Kapitel II: 'Warau to kawaii yo'
Der Schulgong ertönte. Ranma seufzte und kaute nervös auf seinem Stift. Er schaute zu Akanes leeren Platz hinüber. "Wo steckt sie bloß?", fragte er sich. "Aus der soll mal jemand schlau werden. Die ist ja genauso verrückt wie diese Kodachi." Er schüttelte sich angewidert, verspürte jedoch im selben Moment wieder diesen seltsamen Schmerz im Bauch. "Oh man, nicht schon wieder", sagte er genervt. Seine Mitschüler warfen ihm ein paar fragende Blicke zu, die Ranma, als er sie bemerkte, mit zunehmender Nervosität nicht beantworten konnte. Seine Rettung war ausnahmsweise mal der Lehrer, der den Raum betrat um den Unterricht zu beginnen.
"Schlagt im Buch bitte Seite 439 auf und lest den Text. Währenddessen werde ich eure Hausaufgaben einsammeln. Wie ich euch gestern bereits sagte, sind sie sehr wichtig für die bevorstehende Prüfung. Darum hoffe ich, ihr habt sie alle mit der nötigen Anstrengung gemacht." Im selben Moment flog die Tür auf. Herein stolperte eine keuchende Akane.
"Es... es tut mir leid. Ich habe mich verlaufen." Die Klasse begann zu lachen, was sie blitzartig erröten ließ. Der Lehrer war jedoch alles andere als erheitert darüber. Stattdessen schaute er sie genervt an. "Akane Tendo, an dieser Schule gibt es bestimmte Regeln." Er machte eine kurze Pause. "Ich verstehe nicht, was mit ihnen seit einiger Zeit los ist. Früher waren sie doch immer eine so fleißige und ehrgeizige Schülerin. Schade, dass ich das heute nicht mehr von ihnen sagen kann. Sie kommen entschieden zu häufig zu spät."
Ranma nahm jedes Wort des Lehrers wahr und wusste genau, welchen Grund es für Akanes abnehmende Beliebtheit bei den Lehrern gab. Es war leider wahr, dass er der Grund für Probleme aller Art war, die sie vorher nicht kannte, seit seiner Ankunft in Nerima aber zum Überfluss bekam. Die Schule war nur ein kleiner Teil davon. So aufmerksam er auch zuhörte, sein Blick wich nicht von Akane ab. Sie hatte so etwas Seltsames an sich, was er nicht beschreiben konnte. Weiß der Himmel wieso, ständig brachte sie ihn zur Weißglut mit ihrer Empfindlichkeit. Und nicht zu vergessen, ihrer Brutalität. Manchmal verbrachte er Stunden im Dojo, um sich von den Streits mit ihr abzureagieren. Er hätte sie ja unmöglich schlagen können. Gleichzeitig aber umgab sie etwas, das er nicht definieren konnte. "Etwas Anziehendes?" überlegte er auf der Suche nach dem Wort, das es am besten beschreiben würde, schüttelte daraufhin jedoch sofort den Kopf. "Es ist ja nicht so, dass ich ihre Anwesenheit je schon mal genossen hätte." Ihm war nur eines klar. Sie hatte definitiv etwas, das Shampoo, Ukyo, Kodachi und all den anderen Mädchen fehlte. Sie hatte Charisma. Ranma nickte leicht, als er für sich beschloss, dass ihm diese Erklärung vorerst ausreichen würde, blinzelte dann aber. "Und... sie hat Persönlichkeit." Er verzog sein Gesicht in Verwunderung und konnte selbst nicht glauben, was er eben gedacht hatte. "Na sicher, Persönlichkeit kann man das auch nennen, wenn jemand brutal und irre ist!" Wie auch immer, er wusste, dass dies nicht alles war, was in ihr steckte. Doch über dies vermochte er nicht mal weiter nachzudenken.
Akane verbeugte sich vor dem Lehrer. "Entschuldigen Sie. Ich werde mich in Zukunft noch stärker bemühen, immer rechtzeitig zu kommen." Sie schaute kurz zu Ranma hinüber, sodass sich ihre Blicke für einen Moment trafen, dann schenkte sie dem Lehrer wieder die Aufmerksamkeit. Der seufzte und sagte mit hängenden Schultern: "Ich weiß durchaus, dass sie es ehrlich meinen. Ich kenne sie lange genug. Aber als Lehrer muss ich jeden Schüler gleich behandeln. Und für ihr Zuspätkommen müssen sie leider bestraft werden."
Er verwies sie hinaus in den Flur, wo sie für die gesamte folgende Schulstunde, einen Eimer Wasser tragend, stehen musste. Derweil wurde Ranma von dem Ehrgeiz gepackt, herauszufinden, was sich hinter ihrem noch seltsameren Verhalten als sonst, verbirgt. "Sensei" schrie er plötzlich und sprang auf. Alle Schüler erschraken und schauten ihn mit offenen Mündern an. "Es tut mir wirklich wahnsinnig leid, aber ich hab' echt keinen Bock auf diesen Kram."
Der Lehrer biss seine Zähne zusammen, nicht mehr wirklich verwundert wirkend.: "Ranma Saotome. Sie schon wieder? Wollen Sie mir etwa sagen, Sie stellen sich gegen meine Arbeitsanweisungen und weigern sich, den Text zu lesen?"
Ranma setzte ein wahnsinniges Lachen auf. "Ahahaha, wenn das schon alles wäre. Die Hausaufgaben habe ich auch nicht gemacht!"
Innerlich fluchte er, denn diesmal hatte er seine Hausaufgaben ausnahmsweise tatsächlich mal gemacht. Doch er tat alles mögliche, um aus dem Unterricht verbannt zu werden, damit er Akane unter vier Augen sprechen könnte. Die Mittagspause wollte er nicht abwarten und selbst dann wäre es sehr ungewiss gewesen, ob sie ihm überhaupt zugehört hätte.
Ranma war kein Kerl, der halbe Sachen machte. Wenn er etwas tat, dann richtig. Und dementsprechend sah auch sein plötzlicher Ausraster im Unterricht aus. Der Lehrer zitterte zunächst leicht, begann dann zu beben und brüllte: "Saaaootoomeeee!" während er ihm mit einer Geste deutlich machte, dass er ebenfalls auf den Flur verdonnert wurde. Ranma schnappte sich seinen Eimer als sei er eine Siegestrophäe und grinste leicht. "Das ist meine Chance. Diesmal wirst du nicht einfach davon rennen können, Akane. Wir haben immer noch Krieg. Und den werde ich ganz sicher nicht verlieren."
Akane hielt mit beiden Händen den Eimer voll Wasser fest, unklar darüber, ob sie sich ärgern sollte, weil sie die Stunde über auf dem Flur stehen musste oder doch eher erleichtert, weil sie nun nicht in der Nähe von Ranma war. Seit einiger Zeit saßen sie auch noch neben einander in der Schule. Das hätte sie wahrscheinlich ohnehin nicht ausgehalten. An sich wusste sie, dass es nur ein Traum war und sonst nichts. Wenn sie jedoch seine Augen unmittelbar vor sich sah und seine Stimme hörte, schlug diese Gewissheit schlagartig um und sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. "Ich wünschte, ich wüsste, wie das alles schnell enden könnte. Wir sitzen nebeneinander in der Schule, haben den selben Schulweg, ja wir wohnen sogar zusammen... Ich kann ihm doch unmöglich ewig aus dem Weg gehen. Aber wenn ich es nicht tue, steigt so ein seltsames Gefühl in mir auf." Ihre Augen wurden kleiner. "Oh ja, ich bin mir sogar ganz sicher, dass Shampoo etwas damit zu tun hat." Sie runzelte ihre Stirn. "Aber warum sollte sie das tun? Vielleicht ging etwas schief?" Sie seufzte und entschied sich, das Grübeln vorerst sein zu lassen und einfach nur die Stunde hinter sich zu bringen.
Auf einmal öffnete sich hinter ihr die Tür für einen kurzen Moment, ehe sie wieder zufiel. Sie drehte sich überrascht um und fragte sich, ob denn ihre Strafe schon vorbei war. Vor ihr stand aber niemand anderes als Ranma, ebenfalls mit einem Wassereimer in der einen, mit der anderen Hand leicht winkend. "Hallo." Er grinste verschmitzt. Akanes Herz begann zu rasen. "Ich werde ihn einfach ignorieren. Genau, ich tue so, als sei er gar nicht hier", sagte sie hektisch in Gedanken zu sich selbst als ihr Atem schneller wurde. Seine Stimme durchquerte jedoch ihre Pläne alsbald. "Gut Akane. Es tut mir wirklich leid, aber du hast es ja nicht anders gewollt."
Ihre Augen weiteten sich. Sie nahm einen tiefen Atemzug und drehte ihr Gesicht langsam zu ihm rüber. "Oooh Mist!" fluchte sie innerlich und wandte ihr Gesicht ruckartig wieder von ihm ab. "Was hat der denn bloß mit seinen Augen? Waren die immer schon so komisch? Das ist doch nicht normal, dass die so glänzen. Warum hilft mir denn keiner...?!"
Ranma wurde langsam sichtlich verärgert über ihre abweisende Art und ging nun noch hartnäckiger heran. Für ihn war es ganz eindeutig eine Herausforderung zu einem Kampf. Anders hätte er es sich nicht erklären können. Was dabei die Waffen sein sollten oder zu was dieser Kampf überhaupt zu führen hatte, wusste er allerdings nicht. Fest stand nur, er wollte gewinnen und sicher alles andere tun als aufgeben.
Er machte einen geschickten Sprung und befand sich plötzlich direkt vor Akane. Als sie einen Schritt zur Seite tun wollte, um sich aus seiner Nähe zu befreien, versperrte er ihr mit einem Arm den Weg, indem er sich an der Wand abstützte. "Wirst du jetzt endlich mit mir sprechen?" fragte er grinsend und siegessicher.
Akanes Atem wurde immer schneller. Ihre Brust war so eng, dass es sich anfühlte, als spränge ihr Herz jeden Moment heraus und ihr Gesicht glühte förmlich; das konnten selbst die vielen kleinen Schweißperlen auf ihrer Stirn nicht abkühlen. Sie hyperventilierte fast, wusste nicht mehr, was sie tun sollte und kniff in ihrer Verzweiflung die Augen fest zu. Die selbe Situation wie im Traum. Er war über sie gelehnt, stützte sich mit einem Arm ab. Und dann...?
