Schluckend versuchte Ranma nachzudenken. Hatte er das eben tatsächlich gesagt? Ein Teufelsgebräu war dieses Zeug, wenn es ihn dazu brachte auszusprechen, was er sich still und heimlich wünschte. Halt! Wünschte er sich denn wirklich sie zu küssen? Er hatte sie gern, ja. Aber... Stöhnend schüttelte er seinen Kopf. Wie oft hatte er an diesem Tag eigentlich schon seinen Kopf schütteln müssen? Und warum dachte er plötzlich über so viel Unsinniges nach, wenn dieses wunderhübsche Mädchen hier vor ihm saß und...

"Ranma..."

Der Klang seines eigenen Namens riss ihn aus seiner Tagträumerei und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. "J-ja?" fragte er unsicher zurück. Erst dann erkannte er, dass sie so gar nicht mehr erheitert oder gar belustigt wirkte. Viel mehr lag nun ein sehr ernster Ausdruck auf ihrem Gesicht.

"Die Musik..." setzte sie leise an und schaute hoch, ohne einen bestimmten Punkt zu fixieren. "Sie spielt noch immer."

Das Blau seiner Augen gewann an Tiefe, als er mit ernster Stimme und ohne genau darüber nachzudenken entschlossen fragte: "Möchtest du tanzen?"

"Häh? Hab' ICH das eben gefragt??" wunderte er sich in Gedanken und versetzte sich mental einen gewaltigen Tritt in den--

Errötet schaute Akane zu Boden. "Ich... also... Ich glaube, ich kann gar nicht tanzen." Nervös zupfte sie an ihrem Rock herum und verharrte einige Sekunden in Schweigsamkeit. Doch zog sie ihre Stirn kraus und urplötzlich leuchteten ihre Augen auf, als sie ihrem Gegenüber auf einmal in die Augen schaute und ihr Gesicht nur noch ein einziges fröhliches Lachen darstellte. "Wieso eigentlich nicht? Ja, lass uns tanzen!" Schwungvoll richtete sie sich auf und lachte nun ihre Gefühle ganz offen heraus. Mit geschlossenen Augen genoss sie den schnellen, aber zugleich auch ruhigen Rhythmus, der aus der Ferne bis hin zu ihnen drang.

Verwirrt stand Ranma ebenfalls auf und stotterte: "Mo-momentchen mal... Ich soll auch tanzen? Weißt du, ich glaube, ich kann auch nicht--"

Er stockte. Keine weitere Silbe konnte er mehr hervorbringen, als die Information über das, was sein Auge erhaschte allmählich sein Gehirn erreichte. Langsam wiegend bewegte sich seine Verlobte zur Musik. Mit beiden Händen fuhr sie sich durch die Haare. Die dunklen Strähnen hingen geschmeidig zwischen ihren gespreizten Fingern herab. So unglaublich weich sahen sie aus. Scheinbar mit jedem Takt gewann Akane an Selbstbewusstsein und schwang ein wenig ihre Hüften, streifte mit ihren Füßen immer ein Stück hin und her über den Boden und kreise ihre Schultern. Ihre Bewegungen waren so ruhig, dass man genau hinsehen musste, um überhaupt zu erkennen, dass sie nicht still stand und doch wirkten sie so leidenschaftlich.

"Du kannst doch tanzen", flüsterte er zu seiner eigenen Überraschung. "Sehr gut sogar."

"Heh?" Seine Bemerkung, nein... Sein 'Kompliment' brachten sie so aus dem Konzept, dass sie schlagartig stoppte und ihre Augen öffnete. "Ich--" setzte sie an, verlor aber durch ihre große Irritation ganz plötzlich das Gleichgewicht, als sie über ihren eigenen Knöchel stolperte. Mit einem lauten Fall stürzte sie, spürte ihren Magen hoch hüpfen und ihr Herz tiefer rutschen, als Ranma plötzlich in einer Blitzartigen Bewegung direkt vor ihr stand und sie mit beiden Armen auffing.

