@ All: Erst einmal ganz herzlichen Dank für die lieben Reviews!! Das hilft
mir sehr weiter! Viel Spaß beim neuen Kapitel!
@Endemic: Nö, ich hab die Comics nie gelesen, versuche aber im Netz für gewisse Dinge zu recherchieren
@Baal: Mein geliebter PC, wenn Du noch einmal in einer Kreativphase durchbrennst, dann mache ich Dir Feuer unter'm Mainboard!! ;)
Kapitel 5
Regentage
"Also hat sie immer noch keiner gesehen?" Logan hörte Scotts Frage, als er die Haustür hinter sich schloss und das Wasser abschüttelte. Die Ohren spitzend, ging er zum Gemeinschaftsraum hinüber, in dem neben Scott noch Rogue und Storm standen. "Sollen wir den Professor informieren?"
Rogue zuckte mit den Achseln. Sie bemerkte Logan und schenkte ihm ein Lächeln, das die Polkappen hätte schmelzen können. Er nickte ihr zu und lehnte sich mit verschränkten Armen an eine der Säulen. Es war ihm ein wenig unangenehm, dass Rogue in stets ansah, als sei er eine Art Superman. Diese kindliche Verliebtheit, die sie für ihn entwickelt hatte, machte alles nicht einfacher. Im Gegenteil. Er rechnete jede Nacht damit, dass Rogues Freund Bobby versuchen würde, ihn bis zum jüngsten Tag einzufrieren - oder jene Teile von ihm, auf die Marie es abgesehen hatte.
"Kate ist weg?", sprach er seinen Verdacht aus und die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich sofort auf ihn. Scott nickte sorgenvoll.
"Ich habe sie heute Nachmittag noch auf dem Dachboden gesehen", fügte Marie der Informationslage hinzu. "Sah nicht wirklich glücklich aus."
"Ich sag es ja ungern, aber in der Garage fehlt Dein neuer Wagen, Scotty!", meinte Logan lässig und erfreute sich an dessen Fassungslosigkeit.
"Warum zum Teufel immer meine?!", murrte dieser unzufrieden. "Ich schätze, wir müssen in der Stadt nach ihr suchen."
"Wir?", wollte Storm wissen und machte keinen Hehl aus ihrer Abscheu für die Situation. "Sie ist alt genug um zu wissen, was sie tut. Sie hatte schon immer ihren eigenen Kopf. Morgen früh ist sie garantiert wieder da!"
"Das reicht mir nicht!", knirschte Scott und war schon fast aus der Tür, als er sich zu Logan umdrehte. "Komm mit!"
"Ich wüsste nicht, seit wann Du mein Befehlshaber bist", gab Logan mit hochgezogener Augenbraue zurück, doch er folgte dem anderen Mann wiederwillig. Wenn Scott, der die toughe Kate besser kannte als jeder andere, Schwierigkeiten fürchtete, dann würde Logan es sich nicht nehmen lassen, genau diese richtig auszukosten. Er liebte Schwierigkeiten - das hielt ihn vom Nachdenken ab.
Minuten später rasten sie die nächtliche Landstraße hinab. Regen prasselte gegen die Windschutzscheibe von Xaviers silbernem Sportwagen, den Scott sich ausgeliehen hatte. Die Scheibenwischer huschten überfordert quietschend vor Logans Nase hin und her, der Anblick machte ihn nervös.
Die Lichter von Amesville, der kleinen Stadt in der Nähe der Schule, waren in der windumtosten Dunkelheit noch nicht auszumachen.