"Ich hab' doch gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen!" schrie sie auf einmal heraus. Einen Moment herrschte Stille. Dann öffnete sie langsam und vorsichtig ein Auge nach dem anderen. "Ist er... noch da?" Ihre Befürchtung, wieder irgendeine Art von Glanz in seinen Augen sehen zu können oder beknackte Bewegungen seiner Hände zu verfolgen, hatte sich nicht bewahrheitet. So viel zum Guten. Das hatte allerdings auch seinen Grund. In Panik reagierte ihr Körper auf die "Gefahr" ohne dass sie es merkte. Vor ihr stand nun nur noch ein klatschnasser, zierlicher Rotschopf mit einem Eimer auf dem Kopf. Entnervt schaute Ranma einfach gerade aus, gefangen in der Starre bis ganz langsam und allmählich wieder Bewegung in seinen Körper kehrte und er vor Zorn bebte. "Wwwaaaarum heeeh? Was habe ich dir eigentlich getan, du hysterische Kratzbürste?" brüllte er außer sich.
Akane schaute ihn oder besser gesagt sie nun ganz offen und ohne jede Scham an. "Eh... Ranma. Es tut mir leid. Ich weiß auch nicht, warum ich das getan habe." Sie drehte sich kurz um, um sich zu vergewissern, dass niemand etwas mitbekommen hatte. Dann wandte sie sich ihm wieder zu und sagte: "Es tut mir wirklich leid. Irgendwie fühle ich mich heute nicht so gut."
Ranma beruhigte sich schnell und schaute sie nun mit traurigen Augen an. "Sag mir doch wenigstens einen Grund, Akane", flehte er und bemerkte, dass er entschieden verzweifelter klang als er es zulassen wollte.
Akane jedoch war klar, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagen konnte, wenn sie auch gerade schreckliche Gewissensbisse wegen ihres seltsamen Auftritts bekam. "Komisch, auf einmal fühle ich mich ihm gegenüber gar nicht mehr so befangen. Es ist eigentlich wieder wie immer." Sie lächelte und Ranma wurde ganz warm ums Herz. "Ich hoffe du bist mir nicht böse. Es war wirklich keine Absicht."
Ranma schaute sie einen Moment stumm an und sank dann mit seinem Blick zu Boden. "Nein, das bin ich nicht. Von einem Tollpatsch wie dir bin ich schließlich nichts anderes gewohnt" sagte er und versuchte mit dieser Bemerkung wieder wett zu machen, dass er sich eben so schwach vor ihr gezeigt hatte. Ausgerechnet vor Akane. Jedoch verfiel seine Wirkung etwas dadurch, dass er ganz leise und ruhig sprach. "Aber erklär mir bitte eines", sagte er etwas schärfer als er den Blickkontakt wieder aufnahm. In ihrem Gesicht war nicht die Spur von Nervosität zu erkennen. "Warum bist du heute gleich zwei Mal... nein, eigentlich sogar drei Mal schreiend vor mir davon gelaufen?"
"Ehm...." Akane stockte der Atem. "Also... ich... em... ich war noch wütend. Ha ha..." Sie quälte ein gekünsteltes Lachen aus sich heraus und wirkte nicht sehr überzeugend, während Ranma sie mit angehobener Augenbraue ansah und scheinbar erwartete, sie würde mit ihrer Erklärung fortfahren. "Hör mal Ranma", setzte Akane ernster fort. "Ich sagte dir doch, mir geht es heute nicht so gut. Ich glaube, ich werde früher nachhause gehen."
Sie seufzte leicht und ging den Gang hinunter. "Wirst du bitte dem Lehrer ausrichten, dass ich krank bin?" sagte sie im Gehen. Ranma schaute ihr einen Moment nach und lief ihr dann hinterher. "Akane warte mal!"
Sie stoppte und schaute ihn fragend an. "Also, weißt du", fuhr Ranma fort. "Du siehst heute wirklich nicht so ganz frisch aus. Es ist wohl besser, ich bringe dich nachhause."
Akane begann zu strahlen, was Ranma auf unerklärlicher Weise komplett aus der Fassung brachte. "Also, eh... Ehe noch etwas passiert..."
"Das brauchst du wirklich nicht, Ranma. Aber trotzdem vielen Dank." unterbrach sie ihn, wünschte sich aber insgeheim sehr, dass er sie begleiten würde, jetzt, da sich die Dinge scheinbar wieder normalisiert hatten.
Ranma lachte leicht. "Ach Akane, das ist doch keine große Sache. Ich vermiss den Laden hier sicher nicht und umgekehrt ist es ganz bestimmt auch nicht so." Er zwinkerte und konnte Akane nun ebenfalls ein Lachen entlocken. Da war's wieder. In seinem Bauch. Aber halt. Diesmal war es kein Schmerz. Es war irgendwie anders als vorher. Es fühlte sich angenehmer an. Aber störend war es trotzdem für Ranma. Jedenfalls solange er dieses Gefühl nicht zu deuten verstand.
Sie gingen nebeneinander her als Ranma plötzlich Akane zum Stehen brachte und kurz in einem Raum verschwand. "Wie gut, dass wir am Hauswirtschaftsraum vorbeikamen", hörte man die piepsige, hohe Stimme des Ranma-Mädchens rufen, als im Hintergrund etwas plätscherte. "Da ist immer leicht etwas heißes Wasser aufzutreiben", setzte nun Ranma als Mann zurückverwandelt fort. Gut gelaunt trat er heraus. "Gehen wir?"
Doch Akane war wie versteinert. Wieder verlor sie ihre Sprache. "Das kann doch nicht... Warum..." dachte sie vollkommen durcheinander. "Gerade war doch alles wieder gut. Ich konnte ihm in die Augen sehen, mit ihm reden und...". Auf einmal wurde ihr bewusst, warum Ranma es in den letzten Minuten nicht geschafft hatte, sie so nervös zu machen. Diese eigenartige Ausstrahlungskraft übte er nur in männlicher Form auf sie aus. Die weibliche Form war umgänglicher. Zumal sie in keinem verrückten Traum vorkam. Nun allerdings fand sie sich in der gequälten Lage wieder, bei Ranmas Anwesenheit vor Scham fast zu zerfließen. Stark errötet drehte sie sich von ihm weg und betete, er würde ihr nicht ins Gesicht sehen wollen. "Hey Akane. Was ist denn los?" fragte er fröhlich und nichts ahnend als er ihr seine Hand auf die Schulter legte.
"Hand!" Die leichte Berührung durchzuckte ihren ganzen Körper. "Das geht zu weit, das steh ich nicht durch!"
Mit einer ruckartigen Bewegung schüttelte sie seinen Arm von sich ab und sagte mit zitternder Stimme: "Ich habe doch gesagt, du brauchst mich nicht nachhause bringen. Ich gehe viel lieber alleine."
Ranma war nun vollends verwundert und registrierte es nicht mal mehr wirklich, dass sie sobald sie zuende gesprochen hatte, fortgerannt war.
"Puuh". Ranma zog sich seine Schuhe aus und schmiss seine Tasche in die Ecke. "Das war ein langer Tag. Und jetzt zu Akane."
Am Eingang empfing ihn Kasumi lächelnd. "Hallo Ranma. Wie war die Schule? Aber wo hast du denn Akane gelassen?"
Ranmas Gesicht überfiel eine starke Müdigkeit. "Du willst doch nicht etwa sagen", begann er mit aller Mühe, nicht aus der Haut zu fahren "dass Akane noch nicht zuhause ist, oder?"
Kasumi schien die Frage sehr zu verwundern. "Ja, aber habt ihr denn nicht immer zur selben Zeit Schulschluss? Ihr seid doch in einer Klasse."
Irgendwas sagte Ranma, dass er vorerst besser nicht erwähnen sollte, dass Akane heute die Schule frühzeitig verlassen hatte. Hektisch zog er sich seine Schuhe wieder an. "Ehm... Ja aber.... Ach ups! Ich hab' da noch was Wichtiges vergessen. Ich muss wieder weg. Bis nachher!"
Er fegte zur Tür hinaus und hörte erst auf zu rennen, als er sich ganz sicher war, dass Kasumi ihn nicht mehr sehen würde. Dann erst begann er sich zu fragen, wo er denn überhaupt nach Akane suchen sollte. "Diese blöde Gans. Wo steckt sie denn?" fragte er sich verärgert.
Nachdem er im Park, am Fluss, in sämtlichen Cafés und sogar bei Dr. Tofu nach ihr gesucht hatte und es langsam dunkel wurde, machte er sich auf den Weg zurück. Mittlerweile war er etwas besorgt. Bei ihren Freundinnen konnte sie nicht sein. Die waren schließlich vorher noch alle in der Schule. Und nachdem sie in der vergangenen Zeit in Nerima Bekanntschaft mit rachsüchtigen Amazonen, Nylon tragenden Halbdämonen und Unterwäsche klauenden Lüstlingen gemacht hatten - dies um nur einige von vielen zu nennen - wusste er, dass dies nicht der Ort für ein junges Mädchen war, um alleine in der Dunkelheit umher zu streunen. Selbst wenn es sich dabei um ein brutales Machoweib handelte - sie war immer noch ein Mädchen.
Als er zuhause ankam, waren alle bereits schlafen gegangen. "Na toll", dachte er sich. "Wen soll ich denn jetzt fragen, ob sie schon zurück ist?" Er schaute, ob ihre Schuhe am Eingang stehen würden, doch fand sie dort nicht, woraus er schließen musste, dass sie noch nicht zurück war - von wo auch immer. "Mist. Diese blöde blöde Gans! Ich kann ja auch schlecht einfach in ihr Zimmer herein spazieren und schauen, ob sie da ist. Wenn das der Fall wäre, würde sie mich glatt umbringen. Was, wenn sie sich gerade umziehen würde?" Er errötete bei dem Gedanken und fragte sich, warum er sich ausgerechnet darüber den Kopf zerbricht. "Na gut, was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß. Ich tue das schließlich nur, weil ich mir Sorgen mache. Auch wenn sie es wahrscheinlich gar nicht verdient."
