufgreifen! Das sollte keine Kritik an der guten Sache sein, aber ich mache mir Sorgen um Dich." Scotts Vehemenz erstaunte Kate. Wie wohltuend, die freundschaftliche Sorge trotz der vergangenen Zeit zu spüren und wie schmerzlich, dass sie bald wieder gehen musste.
"Ich bin nicht diejenige, um die Du Dir Sorgen machen musst", bekräftigte sie und sah ihn fest an. "Ich habe bisher alles überstanden, Scott. Denk an Dich in der nächsten Zeit und wenn Du mich brauchst, werde ich da sein."
"Wenn Dich Deine Mutantenbar wieder einmal entbehren kann?"
"Jederzeit."
***
Logan schlurfte in die Küche. Die Augen zusammengekniffen, blinzelte er in das trübe graue Licht des Vormittags, das durch die breite Fensterfront fiel. Wolken jagten gehetzt über den tiefhängenden Himmel.
Bobby und Marie saßen am Tresen und stopften wortlos Cornflakes in sich hinein. Marie, die sich Rogue nannte, blickte kurz auf und lächelte, dann widmete sie sich wieder dem Essen. Ein anstrengender Schultag lag vor den Jugendlichen, denn auch wenn sie neuerdings Mitglieder der X-Men geworden waren, so hatte doch ihre Ausbildung in Professor Xaviers Augen Priorität.
Einige jüngere Schüler strömten herein, einige verschlafen, andere lachend und schwatzend. Logan, der sich auf Hüfthöhe von anderen Mutanten umgeben sah, fühlte sich bedrängt, schlug sich zum Kühlschrank durch und trat mit einem Glas Milch den Rückzug an.
Er hatte in dieser Nacht zumindest ein wenig geschlafen, doch es kam ihm vor, als sei er seit Jeans Tod noch niemals derart erschöpft gewesen. Seine Augen brannten, sein Nacken schmerzte von verspannten Muskeln und fast konnte er jeden Strang von Adamantium spüren, das seinen Körper durchzog. In diesem Fall waren seine Selbstheilungskräfte nichts wert.
Ororo Munroe kam die Treppe hinunter, wie stets unglaublich attraktiv und wie stets in letzter Zeit in Begleitung von Kurt Wagner, der ihr mit dem Blick eines Schoßhundes folgte. Logan grinste in sich hinein, riss sich aber zusammen, als Ororo bei ihm stehen blieb. Kurt trollte sich in die Küche.
"Schon unseren Besuch kennengelernt?", erkundigte sie sich mit einem feinen Stirnrunzeln. Logan brauchte kein Psychologe zu sein um zu wissen, dass Spannungen zu erwarten waren. "Ich bin oben gerade in sie hineingelaufen."
"Gestern Nacht in Xaviers Büro. Woher kennt Ihr Euch?"
Storm, wie sich Ororo im Kampf nannte, senkte unwillkürlich die Stimme, als weitere Kinder an ihnen vorbeistürmten.
"Sie kam kurz nach dem Aufbau der Schule hierher und war sehr gut mit Scott befreundet, später auch mit Jean, als Xavier herausfand, dass die beiden Schwestern sind." Logan mochte keinen Klatsch, aber er hörte trotzdem interessiert zu, als Ororo nach einem kurzen Blick auf die Treppe fortsetzte: "Nach einem schrecklichen Zwischenfall verließ sie uns mit 15 und lebt seitdem in New Orleans. Ihr ganzer Hass gilt den Menschen - und deshalb traue ich ihr nicht. Seit Jahren war sie nicht hier. Jeans Tod und die Trauer um sie haben ihr wieder die Tür geöffnet."
"Denkst Du, sie hat etwas mit Magneto zu tun?" Logan sprach den ersten Gedanken aus, der ihm kam. Storm nickte leicht.
