Charlys POV

OK, Moria, die Orks, den Balrog und leider auch Gandalf haben wir hinter uns gelassen. Wenn ich nicht wüsste, dass er wiederkommt, wäre ich wahrscheinlich genauso fertig wie die anderen. Aber ich weiß es, und dennoch fühle ich mich schrecklich, weil ich es den anderen nicht erzählen darf. Wenn ich in Frodos oder Arens oder in die Augen eines der anderen sehe, könnte ich anfangen zu heulen. Ob es Joey auch so geht? Sie ist jedenfalls damit beschäftigt, Legolas zu trösten, der sich natürlich nichts anmerken lassen will.

Katja steht etwas verloren bei Merry und Pippin, und ich kann sie gerade noch so davon abhalten, ihnen alles zu erzählen. "Seid nicht traurig, in einigen Wochen-" "Ja, ja, in einigen Wochen lässt der Schmerz nach." falle ich ihr schnell ins Wort, packe sie bei den Schultern und ziehe sie ein Stück weg. Außer Hörweite angekommen, kläre ich sie über Joeys und mein Vorhaben auf und verpflichte sie zum Stillschweigen.

Nach einer viel zu kurzen Zeit, fordert Aragorn uns schließlich auf, weiterzugehen. Als wären wir jetzt in der Lage, nach Lorien zu laufen! Aber dennoch machen sich alle auf, selbst Frodo, der ziemlich weit abseits gestanden und in die Luft gestarrt hat.

Ich weiß nicht mehr so wirklich, wie wir es bis Lorien geschafft haben. Ich weiß nur, dass ich plötzlich wieder einen Pfeil in meinem Nacken spüre. Haldir und seine Kumpanen! Toll, wenn wir hier auch wieder in den Kerker geworfen werden, dann... dann... Mir wird schon noch was passendes einfallen!

Aber Galadriel kam mir immer ganz OK vor. Also schließe ich das aus. Wir werden allesamt vor sie und Celeborn geführt. Nach einer kurzen und netten Begrüßung (ich habe die schlimme Befürchtung, Galadriel kennt mich jetzt besser als Joey) bekommen wir Schlafplätze zugeteilt.

Wir legen unsere Sachen ab, und machen es uns nach dem langen Weg erst mal bequem. Ich liege erst kurze Zeit, als ich auch schon einschlafe. Dabei ist es erst kurz nach Mittag. Als ich wieder aufwache - ich kann höchstens eine bis anderthalb Stunden geschlafen haben - ist Joey verschwunden und wie könnte es anders sein, Legolas auch. Toll, immer wenn man mit ihr reden will, ist sie weg!

Noch frustrierter als eh schon, setze ich mich zu Katja, die heimlich - wie sie denkt - Aragorn beobachtet. Doch für diese Aktion werde ich auch direkt bestraft. Die nächsten zwei Stunden darf ich mir anhören, wie toll, gut und sexy Aragorn doch aussieht. Und wie sehr Katja Arwen verflucht. Gähn! Mensch, ist mir das alles egal. Aber da ich nichts besseres zu tun habe, höre ich brav zu und bete im Stillen, dass Joey bald wieder auftaucht.

Bald ist ein Wort, das man unterschiedlich definieren kann. Joey kommt schätzungsweise um 22 Uhr mit Legolas aus dem Nichts aufgetaucht und hat ekelhaft gute Laune. Sie kommt zu mir und Katja und setzt sich zu uns. Katjas Aufforderung "Ui, na erzähl schon, wir wollen ALLE Details!" (Katjas Grinsen ist dreckig wie nur selten) findet sie ganz und gar nicht gut, denn sie wird knallrot und faucht sie an: "Das geht dich gar nichts an! Kümmere dich doch um deinen eigenen Scheiß!" Das wäre dann das zweite Mal, dass Katja diesen Spruch - wenn auch in abgewandelter Form - zu hören bekommt. Langsam müsste selbst sie bemerken, dass irgendwas nicht in Ordnung ist.