Er ging in den Garten und kletterte auf den Baum, der direkt vor Akanes Fenster stand. Vorsichtig schaute er in ihr Zimmer. Erst hatte er Probleme irgend etwas zu erkennen, weil alles stockduster war. Dann jedoch sah er zunächst die Konturen eines Körpers, die sich mehr und mehr zu einem vollständigen Bild Akanes schärften. Ruhig und friedlich lag sie in ihrem Bett.
Ranma atmete erleichtert aus, als er herausfand, dass es ihr gut ging, wurde jedoch im selben Moment etwas wütend darüber, dass er sich für nichts und wieder nichts so eine Mühe mit ihr gegeben hatte. "Morgen", das stand für ihn fest "werde ich ihr mal ordentlich meine Meinung sagen. Dieses seltsame Hin und Her ist ja nicht zum Aushalten. Mal schauen... ein paar mal Machoweib und kawaikunee sollten es bringen. Dann wollen wir mal sehen, wie lang sie sich noch zurückhalten k..." Mitten in seinen Gedanken wurde er unterbrochen als er eine Bewegung im dunklen Zimmer wahrnahm. Akane. Sie fuhr sich mit den Fingerspitzen im Schlaf über die Lippen und lächelte sanft. Ein paar Strähnen ihres schwarzen Haares fiehlen ihr bei der leichten Bewegung elegant ins Gesicht und wippten weich auf, als sie leicht seufzte. Ranma legte seinen Kopf schräg und ließ seine Lider soweit sinken, dass er nichts anderes mehr wahrnahm als dieses ungewohnte, liebe Bild von Akane. Wie in Trance beobachtete er sie für lange Momente voller Sehnsucht. Sooft er es auch abstritt, er erkannte schon längst, wie atemberaubend dieses Mädchen ist, mit dem ihm sein Vater ohne seine Einwilligung einst verlobte hatte. Er wusste von ihrem unerschütterlichen Mut, wenn sie auch mit wachsender Zahl an Feinden immer wieder die Kämpfe verloren hatte; sie gab nie auf, ja sie schwächelte nicht einmal. Ranma begann zu verstehen. Dieses Gefühl in seinem Bauch war nichts anderes als die brennende Sehnsucht nach diesem einen Menschen, den er einst als schüchterner Rotschopf kennengelernt hatte und von dem ihm aus tiefstem Herzen eine Freundschaft angeboten wurde. Ganz tief in sich bewahrte er die Erinnerung an jenen Tag auf, an dem er mit seinem Vater in das Leben der Tendos eindrang. Und wenn er ganz sicher ist, dass weit und breit niemand da ist, der ihn durchschauen könnte, lehnt er sich zurück und denkt mit einem Lächeln an die mitunter kostbarsten Erinnerungen seines Lebens zurück. "Wollen wir Freunde sein?" fragte ihn das fremde Mädchen und legte vorsichtig ihre sanfte Hand auf seine Schulter. Durch die hektischen Umstände hatte er vorher keine Zeit gehabt, die Bewohner des Hauses genauer zu betrachten. Aber als er diese freundliche, süße Stimme hörte, die ihm so viel Wärme an einem kalten, regnerischen Tag schenkte, drehte er sich langsam zu ihr um. Und als er in ihre tiefen, schokobraunen Augen sah, von so langen, dichten Wimpern gerahmt, die wie Sterne im Glanz ihres strahlenden, wenn auch nur leichten Lächelns, funkelten, wusste er, dass sich etwas verändern würde. Er konnte zu jenem Zeitpunkt noch nicht sagen, was es war, doch er spürte, dass dieser Mensch sein Schicksal beeinflussen sollte. Für das erste Mal in seinem ganzen Leben war er sprachlos. Vielleicht war es auch das Beste. Denn wenn ihm in diesen zärtlichen Sekunden irgendein Satz über die Lippen gekommen wäre, dann dass er sich fragte, wie viel schöner sie erst sein musste, wenn sie lacht. Er bedauerte es, dass dieses unglaublich süße Lächeln sich hinter einer so langen Haarpracht versteckte und wünschte sich, ihr die Strähnen aus dem Gesicht zu streifen.
"Ach Akane" seufzte er als er sich bei ihrem Anblick in seinen Gedanken verlor. "Du kannst so unglaublich süß sein." Er nahm einen tiefen Atemzug, als sich die Erinnerungen nach jenem Kennenlernen in seinen Sinn drängten. Die Akane, die ihn als Perversen, als Lüstling und Spanner beschimpfte. Die Akane, die ihn brutal mit einem Tisch niedergeschlagen hatte. Er runzelte die Stirn. "Sie war von Anfang an so. Sie schlug sofort zu, bei jeder Kleinigkeit." Er ging in Gedanken durch, was sie alles besonders aufregte und kam zu dem Schluss, dass er dann am meisten abbekam, wenn er sich über ihr Aussehen lustig machte. Heftig schüttelte er seinen Kopf. "Hat sie das denn wirklich verletzt? So dumm kann sie doch nicht sein. So etwas ernst zu nehmen... Weiß sie denn nicht wie schö..." Er bremste sich selbst aus Angst, er verliere sonst die Kontrolle über seine Gedanken, aus Angst, er würde dem unerwünschten Gefühl in seinem Bauch nachgeben und Akane alles gestehen, was ihn beschäftigt. Aber sie würde es nicht verstehen. Denn neben der Akane, die er schätzt und zu der es ihn immer wieder hinzieht, existiert noch eine andere Akane. Eine, die... ihn hasst. Sie hatte es oft genug gesagt und manchmal hallt dieser Satz noch in seinem Kopf, wenn er schläft.
Er war gerade dabei, von dem Ast, auf den er geklettert war, herunter zu springen, als er auf einmal bemerkte, dass ihr Atem schnell wurde und sie im Bett wild um sich trat.
Akane war todmüde in ihr Bett gefallen, sobald sie sich in der Dämmerung durchs Fenster in ihr Zimmer geschlichen hatte, um jede Spur ihrer Anwesenheit zu vertuschen. Sie hatte keine Ahnung wieso, aber ihr Gefühl sagte ihr, dass Ranma sie suchen würde. Ob er etwas ahnte? Sie seufzte. "Auf Dauer wird das wirklich zu teuer." Ihr kam wieder in den Sinn, dass sie nach dem Verlassen der Schule einfach die nächstbeste Bahn genommen hatte und durch verschiedene Orte fuhr. Sie wusste, dass dies die einzige Möglichkeit war, um nicht sofort von irgendjemandem aufgespürt zu werden. "Ich muss mir etwas einfallen lassen. Es darf doch nicht sein, dass ich mich von so einem miesen Traum besiegen lasse. Ich bin schließlich Erbin der Tendo Kampfschule." Auch in ihr entfachte nun der Stolz eines Martial Artists. Sie hob den Kopf an und nickte zu sich selbst. "Keine Chance, dass ich mich davon unterkriegen lasse." Nun musste sie ein wenig grinsen. "Und so unsensibel wie Ranma ist, hat er doch morgen eh alles wieder vergessen." Damit tröstete sie sich und schlief sofort ein. Aber auch in dieser Nacht blieb sie nicht von verwirrenden Träumen verschont.
*~*~*~ Es war dunkel. Schlief sie noch? Alles, was sie hörte, waren zwei Stimmen. Die eines Jungen und eines Mädchens. Sie beide lachten vergnügt. Langsam öffnete sie ihre Augen. "Wo bin ich?" fragte sie sich entgeistert und rieb sich ihre Augen, als sie sich auf einer Wiese unter freiem, azurfarbenem Himmel wiederfand. "Wer...?" In der Ferne nahm sie zwei Gestalten wahr, die sich stritten, man könnte fast sagen, sie kämpften. Gerade jedoch dann, wenn sich der eine vom anderen abwandte, wurden ihm sehnsüchtige Blicke geschenkt. So lange bis sie wieder Blickkontakt aufnahmen und das Spiel umgekehrt weiter ging. Sie spielten Fangen oder so etwas und gaben vor, es unglaublich zu verachten, wenn sie vom anderen berührt wurden. Innerlich, das stand allem Äußeren zum trotz, war es jedoch klar, dass sie beide ihre Zeit miteinander genossen und sich nichts sehnlicher wünschten, als diese kostbaren Momente für immer zu bewahren. Sie versuchte ihren Blick zu schärfen bis die Konturen, die sie zunächst eher verschwommen wahrnahm langsam Form annahmen. Erschrocken fuhr sie hoch. "Aber-aber das bin ja ich!" stellte sie außer sich fest. Sie erkannte, dass der Junge Ranma war. Er trug sein rotes Shirt, das er aus China mitgebracht hatte und sprang munter umher, während sie selbst... naja, ihr Double alle Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten. Die andere Akane hatte noch langes Haar, was in den hin und wieder leicht aufkommenden Brisen geschmeidig in ihr Gesicht wehte.
Etwas kritisch betrachtete sie ihr anderes Ich, das in ihrer alten Turnhose gekleidet war und sprach nach einer Weile leicht schmollend zu sich selbst: "Ich weiß gar nicht, was dieser Trottel überhaupt hat. So breit sind meine Hüften doch gar nicht." Es war das erste Mal, dass sie das feststellte. Eigentlich war es das erste Mal, das sie überhaupt ernsthaft darüber nachdachte. Bisher hatte sie Ranmas Worten stets blind geglaubt. Ihr fiel nicht ein, warum er denn sonst so etwas sagen sollte.
Auf einmal warf Ranma einen Ball, den die andere Akane mit einem hohen Sprung elegant auffing. "Ich hab ihn!" rief sie lachend. Ranma errötete.
Akane runzelte verwundert die Stirn. "Was hat das zu bedeuten?" sagte sie laut vor sich hin. "Irgendwie kommt mir das bekannt vor."
"Das sollte es auch", hörte sie Ranmas Stimme plötzlich sagen. Er hockte sich lächelnd neben ihr ins weiche Gras. Auch er verfolgte nun das Geschehen. Die andere Akane lachte vergnügt weiter, während der andere Ranma sie errötend beobachtete.
"Was soll das alles?" fragte sie schließlich den "echten Ranma" neben sich.
Er schloss seine Augen kurz und ließ seinen Kopf sinken. Dann schaute er den beiden weiter beim Spiel zu und sagte: "Wir hatten Sport an diesem Morgen. Du spieltest mit deinen Klassenkameradinnen Baseball, während wir Jungs Leichtathletik hatten."