"Es wäre denkbar, dass-." Die Stufen hatten nicht warnend geknarrt und plötzlich stand Kate neben ihnen und musterte sie mit einem verstehenden Blick. An diesem Morgen wirkte sie ausgeschlafen und erholt. Ihre schwarze Reisekleidung hatte sie gegen Jeans und ein bequemes rotes Top eingetauscht. Ihre Augen reichten so tief, dass Logan sich erkannt vorkam. Automatisch trat er einen Schritt von Ororo zurück, wie um zu beweisen, dass er nicht vor ihr verschwieg, doch Kate war schon weitergegangen und verschwand in Richtung von Xaviers Büro.
***
"Das war zu erwarten. Gerüchte halten sich eben hartnäckig." Xavier hatte sein mageres, aus Kaffee und Obst bestehendes Frühstück beendet, als Kate eintrat. Sie lächelte, trotz der Wut über das Gerede, das aufgekommen war. Bei Ororo hätte sie niemals erwartet, dass sie schlecht über sie sprach. Einst waren auch sie so etwas wie Freundinnen gewesen. Und was den Wolf mit dem Milchglas anging - er hatte tatsächlich leicht betreten ausgesehen.
Aber es waren andere Zeiten. Im gewissen Sinne verstand sie, welche Gedankengänge Storm beschäftigten.
"Ich begann zu vergessen, wie gut sie in meinen Kopf blicken können, Professor."
"Es ist schwerer geworden", gab Xavier zu und seine blauen Augen blinzelten ihr freundlich zu. "Früher waren all Deine Gedanken klar und von wunderbarer Leichtigkeit." Er sprach nicht weiter, denn Kate wusste schon, was er ihr zu sagen versuchte.
"Früher war vieles an mir von Leichtigkeit", sagte sie unbekümmert, da die Jahre sie gelehrt hatten, dass die Vergangenheit ein Teil ihres Selbst geworden und damit nicht zu Gewesene zu hängen. Irgendwann muss man aufhören, sich Gedanken zu machen und weiterleben."
Xavier nickte langsam.
"Wenn Du das kannst, freue ich mich für Dich. Auch wenn wir unterschiedliche Wege beschreiten, bist Du doch immer noch eines meiner Kinder. Ganz gleich, was auch geschieht."
Kate fühlte, wie sich ihr Magen schmerzhaft zusammenzog. Was wusste er? Blickte er derart tief, dass er ihre Zweifel kannte? Das Gefühl, ein offenes Buch zu sein, ängstigte sie, auch wenn sie es niemals zugegeben hätte. Um einen gelassenen Tonfall bemüht, erkundigte sie sich, das Thema wechselnd:
"Ich nehme an, Sie wissen, warum ich noch hier bin?"
Xaviers Gedanken näherten sich den ihren und Kate erhob automatisch eine Blockade, die sie sich antrainiert hatte, um PSI-Talenten nicht ausgeliefert zu sein. Tatsächlich zuckte Xavier zurück, wohl eher diskret als wirklich abgeschreckt, und schüttelte verwundert den Kopf. Seufzend sagte er:
"Da Du es auf diese Weise nicht möchtest, müssen wir wohl beim Altbewährten bleiben. Erzähl."
Kate sammelte sich für kurze Zeit, ließ sich die Geschehnisse in ihrer neuen Heimat durch den Kopf gehen. Dann begann sie:
"Ich versorge regelmäßig unter der Hand flüchtige Mutanten mit neuen Identitäten und den dazugehörigen Papieren. Bislang ist es immer gutgegangen, doch vor einigen Wochen wurden drei von ihnen sofort in der nächsten Polizeikontrolle festgenommen. Es sieht so aus, als würde neben mir noch jemand die neuen Identitäten kennen und die Behörden davon in Kenntnis setzen." Ihre Züge verdüsterten sich. "Eine der Mutanten versuchte sich der Festnahe zu wiedersetzen. Sie hatte zwei kleine Kinder, die sie ebenfalls in Sicherheit bringen wollte und die sie niemals im Stich gelassen hätte. Einer der Polizisten erschoss sie."