Aber die scheint echt die rosarote Brille im XXL-Format aufzuhaben, denn sie ignoriert Joeys Ausfall und grinst wie blöde. "Du Joey, stell dir vor, Aragorn hat vorhin mit mir gesprochen. Und er hat mich die ganze Zeit mit seinen geilen braunen Augen angesehen und..." Ich höre schon gar nicht mehr hin und schalte ab. Als ich dann Joeys ziemlich entnervte Stimme höre ("Mensch Katja, geh mir nicht auf den Keks! Mir ist scheißegal, was Aragorn gesagt hat und wo Arwen ist!"), muss ich grinsen. Da ich nicht wieder Katjas Opfer werden will, stehe ich auf und laufe ein wenig herum.

Es ist inzwischen ganz schön dunkel geworden und man sieht kaum die Hand vor Augen. Dennoch erblicke ich - am Boden sitzend und an einen Baum gelehnt - eine Gestalt mit langen blonden Haaren. Ich setze mich ebenfalls hin und wir schweigen uns eine Weile an. "Ich habe versucht mir Frodo zu reden. Aber er hört mir nicht zu..." "Warum hast du's mir nicht gesagt?" fragt Aren mich. "Was hätte ich denn sagen sollen? Ich konnte ja nicht ahnen, dass... Außerdem war ich nicht wirklich in der Lage zu sprechen, wie du wohl weißt." Aren guckt etwas verlegen zu Boden. "Du hättest mich aber auch wegstoßen können." "Ich hätte. Aber ich hab's nicht getan." Damit stehe ich auf, denn ich halte es nicht aus, hier weiter zu sitzen. Als ich zwei Schritte gegangen bin, schaue ich noch mal zurück, und sehe, dass Aren mir nachblickt. Ich strecke den Arm aus und er ergreift meine Hand. Nachdem ich ihn hochgezogen habe, gehen wir nebeneinander weiter.

"Warum?" fragt Aren plötzlich. "Hm?" "Warum hast du's nicht getan?" Hach, müssen Männer immer so schwierige Fragen stellen?! Der bläst ja schon ins selbe Horn wie Frodo. "Ich weiß nicht... Müsst ihr immer... Es war einfach irgendwie die Situation." "Hat... hat es dir gefallen?" Ich gucke Aren etwas entgeistert an. "Denkst du im Ernst, ich hätte mich von DIR küssen lassen, und hätte jetzt so große Probleme, wenn es mir NICHT gefallen hätte?" Statt einer Antwort beugt Aren sich zu mir herunter, und küsst mich. Schon wieder. Und schon wieder stehe ich völlig perplex dar. Und schon wieder mache ich keine Anstalten, mich irgendwie zu wehren.

Doch ganz so regungslos stehe ich dann doch nicht dar, denn meine Hände fangen plötzlich an, ein Eigenleben zu entwickeln und streichen sanft über Arens Rücken, als ich seine Hände auf meinen Wangen spüre. Oh man, wenn uns jetzt jemand sehen würde! Wenn ich daran denke, dass Frodo...

Und mit einem Schlag wird mir klar, dass ich mich gerade entschieden habe. Ich schiebe Aren erschrocken von mir fort. "Was ist?" "Ich glaube... ich habe gerade eine Entscheidung getroffen." "Und für was? Oder besser wen?" "Wenn ich dir DAS sagen muss, habe ich mich falsch entschieden." Aren lächelt mich zärtlich an - die Erleichterung deutlich ins Gesicht geschrieben - und nimmt mich in die Arme. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich ihm soeben eine Zentnerlast von den Schultern genommen habe.





Joeys POV



Kaum sind wir hier angekommen, schon fängt Charly an, selig zu pennen. Mensch, die wacht ja gar nicht mehr auf! Ich langweile mich, weil Legolas sich jetzt schon seit Stunden mit Aragorn darüber auslässt, wie es ab jetzt weitergehen soll. Eigentlich wollte ich ja mit Charly darüber reden, wie es in ihrem Liebesleben aussieht, aber wie schon gesagt, sie schläft wie ein Stein.

Nachdem ich mich knapp fünf Stunden mit allem möglichen Scheiß beschäftig habe, habe ich genug. Ich stehe von meiner Liege auf und trotte zu Legolas hinüber, der sich immer noch mit Aragorn unterhält. Und da heißt es immer, nur Weiber würden soviel tratschen. Tz!

