Kapitel 7

Bündnis mit Nebenwirkungen

Zwei Tage später beobachtet Logan amüsiert, wie sich Kate aus ihrem Zimmer schlich. Er trat gerade ebenfalls aus seinen Räumen, als er sie über den dicken Teppich lautlos über den Flur huschen sah. Der Arzt hatte ihr strenge Bettruhe verordnet, da sie im Gegensatz zu vielen anderen Mutanten nicht über überdurchschnittliche Selbstheilungskräfte verfügte. Dennoch hatte sie sich schnell erholt und selbst die verfärbten Schwellungen, die ihr Gesicht verunstaltet hatten, waren fast abgeheilt.

Trotz ihrer Verletzungen wirkte sie seltsam erholt. Diese heilsame Wirkung hatte die Schule auf die Menschen, die in der Not zusammenkamen. Er fragte sich, warum sie wirklich aufgetaucht war. Sie war nicht der Typ, der sich von Problemen aufhalten ließ. Es musste also um viel mehr gehen, als sie zuzugeben bereit war. Kate hatte ein wenig zugenommen und Logan musste zugeben, dass ihre die zusätzlichen Kilos gut zu Gesicht standen. Er starrte auf ihre langen Beine und auf ihren Hintern, der sich unter ihrer Jeans deutlich abzeichnete. Mit einem fast unhörbaren Knurren wandte er den Blick ab und nannte sich einen notgeilen Idioten. Seit Jeans Tod hatte er all seine körperlichen Bedürfnisse unterdrückt und nun regten sie sich wieder.

Logan folgte ihr, als sie die Treppe hinunterlief. Seine Schritte stockten, als er sah, dass Scott unvermittelt bei ihr auftauchte und sie abfing. Leise und ein wenig tadelnd redete er auf sie ein und legte schließlich beschützend einen Arm um ihre Schulter. Logan blinzelte. Er dachte, dass das Bild, das Scott mit Kate zusammen abgab ebenso natürlich wirkte wie sein Zusammensein mit Jean und fühlte unwillkommene Eifersucht. Es war wohl, wie Jean es ihm, halb im Scherz, halb im Moment der kurzen Intimität zwischen ihnen, gesagt hatte. Frauen wollten lieber nette Männer.

"Logan!" Marie flog an Kate und Scott vorbei die Stufen hinauf und verriet sein Versteck mit der Leichtigkeit eines Teenagers, der von seinen Gefühlen mitgerissen wurde. Unter Scotts wachsamen Blick warf sich Marie in seine Arme. "Wo warst Du heute Morgen?"

"Ich war in der Stadt zur Aussage", sagte er und drückte Maries Schulter kurz an sich, in einer, wie er hoffte, freundschaftlichen Geste. Ihre Verliebtheit schmeichelte ihm, doch er wusste, dass es zwischen ihnen niemals mehr geben konnte als eine tiefe Freundschaft. Verzweifelt bemühte er sich, es Marie so schonend wie möglich beizubringen, doch er war noch nicht in seinen Bemühungen vorangekommen.

"Stimmt es, dass Du wieder fortgehen wirst?", erkundigte sich Marie, nun in einem Tonfall, der an Verzweiflung grenzte. Logan sah sie verblüfft an.

"Nicht, dass ich wüsste." Nachdenklich runzelte er die Stirn und bemerkte, dass Scott und Kate noch immer am Fuß der Treppe standen und zu ihm hinaufblickten. Kates wissender Gesichtsausdruck ließ ihn Übles schwanen. Was wusste sie, was er nicht wusste? Der Professor hatte Kates Krankenbett in den vergangenen Tagen oft besucht, während selbst er sich nicht in ihre Nähe gewagt hatte. "Aber vielleicht wird sich das noch klären."

"Du kannst doch jetzt nicht schon wieder abhauen", flüsterte Marie und blickte aus großen Augen zu ihm auf. Augen, die jedem Mann mit einem Herz in der Brust einen Stich versetzten mussten. "Das Haus ist so leer und traurig, seit-." Sie stockte kurz. "Du kannst mich jetzt nicht allein lassen." Er strich ihr kurz durchs Haar und in dem Moment war es ihm gleich, welche Gefühle Marie für ihn hegte. Sie war traurig und das stand für ihn an erster Stelle. "Ororo hat gesagt, Du würdest in den nächsten Tagen im Auftrag des Professors abreisen."