Akane schaute ihn verwundert an. "Ja... aber... Was ist denn daran so besonders? Wieso sollte ich mich daran erinnern? Wir spielen doch oft Baseball und ihr Jungs macht kaum etwas anderes als Leichtathletik." Ranma fiel ihr mit einem Funkeln in den Augen ins Wort: "Schau, jetzt!" Akane richtete ihren Blick nichts verstehend zu ihrem anderen Ich, das lachend am zweiten Ranma vorbeiging und wandte sich dann fragend ihrem Nebenmann zu.
"Ich verstehe nicht..."
Sein Gesicht wurde ernst. "Das ist der Moment, in dem ich mich in dich verliebt habe." Er lächelte wieder. Diesmal aber so, wie man es tut, wenn man in süßen Erinnerungen schwelgt. Er schaute ihr in die Augen. "Du bist wirklich süß, wenn du lächelst."
Ein leichter Wind kam auf. Akane weitete in Überwältigung ihre Augen, die sich leicht mit Tränen füllten. Sie und Ranma schauten sich für eine lange Weile stumm in die Augen, unfähig etwas zu sagen, nicht willens etwas zu sagen, aus Angst, den Zauber des Augenblicks zu zerstören. Langsam, ganz langsam, streckte er plötzlich seinen Arm nach ihr aus. Seine Finger zitterten, als er ihr vorsichtig die über die Wange streichelte, während ihr im Wind tanzendes Haar sanft über seinen Handrücken strich. Wärme durchflutete ihren Körper. Wärme und ein unbeschreibliches Wohlbefinden, das sie bisher noch nicht kannte. Sie nahm alles wahr, wie nie zuvor: das wunderschöne Blau des Himmels, der Gesang der sich liebenden Vögel, der freundliche orange-gelbe Sonnenschein, von dem sie in einen seidigen Schleier gelegt wurde, die bunten Schmetterlinge, die wie die Blumen so zahlreich und hübsch die Wiese schmückten und... seine Berührungen. Seine Berührungen! Sie wollte sie intensiver Spüren, ihre Sinne noch weiter schärfen, bis sie nichts mehr spürte als seine zärtliche Hand auf ihrer Haut. Hungrig nach diesen Empfindungen schloss sie ihre Augen. Das Zwitschern verschwand. Sie spürte, dass es dunkler wurde. Aber seine Hand, wo war sie? Die Wärme verließ langsam ihren Körper. Verwirrt und traurig darüber öffnete sie wieder ihre Augen und fand sich plötzlich im liegen wieder. Über ihr gebeugt fand sie Ranma wieder. Sein Gesicht war ganz nah an ihrem, sodass sie zuerst gar nicht merkte, dass er ziemlich seltsame Kleidung trug. "... Und nur durch einen Kuss kann er seine geliebte Julia retten" hörte sie eine unbekannte Stimme aus undefinierbarer Entfernung sagen. Moment mal... Julia? "Dann hat Ranma also diese seltsamen Klamotten an, weil er der Romeo ist. Das hatten wir doch schon mal."
Ranma schaute sie sehnsüchtig an. Er lächelte nicht. Sein Blick war unsicher und hilfesuchend. Hilfe von ihr und niemandem sonst, als sie sich auf einmal selbst sagen hörte: "Kannst du es nicht einfach tun?"
Seine Augen weiteten sich und sie meinte ein leichtes Schimmern darin gesehen zu haben, das fast wie Tränen aussah. Langsam lehnte er sich noch tiefer zu ihr hinunter und ließ seine Lider sinken. Ihre Lippen kamen sich näher, sie spürte bereits seinen tiefen, schnellen Atem, nahm diesen Duft war, der ihn so auszeichnete. Aber plötzlich richtete er sich wieder halb auf und schaute sie noch ernster als vorher an.
"Akane" setzte er ruhig an. "Wirst du es diesmal ohne Klebeband tun? Wirst du bereit sein, dass unsere Lippen sich berühren und wir uns damit ein Versprechen geben, das nie jemand durchbrechen darf?"
"Wa-was für ein Versprechen?" stotterte sie in Verwunderung.
Zärtlich strich er ihr mit der Kuppe seines Zeigefingers über die Lippen. Wieder schenkte er ihr sein einzigartiges Ranma Lächeln und flüsterte: "Auf das diesen süßen Mund nie ein anderer kosten darf, genauso wenig wie den meinen." Er nahm seine Hand von ihr weg und führte sie zu seinen eigenen Lippen, um der Fingerspitze, die eben noch Akane liebkoste einen leichten, sanften Kuss zu geben. Sie errötete und führte instinktiv ihre Hand and ihren Mund. Sie wollte dieses Gefühl festhalten, es einfangen.
Ranma zückte eine kleine wunderschöne Blume und legte sie vorsichtig auf Akanes Brust, direkt über ihrem Herzen als er fortsetzte: "Ein Versprechen, dass wir uns immer lie..."
Lautes Gelächter fiel ihm ins Wort. "Oooh sie küssen sich echt?"
-"Diesen perversen Zwitter?"
-"Was will er denn von diesem flachen Brett?"
Die Stimmen überschnitten sich, wurden immer lauter. Der Lärm war kaum zu ertragen. Voller Schmerz streckte sie sich, während sie sich mit beiden Händen die Ohren zuhielt. Ranma schreckte enttäuscht zurück.
"Du willst mich nicht küssen?" nahm sie zwischen dem aufkommenden Durcheinander wahr.
"Aber das ist es nicht! Es sind nur die vielen Menschen hier. Sie schüchtern mich ein, nehmen mir die Luft zum Atmen."
Er ließ den Kopf sinken und wiederholte leise den Satz, diesmal mehr als Feststellung: "Du willst mich nicht küssen."
Auf einmal löste er sich langsam auf. Sie wollte ihm hinterherlaufen, konnte aber nicht aufstehen. Ihre Beine rührten sich nicht, während die Stimmen der Menschen um sie herum immer lauter wurden und schmerzend an ihren Körper schlugen. Verzweifelt streckte sie ihren Arm nach ihm fischend aus, um ihn aufzuhalten, zu gehen, doch jemand hielt sie fest.
"Aber nein, nein!" rief sie blind dem sich auflösenden Bild Ranmas entgegen. "Versteh mich doch. Es sind die vielen Menschen. Ich will doch. Glaub mir, ich will! Es sind nur die Menschen. Wären sie nicht, dann hätte ich dir schon längst gesagt, dass ich..." ~*~*~*
Ranma blieb einige Sekunden regungslos auf seinem Ast sitzen. Was anfing als kleines Winseln, artete bald drastisch aus. Akane schrie im Schlaf, das meiste konnte er jedoch nicht verstehen. Er fiel in eine Starre und Ohnmacht durch die Erkenntniss, dass er ihr nicht aus ihren schier fürchterlichen Alpträumen helfen kann. Er hatte schon mal nachts einfach ihr Zimmer betreten, was sie unglaublich wütend machte. Er zögerte einen Moment etwas zu unternehmen; gebremst durch die Furcht, sie würde ihn nur noch mehr verabscheuen, aber angetrieben durch den Schmerz, den es ihm bereitete, sie so zu sehen. Plötzlich schlug sie wild um sich, fegte dabei ihren Wecker und ein paar Bücher vom Nachttisch. Sie schrie schmerzerfüllt auf als die harten Gegenstände an ihrem zarten Körper abprallten.
"Sie verletzt sich" schoss es Ranma durch den Kopf. "Okay, jetzt habe ich einen Grund einzuschreiten. Vergib mir Akane."
Mit einem Sprung befand er sich in ihrem Zimmer und sprang geschickt vom Schreibtisch, auf dem er zunächst landete direkt vor ihr Bett. "Was nun?" strengte er seinen Kopf an. "Wie nun?" Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er keine Ahnung hatte, wie er sie wecken sollte, wie er sie am dezentesten wecken sollte. Er Körper war so zierlich und schö... Wieder schüttelte er seinen Kopf. Er durfte sich nicht ablenken lassen. Also ihr Körper war zierlich und er hatte Angst, sie zu verletzen oder ihr Angst zu machen, wenn er sie falsch berühren würde. Zitternd streckte er einen Arm aus und fing ihr linkes Handgelenk auf, kurz bevor es kräftig gegen die Wand geschlagen wäre. "Aber nein... nein", hörte er sie plötzlich gequält winseln. "...Menschen... vielen Menschen!" Sie wurde lauter und ihre Bewegungen noch kräftiger.
Ranma schaute sie einen Augenblick im Schock an, sammelte sich dann aber und rief ein paar mal vorsichtig ihren Namen.
"... glaub mir, ich will... Menschen... Wären sie nicht... ich dir schon längst gesagt, dass ich..." Das letzte schrie sie aus voller Kehle heraus als sie im selben Moment mit weit aufgerissenen Augen im Bett hochschreckte. Ihr Atem war so schnell, dass sie das Gefühl hatte, zu ersticken. Und ihr Mund war trocken, so trocken, dass sie ihr schweres Atmen nur als tiefes, krächzendes Keuchen wahrnahm.
"Ein Traum... nur ein Traum... schon wieder..." sagte sie hektisch zwischen allen paar Atemzügen zu sich selbst. "Ich bin... in meinem Zimmer", stellte sie dann erleichtert fest, als ihre noch müden Augen plötzlich etwas erkannten, was nicht hätte da sein sollen. Sie strengte sich an, etwas zu erkennen, lehnte sich etwas zurück, um die nötige Distanz zu erreichen, als sie plötzlich bemerkte, dass jemand ihr Handgelenk festhielt. Erschrocken ließ sie ihren Blick auf die fremde Hand fallen. "Was...?!"
"Oh ups... hehe... Tut mir leid, hab' ganz vergessen loszulassen."
Sie folgte der Stimme und fuhrt erschrocken zurück. "Ranma!"
"Ehm... ja" gab er geistreich zurück. "Weißt du, nicht dass du denkst, dass ich dich bespannern wollte oder so. Ich war im Garten" - 'Keine Lüge, ich war wirklich gerade im Garten' dachte er sich - "als ich dich plötzlich schreien und poltern hörte und da..."
"SCHREIEN?" unterbrach sie ihn entsetzt. "Nichts bestimmtes, oder? Oder?"
Ranma wunderte sich stark über ihre Reaktion und stutzte einen Moment bis er ihre Frage beantwortete. "Naja... irgendsowas mit 'vielen Menschen' und dann wolltest du irgendjemandem etwas sagen, glaube ich."