"Ich hoffe, sie macht keinen Unsinn!", murmelte Scott und krampfte eine Hand um das Lenkrad. Logan schwieg. Es war ein seltsames Gefühl, zum zweiten Mal in derart kurzer Zeit in das Gefühlsleben eines Menschen zu blicken, den er eigentlich gar nicht leiden konnte. Seine Gedanken huschten zu Kate. Er hatte keine Ahnung, was sie im Moment gerade tat, weil sie für ihn einfach nicht durchschaubar war. Zunächst hätte er vermutet, dass der Besuch von Jeans Elternetwas mit ihrem Verschwinden zu tun hatte, doch er schätze sie nicht so ein, dass sie sich von aufgestauten Konflikten berühren ließ. Etwas Anderes, Schwerwiegendes musste vorgefallen sein. "Eigentlich hätte ich es ja wissen müssen", setzte Scott hinzu und riss Logan aus den Gedanken.
"Hättest Du die Güte, mir Deine hochwissenschaftlichen Gedankengänge zu erklären?"
Scott schnaubte, doch kam der Bitte nach, die verdeckten Augen fest auf die teilweise überflutete Straße geheftet.
"Es ist heute auf den Tag 16 Jahre her, dass Jean, Kate und ich abends in die Stadt schlichen, um ein wenig Spaß zu haben. Ich glaube, damals hat es auch geregnet, so wie jetzt. Um es kurz zu machen - sie haben uns als Mutanten erkannt, übel zugerichtet und im Anschluss versucht, die Schule anzuzünden."
Logan fluchte verhalten, hinter Scotts knappen Worten jene Emotionen erfühlend, die diesen Vorfall und seine Erinnerung bis in die Gegenwart begleitet hatten.
"Denkst Du, sie will Rache?"
Scott zuckte die Achseln, wirkte hilflos.
"Ich dachte, ich würde sie kennen - aber ich weiß es nicht!"
***
Kate wollte einfach nur trinken, bis ihr Kopf auf die Bar knallte und dann im Regen schlafen. Das war der grobe Plan gewesen, als sie das "Blue Ballon" betreten und sich einen Platz an der Schanktheke gesucht hatte.
Einfach kein guter Tag. Sie starrte die Flasche Tequila, die, noch immer voll, vor ihr stand, wie ein ekeliges Insekt an. Der Keeper warf ihr einen skeptischen Blick zu und schüttelte dann belustigt den Kopf. Es war ihm wohl noch nie untergekommen, dass ein Gast, der offensichtlich vorgehabt hatte sich zu betrinken, eine Stunde regungslos vor dem ersten Glas saß.
Sie hatte sich lange nicht mehr so schlecht gefühlt. Der Blick vom Dach auf das starr gebeugte Haupt ihres Vaters, der mit Jeans Mutter am Arm die Schule verließ und das Bild, wie der Wagen in den Regenschleiern verschwunden war, ließen sich nicht mehr aus ihrem Kopf löschen. Eigentlich hatte sie mit ihm reden wollen, es war längst überfällig. Doch sie hatte gekniffen. An diesem ganz besonderen Jahrestag hatte sie es nicht gekonnt.
Ihre Hand schob sich zu dem Shot Tequila, doch sie zögerte. Seit fast fünf Jahren hatte sie keinen Alkohol mehr angerührt. Mehr fiel ihr nicht ein, als sie die klare, golden Flüssigkeit in dem Glas überschwappen sah, während sie es mit einer heftigen Bewegung zurückschob und aufstand.
Sie zog ihre Jacke an, als sich die Tür öffnete und eine Gruppe Männer den fast leeren Raum betrat. Alle schienen Farmer und Arbeiter aus der Umgebung zu sein, die sich, sichtlich angetrunken, köstlich zu amüsieren schienen. Raues Lachen schallte durch den Raum, als einige der Männer an die Theke traten und mit lauter Stimme Bier und Whiskey bestellten, während die Anderen es sich an den Tischen gemütlich machten. Einer von ihnen stieß seine Kumpel an und ging mit einem breiten Grinsen auf Kate zu.
"Hey, Lady, würden Sie uns den Gefallen tun und mit uns trinken?" Kate roch seine Fahne und beglückwünschte sich dazu, sich nicht im selben Zustand zu befinden wie er.