"Soso", murmelte Logan und ahnte, dass wieder einmal Dinge vorgingen, die ihm aufgrund seines selbstgewählten Status als Rebell und Einzelgänger vorenthalten worden waren. Oder die er einfach nicht mitbekommen hatte, weil er in den letzten Tagen ständig unterwegs gewesen war. "Ich werde das klären gehen!"

Damit ließ er Marie, die sichtlich verwirrt war, im Flur stehen, stampfte die Treppe hinunter an Kate und Scott vorbei und direkt zu Xaviers Büro.

***

Als Kate wenig später vor dem Büro des Professors stand, hörte sie sofort Logans Stimme, die im Inneren des Zimmers schimpfte.

"Was hat er?", wollte Scott wissen, der hinter ihr stand, so als befürchte er, sie könne jeden Moment zusammenbrechen. Kate fand das wunderbar und fühlte sich in seiner Gegenwart geborgen wie selten. Er war ein Freund, wie man ihn sich nur wünschen konnte.

"Ich glaube, Xavier hat ihm eben mitgeteilt, dass er mich nach New Orleans begleiten wird!", mutmaßte Kate lächelnd und strich sich eine vorwitzige Strähne aus dem Gesicht. Da bemerkte sie das kurze Zucken um Scotts Mundwinkel und erkannte, dass ihm diese Vorstellung gar nicht gefiel.

"Warum nicht mich?" Seine Worte bestätigten ihren Verdacht. Einmal mehr wünschte sie sich, in seine Augen sehen zu könne. Einmal hatte er ihr erzählt, dass sie je nach Stimmung blau oder grün waren. Doch selbst er hatte seit seiner Pubertät keinen unverhüllten Blick mehr in den Spiegel werfen können. Eine unwillkommene Erinnerung drängte sich ihr auf. Es gab eine Zeit, in der sie wirklich alles getan hätte, damit er mehr in ihr sah als eine Freundin. Auch jetzt noch konnte sie nicht leugnen, da sie ihn attraktiv fand und kam sich dabei ziemlich schäbig vor. Immerhin hatte er gerade seine Verlobte - eine ihrer engsten Vertrauten- verloren. "Warum dieser Hinterwäldler?"

"Ich kann nur ahnen, was er getan haben muss, damit Du ihn so verachtest." Scotts Anklage vor dem Kampf im Garten hatte sie nicht vergessen. Logan hatte versucht, sich Jean in irgendeiner Weise zu nähern, aber das war die Vergangenheit. "Ich habe jedoch nichts mit Eurem Konflikt zu tun. Ich brauche zur Unterstützung einen mächtigen, möglichst unauffälligen Mutanten, der sich in meiner Welt problemlos einfügen kann."

"Deine Welt?", echote er verständnislos. Kate seufzte.

"Bei Euren Besuchen bei mir habe ich es tunlichst vermieden, Euch meine Bar zu zeigen und das war auch gut so. Vieles dort geht nicht mit rechten Dingen zu und ich bewege mich stets auf dem schmalen Grat zwischen Legalität und Verbrechen. Das ist nichts für Dich, Scott. Auch wenn ich Dich zu gerne in meinem Rücken wüsste!"

Für einen Moment sah sie es in Scotts Gesicht arbeiten. Dann überraschte er sie, indem er sie in eine feste Umarmung zog.

"Dann pass bitte auf Dich auf. Als ich Dich in der Kneipe auf dem Boden liegen sah-." Er musste gar nicht weitersprechen, damit sie begriff, was er ausdrücken wollte. "Zumindest kann ich davon ausgehen, dass Logan Dich aus den meisten Problemen herausschlagen kann."

"Wenn er mitkommt!", betonte Kate. "Xavier wird alles tun, um ihn zu überzeugen, aber das könnte nicht genug sein." Wie zur Bestätigung ihrer Worte schwang die Tür auf und Logan stürmte hinaus auf den Gang. Rücksichtslos drängte er sich an Kate vorbei, so dass seine Schulter sie hart streifte, und verschwand. Kate ahnte, dass der leichte Schmerz in ihren Brustkorb nicht war im Vergleich zu dem, was hätte passieren können, wenn sie sich ihm in den Weg gestellt hätte. "Tja", meinte sie humorlos. "Es ist wohl kaum nötig, den Professor zu fragen, was Logan zu seinem neuen Auftrag gesagt hat. Was ich mich aber wirklich frage, ist, warum er sich so aufregt!"