Akanes Kiefer klappte nach unten, doch sie brachte nicht einen Ton von sich. Ranma bemerkte nichts besonderes an ihrer Reaktion und setzte fort: "Man Akane, was hast du denn geträumt? Nicht, dass ich mir Sorgen machen würde oder so. So ein Brutalo wie du hat sowas sicher nicht nötig, nur..."
Erst dann bemerkte er Akanes starren Blick. Sie presste ihre Lippen fest aufeinander als sich ihre leeren Augen plötzlich mit etwas wie Furcht füllten.
"Das würde keinen Sinn ergeben", versuchte Ranma sich selbst zu beruhigen als er mehr und mehr von ihr eingeschüchtert wurde. "Sie denkt doch nicht, ich bin ihr in ihrem Zimmer, um ihr etwas anzutun... oder?"
In Akanes Augen blitzte etwas auf bevor sie wieder glasig und starr wurden. "Oh oh... spitze, echt spitze. Jetzt kommt dieses grässliche Machoweib wieder raus!" dachte sich Ranma. Er rechnete damit, dass sie außer sich vor Zorn auf ihn losgehen und nicht nur mit Schimpfwörtern, sondern auch Gegenständen aller Art um sich werfen würde.
"Akane, Akane, hör mir zu!" flehte er eilig als er rückwärts auf den Boden kippte und einen Meter wegkrabbelte. "Es war nicht so, wie du denkst."
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Sie sah ihn einfach nur mit undurchschaubarer Miene an. "Es tut mir leid, okay? Bist du jetzt zufrieden? Es tut mir leid!" Er sprach schnell und hastig und versuchte alles zu sagen, damit sie ihn ein wenig verschonen würde.
Plötzlich stand sie langsam und steif von ihrem Bett auf. Sie wandte ihren Blick von ihm ab, verließ das Zimmer, als sei Ranma nie drin gewesen und schloss hinter sich die Tür.
--- Ende des zweiten Kapitels. Und es schreitet immer noch sehr lahm voran. Irgendwie habe ich wohl den Faden verloren, denn ich wollte eigentlich auf etwas ganz anderes hinaus. ^^;; Vielleicht sollte ich besser mit Konzept arbeiten?
Der Schulgong ertönte. Ranma seufzte und kaute nervös auf seinem Stift. Er schaute zu Akanes leeren Platz hinüber. "Wo steckt sie bloß?", fragte er sich. "Aus der soll mal jemand schlau werden. Die ist ja genauso verrückt wie diese Kodachi." Er schüttelte sich angewidert, verspürte jedoch im selben Moment wieder diesen seltsamen Schmerz im Bauch. "Oh man, nicht schon wieder", sagte er genervt. Seine Mitschüler warfen ihm ein paar fragende Blicke zu, die Ranma, als er sie bemerkte, mit zunehmender Nervosität nicht beantworten konnte. Seine Rettung war ausnahmsweise mal der Lehrer, der den Raum betrat um den Unterricht zu beginnen.
"Schlagt im Buch bitte Seite 439 auf und lest den Text. Währenddessen werde ich eure Hausaufgaben einsammeln. Wie ich euch gestern bereits sagte, sind sie sehr wichtig für die bevorstehende Prüfung. Darum hoffe ich, ihr habt sie alle mit der nötigen Anstrengung gemacht." Im selben Moment flog die Tür auf. Herein stolperte eine keuchende Akane.
"Es... es tut mir leid. Ich habe mich verlaufen." Die Klasse begann zu lachen, was sie blitzartig erröten ließ. Der Lehrer war jedoch alles andere als erheitert darüber. Stattdessen schaute er sie genervt an. "Akane Tendo, an dieser Schule gibt es bestimmte Regeln." Er machte eine kurze Pause. "Ich verstehe nicht, was mit ihnen seit einiger Zeit los ist. Früher waren sie doch immer eine so fleißige und ehrgeizige Schülerin. Schade, dass ich das heute nicht mehr von ihnen sagen kann. Sie kommen entschieden zu häufig zu spät."
Ranma nahm jedes Wort des Lehrers wahr und wusste genau, welchen Grund es für Akanes abnehmende Beliebtheit bei den Lehrern gab. Es war leider wahr, dass er der Grund für Probleme aller Art war, die sie vorher nicht kannte, seit seiner Ankunft in Nerima aber zum Überfluss bekam. Die Schule war nur ein kleiner Teil davon. So aufmerksam er auch zuhörte, sein Blick wich nicht von Akane ab. Sie hatte so etwas Seltsames an sich, was er nicht beschreiben konnte. Weiß der Himmel wieso, ständig brachte sie ihn zur Weißglut mit ihrer Empfindlichkeit. Und nicht zu vergessen, ihrer Brutalität. Manchmal verbrachte er Stunden im Dojo, um sich von den Streits mit ihr abzureagieren. Er hätte sie ja unmöglich schlagen können. Gleichzeitig aber umgab sie etwas, das er nicht definieren konnte. "Etwas Anziehendes?" überlegte er auf der Suche nach dem Wort, das es am besten beschreiben würde, schüttelte daraufhin jedoch sofort den Kopf. "Es ist ja nicht so, dass ich ihre Anwesenheit je schon mal genossen hätte." Ihm war nur eines klar. Sie hatte definitiv etwas, das Shampoo, Ukyo, Kodachi und all den anderen Mädchen fehlte. Sie hatte Charisma. Ranma nickte leicht, als er für sich beschloss, dass ihm diese Erklärung vorerst ausreichen würde, blinzelte dann aber. "Und... sie hat Persönlichkeit." Er verzog sein Gesicht in Verwunderung und konnte selbst nicht glauben, was er eben gedacht hatte. "Na sicher, Persönlichkeit kann man das auch nennen, wenn jemand brutal und irre ist!" Wie auch immer, er wusste, dass dies nicht alles war, was in ihr steckte. Doch über dies vermochte er nicht mal weiter nachzudenken.
Akane verbeugte sich vor dem Lehrer. "Entschuldigen Sie. Ich werde mich in Zukunft noch stärker bemühen, immer rechtzeitig zu kommen." Sie schaute kurz zu Ranma hinüber, sodass sich ihre Blicke für einen Moment trafen, dann schenkte sie dem Lehrer wieder die Aufmerksamkeit. Der seufzte und sagte mit hängenden Schultern: "Ich weiß durchaus, dass sie es ehrlich meinen. Ich kenne sie lange genug. Aber als Lehrer muss ich jeden Schüler gleich behandeln. Und für ihr Zuspätkommen müssen sie leider bestraft werden."
Er verwies sie hinaus in den Flur, wo sie für die gesamte folgende Schulstunde, einen Eimer Wasser tragend, stehen musste. Derweil wurde Ranma von dem Ehrgeiz gepackt, herauszufinden, was sich hinter ihrem noch seltsameren Verhalten als sonst, verbirgt. "Sensei" schrie er plötzlich und sprang auf. Alle Schüler erschraken und schauten ihn mit offenen Mündern an. "Es tut mir wirklich wahnsinnig leid, aber ich hab' echt keinen Bock auf diesen Kram."
Der Lehrer biss seine Zähne zusammen, nicht mehr wirklich verwundert wirkend.: "Ranma Saotome. Sie schon wieder? Wollen Sie mir etwa sagen, Sie stellen sich gegen meine Arbeitsanweisungen und weigern sich, den Text zu lesen?"
Ranma setzte ein wahnsinniges Lachen auf. "Ahahaha, wenn das schon alles wäre. Die Hausaufgaben habe ich auch nicht gemacht!"
Innerlich fluchte er, denn diesmal hatte er seine Hausaufgaben ausnahmsweise tatsächlich mal gemacht. Doch er tat alles mögliche, um aus dem Unterricht verbannt zu werden, damit er Akane unter vier Augen sprechen könnte. Die Mittagspause wollte er nicht abwarten und selbst dann wäre es sehr ungewiss gewesen, ob sie ihm überhaupt zugehört hätte.
Ranma war kein Kerl, der halbe Sachen machte. Wenn er etwas tat, dann richtig. Und dementsprechend sah auch sein plötzlicher Ausraster im Unterricht aus. Der Lehrer zitterte zunächst leicht, begann dann zu beben und brüllte: "Saaaootoomeeee!" während er ihm mit einer Geste deutlich machte, dass er ebenfalls auf den Flur verdonnert wurde. Ranma schnappte sich seinen Eimer als sei er eine Siegestrophäe und grinste leicht. "Das ist meine Chance. Diesmal wirst du nicht einfach davon rennen können, Akane. Wir haben immer noch Krieg. Und den werde ich ganz sicher nicht verlieren."
Akane hielt mit beiden Händen den Eimer voll Wasser fest, unklar darüber, ob sie sich ärgern sollte, weil sie die Stunde über auf dem Flur stehen musste oder doch eher erleichtert, weil sie nun nicht in der Nähe von Ranma war. Seit einiger Zeit saßen sie auch noch neben einander in der Schule. Das hätte sie wahrscheinlich ohnehin nicht ausgehalten. An sich wusste sie, dass es nur ein Traum war und sonst nichts. Wenn sie jedoch seine Augen unmittelbar vor sich sah und seine Stimme hörte, schlug diese Gewissheit schlagartig um und sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. "Ich wünschte, ich wüsste, wie das alles schnell enden könnte. Wir sitzen nebeneinander in der Schule, haben den selben Schulweg, ja wir wohnen sogar zusammen... Ich kann ihm doch unmöglich ewig aus dem Weg gehen. Aber wenn ich es nicht tue, steigt so ein seltsames Gefühl in mir auf." Ihre Augen wurden kleiner. "Oh ja, ich bin mir sogar ganz sicher, dass Shampoo etwas damit zu tun hat." Sie runzelte ihre Stirn. "Aber warum sollte sie das tun? Vielleicht ging etwas schief?" Sie seufzte und entschied sich, das Grübeln vorerst sein zu lassen und einfach nur die Stunde hinter sich zu bringen.