"Nein, danke", sagte sie ruhig und höflich und durchquerte den Raum mit einigen schnellen Schritten. Sie war fast an der Tür, als einer der Männer in ihren Weg trat und die Türöffnung mit seinem Arm versperrte.
"Wie unhöflich, unser freundliches Angebot abzulehnen. Man muss Dir wohl Benehmen beibringen, wie?" Der breite Stetson, der bislang sein Gesicht verhüllt hatte, kippte nach hinten und offenbarte ein breites, brutales Gesicht, das von vier langen Narben entstellt wurde. Kate war, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen werden und auch ihr Gegenüber, der nun die Augen zusammenkniff, um sie genauer anzusehen, prallte zurück. "Du bist das, Du Miststück!" Kate sprang zurück und entging seinem Angriff um Haaresbreite. Spürend, wie sich ihre Krallen ausfuhren und ihre Eckzähne ein gutes Stück wuchsen, zog sie sich lauernd hinter einen der leeren Tische zurück. "Das ist diese Mutantin! Auf sie!"
Kates Blick hetzte hin und her, als sich die Sitzenden erhoben und sie sich einer Gruppe von mehr als einem Dutzend Männern gegenüberfand, die zu allem bereit schienen. Ein erster Stuhl flog in ihre Richtung durch die Luft, dann ein zweiter. Sie wich aus, versuchte, den näher rückenden Männern aus dem Weg zu gehen, doch es war hoffnungslos.
Mit einem Fauchen sprang sie vor, wissend, dass sie nichts zu verlieren hatte, und grub ihre Krallen in den ersten Mann, der noch verblüfft zurückprallte. Seine Freunde ließen sich jedoch nicht aufhalten. Einer sprang gegen ihre Beine und riss sie zu Boden, ehe sie noch etwas dagegen tun konnte. Mit einem wütenden Schrei schlug sie hart nach. Sie zerfetzte seine Schulter und heulte dann gequält und frustriert auf, als sich die Männer auf ihre Arme und Beine stellten und knieten, um sie am Boden zu halten.
Mit aller Kraft bäumte sie sich auf und erreichte nur, dass ihr das Narbengesicht, der inzwischen neben ihr aufgetaucht war, ihr einige Male kräftig ins Gesicht und die Seite trat. Warmes Blut rann über ihre Schläfe und durch ihren Mund wie die Pein durch ihren Körper. Sie spuckte es aus.
"Eines Tages werden wir allein sein!", fauchte sie in das grinsende Gesicht über ihr. Der Mann zuckte die Achseln.
"Sieht nicht gut für Dich aus, Missgeburt. Hättest nicht noch mal zurückkommen sollen, nachdem wir Dir den Teufel so schön ausgetrieben haben." Die Bierflasche in seiner Hand zerbarst an einer Tischkante und der zersplitterte Stiel bewegte sich auf ihr Gesicht zu. Kate schluckte und war dankbar, dass ein weiterer Tritt gegen ihren Kopf ihre Welt ins Schwanken brachte. Dennoch hörte sie noch seine letzten Worte. "Waren wohl nicht gründlich genug."
***
Logan zögerte nicht, als er hinter Scott in den Raum platze. Die Situation war nicht mitzuverstehen und rechtfertigte jedes Mittel. Seine Adamantiumklauen fuhren hervor und suchten sich den blutigen Weg über diverse Körper, deren Gesichter er nicht einmal wahrnahm.
Ein glühender Strahl zischte durch den Raum und zerschmolz die Flasche, die Kate gefährlich nahe gekommen war, zu einem Klumpen heißen Glases. Der Mann, der sie gehalten hatte, sprang mit einem gotteslästerlichen Fluch zurück und starrte die Neuankömmlinge fassungslos an. Seine Kumpane erholten sich schnell von ihrem Schrecken und ließen Kate los, um sich auf Scott und Logan zu stürzen.
