Verkehrte Welt

Kapitel 1 - Bücher die leuchten

Der Himmel war wolkenlos und erstrahlte in den wunderschönsten Blautönen, die das Mädchen jemals gesehen hatte. Verträumt ließ sie sich in das weiche Gras zurückfallen und seufzte einmal laut, worauf sie die Aufmerksamkeit ihrer Freundin auf sich zog, die gerade in einem Buch vertieft war. "Also Nîn, so kann ich mich doch überhaupt nicht konzentrieren....." Das Mädchen warf sich ihr schwarzgelocktes Haar über die Schulter und las weiter. Ihre haselnussbraunen Augen funkelten aufgeregt und ein vergnügtes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen.

"Sag mal Alicé, was liest du da überhaupt?" Nîn setzte sich auf und riss ihr das Buch aus der Hand.

"Hey, sag mal spinnst du?" Wütend wollte sich Alicé ihr Buch zurück erobern, als das andere Mädchen aufsprang und ein paar Schritte zurück wich.

"Aja, der Herr der Ringe....so..so sehr interessant...." Ihre Stimme nahm einen belustigen Ton an, was Alicé sofort auffiel.

"Machst du dich etwa, über mich lustig?" Das schwarzhaarige Mädchen kroch auf ihre Freundin zu und zog an ihre hüftlangen hellbraunen Haaren, die spielerisch vom Wind umher getragen wurden. Einige Leute blieben stehen und sahen den beiden Mädchen amüsant zu. Denn nicht jeden Tag wurde ihnen im Park so ein lustiges Schauspiel angeboten.

"Aua, du tust mir doch weh!" Nîn schlug wütend das Buch zu, holte damit aus und ließ es direkt auf Alicé Kopf nieder sausen. Das Mädchen schrie vor Schmerzen kurz auf und fuhr sich wütend über den Kopf. "Na toll, wegen dir habe ich jetzt eine Beule....." Nîn´s tiefgrüne Augen leuchteten amüsant auf und ein leichtes Lächeln erschien auf ihren Lippen.

"Ach, komm schon sei nicht beleidigt...." Sofort tat Nîn ihr Benehmen leid, sie wusste doch, wie schnell ihre Freundin sauer wurde. "Du bekommst dein Buch auch wieder, hier..." Sie hockte sich zu ihrer Freundin hinunter und hielt ihr das Buch direkt unter die Nase. Beleidigt drehte sich Alicé weg und man konnte nur ein wütendes "Hmpf" vernehmen.

"Ok, dann werfe ich das Buch eben weg...." Nîn war mit schnellen Schritten zum Weg gelaufen, der an die große grüne Wiese grenzte. Die beiden Freundinnen waren seit Frühlingsanfang jeden Tag hierher gekommen und faulenzten die meiste Zeit über. Wie immer hatte Alicé ihr Lieblingsbuch "Herr der Ringe" mit sich herum getragen, was gerade verdächtig fallend über den Mülleimer schwebte.

"Nîn, wenn du das tust! Ist es mit unserer Freundschaft aus...." Auch Alicé war nun aufgesprungen und ging mit bedachten Schritten auf ihre Freundin zu.

"Ach Ali, das meinst du doch nicht ernst." Die Augenlider ihrer Freundin zuckten verdächtig, sie hatte wieder ihren wunden Punkt getroffen. Wie abstossend Alicé diesen Spitznamen doch fand. Nur ihre beste Freundin durfte sie so nennen und tat dies einmal ein anderer, redete das Mädchen manchmal mehrere Tage mit dieser Person nicht.

"Ok, du hast mich ja durchschaut, aber bitte, gib mir das Buch wieder...." Alicé sah ihre Freundin mit flehendem Blick an, was anscheinend seine Wirkung auch nicht verfehlte. Langsam zog Nîn das Buch wieder zurück und musste erstaunt blinzeln, als ein heller Lichtschein aus dem Buch ragte.

