~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Kapitel IV - Sünde
Für Bettina
~*~
~ Robert A. Heinlein
Peter schlich durch die Schatten der Häuser der Nokturngasse. Die Kapuze seines Umhangs hatte er sich tief ins Gesicht gezogen. Zum Glück fiel das in diesem Teil des magischen Londons nicht weiter auf. Niemand legte besonders großen Wert darauf hier gesehen zu werden und er hatte schon mindestens drei andere Zauberer oder Hexen gesehen, die sich genauso verhielten wie er.
Peter hatte es vermisst sich an Orten zu bewegen, die er noch von früher kannte. Aus der Zeit, in der er noch freiwillig hierher gekommen war.
Er bog in einen Hauseingang ein und klopfte zweimal gegen die Tür, von der schon der Lack abblätterte. Nach einigen Sekunden wurde die Tür einen Spalt weit geöffnet.
"Wer da?" fragte eine heisere Männerstimme.
"Pettigrew."
Die Tür wurde gerade so weit geöffnet, so dass Peter in den düsteren Hausgang eintreten konnte.
"Ich hab ihn oben." Mr Burkes zeigte mit dem Daumen über seine Schulter. Peter nickte nur und gemeinsam stiegen sie die Treppe in den ersten Stock hinauf. Dort zog Mr Burkes einen alten Schlüssel aus seiner Jackentasche hervor und sperrte eine Tür, die zum Lagerraum führte, auf. Die Tür sah nicht sehr widerstandsfähig aus.
"Ist der Stein hinter dieser Tür eigentlich sicher?"
"Mr Pettigrew," sagte Mr Burkes leicht beleidigt. "Meine Familie hat seit einhundert Jahren ihren Lagerraum hinter dieser Tür. Natürlich ist er sicher. Warten Sie bitte so lange ich den Stein hole." Mr Burkes schlurfte in den Raum und Peter konnte sein Gemurmel hören als er die Schutzzauber von dem Drapal nahm.
Der Drapal...
'Ein Stein, Wurmschwanz,' hatte Voldemort gesagt. 'der sich im Duell sehr hilfreich erweisen wird. Er wird meinen Gegnern einen großen Teil ihrer Energie entziehen und sie dafür mir verleihen.' Peter war nicht unbedingt scharf darauf mit diesem Stein Bekanntschaft zu schließen...
Nach zwei Minuten kam Mr Burkes mit einem kleinen Holzkästchen in den Händen wieder zu Peter auf den Flur hinaus.
"Behandeln Sie ihn vorsichtig. Und jetzt möchte ich Sie bitten, zu zahlen."
Peter verzog das Gesicht.
"Haben Sie wirklich geglaubt Lord Voldemort würde bezahlen...?" Er riss Mr Burkes das Kästchen aus den Händen. Dieser öffnete seinen Mund um etwas zu sagen, doch Peter war schneller.
"Petrificus Totalus!" Peter wartete nicht um zu sehen ob sein Zauber auch wirkte, sondern verlor keine Zeit und lief die Treppe hinunter und auf die Nokturngasse hinaus. Das Holzkästchen hatte er im Laufen auf der Treppe in eine Tasche seines Umhangs gesteckt. Draußen verlangsamte er seine Schritte, war aber immer noch ziemlich schnell. Er bog in eine Nebengasse ein und apparierte von dort zu Lord Voldemorts Residenz.
Lord Voldemort hob den Deckel des Holzkästchens an und spähte ins Innere. Peter wagte es nicht seinen Kopf zu heben. Die Laune Voldemorts war schlichtweg unberechenbar und daher war es im Zweifelsfalle immer besser ihn mit übergroßem Respekt zu behandeln.
"Gut, Wurmschwanz..." murmelte Voldemort. "Zum Dank werde ich deinen Kopf auf deinem Hals lassen..." Er stellte das Holzkästchen neben sich auf einen Beistelltisch und streichelte seine Hausschlange Nagini. Peter musste kein Parsel verstehen um sich ziemlich genau vorstellen zu können was er zu ihr sagte.
'Nein, tut mir Leid, du wirst wohl noch etwas warten müssen bis du ihn auffressen darfst...' Ja, so was in der Richtung wohl. Peter wurde bei dem Gedanken übel.