Stühle und Tische splitterten, als Scott systematisch die Umgebung der Männer durchlöcherte und sie damit in Schach hielt. Logan versuchte sich daran zu erinnern, dass er nicht gegen Mutanten kämpfte, bei denen selbst kleinere Wunden gefährlich sein konnten und zügelte seinen Kampfesdurst. Doch aus den Augenwinkeln sah er, wie sich Kates Peiniger davonzumachen versuchte und er ließ seine Grundsätze so schnell wie fallen, wie er sie gefasst hatte. An einer Wand fing er ihn ab, die Finger um die feiste Kehle des Gegners schließend, ein Knurren tief in seiner Brust, das er nicht kontrollieren konnte.
Schon wollte er die Krallen ein weiteres Mal über das zerstörte Gesicht des Kerls ziehen, doch Scotts Ruf stoppte ihn gerade noch rechtzeitig. Sein Atem ging schwer, als er mit einem bedrohlichen Grinsen den Kopf wandte und sich umsah. Der Vormarsch der Menschen hatte abrupt aufgehört, da der Fußboden um sie herum derart durchlöchert war, dass es nur einer winzigen Bewegung bedürfen würde, um die in den Keller stürzen zu lassen. Logan sah in nun merkwürdig blasse Gesichter und es war fast zum Lachen, wenn es nicht so unerträglich gewesen wäre.
Irgendwas lief an diesem Tag wirklich grundlegend falsch.
"Hol Kate", sagte Scott bestimmt, eine Hand noch am Kontrollmechanismus seiner Brille. Es gelang ihm mühelos, ihm Rückendeckung zu geben, als Logan seinen Gegner kurzerhand mit einem kräftigen Schubs gegen die Wand bewusstlos schlug und dann zu Kate hinübereilte. Der Fußboden knarrte bedenklich, doch Logan spürt ganz genau, welche Dielen er belasten konnte und welche nicht.
Kate war bewusstlos und übel zugerichtet. So vorsichtig wie möglich hob er sie auf - sie war so leicht wie er es erwartet hatte - und trug sie zur Tür. Ihr Kopf rollte gegen seine Brust und er bezähmte seinen übermächtigen Beschützerinstinkt. Dafür würde sie ihm kräftig in den Hintern treten, wenn sie wieder wach war.
Am Wagen verfrachtete er sie auf den Rücksitz und setzte sich kurzentschlossen dazu, damit sie die Fahrt gut überstand. Ihren Oberkörper mit seinem stützend, beobachtete er, wie Scott eilig aus der Bar stürmte, sich hinter das Steuer warf und mit im Schlick durchdrehenden Reifen davonraste.
Kein Wort wurde gesprochen, als sie die Hauptstraße mit der einzigen sturmgeschüttelten Ampel hinter sich ließen und sich auf den Rückweg in das ehemalige Herrenhaus machten.
"Das hat sicher ein Nachspiel!", grummelte Logan und tastete vorsichtig in Kates Gesicht nach Brüchen. "Was zum Teufel wollten die von ihr?"
Scott hüllte sich für eine ganze Weile in Schweigen und schien mit sich zu ringen, doch dann wandte er halb den Kopf, um auf den Rücksitz zu blicken.
"Die Narben bei dem einen Typen - die hat Kate ihm verpasst, als er versuchte, es allein mit ihr aufzunehmen. Wie heute brauchte er einige Freuden aus dem Dorf, um sie niederzuringen." Logan blieb bei der Vorstellung, was damals passiert sein mochte, für einen Moment die Luft weg. Doch Scott war noch nicht fertig. "Sie haben uns richtig fertiggemacht, bis schließlich die Polizei eingriff. Sie wollten nicht, dass es Tote gab, auf welcher Seite auch immer. Der Professor hat damals auf Deeskalation gesetzt und vor Gericht ein gutes Wort für die Männer eingelegt, um die Schule nicht nachhaltig zu gefährden. Kate hat es ihm niemals verziehen."
Das Tor zur Schule glitt vor ihnen auf und sie rauschten die Einfahrt hinauf. Durch den Regen konnte Logan die verschwommenen Gestalten erkennen, die vor dem geöffneten Portal warteten. Der Tag war noch lange nicht zuende.