Eine kleine Pause trat auf, in der Xaviers väterliche Stimme schließlich bemerkte:
"Das tut mir leid. Aber was genau ist es, das Du von mir willst?"
Kate rang lange mit sich. Sie hatte sich ganze Nächte um die Ohren geschlagen, um zu dem Entschluss zu kommen, dass es auf diese Weise nicht weitergehen konnte. Auch wenn es bedeutete, ihrer Vergangenheit wieder in die Augen sehen und diejenigen um Hilfe bitten zu müssen, von denen sie sich im Zorn abgewandt hatte.
"Hilfe", sagte sie schließlich. "Obwohl ich sie wahrscheinlich nicht verdiene." Und, nach einer kleinenWeile, sprudelte es aus ihr heraus: "Es geht hier nicht um mich, sondern um andere Mutanten, die in diesen Tagen noch unsicherer sind als sonst. Auch wenn ich Fehler gemacht habe, dürfen sie die anderen nicht deswegen verurteilen, weil sie sich an mich gewandt haben."
Xavier hob ernst die Hand im Angesicht ihres Redeflusses, der daraufhin abrupt verstummte.
"Ich hüte mich davor, überhaupt ein Wesen auf dieser Welt für irgendetwas zu verurteilen. Dich nicht, Deine Bittsteller nicht. Wir stehen alle vor demselben Problem. Deine Weise, etwas für Mutanten zu tun, ist zwar grundverschieden zu meiner, doch die Grundidee unterscheidet sich gar nicht so sehr." Xavier lächelte warm und Kate hätte ihn vor Erleichterung fast umarmt. Doch sie war nicht mehr das kleine Mädchen, das es genossen hatte, Xaviers Nähe zu spüren. Inzwischen war er, wie jeder Teil der Welt, die sie verlassen hatte, eine Bedrohung für sie. Sie konnte nicht zulassen, dass ihre Sentimentalitäten sie beeinflussten. "Ich werde sehen, was ich für Dich tun kann."
Kapitel 2
Stimmen der Vergangenheit
Kate hatte ihren Kopf gegen Scotts gelehnt. Sie hatten sich wieder in die Sofaecke zurückgezogen, dieses Mal ungestört. So hatten sie schon oft dagesessen, nachgedacht, geredet und nun, nach einer langen Zeit, war die alte Vertrautheit wieder da.
"Wie lange ist das her?", fragte er irgendwann leise. "Es kommt mir fast wie eine Ewigkeit vor."
"Ich erinnere mich noch an den Abend, an dem ich hierher kam", erinnerte sich Kate, ein wenig träumerisch. Sie spürte Scotts Anspannung und wusste doch, dass sie nicht mehr tun konnte als neben ihm zu sitzen und zu reden. "Ich war 11 und fand es furchtbar, von meiner Mutter getrennt zu werden. Du und Jean, Ihr habt mich sofort unter Eure Fittiche genommen, als mir einer der Jungs einen Bananensplit ins Gesicht schleuderte."
Sie wusste, dass er grinste, dann aber wieder schlagartig ernst wurde, als er ergänzte:
"Weißt Du eigentlich, dass ich irgendwann in diesen Tagen beschlossen habe, dass Jean die Frau meines Lebens sein wird?"
Stille legte sich über den Raum, vom regelmäßigen Geräusch ihres Atems durchbrochen. Vor dem Fenster rauschte ein kühler Nordwind, der in den letzten Tagen Regen gebracht hatte. Die Luftströmungen über dem Anwesen hatten es Kate nicht leicht gemacht zu landen.
"Es tut mir leid." Sie hob den Kopf und sah Scott an, der am Rande seiner Fassung angekommen zu sein schien. Sie nahm seine Hand in ihre und drückte sie. "Man sagt, dass das Leben voller verpasster Chancen ist. Aber ich glaube, dass Du und Jean jede Eurer Chancen genutzt habt."