Unfähig sich aus seiner engen Umarmung zu lösen, blieb sie in dieser Position. Es war nicht so, dass sie die Nähe ihrer beiden Körper nicht genoss. Unausstehlich war nur das Gefühl der Ungewissheit über das, was er nun von ihr erwartete. Sollte sie vielleicht versuchen, sich vorsichtig von ihm wegzudrücken? Aber das wollte sie doch gar nicht. Es war so schön kuschelig und warm bei ihm. Wie oft hatte sie schon dieses Hemd gewaschen, es dabei angefasst, und wusste doch nie wirklich, wie weich und schön sich der Stoff anfühlte. Oder war das, was sie als angenehm empfand eher sein durchtrainierter Körper, dessen Form sie unter dem dünnen Textil deutlich ausmachen konnte? Vielleicht fühlte er sich ja durch sie belästigt. Vielleicht fand er es sogar ekelig, ihr nahe zu sein. Aber nein... Was sagte er eben noch? Er wollte sie küssen... KÜSSEN!! Ihr wurde ganz leicht schwindelig. Wieso registrierte sie erst jetzt wirklich, wie bedeutend das, was er nur wenige Minuten zuvor zu ihr gesagt hatte, war?? Sie selbst wollte es ja auch. Schon so oft. Aber getraut es zu sagen, hatte sie sich nie. Das war doch wirklich nicht zu fassen. Da machte sie also diese total seltsamen Dinge, nur weil sie ein Schlückchen zu viel getrunken hatte und doch blieb ihre gewohnte Schüchternheit gegenüber Ranma bestehen. Genau betrachtet hatte er ihr praktisch gleich zwei Liebeserklärungen an nur einem Abend gemacht. Das waren zwei mehr als jemals zuvor. Und alles, was sie tun konnte, war, mit blöden Sprüchen wie "Hörst du die Musik" abzulenken. Irgendwie hatte sie keine Lust mehr auf derartige Spielchen. Viel zu gut fühlte es sich an von ihm festgehalten zu werden. Und was war das überhaupt für ein Duft? Er roch nach einer Mischung aus Holz, Essen und noch irgendetwas. Sehr eigenartig. Aber Himmel noch mal, es war so gut! Unwiderstehlich gut. Definitiv zu gut, als dass sie dies so einfach mit einem weiteren unüberlegten Satz enden lassen wollte. Irgendwo im Inneren ihres Körpers ging etwas vor sich. Heiß und Kalt trafen aufeinander und verursachten einen gewaltigen Sturm, den sie nur durch größte Anstrengung äußerlich verbergen konnte. Mit klopfendem Herzen verharrte sie schier eine Ewigkeit so und wagte es während ihrer Überlegungen nicht, zu ihm hoch zu schauen.

Ranma atmete erst erleichtert aus, nachdem er sie vor einem schmerzhaften Aufprall gerade noch so retten konnte und wanderte dann mit seinen Augen herunter zu ihr. Ihren Kopf lehnte sie eher unfreiwillig durch seinen festen Griff an seine Brust. In ihm baute sich die Sorge auf, sie würde jeden Moment ausrasten und ihn wieder als Perversen beschimpfen. Doch sie rührte sich nicht.

"A-Akane...? Alles in Ordnung?"

Langsam schaute sie zu ihm auf. In ihrem Blick lag kein Stück weit Feindseeligkeit. Ihre Augen waren nur leicht geöffnet. Sinnlich schaute sie in sein Gesicht, verlor sich in diesem märchenhaften, unendlichen Blau, badete in seinem ganz besonderen Duft und hauchte schließlich leise, aber sehr verständlich: "Danke..."

Nervös stieß Ranma ein beinahe tonloses Lachen aus. "Mieser Fusel, was?"

Sie beide grinsten, denn ganz sicher wussten sie, was der andere gerade dachte: Genau das würden ihre Väter nach einer durchzechten Nacht sagen, während sie sich mit einem Eisbeutel wieder einmal den verkaterten Kopf kühlten.