"Warum bist du eigentlich noch hier?" fragte Voldemort mit gefährlichem Unterton in der Stimme und schaute zu Peter hinüber. "Verschwinde!"
"Ja, Herr..." murmelte Peter und ging rückwärts durch die Tür hinaus. Draußen auf dem Gang richtete er sich wieder auf und rieb sich den Rücken. Er fragte sich was er jetzt tun sollte, Voldemort hatte ihm ja keine weiteren Aufträge erteilt. Er entschloss sich erst mal in sein Zimmer zwei Stockwerke über der Küche gehen und sich ein bisschen ausruhen. Doch, das war eine gute Idee. Er machte sich auf den Weg in sein Zimmer, das sich nicht besonders von dem Snapes unterschied.
Dort angekommen ließ sich Peter auf sein Bett fallen und drehte seinen Kopf so, dass er ein Stück blauen Himmel durch das Fenster sehen konnte. Geschlagene acht Minuten starrte er einfach durch das Fenster ohne irgendeinen besonderen Gedanken zu haben oder müde zu werden. Es war sowohl enervierend als auch deprimierend.
Seufzend setzte er sich auf und sah sich in seinem kleinen Zimmer um. Es musste doch irgendetwas geben, das er tun konnte. Er wollte nicht einfach nur tatenlos rumsitzen nachdem er aus der Nokturngasse verschwunden war. Die Aktivität hatte ihn daran erinnert wie es war draußen durch die Gegend zu laufen ohne befürchten zu müssen jeden Augenblick von Mitgliedern der Magischen Polizeibrigade abgeführt zu werden.
Er fühlte sich unruhig; er wollte sich bewegen. Vielleicht würde es ja ein bisschen helfen wenn er ein bisschen durchs Gebäude spazierte... Ehe Peter es wirklich registrierte stand er schon vor seiner Zimmertür und überlegte ob er jetzt nach links oder rechts den Gang hinuntergehen sollte.
Schließlich entschied er sich für links, weil er sich - blödsinnigerweise - daran erinnerte einmal gelesen zu haben, dass der Mensch von Natur aus einen Linksdrall hatte. In dem Gang gab es nichts besonderes zu sehen. Auf der einen Seite immer abwechselnd ein Fenster und eine Fackel an der Wand. So ging es Meter für Meter. Fenster - Fackel - Fenster - Fackel - Fenster...
Die andere Seite war auch nicht unbedingt interessanter. Nur dass hier die Fenster durch Türen ersetzt waren und ab und zu ein Wandteppich oder ein Gemälde an der Wand hing.
Irgendwann stand Peter am Ende des Ganges. Die Wege der Festung waren zum Teil sehr verwirrend angelegt damit mögliche Eindringlinge es nicht allzu leicht hatten. Rechts von ihm war eine Tür in der Wand. Vorsichtig öffnete er sie und lugte durch den Türspalt in die Dunkelheit des Zimmers. Peter machte die Tür ganz auf und trat ins Zimmer. Das Licht der untergehenden Sonne, das durch die Tür ins Zimmer fiel, reichte nicht aus um das Zimmer vollständig zu erhellen.
"Lumos!" Jetzt konnte er erkennen was sich in dem Zimmer befand. Der Boden war mit rechteckigen Holzkisten zugestellt und die Steinwände waren unerklärlicherweise rosa gestrichen.
'Welcher Exzentriker hat sich denn das einfallen lassen?' fragte sich Peter und öffnete die erste Holzkiste. Darin lag eine Perücke aus orangen Korkenzieherlöckchen. Peter war geneigt den Raum Dumbledore zuzuschreiben, wenn es nicht unmöglich für eben jenen gewesen wäre hier rein zukommen.
Irgendwie erinnerte Peter dieser Raum an seine Zeit in Hogwarts als er mit James, Sirius und Remus nachts durch die Gänge des Schlosses gestreift war und sie Material für die Karte des Rumtreibers gesammelt hatten. Einmal...
Er verscheuchte den Gedanken und legte die Perücke wieder in die Holzkiste zurück.