Scott starrte einen Moment ins Leere, sie konnte es an den Bewegungen seines Gesichts unter der Schutzbrille erkennen. Dann zuckte ein kurzes, bitteres Lächeln um seine Mundwinkel.
"Und das von der Königin der verpassten Chance?"
"Du kannst es immer noch nicht verstehen, dass ich gegangen bin", stellte Kate fest, froh über seinen abrupten Themenwechsel. An diesem Abend war eine Flut von Erinnerungen und Erlebnissen auf sie eingestürmt, die ganze Wucht von Scotts Trauer zusätzlich zu ihrer eigenen zu erleben traute sie sich nicht zu.
"Ich dachte nie, dass Du so leicht aufgeben würdest", lautete die schlichte Antwort. "Das hat uns alle ziemlich erschüttert und vor allem Jean. Sie hat sich immer gefragt, wohin Dich Deine Wut führen würde."
Kate biss sich auf die Lippe, ein kleines Zeichen ihrer Unsicherheit in Gegenwart eines Freundes.
"Ich denke, ich habe das Richtige getan", behauptete sie schließlich, nicht mehr völlig sicher seit dem Moment, in dem sie in die Schule zurückgekehrt war. Was wäre wohl mit ihr geschehen, wenn sie einen anständigen Abschluss gemacht hätte? Hätte sie dann, irgendwann einmal, über das hinwegsehen können, was die Menschen ihr angetan hatten? "Meine Geschäfte laufen gut und ich weiß, dass ich etwas bewegen kann mit meiner Arbeit."
"Bis Dich die Polizei oder noch schlimmer wieder ein paar hirnlose Mutantenfeinde aufgreifen! Das sollte keine Kritik an der guten Sache sein, aber ich mache mir Sorgen um Dich." Scotts Vehemenz erstaunte Kate. Wie wohltuend, die freundschaftliche Sorge trotz der vergangenen Zeit zu spüren und wie schmerzlich, dass sie bald wieder gehen musste.
"Ich bin nicht diejenige, um die Du Dir Sorgen machen musst", bekräftigte sie und sah ihn fest an. "Ich habe bisher alles überstanden, Scott. Denk an Dich in der nächsten Zeit und wenn Du mich brauchst, werde ich da sein."
"Wenn Dich Deine Mutantenbar wieder einmal entbehren kann?"
"Jederzeit."
***
Logan schlurfte in die Küche. Die Augen zusammengekniffen, blinzelte er in das trübe graue Licht des Vormittags, das durch die breite Fensterfront fiel. Wolken jagten gehetzt über den tiefhängenden Himmel.
Bobby und Marie saßen am Tresen und stopften wortlos Cornflakes in sich hinein. Marie, die sich Rogue nannte, blickte kurz auf und lächelte, dann widmete sie sich wieder dem Essen. Ein anstrengender Schultag lag vor den Jugendlichen, denn auch wenn sie neuerdings Mitglieder der X-Men geworden waren, so hatte doch ihre Ausbildung in Professor Xaviers Augen Priorität.
Einige jüngere Schüler strömten herein, einige verschlafen, andere lachend und schwatzend. Logan, der sich auf Hüfthöhe von anderen Mutanten umgeben sah, fühlte sich bedrängt, schlug sich zum Kühlschrank durch und trat mit einem Glas Milch den Rückzug an.
Er hatte in dieser Nacht zumindest ein wenig geschlafen, doch es kam ihm vor, als sei er seit Jeans Tod noch niemals derart erschöpft gewesen. Seine Augen brannten, sein Nacken schmerzte von verspannten Muskeln und fast konnte er jeden Strang von Adamantium spüren, das seinen Körper durchzog. In diesem Fall waren seine Selbstheilungskräfte nichts wert.