Völlig gelangweilt setze ich mich hinter ihn und kuschele mich an seinen Rücken. "Hey Joey, was gibt's?" fragt er und streicht mir über meine Arme, die ich von hinten um ihn gelegt habe. "Mir ist ja sooooooooooo langweilig! Charly schläft seit Stunden wie ein Stein und Katja scheint mit Merry und Pip unterwegs zu sein." quengele ich. "Ich will dann mal nicht weiter stören." grinst Aragorn und verzieht sich. "Lass uns spazieren gehen. Ich zeig dir die Gegend." höre ich Legolas sagen und er steht auf und zieht mich mit sich hoch. Also laufen wir kurze Zeit später händchenhaltend durch Lothlórien, und unterhalten uns über seine und meine Welt.

Nach einigen vergeblichen Anläufen komme ich dann jedoch endlich auf das Thema, das ich schon seit längerem mit ihm besprechen will. Aren! "Wie ist Aren eigentlich so?" will ich von Legolas wissen. "Wie jetzt? Wie soll er denn sein?" Er scheint mich nicht ganz zu verstehen. "Ich will eigentlich nur wissen, ob Aren manchmal über gewisse Sachen mir dir redet. So Sachen, wie zum Beispiel... Charly." Ich glaube jetzt scheint er verstanden zu haben, worauf ich hinaus will. "Ja, er redet sogar eine Menge über sie." Eine Menge also! Aha! "Und was erzählt er so?" "Ach, alles mögliche." "Ja, jetzt weiß ich voll Bescheid!" sage ich sarkastisch. "Kannst du nicht etwas genauer sein?" "Hm, also eigentlich ist das ja privat. Aber er sagt nur Gutes über sie. Und er mag sie wirklich sehr. Aber..."

Ich wollte schon erleichtert sein, aber das 'aber' lässt mich jetzt doch aufhorchen. "Aber was?" "Aber was ist mit Frodo? Aren fühlt sich nicht so wohl dabei, nicht zu wissen, wo er dran ist. Es macht ihm sogar ziemlich zu schaffen." "Ich verstehe, was du meinst. Charly steht zwischen zwei Stühlen, und weiß nicht, wie sie sich entscheiden soll. Ich wünschte ich könnte ihr helfen." "Charly hat also Gefühle für beide?" "Ich denke ja, aber für wen die Gefühle stärker sind, weiß ich auch nicht." Auf diese Feststellung folgt erst mal betretenes Schweigen. "Mach dir nicht so viele Gedanken, Joey. Charly kriegt das schon hin." beruhigt Legolas mich und nimmt mich in die Arme. "Komm ich zeig dir meinen Lieblingsplatz hier in Lothlórien." flüstert er mir ins Ohr und zieht mich weiter.

Gezielt streifen wir durch den Wald, manchmal rechts und manchmal links abbiegend. Nach knapp zehn Minuten stoßen wir auf eine Lichtung, mitten im tiefsten Wald. Auf dieser Lichtung befindet sich ein großer See mit glasklarem Wasser. Das ist echt Wahnsinn. Ich hatte ja erwartet, dass es hier schön ist. Aber so schön? Ich bin begeistert! Obwohl schon bald die Sonne untergehen muss, ist es immer noch schrecklich warm und wir gehen erst mal schwimmen.

Wir liefern uns eine ausgiebige Wasserschlacht und lassen uns danach ins hohe Gras fallen und die Sonne auf den Bauch scheinen. So einen schönen Tag habe ich ewig nicht verbracht. Erst als es schon lange dunkel ist, machen wir uns auf den Weg zurück zu den anderen. Dort angekommen treffe ich auf eine ohne Pause labernde Katja und eine völlig genervte Charly. Ich setze mich zu den beiden aber Katjas Gelaber über Aragorn ist heute wirklich nicht zu ertragen.

Charly scheint schon länger unter ihr gelitten zu haben, denn nach kurzer Zeit steht sie auf und verschwindet im Dunkeln. Na toll, jetzt lässt die mich hier auch noch alleine mit Katja sitzen! Nach 30 Minuten ertrage ich sie nicht mehr! "Mensch, geh doch zu deinem Aragorn und lass Charly und mich in Ruhe, verdammt!" schnauze ich sie an und lasse sie einfach sitzen. Ich lege mich auf mein Schlaflager neben Legolas und schlafe fast augenblicklich ein.