@Endemic: Nö, ich hab die Comics nie gelesen, versuche aber im Netz für gewisse Dinge zu recherchieren
@Baal: Mein geliebter PC, wenn Du noch einmal in einer Kreativphase durchbrennst, dann mache ich Dir Feuer unter'm Mainboard!! ;)
Kapitel 5
Regentage
"Also hat sie immer noch keiner gesehen?" Logan hörte Scotts Frage, als er die Haustür hinter sich schloss und das Wasser abschüttelte. Die Ohren spitzend, ging er zum Gemeinschaftsraum hinüber, in dem neben Scott noch Rogue und Storm standen. "Sollen wir den Professor informieren?"
Rogue zuckte mit den Achseln. Sie bemerkte Logan und schenkte ihm ein Lächeln, das die Polkappen hätte schmelzen können. Er nickte ihr zu und lehnte sich mit verschränkten Armen an eine der Säulen. Es war ihm ein wenig unangenehm, dass Rogue in stets ansah, als sei er eine Art Superman. Diese kindliche Verliebtheit, die sie für ihn entwickelt hatte, machte alles nicht einfacher. Im Gegenteil. Er rechnete jede Nacht damit, dass Rogues Freund Bobby versuchen würde, ihn bis zum jüngsten Tag einzufrieren - oder jene Teile von ihm, auf die Marie es abgesehen hatte.
"Kate ist weg?", sprach er seinen Verdacht aus und die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich sofort auf ihn. Scott nickte sorgenvoll.
"Ich habe sie heute Nachmittag noch auf dem Dachboden gesehen", fügte Marie der Informationslage hinzu. "Sah nicht wirklich glücklich aus."
"Ich sag es ja ungern, aber in der Garage fehlt Dein neuer Wagen, Scotty!", meinte Logan lässig und erfreute sich an dessen Fassungslosigkeit.
"Warum zum Teufel immer meine?!", murrte dieser unzufrieden. "Ich schätze, wir müssen in der Stadt nach ihr suchen."
"Wir?", wollte Storm wissen und machte keinen Hehl aus ihrer Abscheu für die Situation. "Sie ist alt genug um zu wissen, was sie tut. Sie hatte schon immer ihren eigenen Kopf. Morgen früh ist sie garantiert wieder da!"
"Das reicht mir nicht!", knirschte Scott und war schon fast aus der Tür, als er sich zu Logan umdrehte. "Komm mit!"
"Ich wüsste nicht, seit wann Du mein Befehlshaber bist", gab Logan mit hochgezogener Augenbraue zurück, doch er folgte dem anderen Mann wiederwillig. Wenn Scott, der die toughe Kate besser kannte als jeder andere, Schwierigkeiten fürchtete, dann würde Logan es sich nicht nehmen lassen, genau diese richtig auszukosten. Er liebte Schwierigkeiten - das hielt ihn vom Nachdenken ab.
Minuten später rasten sie die nächtliche Landstraße hinab. Regen prasselte gegen die Windschutzscheibe von Xaviers silbernem Sportwagen, den Scott sich ausgeliehen hatte. Die Scheibenwischer huschten überfordert quietschend vor Logans Nase hin und her, der Anblick machte ihn nervös.
Die Lichter von Amesville, der kleinen Stadt in der Nähe der Schule, waren in der windumtosten Dunkelheit noch nicht auszumachen.
"Ich hoffe, sie macht keinen Unsinn!", murmelte Scott und krampfte eine Hand um das Lenkrad. Logan schwieg. Es war ein seltsames Gefühl, zum zweiten Mal in derart kurzer Zeit in das Gefühlsleben eines Menschen zu blicken, den er eigentlich gar nicht leiden konnte. Seine Gedanken huschten zu Kate. Er hatte keine Ahnung, was sie im Moment gerade tat, weil sie für ihn einfach nicht durchschaubar war. Zunächst hätte er vermutet, dass der Besuch von Jeans Elternetwas mit ihrem Verschwinden zu tun hatte, doch er schätze sie nicht so ein, dass sie sich von aufgestauten Konflikten berühren ließ. Etwas Anderes, Schwerwiegendes musste vorgefallen sein. "Eigentlich hätte ich es ja wissen müssen", setzte Scott hinzu und riss Logan aus den Gedanken.