Ororo Munroe kam die Treppe hinunter, wie stets unglaublich attraktiv und wie stets in letzter Zeit in Begleitung von Kurt Wagner, der ihr mit dem Blick eines Schoßhundes folgte. Logan grinste in sich hinein, riss sich aber zusammen, als Ororo bei ihm stehen blieb. Kurt trollte sich in die Küche.
"Schon unseren Besuch kennengelernt?", erkundigte sie sich mit einem feinen Stirnrunzeln. Logan brauchte kein Psychologe zu sein um zu wissen, dass Spannungen zu erwarten waren. "Ich bin oben gerade in sie hineingelaufen."
"Gestern Nacht in Xaviers Büro. Woher kennt Ihr Euch?"
Storm, wie sich Ororo im Kampf nannte, senkte unwillkürlich die Stimme, als weitere Kinder an ihnen vorbeistürmten.
"Sie kam kurz nach dem Aufbau der Schule hierher und war sehr gut mit Scott befreundet, später auch mit Jean, als Xavier herausfand, dass die beiden Schwestern sind." Logan mochte keinen Klatsch, aber er hörte trotzdem interessiert zu, als Ororo nach einem kurzen Blick auf die Treppe fortsetzte: "Nach einem schrecklichen Zwischenfall verließ sie uns mit 15 und lebt seitdem in New Orleans. Ihr ganzer Hass gilt den Menschen - und deshalb traue ich ihr nicht. Seit Jahren war sie nicht hier. Jeans Tod und die Trauer um sie haben ihr wieder die Tür geöffnet."
"Denkst Du, sie hat etwas mit Magneto zu tun?" Logan sprach den ersten Gedanken aus, der ihm kam. Storm nickte leicht.
"Es wäre denkbar, dass-." Die Stufen hatten nicht warnend geknarrt und plötzlich stand Kate neben ihnen und musterte sie mit einem verstehenden Blick. An diesem Morgen wirkte sie ausgeschlafen und erholt. Ihre schwarze Reisekleidung hatte sie gegen Jeans und ein bequemes rotes Top eingetauscht. Ihre Augen reichten so tief, dass Logan sich erkannt vorkam. Automatisch trat er einen Schritt von Ororo zurück, wie um zu beweisen, dass er nicht vor ihr verschwieg, doch Kate war schon weitergegangen und verschwand in Richtung von Xaviers Büro.
***
"Das war zu erwarten. Gerüchte halten sich eben hartnäckig." Xavier hatte sein mageres, aus Kaffee und Obst bestehendes Frühstück beendet, als Kate eintrat. Sie lächelte, trotz der Wut über das Gerede, das aufgekommen war. Bei Ororo hätte sie niemals erwartet, dass sie schlecht über sie sprach. Einst waren auch sie so etwas wie Freundinnen gewesen. Und was den Wolf mit dem Milchglas anging - er hatte tatsächlich leicht betreten ausgesehen.
Aber es waren andere Zeiten. Im gewissen Sinne verstand sie, welche Gedankengänge Storm beschäftigten.
"Ich begann zu vergessen, wie gut sie in meinen Kopf blicken können, Professor."
"Es ist schwerer geworden", gab Xavier zu und seine blauen Augen blinzelten ihr freundlich zu. "Früher waren all Deine Gedanken klar und von wunderbarer Leichtigkeit." Er sprach nicht weiter, denn Kate wusste schon, was er ihr zu sagen versuchte.
"Früher war vieles an mir von Leichtigkeit", sagte sie unbekümmert, da die Jahre sie gelehrt hatten, dass die Vergangenheit ein Teil ihres Selbst geworden und damit nicht zu Gewesene zu hängen. Irgendwann muss man aufhören, sich Gedanken zu machen und weiterleben."
Xavier nickte langsam.
"Wenn Du das kannst, freue ich mich für Dich. Auch wenn wir unterschiedliche Wege beschreiten, bist Du doch immer noch eines meiner Kinder. Ganz gleich, was auch geschieht."