Ranmas Lachen verstummte schnell und nun standen sie sich wieder stillschweigend gegenüber. Noch immer drückte Ranma sie eng an sich und noch immer machte Akane keine Anstalten, dies zu beenden. Zwar hatte Ranma sie schon oft getragen, gestützt oder auch mal aufgefangen, doch so nah wie in diesem Augenblick war er ihr noch nie gewesen. Er konnte kaum fassen, wie zartgliedrig sie war und doch fühlten sich ihre Rundungen, die er durch die feste Berührung von den Armen über den Bauch bis hinunter zu seinen Beinen spüren konnte, so weiblich an. Sein Verstand begann nun vollends nachzulassen. Längst nicht mehr wusste er wo vorne und hinten war. Rein instinktiv sollte er nun handeln. Jede weitere Überlegung hätte alles nur kaputt gemacht. Wie schon so oft zuvor. Er fühlte wie sie ihn fragend ansah, er fühlte ihre Unsicherheit, die mindestens so groß war wie die seine. Doch dies alles sollte ihn nicht länger aus der Fassung bringen dürfen. Nur zu gut erinnerte er sich, was sich sein eigener Vater schon alles geleistet hatte, wenn er zu tief ins Glas geschaut hatte. Wer sollte ihm da also schon irgendetwas vorwerfen dürfen, wenn er sich selbst mal in der Rolle als Betrunkener erprobte. Wenn schon, denn schon - Das war nun sein Motto. Vorsichtig schloss er seine Arme noch fester um sie. Am ganzen Körper wollte er ihre Nähe spüren. Was vorher war, genügte noch immer nicht. Mit jedem Atemzug wuchs sein unbändiger Hunger nach mehr von dieser bisher unerforschten Nähe.

Zitternd vergrub er sein Gesicht in ihrem Haar und atmete den Duft tief ein. Auch sie zitterte. Wie ein hunderttausend Volt starker Stromschlag durchzuckte es ihren Körper, als sie seinen feuchten, heißen Atem an ihrem Nacken spürte und er dann langsam begann, sich mit ihr im Arm zur Musik zu bewegen.

Lächelnd schloss Akane die Augen und genoss die leise Melodie, die fast vom lauten Trommeln ihres Herzens verschluckt wurde. Auch Ranmas Herzschlag vernahm sie. Mit einer gierigen Spannung presste sie ihr Ohr an seine Brust, um von dem rasend schnellen und doch so beruhigenden Klopfen gänzlich umhüllt zu werden. Leicht zuckte sie zusammen und spürte deutlich die aufkommende Gänsehaut an ihrem ganzen Körper, als er mit seinen Lippen zärtlich über ihren Nacken fuhr. Nur ganz sachte strich er ihr über die Haut hinterm Ohr. Es kitzelte so sehr und doch empfand sie es als ungemein aufregend und angenehm. Was taten sie da eigentlich? Sie tanzten? Ranma und sie? RANMA?? Kaum zu glauben. Nur wenige Stunden zuvor hatten sie sich noch gestritten. Erst so kurze Zeit war es her, dass er sie als Machoweib beschimpfte. Und nun liebkoste er sie, wie sie es nie im Leben von ihm erwartet hätte. Veränderte der Alkohol etwa seinen Charakter? Diese Vorstellung gefiel ihr ganz und gar nicht. Und so heftete sie sich lieber an den Gedanken, dass der Wodka ihn lediglich dazu vorantrieb, seine wahren Gefühle zu offenbaren. Dass sie sich jedoch auf solche Art äußern würden, überraschte sie nichtsdestotrotz. Wer hätte auch schon gedacht, dass in ihm so eine sanfte Seele steckt?

Doch... Eigentlich wusste sie es ganz genau. Auch wenn er sich immer hart und unantastbar gab, in ihm steckte ein weicher Kern, den sie schon früh entdeckte... Wenn sie ihn auch nie so nah erforschen konnte, wie sie es in jenem Augenblick tat. Deutlich spürte sie die nur leichte Vibration seiner Stimme, als seinem Mund ein schwaches Stöhnen entfuhr.

"Warum kann es bloß nicht immer so sein?" flüsterte er so leise, dass sie ihn nicht verstand.

Plötzlich fühlte sie etwas feuchtes auf ihrer Haut. Eine Nässe, die von seinem Gesicht ausging. Küsste er sie etwa? Nein... Er... weinte. Es waren Tränen. Verwirrt stemmte sie ihre Hände gegen seine Brust und drückte ihn sanft ein Stück von sich weg. Nur einen kurzen Moment wehrte er sich leicht dagegen an, ihr ins Gesicht zu sehen, doch durch ihre Hartnäckigkeit schaffte sie es schließlich, seinen Blick zu gewinnen. Mit traurigen Augen sah er sie an.

"Es war vorher schon schwer genug", begann er mit schwacher Stimme zu sprechen. "Wie soll ich in Zukunft erst auf dich verzichten, jetzt da ich einmal von dir gekostet habe?"