"Hättest Du die Güte, mir Deine hochwissenschaftlichen Gedankengänge zu erklären?"
Scott schnaubte, doch kam der Bitte nach, die verdeckten Augen fest auf die teilweise überflutete Straße geheftet.
"Es ist heute auf den Tag 16 Jahre her, dass Jean, Kate und ich abends in die Stadt schlichen, um ein wenig Spaß zu haben. Ich glaube, damals hat es auch geregnet, so wie jetzt. Um es kurz zu machen - sie haben uns als Mutanten erkannt, übel zugerichtet und im Anschluss versucht, die Schule anzuzünden."
Logan fluchte verhalten, hinter Scotts knappen Worten jene Emotionen erfühlend, die diesen Vorfall und seine Erinnerung bis in die Gegenwart begleitet hatten.
"Denkst Du, sie will Rache?"
Scott zuckte die Achseln, wirkte hilflos.
"Ich dachte, ich würde sie kennen - aber ich weiß es nicht!"
***
Kate wollte einfach nur trinken, bis ihr Kopf auf die Bar knallte und dann im Regen schlafen. Das war der grobe Plan gewesen, als sie das "Blue Ballon" betreten und sich einen Platz an der Schanktheke gesucht hatte.
Einfach kein guter Tag. Sie starrte die Flasche Tequila, die, noch immer voll, vor ihr stand, wie ein ekeliges Insekt an. Der Keeper warf ihr einen skeptischen Blick zu und schüttelte dann belustigt den Kopf. Es war ihm wohl noch nie untergekommen, dass ein Gast, der offensichtlich vorgehabt hatte sich zu betrinken, eine Stunde regungslos vor dem ersten Glas saß.
Sie hatte sich lange nicht mehr so schlecht gefühlt. Der Blick vom Dach auf das starr gebeugte Haupt ihres Vaters, der mit Jeans Mutter am Arm die Schule verließ und das Bild, wie der Wagen in den Regenschleiern verschwunden war, ließen sich nicht mehr aus ihrem Kopf löschen. Eigentlich hatte sie mit ihm reden wollen, es war längst überfällig. Doch sie hatte gekniffen. An diesem ganz besonderen Jahrestag hatte sie es nicht gekonnt.
Ihre Hand schob sich zu dem Shot Tequila, doch sie zögerte. Seit fast fünf Jahren hatte sie keinen Alkohol mehr angerührt. Mehr fiel ihr nicht ein, als sie die klare, golden Flüssigkeit in dem Glas überschwappen sah, während sie es mit einer heftigen Bewegung zurückschob und aufstand.
Sie zog ihre Jacke an, als sich die Tür öffnete und eine Gruppe Männer den fast leeren Raum betrat. Alle schienen Farmer und Arbeiter aus der Umgebung zu sein, die sich, sichtlich angetrunken, köstlich zu amüsieren schienen. Raues Lachen schallte durch den Raum, als einige der Männer an die Theke traten und mit lauter Stimme Bier und Whiskey bestellten, während die Anderen es sich an den Tischen gemütlich machten. Einer von ihnen stieß seine Kumpel an und ging mit einem breiten Grinsen auf Kate zu.
"Hey, Lady, würden Sie uns den Gefallen tun und mit uns trinken?" Kate roch seine Fahne und beglückwünschte sich dazu, sich nicht im selben Zustand zu befinden wie er.
"Nein, danke", sagte sie ruhig und höflich und durchquerte den Raum mit einigen schnellen Schritten. Sie war fast an der Tür, als einer der Männer in ihren Weg trat und die Türöffnung mit seinem Arm versperrte.