Auf einmal öffnete sich hinter ihr die Tür für einen kurzen Moment, ehe sie wieder zufiel. Sie drehte sich überrascht um und fragte sich, ob denn ihre Strafe schon vorbei war. Vor ihr stand aber niemand anderes als Ranma, ebenfalls mit einem Wassereimer in der einen, mit der anderen Hand leicht winkend. "Hallo." Er grinste verschmitzt. Akanes Herz begann zu rasen. "Ich werde ihn einfach ignorieren. Genau, ich tue so, als sei er gar nicht hier", sagte sie hektisch in Gedanken zu sich selbst als ihr Atem schneller wurde. Seine Stimme durchquerte jedoch ihre Pläne alsbald. "Gut Akane. Es tut mir wirklich leid, aber du hast es ja nicht anders gewollt."
Ihre Augen weiteten sich. Sie nahm einen tiefen Atemzug und drehte ihr Gesicht langsam zu ihm rüber. "Oooh Mist!" fluchte sie innerlich und wandte ihr Gesicht ruckartig wieder von ihm ab. "Was hat der denn bloß mit seinen Augen? Waren die immer schon so komisch? Das ist doch nicht normal, dass die so glänzen. Warum hilft mir denn keiner...?!"
Ranma wurde langsam sichtlich verärgert über ihre abweisende Art und ging nun noch hartnäckiger heran. Für ihn war es ganz eindeutig eine Herausforderung zu einem Kampf. Anders hätte er es sich nicht erklären können. Was dabei die Waffen sein sollten oder zu was dieser Kampf überhaupt zu führen hatte, wusste er allerdings nicht. Fest stand nur, er wollte gewinnen und sicher alles andere tun als aufgeben.
Er machte einen geschickten Sprung und befand sich plötzlich direkt vor Akane. Als sie einen Schritt zur Seite tun wollte, um sich aus seiner Nähe zu befreien, versperrte er ihr mit einem Arm den Weg, indem er sich an der Wand abstützte. "Wirst du jetzt endlich mit mir sprechen?" fragte er grinsend und siegessicher.
Akanes Atem wurde immer schneller. Ihre Brust war so eng, dass es sich anfühlte, als spränge ihr Herz jeden Moment heraus und ihr Gesicht glühte förmlich; das konnten selbst die vielen kleinen Schweißperlen auf ihrer Stirn nicht abkühlen. Sie hyperventilierte fast, wusste nicht mehr, was sie tun sollte und kniff in ihrer Verzweiflung die Augen fest zu. Die selbe Situation wie im Traum. Er war über sie gelehnt, stützte sich mit einem Arm ab. Und dann...?
"Ich hab' doch gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen!" schrie sie auf einmal heraus. Einen Moment herrschte Stille. Dann öffnete sie langsam und vorsichtig ein Auge nach dem anderen. "Ist er... noch da?" Ihre Befürchtung, wieder irgendeine Art von Glanz in seinen Augen sehen zu können oder beknackte Bewegungen seiner Hände zu verfolgen, hatte sich nicht bewahrheitet. So viel zum Guten. Das hatte allerdings auch seinen Grund. In Panik reagierte ihr Körper auf die "Gefahr" ohne dass sie es merkte. Vor ihr stand nun nur noch ein klatschnasser, zierlicher Rotschopf mit einem Eimer auf dem Kopf. Entnervt schaute Ranma einfach gerade aus, gefangen in der Starre bis ganz langsam und allmählich wieder Bewegung in seinen Körper kehrte und er vor Zorn bebte. "Wwwaaaarum heeeh? Was habe ich dir eigentlich getan, du hysterische Kratzbürste?" brüllte er außer sich.
Akane schaute ihn oder besser gesagt sie nun ganz offen und ohne jede Scham an. "Eh... Ranma. Es tut mir leid. Ich weiß auch nicht, warum ich das getan habe." Sie drehte sich kurz um, um sich zu vergewissern, dass niemand etwas mitbekommen hatte. Dann wandte sie sich ihm wieder zu und sagte: "Es tut mir wirklich leid. Irgendwie fühle ich mich heute nicht so gut."
Ranma beruhigte sich schnell und schaute sie nun mit traurigen Augen an. "Sag mir doch wenigstens einen Grund, Akane", flehte er und bemerkte, dass er entschieden verzweifelter klang als er es zulassen wollte.
Akane jedoch war klar, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagen konnte, wenn sie auch gerade schreckliche Gewissensbisse wegen ihres seltsamen Auftritts bekam. "Komisch, auf einmal fühle ich mich ihm gegenüber gar nicht mehr so befangen. Es ist eigentlich wieder wie immer." Sie lächelte und Ranma wurde ganz warm ums Herz. "Ich hoffe du bist mir nicht böse. Es war wirklich keine Absicht."
Ranma schaute sie einen Moment stumm an und sank dann mit seinem Blick zu Boden. "Nein, das bin ich nicht. Von einem Tollpatsch wie dir bin ich schließlich nichts anderes gewohnt" sagte er und versuchte mit dieser Bemerkung wieder wett zu machen, dass er sich eben so schwach vor ihr gezeigt hatte. Ausgerechnet vor Akane. Jedoch verfiel seine Wirkung etwas dadurch, dass er ganz leise und ruhig sprach. "Aber erklär mir bitte eines", sagte er etwas schärfer als er den Blickkontakt wieder aufnahm. In ihrem Gesicht war nicht die Spur von Nervosität zu erkennen. "Warum bist du heute gleich zwei Mal... nein, eigentlich sogar drei Mal schreiend vor mir davon gelaufen?"
"Ehm...." Akane stockte der Atem. "Also... ich... em... ich war noch wütend. Ha ha..." Sie quälte ein gekünsteltes Lachen aus sich heraus und wirkte nicht sehr überzeugend, während Ranma sie mit angehobener Augenbraue ansah und scheinbar erwartete, sie würde mit ihrer Erklärung fortfahren. "Hör mal Ranma", setzte Akane ernster fort. "Ich sagte dir doch, mir geht es heute nicht so gut. Ich glaube, ich werde früher nachhause gehen."
Sie seufzte leicht und ging den Gang hinunter. "Wirst du bitte dem Lehrer ausrichten, dass ich krank bin?" sagte sie im Gehen. Ranma schaute ihr einen Moment nach und lief ihr dann hinterher. "Akane warte mal!"
Sie stoppte und schaute ihn fragend an. "Also, weißt du", fuhr Ranma fort. "Du siehst heute wirklich nicht so ganz frisch aus. Es ist wohl besser, ich bringe dich nachhause."
Akane begann zu strahlen, was Ranma auf unerklärlicher Weise komplett aus der Fassung brachte. "Also, eh... Ehe noch etwas passiert..."
"Das brauchst du wirklich nicht, Ranma. Aber trotzdem vielen Dank." unterbrach sie ihn, wünschte sich aber insgeheim sehr, dass er sie begleiten würde, jetzt, da sich die Dinge scheinbar wieder normalisiert hatten.
Ranma lachte leicht. "Ach Akane, das ist doch keine große Sache. Ich vermiss den Laden hier sicher nicht und umgekehrt ist es ganz bestimmt auch nicht so." Er zwinkerte und konnte Akane nun ebenfalls ein Lachen entlocken. Da war's wieder. In seinem Bauch. Aber halt. Diesmal war es kein Schmerz. Es war irgendwie anders als vorher. Es fühlte sich angenehmer an. Aber störend war es trotzdem für Ranma. Jedenfalls solange er dieses Gefühl nicht zu deuten verstand.
Sie gingen nebeneinander her als Ranma plötzlich Akane zum Stehen brachte und kurz in einem Raum verschwand. "Wie gut, dass wir am Hauswirtschaftsraum vorbeikamen", hörte man die piepsige, hohe Stimme des Ranma-Mädchens rufen, als im Hintergrund etwas plätscherte. "Da ist immer leicht etwas heißes Wasser aufzutreiben", setzte nun Ranma als Mann zurückverwandelt fort. Gut gelaunt trat er heraus. "Gehen wir?"
Doch Akane war wie versteinert. Wieder verlor sie ihre Sprache. "Das kann doch nicht... Warum..." dachte sie vollkommen durcheinander. "Gerade war doch alles wieder gut. Ich konnte ihm in die Augen sehen, mit ihm reden und...". Auf einmal wurde ihr bewusst, warum Ranma es in den letzten Minuten nicht geschafft hatte, sie so nervös zu machen. Diese eigenartige Ausstrahlungskraft übte er nur in männlicher Form auf sie aus. Die weibliche Form war umgänglicher. Zumal sie in keinem verrückten Traum vorkam. Nun allerdings fand sie sich in der gequälten Lage wieder, bei Ranmas Anwesenheit vor Scham fast zu zerfließen. Stark errötet drehte sie sich von ihm weg und betete, er würde ihr nicht ins Gesicht sehen wollen. "Hey Akane. Was ist denn los?" fragte er fröhlich und nichts ahnend als er ihr seine Hand auf die Schulter legte.
"Hand!" Die leichte Berührung durchzuckte ihren ganzen Körper. "Das geht zu weit, das steh ich nicht durch!"
Mit einer ruckartigen Bewegung schüttelte sie seinen Arm von sich ab und sagte mit zitternder Stimme: "Ich habe doch gesagt, du brauchst mich nicht nachhause bringen. Ich gehe viel lieber alleine."
Ranma war nun vollends verwundert und registrierte es nicht mal mehr wirklich, dass sie sobald sie zuende gesprochen hatte, fortgerannt war.
"Puuh". Ranma zog sich seine Schuhe aus und schmiss seine Tasche in die Ecke. "Das war ein langer Tag. Und jetzt zu Akane."
Am Eingang empfing ihn Kasumi lächelnd. "Hallo Ranma. Wie war die Schule? Aber wo hast du denn Akane gelassen?"
Ranmas Gesicht überfiel eine starke Müdigkeit. "Du willst doch nicht etwa sagen", begann er mit aller Mühe, nicht aus der Haut zu fahren "dass Akane noch nicht zuhause ist, oder?"
Kasumi schien die Frage sehr zu verwundern. "Ja, aber habt ihr denn nicht immer zur selben Zeit Schulschluss? Ihr seid doch in einer Klasse."
Irgendwas sagte Ranma, dass er vorerst besser nicht erwähnen sollte, dass Akane heute die Schule frühzeitig verlassen hatte. Hektisch zog er sich seine Schuhe wieder an. "Ehm... Ja aber.... Ach ups! Ich hab' da noch was Wichtiges vergessen. Ich muss wieder weg. Bis nachher!"