Es war schon verrückt wie das Leben manchmal spielte. Peter erinnerte sich daran, wie er eines Tages, kaum hatte er seinen Schulabschluss in der Tasche gehabt, den Todessern beigetreten war. Damals wollte er nur sich und seine Freundin Gwendolyn vor Voldemort beschützen und jetzt war er hier lebendig begraben, als gesuchter Mörder und Sklave Voldemorts. Und er wusste noch nicht einmal ob es sich überhaupt lohnte oder gelohnt hatte.
Er schüttelte den Kopf über seine eigene Dummheit, stand auf und verließ das Zimmer wieder. Jetzt war es genug. Er fühlte sich nicht mehr unruhig, nur noch müde. Die Erinnerungen hatten ihn wirklich geschafft.
In dieser Nacht schlief Peter unruhig. Alle halbe Stunde wachte er auf und konnte nicht wieder einschlafen. Und das auch nur, weil er immer wieder den gleichen Traum hatte.
Er saß neben Gwendolyn auf dem Sofa im Wohnzimmer des Hauses ihrer Eltern und er hatte den Arm um ihre Schultern gelegt. Eigentlich taten sie gar nichts besonderes. Sie hingen einfach nur ihren Gedanken nach und genossen die Wärme des jeweils anderen.
Und jedes Mal wenn die Standuhr in der Ecke links hinter ihnen halb zehn schlug knarzte die Tür hinter ihnen. Doch keiner der beiden kümmerte sich darum; das Holz in diesem Haus war alt. Es durfte knarzen.
Urplötzlich wurde Gwendolyns Kopf nach hinten gerissen und jemand schlitzte ihr die Kehle mit einem Messer auf. Blut strömte aus der Wunde und auf Peters Kleidung.
"Gwendolyn..." flüsterte er und berührte zitternd ihr Gesicht. Erst dann drehte er sich um.
James. Hielt ein blutverschmiertes Messer in der Hand. Sirius und Remus, die hinter ihm standen.
"Hallo Peter," sagte James tonlos.
"Warum...?"
"Nur damit du begreifst wie schwer dein Verrat wiegt. Aber eigentlich ist ihr Tod noch zu gering im Vergleich zu dem was du uns angetan hast."
"Es... tut mir Leid."
James schüttelte den Kopf und lachte leise. "Oh nein, es tut dir nicht Leid."
Nach diesen Worten wachte Peter jedes mal auf und das erste was er danach tat, war nachzusehen, ob Gwendolyns Blut noch an ihm haftete.
So wie jetzt auch. Die magische Planetenuhr auf seinem Nachttisch zeigte dreiundzwanzig Minuten nach drei Uhr morgens an. Peter stand auf und ging zu seinem Fenster hinüber. Eine Schleierwolke zog am Mond vorbei.
James - nun ja, der James aus Peters Traum - hatte nicht ganz Recht. Ein paar Wochen nachdem er zu den Weasleys gezogen war hatte es angefangen ihm Leid zu tun. Irgendwann hatte er alles erlebt was man als Ratte bei den Weasleys so erleben konnte und von da an war er nur noch irgendwo rumgelegen und hatte nachgedacht.
Das Nachdenken hatte ihm nicht gut getan. Ihm war alles bewusst geworden und er hatte genug Zeit gehabt sich Lilys und James Tod vorzustellen. Von da an kamen die Schuldgefühle immer wieder in unregelmäßigen Abständen.
'Es tut mir wirklich Leid, James. Glaub mir doch,' dachte Peter verzweifelt. Er drehte sich vom Fenster weg und rutschte auf den Boden. Dort zog er die Beine an, umschlang sie mit seinen Armen und legte den Kopf auf die Knie. Er brauchte all seine Selbstbeherrschung um nicht loszuweinen.
Und auf einmal zuckte eine klare Idee durch das Gedankenwirrwarr in seinem Kopf.
Snape würde nicht mehr lange der einzige Verräter sein...
Harry Potter,
Ich habe meine Schuld eingelöst. Ich habe Voldemort verraten, so wie ich deine Eltern verraten habe. Das Ministerium wird auch bald von mir hören. Dann ist Sirius frei und du kannst mit ihm leben. Ich hoffe, es macht wenigstens einen kleinen Teil von dem was ich getan habe wieder gut.