"Sag mal Alice, seit wann leuchtet dein Buch denn so?" Verwundert schlug Nîn die erste Seite auf und ein glänzend weißer Lichtstrahl erfasste das Mädchen. Panisch schrie ihre Freundin auf und versuchte ihre Hand zu erfassen. Aber sie ging durch sie hindurch und auch sie wurde vom Licht erfasst. Danach wurde ihr schwarz vor Augen und sie fiel in die unendliche Dunkelheit.

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Lautlos schlich der schöne junge Mann über die kleine Wiese, auf der ein kleiner schnarchender Zwerg anscheinend gerade sein Nickerchen machte. "Na warte Gimli, dich werde ich schon wach kriegen." Seine Stimme war ganz sanft, aber trotzdem war ein belustigter Ton unter ihr. Plötzlich horchte er auf und seine spitzen Ohren regten sich. Hatte da sein feines Gehör nicht etwas wahrgenommen? Es waren Stimmen, menschliche Stimmen, da war sich der Elb sicher. Der Wind wirbelte das lose Laub vom Waldboden auf und der Himmel nahm eine unangenehme düstere Farbe an.

"Legolas?" Der Elb blickte verwundert hinunter und schmunzelte. Er hatte wirklich nicht mitbekommen, das sein Freund plötzlich wach geworden war.

"Sei still Gimli, mein feines Gehör hatte so eben etwas wahrgenommen." Genervt verdrehte der Zwerg seine Augen und erhob sich schwerfällig. Gimli nahm seine Axt und schwang sie kämpferisch umher. "Sollten es ja paar Orks sein, werde ich es ihnen schon zeigen." Aber Legolas schüttelte nur seinen Kopf. Das war eindeutig eine Menschenstimme und sie klang sehr verzweifelt.

"Los folg mir Gimli, wir werden heraus finden wer das ist....." Der Elb setzte sich blitzschnell in Bewegung, auch der Zwerg machte ein paar Schritte, stoppte dennoch sofort wieder.

"Aber "lieber Herr Elb", sollten wir nicht nur ein bisschen jagen gehen und dann sofort, zu den anderen zurückkehren?" Gimli stemmte seine Axt gegen den Boden und beobachtete grinsend, wie Legolas wieder zwischen den Bäumen auftauchte. Der Zwerg hatte ja Recht. Eigentlich waren die beiden nur auf der Jagd, um was Essbares zu besorgen und schon morgen sollten sie in Bruchtal sein, um den beendeten Ringkrieg zu feiern. Aber die Stimme klang so verzweifelt, da konnte der anmutige Elb doch nicht einfach weghören.

"Mach was du willst Gimli, ich werde trotzdem nach sehen. Es könnte ja jemand verletzt sein." Legolas verschwand wieder hinter den Bäumen, trotz aller Worte folgte Gimli seinen Freund murrend.

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Der Wind wirbelte stürmisch durch ihr schwarz gelocktes Haar und einzelne Tränen rannen ihren Wangen herunter. Verzweifelt versuchte sie den bewusstlosen Körper ihrer Freundin wach zu rütteln, aber Nîn regte sich einfach nicht. "Komm schon, das kannst du mir doch nicht an tun!" Und wieder purzelten Tränen aus ihren haselnussbraunen Augen. Erschrocken blickte sie auf, als sie ein lautes Grunzen hinter sich hörte. "Hallo, wer ist da?" Ihre Stimme zitterte etwas, denn Alicé hatte ungeheure Angst. Wo in alles in der Welt waren die beiden nur hingeraten? Das Mädchen widmete sich wieder Nîn zu, die schwer und stockend atmete. "Nein bitte nicht, komm schon......" Voller Verzweiflung sprang sie auf und drehte sich mehrmals um sich selbst, dabei rief sie: "Wenn mich jemand hört, bitte helft mir....meine Freundin...." Sie brach ab und sackte wieder zu Boden.