"Wie unhöflich, unser freundliches Angebot abzulehnen. Man muss Dir wohl Benehmen beibringen, wie?" Der breite Stetson, der bislang sein Gesicht verhüllt hatte, kippte nach hinten und offenbarte ein breites, brutales Gesicht, das von vier langen Narben entstellt wurde. Kate war, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen werden und auch ihr Gegenüber, der nun die Augen zusammenkniff, um sie genauer anzusehen, prallte zurück. "Du bist das, Du Miststück!" Kate sprang zurück und entging seinem Angriff um Haaresbreite. Spürend, wie sich ihre Krallen ausfuhren und ihre Eckzähne ein gutes Stück wuchsen, zog sie sich lauernd hinter einen der leeren Tische zurück. "Das ist diese Mutantin! Auf sie!"
Kates Blick hetzte hin und her, als sich die Sitzenden erhoben und sie sich einer Gruppe von mehr als einem Dutzend Männern gegenüberfand, die zu allem bereit schienen. Ein erster Stuhl flog in ihre Richtung durch die Luft, dann ein zweiter. Sie wich aus, versuchte, den näher rückenden Männern aus dem Weg zu gehen, doch es war hoffnungslos.
Mit einem Fauchen sprang sie vor, wissend, dass sie nichts zu verlieren hatte, und grub ihre Krallen in den ersten Mann, der noch verblüfft zurückprallte. Seine Freunde ließen sich jedoch nicht aufhalten. Einer sprang gegen ihre Beine und riss sie zu Boden, ehe sie noch etwas dagegen tun konnte. Mit einem wütenden Schrei schlug sie hart nach. Sie zerfetzte seine Schulter und heulte dann gequält und frustriert auf, als sich die Männer auf ihre Arme und Beine stellten und knieten, um sie am Boden zu halten.
Mit aller Kraft bäumte sie sich auf und erreichte nur, dass ihr das Narbengesicht, der inzwischen neben ihr aufgetaucht war, ihr einige Male kräftig ins Gesicht und die Seite trat. Warmes Blut rann über ihre Schläfe und durch ihren Mund wie die Pein durch ihren Körper. Sie spuckte es aus.
"Eines Tages werden wir allein sein!", fauchte sie in das grinsende Gesicht über ihr. Der Mann zuckte die Achseln.
"Sieht nicht gut für Dich aus, Missgeburt. Hättest nicht noch mal zurückkommen sollen, nachdem wir Dir den Teufel so schön ausgetrieben haben." Die Bierflasche in seiner Hand zerbarst an einer Tischkante und der zersplitterte Stiel bewegte sich auf ihr Gesicht zu. Kate schluckte und war dankbar, dass ein weiterer Tritt gegen ihren Kopf ihre Welt ins Schwanken brachte. Dennoch hörte sie noch seine letzten Worte. "Waren wohl nicht gründlich genug."
***
Logan zögerte nicht, als er hinter Scott in den Raum platze. Die Situation war nicht mitzuverstehen und rechtfertigte jedes Mittel. Seine Adamantiumklauen fuhren hervor und suchten sich den blutigen Weg über diverse Körper, deren Gesichter er nicht einmal wahrnahm.
Ein glühender Strahl zischte durch den Raum und zerschmolz die Flasche, die Kate gefährlich nahe gekommen war, zu einem Klumpen heißen Glases. Der Mann, der sie gehalten hatte, sprang mit einem gotteslästerlichen Fluch zurück und starrte die Neuankömmlinge fassungslos an. Seine Kumpane erholten sich schnell von ihrem Schrecken und ließen Kate los, um sich auf Scott und Logan zu stürzen.