Peter Pettigrew
Peter legte den Federkiel beiseite und rollte das Pergament zusammen. Dann nahm er seinen Zauberstab und verzauberte die Pergamentrolle so, dass sie erst ab einem bestimmten Tag erst wieder geöffnet werden konnte. Dann schlich er hinaus und zu dem Zimmer in dem die Eulen Voldemorts normalerweise hausten. Er hatte Glück. Einige waren nicht zum Jagen ausgeflogen oder waren auch schon wieder zurückgekehrt. Peter schickte eine mit dem Brief weg und ging wieder.
Da Peter seinen Plan aber erst tagsüber in die Tat umsetzten konnte ging er wieder ins Bett um wenigstens noch etwas Ruhe zu bekommen. Den Traum hatte er in dieser Nacht nicht mehr.
Als Peter am nächsten Morgen wieder aufwachte und an sein Vorhaben dachte, war er überrascht, dass sein Mut, es durchzuführen, nicht verschwunden war. Er stand auf, zog sich an und schlich durch die Gänge bis zu dem Zimmer, in dem Voldemort seine Experimente und die dafür benötigten Dinge aufbewahrte. Peter atmete noch einmal tief durch um seine Nerven zu beruhigen und murmelte die Zaubersprüche, welche die Versiegelungen an der Tür aufhoben.
Keine Minute später schloss er die Tür leise hinter sich. Peter wusste genau was er tun musste. Er ging hinüber zu einem Schrank und öffnete ihn. Ganz unten auf dem Schrankboden lagen die Unterlagen, die Voldemort noch nicht gesichtet hatte. Unter anderem auch zwei, die er brauchte um die Unsterblichkeit wieder zu erlangen. Ohne die wäre er zumindest für eine Weile aufgeschmissen.
Ein einfacher Spruch und von den Unterlagen war nicht mehr viel übrig außer einem mickrigen Häufchen Asche. Noch ein zweiter und auch die Asche war verschwunden. Peter stand auf, schloss den Schrank und verließ den Raum. Draußen stellte er die Schutzzauber wieder her und lief in sein Zimmer.
Dort angekommen verwandelte er einen seiner Umhänge in einen Matchbeutel und stopfte seine wenigen Habseligkeiten hinein. Er konnte nicht mehr hier bleiben und fast wünschte er sich, er hätte die Unterlagen nicht verbrannt.
'Jetzt ist es zu spät, du musst das bis zum Ende durchziehen.'
Der alte Gryffindor in ihm war wieder durchgebrochen und hatte die Angst vor Voldemort vertrieben. Peter warf sich den Beutel über die Schulter und verließ Voldemorts Festung. Er hoffte bloß, dass die Wachen oben auf dem Dach nicht noch im letzten Augenblick entdeckten, als er über das Gras vor dem Eingang lief.
Er erreichte den Waldrand ohne, dass ihm irgendwelche äußerst unangenehme Flüche nachgeschleudert wurden. Im Schutz der Bäume drehte er sich noch mal um und blickte auf das zurück, was er seit einigen Wochen Zuhause genannt hatte. Erst jetzt setzten all die Symptome ein, die er während seiner ganzen "abenteuerlichen" Aktion vermisst hatte: Herzrasen, Gänsehaut und Übelkeit. Der Gryffindor-Geist hatte wirklich ganze Arbeit geleistet.
"Dieser Faden wird nicht mehr nötig sein sobald keine Gefahr mehr für die Fäden besteht, die in seiner Nähe sind."
"Ja... oh! Sieh mal, die Fäden fangen schon an sich von ihm zu lösen!"
"Dann wird es ja nicht mehr lange dauern bis ich ihn durchschneiden kann."
"Hoffentlich. Die anderen Fäden sehen nämlich nicht so aus als ob sie ihn bald verlassen würden."
"Gedulde dich noch ein wenig. Du weißt doch, früher oder später werde ich auch diesen Faden zerstören müssen. Denn niemand von den Sterblichen kann unsterblich werden."
A/N: Ich weiß, ich weiß, niemand hier mag Peter, aber es war wirklich interessant ihn zu schreiben. Vielleicht könnt ihr ihm ja jetzt eine andere Seite abgewinnen. Freuen würd es mich... Und ein Review auch.
Cu,