Unwillkürlich fiel ihr Mund ein Stück weit auf. Jedoch nicht um etwas zu sagen, sondern aus Verwunderung. Sie dachte nicht lange nach. Schließlich gab es nun auch nicht vieles nachzudenken. Sie wusste nur eines: Es gab viele Menschen auf dieser Welt, die sie mochte und von denen sie wiederum gemocht wurde. Aber es gab nur einen einzigen, dem sie jemals nah sein wollte, für den sie ihr Innerstes hervorholen und sorgfältigst vor ihm ausbreiten wollte. Nur ihn wollte sie, sonst niemanden. Und jetzt in diesem Augenblick wollte und liebte sie ihn so sehr wie noch nie zuvor. Worte hätten jene Gefühle nicht umschreiben können.

Ohne weiter darüber nachzudenken, stellte sie sich plötzlich auf die Zehenspitzen und kniff ihre Augen fest zu, um ihr Gesicht dann vorsichtig an seines heranzuführen. Überrascht weiteten sich seine Augen. So schnell wie sie sich bewegte, konnte sein Gehirn nicht erfassen, was sie vorhatte. Seine im Kampfsport geschärften Instinkte ließen ihn im ersten Moment etwas zurückschrecken. Doch als die Information über ihr Vorhaben langsam seinen Verstand erreichte, vergaß er alles um sich herum und ließ einfach kommen, was kommen sollte und er sich selbst insgeheim schon so lang erhofft hatte. Mit zunehmend schnellem Atem ließ er seine Lider herabsinken. Sanft spürte er ihre weichen Lippen auf seinen Mund treffen und öffnete auch seinen. Er wollte mehr, wollte sie ganz schmecken. Als hätte er sich bereits Jahre lang in der Rolle als Liebhaber erprobt versank er mit ihr in einen tiefen, innigen Kuss. Mit seiner Zunge begann er ganz vorsichtig ihre spielerisch zu umkreisen, während seine nervösen Hände über ihren Rücken krabbelten. Die ewigen Streitereien existierten in diesem Augenblick nicht. Die anderen Verlobten und Verehrer existierten nicht. Die nervenden Väter existierten nicht. Für ihn existierten in diesem einen Moment nur sie beide. Sonst sollte nichts zählen. Denn wenigstens ein einziges Mal wollte auch er das vollkommene Glück spüren und sich allem, wonach sein Herz verlangte, bedingungslos hingeben.

Sehnsüchtig massierten sie beide des anderen Lippen. Mit jedem verstreichenden Moment gewann der Kuss an Leidenschaft, an Bedeutung und an Süße. Bis plötzlich ein leises Raunen aus Akanes Mund ertönte. Ranma ließ sofort ab. Er spürte, dass jenes Geräusch nicht der Leidenschaft des Augenblicks entsprang, sondern von ganz anderer Natur war. Enttäuscht, aber dennoch sehr verständnisvoll schaute er sie an.

Es tat ihr weh, einen solchen Blick von ihm zu spüren, doch sie konnte sich nicht weiterhin so offen ihren Gefühlen hingeben. So schön es für den Augenblick auch für sie war, so sehr befürchtete sie den nächsten Tag. Ranma schmeckte gut. Ganz anders, als sie es jemals erwartete. Die ganze Sache mit dem Küssen war überhaupt vollkommen anders als ihre bisherige Vorstellung davon. Alles in allem war es viel weicher und zärtlicher, vor allem war es unglaublich warm. Das hätte sie garantiert niemals erwartet. Und dennoch... Der leichte Geschmack, den der Wodka auf seiner Zunge zurückgelassen hatte, erinnerte sie daran, dass dies alles praktisch nicht echt war. Ihr Ranma war im Grunde ein Junge, auf den Verlass war und der in den Tiefen seines Herzens gut war, doch zu solchen Taten hätte er sich ohne den Einfluss von einer gehörigen Menge Alkohol nie verleiten lassen. Zwar hatte sie selbst genauso viel getrunken, doch aus irgendeinem Grund meinte sie plötzlich, die Dinge etwas klarer zu sehen, als noch wenige Minuten zuvor. Und auch wenn sie das Mädchen war und die Rollenverteilung möglicherweise vielleicht wieder einmal nicht ganz im klassischen Sinne verlief, hatte sie doch das Gefühl, ihn auf eine schäbige Art und Weise auszunutzen, sich einen Vorteil von seiner geschwächten Position zu machen.