Er fegte zur Tür hinaus und hörte erst auf zu rennen, als er sich ganz sicher war, dass Kasumi ihn nicht mehr sehen würde. Dann erst begann er sich zu fragen, wo er denn überhaupt nach Akane suchen sollte. "Diese blöde Gans. Wo steckt sie denn?" fragte er sich verärgert.
Nachdem er im Park, am Fluss, in sämtlichen Cafés und sogar bei Dr. Tofu nach ihr gesucht hatte und es langsam dunkel wurde, machte er sich auf den Weg zurück. Mittlerweile war er etwas besorgt. Bei ihren Freundinnen konnte sie nicht sein. Die waren schließlich vorher noch alle in der Schule. Und nachdem sie in der vergangenen Zeit in Nerima Bekanntschaft mit rachsüchtigen Amazonen, Nylon tragenden Halbdämonen und Unterwäsche klauenden Lüstlingen gemacht hatten - dies um nur einige von vielen zu nennen - wusste er, dass dies nicht der Ort für ein junges Mädchen war, um alleine in der Dunkelheit umher zu streunen. Selbst wenn es sich dabei um ein brutales Machoweib handelte - sie war immer noch ein Mädchen.
Als er zuhause ankam, waren alle bereits schlafen gegangen. "Na toll", dachte er sich. "Wen soll ich denn jetzt fragen, ob sie schon zurück ist?" Er schaute, ob ihre Schuhe am Eingang stehen würden, doch fand sie dort nicht, woraus er schließen musste, dass sie noch nicht zurück war - von wo auch immer. "Mist. Diese blöde blöde Gans! Ich kann ja auch schlecht einfach in ihr Zimmer herein spazieren und schauen, ob sie da ist. Wenn das der Fall wäre, würde sie mich glatt umbringen. Was, wenn sie sich gerade umziehen würde?" Er errötete bei dem Gedanken und fragte sich, warum er sich ausgerechnet darüber den Kopf zerbricht. "Na gut, was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß. Ich tue das schließlich nur, weil ich mir Sorgen mache. Auch wenn sie es wahrscheinlich gar nicht verdient."
Er ging in den Garten und kletterte auf den Baum, der direkt vor Akanes Fenster stand. Vorsichtig schaute er in ihr Zimmer. Erst hatte er Probleme irgend etwas zu erkennen, weil alles stockduster war. Dann jedoch sah er zunächst die Konturen eines Körpers, die sich mehr und mehr zu einem vollständigen Bild Akanes schärften. Ruhig und friedlich lag sie in ihrem Bett.
Ranma atmete erleichtert aus, als er herausfand, dass es ihr gut ging, wurde jedoch im selben Moment etwas wütend darüber, dass er sich für nichts und wieder nichts so eine Mühe mit ihr gegeben hatte. "Morgen", das stand für ihn fest "werde ich ihr mal ordentlich meine Meinung sagen. Dieses seltsame Hin und Her ist ja nicht zum Aushalten. Mal schauen... ein paar mal Machoweib und kawaikunee sollten es bringen. Dann wollen wir mal sehen, wie lang sie sich noch zurückhalten k..." Mitten in seinen Gedanken wurde er unterbrochen als er eine Bewegung im dunklen Zimmer wahrnahm. Akane. Sie fuhr sich mit den Fingerspitzen im Schlaf über die Lippen und lächelte sanft. Ein paar Strähnen ihres schwarzen Haares fiehlen ihr bei der leichten Bewegung elegant ins Gesicht und wippten weich auf, als sie leicht seufzte. Ranma legte seinen Kopf schräg und ließ seine Lider soweit sinken, dass er nichts anderes mehr wahrnahm als dieses ungewohnte, liebe Bild von Akane. Wie in Trance beobachtete er sie für lange Momente voller Sehnsucht. Sooft er es auch abstritt, er erkannte schon längst, wie atemberaubend dieses Mädchen ist, mit dem ihm sein Vater ohne seine Einwilligung einst verlobte hatte. Er wusste von ihrem unerschütterlichen Mut, wenn sie auch mit wachsender Zahl an Feinden immer wieder die Kämpfe verloren hatte; sie gab nie auf, ja sie schwächelte nicht einmal. Ranma begann zu verstehen. Dieses Gefühl in seinem Bauch war nichts anderes als die brennende Sehnsucht nach diesem einen Menschen, den er einst als schüchterner Rotschopf kennengelernt hatte und von dem ihm aus tiefstem Herzen eine Freundschaft angeboten wurde. Ganz tief in sich bewahrte er die Erinnerung an jenen Tag auf, an dem er mit seinem Vater in das Leben der Tendos eindrang. Und wenn er ganz sicher ist, dass weit und breit niemand da ist, der ihn durchschauen könnte, lehnt er sich zurück und denkt mit einem Lächeln an die mitunter kostbarsten Erinnerungen seines Lebens zurück. "Wollen wir Freunde sein?" fragte ihn das fremde Mädchen und legte vorsichtig ihre sanfte Hand auf seine Schulter. Durch die hektischen Umstände hatte er vorher keine Zeit gehabt, die Bewohner des Hauses genauer zu betrachten. Aber als er diese freundliche, süße Stimme hörte, die ihm so viel Wärme an einem kalten, regnerischen Tag schenkte, drehte er sich langsam zu ihr um. Und als er in ihre tiefen, schokobraunen Augen sah, von so langen, dichten Wimpern gerahmt, die wie Sterne im Glanz ihres strahlenden, wenn auch nur leichten Lächelns, funkelten, wusste er, dass sich etwas verändern würde. Er konnte zu jenem Zeitpunkt noch nicht sagen, was es war, doch er spürte, dass dieser Mensch sein Schicksal beeinflussen sollte. Für das erste Mal in seinem ganzen Leben war er sprachlos. Vielleicht war es auch das Beste. Denn wenn ihm in diesen zärtlichen Sekunden irgendein Satz über die Lippen gekommen wäre, dann dass er sich fragte, wie viel schöner sie erst sein musste, wenn sie lacht. Er bedauerte es, dass dieses unglaublich süße Lächeln sich hinter einer so langen Haarpracht versteckte und wünschte sich, ihr die Strähnen aus dem Gesicht zu streifen.
"Ach Akane" seufzte er als er sich bei ihrem Anblick in seinen Gedanken verlor. "Du kannst so unglaublich süß sein." Er nahm einen tiefen Atemzug, als sich die Erinnerungen nach jenem Kennenlernen in seinen Sinn drängten. Die Akane, die ihn als Perversen, als Lüstling und Spanner beschimpfte. Die Akane, die ihn brutal mit einem Tisch niedergeschlagen hatte. Er runzelte die Stirn. "Sie war von Anfang an so. Sie schlug sofort zu, bei jeder Kleinigkeit." Er ging in Gedanken durch, was sie alles besonders aufregte und kam zu dem Schluss, dass er dann am meisten abbekam, wenn er sich über ihr Aussehen lustig machte. Heftig schüttelte er seinen Kopf. "Hat sie das denn wirklich verletzt? So dumm kann sie doch nicht sein. So etwas ernst zu nehmen... Weiß sie denn nicht wie schö..." Er bremste sich selbst aus Angst, er verliere sonst die Kontrolle über seine Gedanken, aus Angst, er würde dem unerwünschten Gefühl in seinem Bauch nachgeben und Akane alles gestehen, was ihn beschäftigt. Aber sie würde es nicht verstehen. Denn neben der Akane, die er schätzt und zu der es ihn immer wieder hinzieht, existiert noch eine andere Akane. Eine, die... ihn hasst. Sie hatte es oft genug gesagt und manchmal hallt dieser Satz noch in seinem Kopf, wenn er schläft.
Er war gerade dabei, von dem Ast, auf den er geklettert war, herunter zu springen, als er auf einmal bemerkte, dass ihr Atem schnell wurde und sie im Bett wild um sich trat.
Akane war todmüde in ihr Bett gefallen, sobald sie sich in der Dämmerung durchs Fenster in ihr Zimmer geschlichen hatte, um jede Spur ihrer Anwesenheit zu vertuschen. Sie hatte keine Ahnung wieso, aber ihr Gefühl sagte ihr, dass Ranma sie suchen würde. Ob er etwas ahnte? Sie seufzte. "Auf Dauer wird das wirklich zu teuer." Ihr kam wieder in den Sinn, dass sie nach dem Verlassen der Schule einfach die nächstbeste Bahn genommen hatte und durch verschiedene Orte fuhr. Sie wusste, dass dies die einzige Möglichkeit war, um nicht sofort von irgendjemandem aufgespürt zu werden. "Ich muss mir etwas einfallen lassen. Es darf doch nicht sein, dass ich mich von so einem miesen Traum besiegen lasse. Ich bin schließlich Erbin der Tendo Kampfschule." Auch in ihr entfachte nun der Stolz eines Martial Artists. Sie hob den Kopf an und nickte zu sich selbst. "Keine Chance, dass ich mich davon unterkriegen lasse." Nun musste sie ein wenig grinsen. "Und so unsensibel wie Ranma ist, hat er doch morgen eh alles wieder vergessen." Damit tröstete sie sich und schlief sofort ein. Aber auch in dieser Nacht blieb sie nicht von verwirrenden Träumen verschont.
*~*~*~ Es war dunkel. Schlief sie noch? Alles, was sie hörte, waren zwei Stimmen. Die eines Jungen und eines Mädchens. Sie beide lachten vergnügt. Langsam öffnete sie ihre Augen. "Wo bin ich?" fragte sie sich entgeistert und rieb sich ihre Augen, als sie sich auf einer Wiese unter freiem, azurfarbenem Himmel wiederfand. "Wer...?" In der Ferne nahm sie zwei Gestalten wahr, die sich stritten, man könnte fast sagen, sie kämpften. Gerade jedoch dann, wenn sich der eine vom anderen abwandte, wurden ihm sehnsüchtige Blicke geschenkt. So lange bis sie wieder Blickkontakt aufnahmen und das Spiel umgekehrt weiter ging. Sie spielten Fangen oder so etwas und gaben vor, es unglaublich zu verachten, wenn sie vom anderen berührt wurden. Innerlich, das stand allem Äußeren zum trotz, war es jedoch klar, dass sie beide ihre Zeit miteinander genossen und sich nichts sehnlicher wünschten, als diese kostbaren Momente für immer zu bewahren. Sie versuchte ihren Blick zu schärfen bis die Konturen, die sie zunächst eher verschwommen wahrnahm langsam Form annahmen. Erschrocken fuhr sie hoch. "Aber-aber das bin ja ich!" stellte sie außer sich fest. Sie erkannte, dass der Junge Ranma war. Er trug sein rotes Shirt, das er aus China mitgebracht hatte und sprang munter umher, während sie selbst... naja, ihr Double alle Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten. Die andere Akane hatte noch langes Haar, was in den hin und wieder leicht aufkommenden Brisen geschmeidig in ihr Gesicht wehte.