***

Logan warf sich auf sein Bett und riss mit einer Hand die Nachttischschublade auf, wo er blindlings eine Flasche gut abgestandenen Bourbon ertastet. Das Kissen lieblos unter seinen Kopf gestopft, ließ er einen tiefen Schluck durch seine Kehle laufen und stellte fest, dass die Flasche damit bereit leer war. Mitmutig warf er sie an die nächste Wand und empfand keine Gewissensbisse, als inmitten des Splitterns auch ein Kunstdruck - oder war es ein Original? - zu Boden krachte.

Ihm war nicht wirklich klar, warum ihn Xaviers sehr höfliche Bitte so sehr aufgeregt hatte. Der glatzköpfige Mann hatte mehrmals betonte, dass er es ihm freistellte, den Auftrag anzunehmen und Kate zu helfen, und doch war Logan explodiert wie die Challenger, auch wenn das kein sonderlich respektvoller Vergleich war.

Vielleicht ärgerte es ihm, dass der Professor und Kate es hinter seinem Rücken besprochen hatten. Dass es jeder in der Schule vor ihm gewusst hatte außer ihm. Und vor allem, dass Kate ihn nicht selbst gefragt hatte. Er räusperte seine whiskeyraue Kehle frei. Nun, dann hätte er vielleicht auch Nein gesagt. Aber, zum Teufel, sie hätte ihn fragen können. Er hatte ihr immerhin das Leben gerettet.

Es klopfte sachte an seiner Zimmertür.

"Nein!", brüllte er, doch wer immer vor seiner Tür stand, scherte sich nicht darum. Er hoffte darauf, dass es Marie war, die sich nie an das zu halten pflegte, was er sagte. Selbst Scott wäre ihm jetzt lieb gewesen. Doch es war Kate, die unverdrossen in sein Zimmer trat und die Tür mit Nachdruck hinter sich schloss. "Was willst Du?"

"Deine Hilfe."

"Keine Lust." Zumindest nicht auf einen gefährlichen Rettungseinsatz für obdachlose Mutanten im heißen Süden. Kate stand mit in die Hüften gestemmten Fäusten vor seinem Bett und plötzlich hatte er es leid, zu ihr und ihren zornblitzenden Augen aufsehen zu müssen. "Mach Deinen Kram allein. Ich bin nicht Dein Babysitter."

Kate schnappte empört nach Luft, als Logan in einer blitzschnellen Bewegung vom Bett glitt. Alkohol, Wut über ihr anmaßendes Verhalten und vor allem sein animalischer Drang nach einer Frau trieben ihn, als er in einer schnellen Bewegung Kate ergriff und gegen die nächste Wand drückte. Entsetzt weiteten sich ihre Augen, doch sie machte keine Anstalten, ihm zu entkommen, als er den Kopf beugte und sie küsste. Es lag keine Zärtlichkeit in dem Kuss, sondern nur Gier und Gewalt und obwohl Logans Kopf in diesem Moment die Kontrolle an ein anderes Körperteil abgab, bemerkte er, dass Kate ihre Finger halb abwehrend, halb einladend in seine Schultern grub. Dennoch, sie erwiderte den Kuss nicht. Seine Zunge fuhr in ihren Mund in der Imitation eines ganz anderen Eindringens und er drückte sie noch enger mit seinem Körper an die wand.

Plötzlich schmeckte er Blut und fühlte im selben Moment einen Schmerz in der Lippe. Sie hatte ihn gebissen. Das brachte Logan zur Besinnung. Er taumelte zurück, seine Hand fuhr zu seinem Mund, an dem Kates spitze Eckzähne eine Spur hinterlassen hatten.

Im selben Moment ließ ihn ein ersticktes Geräusch herumfahren. Marie stand in der halb geöffneten Tür, den Knauf noch in der Hand. Mit bleichem Gesicht starrte sie zu ihm, der sich das Blut abwischte, und Kate, die zerzaust an der Wand lehnte. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und Logan hörte ihre Schritte auf der Galerie verklingen.

"Scheiße!", sagte er und fing sich dann von Kate eine gewaltige Ohrfeige ein.

So, erklärt der letzte Absatz die Ratingänderung? *g* Bis zum nächsten Teil kann es noch etwas dauern, ich habe leider viel in der Uni zu tun.

Und - danke für die Reviews, Leute!