Stühle und Tische splitterten, als Scott systematisch die Umgebung der Männer durchlöcherte und sie damit in Schach hielt. Logan versuchte sich daran zu erinnern, dass er nicht gegen Mutanten kämpfte, bei denen selbst kleinere Wunden gefährlich sein konnten und zügelte seinen Kampfesdurst. Doch aus den Augenwinkeln sah er, wie sich Kates Peiniger davonzumachen versuchte und er ließ seine Grundsätze so schnell wie fallen, wie er sie gefasst hatte. An einer Wand fing er ihn ab, die Finger um die feiste Kehle des Gegners schließend, ein Knurren tief in seiner Brust, das er nicht kontrollieren konnte.
Schon wollte er die Krallen ein weiteres Mal über das zerstörte Gesicht des Kerls ziehen, doch Scotts Ruf stoppte ihn gerade noch rechtzeitig. Sein Atem ging schwer, als er mit einem bedrohlichen Grinsen den Kopf wandte und sich umsah. Der Vormarsch der Menschen hatte abrupt aufgehört, da der Fußboden um sie herum derart durchlöchert war, dass es nur einer winzigen Bewegung bedürfen würde, um die in den Keller stürzen zu lassen. Logan sah in nun merkwürdig blasse Gesichter und es war fast zum Lachen, wenn es nicht so unerträglich gewesen wäre.
Irgendwas lief an diesem Tag wirklich grundlegend falsch.
"Hol Kate", sagte Scott bestimmt, eine Hand noch am Kontrollmechanismus seiner Brille. Es gelang ihm mühelos, ihm Rückendeckung zu geben, als Logan seinen Gegner kurzerhand mit einem kräftigen Schubs gegen die Wand bewusstlos schlug und dann zu Kate hinübereilte. Der Fußboden knarrte bedenklich, doch Logan spürt ganz genau, welche Dielen er belasten konnte und welche nicht.
Kate war bewusstlos und übel zugerichtet. So vorsichtig wie möglich hob er sie auf - sie war so leicht wie er es erwartet hatte - und trug sie zur Tür. Ihr Kopf rollte gegen seine Brust und er bezähmte seinen übermächtigen Beschützerinstinkt. Dafür würde sie ihm kräftig in den Hintern treten, wenn sie wieder wach war.
Am Wagen verfrachtete er sie auf den Rücksitz und setzte sich kurzentschlossen dazu, damit sie die Fahrt gut überstand. Ihren Oberkörper mit seinem stützend, beobachtete er, wie Scott eilig aus der Bar stürmte, sich hinter das Steuer warf und mit im Schlick durchdrehenden Reifen davonraste.
Kein Wort wurde gesprochen, als sie die Hauptstraße mit der einzigen sturmgeschüttelten Ampel hinter sich ließen und sich auf den Rückweg in das ehemalige Herrenhaus machten.
"Das hat sicher ein Nachspiel!", grummelte Logan und tastete vorsichtig in Kates Gesicht nach Brüchen. "Was zum Teufel wollten die von ihr?"
Scott hüllte sich für eine ganze Weile in Schweigen und schien mit sich zu ringen, doch dann wandte er halb den Kopf, um auf den Rücksitz zu blicken.
"Die Narben bei dem einen Typen - die hat Kate ihm verpasst, als er versuchte, es allein mit ihr aufzunehmen. Wie heute brauchte er einige Freuden aus dem Dorf, um sie niederzuringen." Logan blieb bei der Vorstellung, was damals passiert sein mochte, für einen Moment die Luft weg. Doch Scott war noch nicht fertig. "Sie haben uns richtig fertiggemacht, bis schließlich die Polizei eingriff. Sie wollten nicht, dass es Tote gab, auf welcher Seite auch immer. Der Professor hat damals auf Deeskalation gesetzt und vor Gericht ein gutes Wort für die Männer eingelegt, um die Schule nicht nachhaltig zu gefährden. Kate hat es ihm niemals verziehen."
Das Tor zur Schule glitt vor ihnen auf und sie rauschten die Einfahrt hinauf. Durch den Regen konnte Logan die verschwommenen Gestalten erkennen, die vor dem geöffneten Portal warteten. Der Tag war noch lange nicht zuende.