Kate fühlte, wie sich ihr Magen schmerzhaft zusammenzog. Was wusste er? Blickte er derart tief, dass er ihre Zweifel kannte? Das Gefühl, ein offenes Buch zu sein, ängstigte sie, auch wenn sie es niemals zugegeben hätte. Um einen gelassenen Tonfall bemüht, erkundigte sie sich, das Thema wechselnd:
"Ich nehme an, Sie wissen, warum ich noch hier bin?"
Xaviers Gedanken näherten sich den ihren und Kate erhob automatisch eine Blockade, die sie sich antrainiert hatte, um PSI-Talenten nicht ausgeliefert zu sein. Tatsächlich zuckte Xavier zurück, wohl eher diskret als wirklich abgeschreckt, und schüttelte verwundert den Kopf. Seufzend sagte er:
"Da Du es auf diese Weise nicht möchtest, müssen wir wohl beim Altbewährten bleiben. Erzähl."
Kate sammelte sich für kurze Zeit, ließ sich die Geschehnisse in ihrer neuen Heimat durch den Kopf gehen. Dann begann sie:
"Ich versorge regelmäßig unter der Hand flüchtige Mutanten mit neuen Identitäten und den dazugehörigen Papieren. Bislang ist es immer gutgegangen, doch vor einigen Wochen wurden drei von ihnen sofort in der nächsten Polizeikontrolle festgenommen. Es sieht so aus, als würde neben mir noch jemand die neuen Identitäten kennen und die Behörden davon in Kenntnis setzen." Ihre Züge verdüsterten sich. "Eine der Mutanten versuchte sich der Festnahe zu wiedersetzen. Sie hatte zwei kleine Kinder, die sie ebenfalls in Sicherheit bringen wollte und die sie niemals im Stich gelassen hätte. Einer der Polizisten erschoss sie."
Eine kleine Pause trat auf, in der Xaviers väterliche Stimme schließlich bemerkte:
"Das tut mir leid. Aber was genau ist es, das Du von mir willst?"
Kate rang lange mit sich. Sie hatte sich ganze Nächte um die Ohren geschlagen, um zu dem Entschluss zu kommen, dass es auf diese Weise nicht weitergehen konnte. Auch wenn es bedeutete, ihrer Vergangenheit wieder in die Augen sehen und diejenigen um Hilfe bitten zu müssen, von denen sie sich im Zorn abgewandt hatte.
"Hilfe", sagte sie schließlich. "Obwohl ich sie wahrscheinlich nicht verdiene." Und, nach einer kleinenWeile, sprudelte es aus ihr heraus: "Es geht hier nicht um mich, sondern um andere Mutanten, die in diesen Tagen noch unsicherer sind als sonst. Auch wenn ich Fehler gemacht habe, dürfen sie die anderen nicht deswegen verurteilen, weil sie sich an mich gewandt haben."
Xavier hob ernst die Hand im Angesicht ihres Redeflusses, der daraufhin abrupt verstummte.
"Ich hüte mich davor, überhaupt ein Wesen auf dieser Welt für irgendetwas zu verurteilen. Dich nicht, Deine Bittsteller nicht. Wir stehen alle vor demselben Problem. Deine Weise, etwas für Mutanten zu tun, ist zwar grundverschieden zu meiner, doch die Grundidee unterscheidet sich gar nicht so sehr." Xavier lächelte warm und Kate hätte ihn vor Erleichterung fast umarmt. Doch sie war nicht mehr das kleine Mädchen, das es genossen hatte, Xaviers Nähe zu spüren. Inzwischen war er, wie jeder Teil der Welt, die sie verlassen hatte, eine Bedrohung für sie. Sie konnte nicht zulassen, dass ihre Sentimentalitäten sie beeinflussten. "Ich werde sehen, was ich für Dich tun kann."