Schluckend ließ er sie komplett los und rieb sich verlegen seinen Hinterkopf. Irgendwie wirkte er sehr verloren. So, als ob er nicht die geringste Ahnung gehabt hätte, was er nun tun oder sagen sollte, ob er gehen oder bleiben sollte. Nachdenklich verharrte Akane noch einen Moment in ihrer Stille und hockte sich dann langsam herunter, um die mittlerweile fast leere Wodka-Flasche aufzuheben. Mit ernster Miene drückte sie ihm diese in die Hand. Sie hatte es nicht ertragen können, ihm dabei ins Gesicht zu schauen. So wandte sie ihren Blick scheu von seinem ab, als sie leise flüsterte: "Du hast gewonnen."

Salzige Ströme stiegen ihr in die Augen hinauf. In einer schnellen Bewegung drehte sie sich um und wollte hinfort laufen, doch etwas hinderte sie plötzlich. Ohne, dass sie es bemerkte, hatte er nach ihrem Handgelenk gegriffen und hielt sie somit bestimmt zurück.

"Was ist denn noch?" fragte sie von ihm abgewandt mit zitternder Stimme.

"Nein..." flüsterte er bitter und umging ihre Frage. "Nein, ich habe nicht gewonnen."

Mit großen, brennenden Augen drehte Akane sich zu ihm um, während sie protestierend ihr Handgelenk näher an sich heranzog.

Ranmas Gesicht war fast ausdruckslos. Nur eine schwere Müdigkeit zeichnete sich darauf ab. Seine Augen waren geöffnet und doch konnte sie nicht hineinschauen. "Ich habe gerade sogar noch etwas verloren." Plötzlich öffnete er seine Hand und ließ sie somit gehen. Einige Sekunden blieb sie noch stehen, schaute ihn fragend und eingeschüchtert an, überlegend, aus welchem Grund er plötzlich in eine so merkwürdige Stimmung gefallen war. Ob sie ihn verletzt hatte? Sollte der Alkohol ihn denn nicht bloß erheitern, so wie er es allem Anschein nach bis eben noch bewirkt hatte, sondern ihn auch heiter erhalten? Sie hätte noch die ganze Nacht da stehen bleiben können, um aus seinem Gesicht eine mögliche Antwort abzulesen. Aber als die erste Träne, sich einen Weg aus ihrem Auge gebahnt hatte und ihre Wange hinunterfloss, ertrug sie es nicht mehr, bei ihm zu sein. So rannte sie davon, alleine durch den Garten, durch das für diese Nacht verlassene Haus, hinauf in ihr Zimmer und weinte noch lange, lange Zeit, ehe sie endlich ihren Schlaf fand.

Ranma hatte sie nicht zurückgehalten. Auch ihm fehlte die entschiedene Kontrolle über sein Bewusstsein. Erst nach einer guten Weile sank sein Blick auf die Flasche in seiner Rechten herab. Langsam löste er den kleinen Schraubverschluss und führte die schmale Öffnung zu seiner Nase herauf. Was vorhin noch widerwärtig, geradezu schreckeneinflößend wirkte, war nun auf einmal etwas, das er sich sehnlichst herbeisehnte: Ein Grund, um noch einmal bei Akane zu sein. Aber sie erschien sehr verletzt als sie aus dem Dojo hinausstürmte. Wahrscheinlich hatte er sich in seiner Sehnsucht nach ihr so vergessen, dass sie sich von seinen Liebkosungen total überfallen gefühlt hatte.

Schuld an diesem ganzen Desaster war nur dieser blöde Wodka. Einzig und allein durch diesen Wodka....... hatte er Akane geküsst...

Es war bereits sehr spät und noch immer waren ihre Väter nicht zuhause. Ganz zu Ranmas Freude. Schlafen konnte er nicht. Zu mächtig griffen die Erinnerungen des vergangenen Abends in seinem Kopf um sich. So schlenderte er durch den dunklen Flur des Hauses mit einem ganz bestimmten Ziel vor Augen. Und bei diesem Ziel wollte er alles andere als Zuschauer um sich herum haben. Er konnte nicht genau sagen, ob es der Wodka war, der in seinem Bauch dieses heiße brennende Gefühl auslöste oder ob es schlichtweg seine Nervosität war. Entschlossen räusperte er sich, ehe er dann vorsichtig die Klinke runterdrückte und die Tür langsam aufschob, an welcher ein gelbes Schildchen mit der Aufschrift 'Akane' hing.