Etwas kritisch betrachtete sie ihr anderes Ich, das in ihrer alten Turnhose gekleidet war und sprach nach einer Weile leicht schmollend zu sich selbst: "Ich weiß gar nicht, was dieser Trottel überhaupt hat. So breit sind meine Hüften doch gar nicht." Es war das erste Mal, dass sie das feststellte. Eigentlich war es das erste Mal, das sie überhaupt ernsthaft darüber nachdachte. Bisher hatte sie Ranmas Worten stets blind geglaubt. Ihr fiel nicht ein, warum er denn sonst so etwas sagen sollte.
Auf einmal warf Ranma einen Ball, den die andere Akane mit einem hohen Sprung elegant auffing. "Ich hab ihn!" rief sie lachend. Ranma errötete.
Akane runzelte verwundert die Stirn. "Was hat das zu bedeuten?" sagte sie laut vor sich hin. "Irgendwie kommt mir das bekannt vor."
"Das sollte es auch", hörte sie Ranmas Stimme plötzlich sagen. Er hockte sich lächelnd neben ihr ins weiche Gras. Auch er verfolgte nun das Geschehen. Die andere Akane lachte vergnügt weiter, während der andere Ranma sie errötend beobachtete.
"Was soll das alles?" fragte sie schließlich den "echten Ranma" neben sich.
Er schloss seine Augen kurz und ließ seinen Kopf sinken. Dann schaute er den beiden weiter beim Spiel zu und sagte: "Wir hatten Sport an diesem Morgen. Du spieltest mit deinen Klassenkameradinnen Baseball, während wir Jungs Leichtathletik hatten."
Akane schaute ihn verwundert an. "Ja... aber... Was ist denn daran so besonders? Wieso sollte ich mich daran erinnern? Wir spielen doch oft Baseball und ihr Jungs macht kaum etwas anderes als Leichtathletik." Ranma fiel ihr mit einem Funkeln in den Augen ins Wort: "Schau, jetzt!" Akane richtete ihren Blick nichts verstehend zu ihrem anderen Ich, das lachend am zweiten Ranma vorbeiging und wandte sich dann fragend ihrem Nebenmann zu.
"Ich verstehe nicht..."
Sein Gesicht wurde ernst. "Das ist der Moment, in dem ich mich in dich verliebt habe." Er lächelte wieder. Diesmal aber so, wie man es tut, wenn man in süßen Erinnerungen schwelgt. Er schaute ihr in die Augen. "Du bist wirklich süß, wenn du lächelst."
Ein leichter Wind kam auf. Akane weitete in Überwältigung ihre Augen, die sich leicht mit Tränen füllten. Sie und Ranma schauten sich für eine lange Weile stumm in die Augen, unfähig etwas zu sagen, nicht willens etwas zu sagen, aus Angst, den Zauber des Augenblicks zu zerstören. Langsam, ganz langsam, streckte er plötzlich seinen Arm nach ihr aus. Seine Finger zitterten, als er ihr vorsichtig die über die Wange streichelte, während ihr im Wind tanzendes Haar sanft über seinen Handrücken strich. Wärme durchflutete ihren Körper. Wärme und ein unbeschreibliches Wohlbefinden, das sie bisher noch nicht kannte. Sie nahm alles wahr, wie nie zuvor: das wunderschöne Blau des Himmels, der Gesang der sich liebenden Vögel, der freundliche orange-gelbe Sonnenschein, von dem sie in einen seidigen Schleier gelegt wurde, die bunten Schmetterlinge, die wie die Blumen so zahlreich und hübsch die Wiese schmückten und... seine Berührungen. Seine Berührungen! Sie wollte sie intensiver Spüren, ihre Sinne noch weiter schärfen, bis sie nichts mehr spürte als seine zärtliche Hand auf ihrer Haut. Hungrig nach diesen Empfindungen schloss sie ihre Augen. Das Zwitschern verschwand. Sie spürte, dass es dunkler wurde. Aber seine Hand, wo war sie? Die Wärme verließ langsam ihren Körper. Verwirrt und traurig darüber öffnete sie wieder ihre Augen und fand sich plötzlich im liegen wieder. Über ihr gebeugt fand sie Ranma wieder. Sein Gesicht war ganz nah an ihrem, sodass sie zuerst gar nicht merkte, dass er ziemlich seltsame Kleidung trug. "... Und nur durch einen Kuss kann er seine geliebte Julia retten" hörte sie eine unbekannte Stimme aus undefinierbarer Entfernung sagen. Moment mal... Julia? "Dann hat Ranma also diese seltsamen Klamotten an, weil er der Romeo ist. Das hatten wir doch schon mal."
Ranma schaute sie sehnsüchtig an. Er lächelte nicht. Sein Blick war unsicher und hilfesuchend. Hilfe von ihr und niemandem sonst, als sie sich auf einmal selbst sagen hörte: "Kannst du es nicht einfach tun?"
Seine Augen weiteten sich und sie meinte ein leichtes Schimmern darin gesehen zu haben, das fast wie Tränen aussah. Langsam lehnte er sich noch tiefer zu ihr hinunter und ließ seine Lider sinken. Ihre Lippen kamen sich näher, sie spürte bereits seinen tiefen, schnellen Atem, nahm diesen Duft war, der ihn so auszeichnete. Aber plötzlich richtete er sich wieder halb auf und schaute sie noch ernster als vorher an.
"Akane" setzte er ruhig an. "Wirst du es diesmal ohne Klebeband tun? Wirst du bereit sein, dass unsere Lippen sich berühren und wir uns damit ein Versprechen geben, das nie jemand durchbrechen darf?"
"Wa-was für ein Versprechen?" stotterte sie in Verwunderung.
Zärtlich strich er ihr mit der Kuppe seines Zeigefingers über die Lippen. Wieder schenkte er ihr sein einzigartiges Ranma Lächeln und flüsterte: "Auf das diesen süßen Mund nie ein anderer kosten darf, genauso wenig wie den meinen." Er nahm seine Hand von ihr weg und führte sie zu seinen eigenen Lippen, um der Fingerspitze, die eben noch Akane liebkoste einen leichten, sanften Kuss zu geben. Sie errötete und führte instinktiv ihre Hand and ihren Mund. Sie wollte dieses Gefühl festhalten, es einfangen.
Ranma zückte eine kleine wunderschöne Blume und legte sie vorsichtig auf Akanes Brust, direkt über ihrem Herzen als er fortsetzte: "Ein Versprechen, dass wir uns immer lie..."
Lautes Gelächter fiel ihm ins Wort. "Oooh sie küssen sich echt?"
-"Diesen perversen Zwitter?"
-"Was will er denn von diesem flachen Brett?"
Die Stimmen überschnitten sich, wurden immer lauter. Der Lärm war kaum zu ertragen. Voller Schmerz streckte sie sich, während sie sich mit beiden Händen die Ohren zuhielt. Ranma schreckte enttäuscht zurück.
"Du willst mich nicht küssen?" nahm sie zwischen dem aufkommenden Durcheinander wahr.
"Aber das ist es nicht! Es sind nur die vielen Menschen hier. Sie schüchtern mich ein, nehmen mir die Luft zum Atmen."
Er ließ den Kopf sinken und wiederholte leise den Satz, diesmal mehr als Feststellung: "Du willst mich nicht küssen."
Auf einmal löste er sich langsam auf. Sie wollte ihm hinterherlaufen, konnte aber nicht aufstehen. Ihre Beine rührten sich nicht, während die Stimmen der Menschen um sie herum immer lauter wurden und schmerzend an ihren Körper schlugen. Verzweifelt streckte sie ihren Arm nach ihm fischend aus, um ihn aufzuhalten, zu gehen, doch jemand hielt sie fest.
"Aber nein, nein!" rief sie blind dem sich auflösenden Bild Ranmas entgegen. "Versteh mich doch. Es sind die vielen Menschen. Ich will doch. Glaub mir, ich will! Es sind nur die Menschen. Wären sie nicht, dann hätte ich dir schon längst gesagt, dass ich..." ~*~*~*
Ranma blieb einige Sekunden regungslos auf seinem Ast sitzen. Was anfing als kleines Winseln, artete bald drastisch aus. Akane schrie im Schlaf, das meiste konnte er jedoch nicht verstehen. Er fiel in eine Starre und Ohnmacht durch die Erkenntniss, dass er ihr nicht aus ihren schier fürchterlichen Alpträumen helfen kann. Er hatte schon mal nachts einfach ihr Zimmer betreten, was sie unglaublich wütend machte. Er zögerte einen Moment etwas zu unternehmen; gebremst durch die Furcht, sie würde ihn nur noch mehr verabscheuen, aber angetrieben durch den Schmerz, den es ihm bereitete, sie so zu sehen. Plötzlich schlug sie wild um sich, fegte dabei ihren Wecker und ein paar Bücher vom Nachttisch. Sie schrie schmerzerfüllt auf als die harten Gegenstände an ihrem zarten Körper abprallten.
"Sie verletzt sich" schoss es Ranma durch den Kopf. "Okay, jetzt habe ich einen Grund einzuschreiten. Vergib mir Akane."
Mit einem Sprung befand er sich in ihrem Zimmer und sprang geschickt vom Schreibtisch, auf dem er zunächst landete direkt vor ihr Bett. "Was nun?" strengte er seinen Kopf an. "Wie nun?" Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er keine Ahnung hatte, wie er sie wecken sollte, wie er sie am dezentesten wecken sollte. Er Körper war so zierlich und schö... Wieder schüttelte er seinen Kopf. Er durfte sich nicht ablenken lassen. Also ihr Körper war zierlich und er hatte Angst, sie zu verletzen oder ihr Angst zu machen, wenn er sie falsch berühren würde. Zitternd streckte er einen Arm aus und fing ihr linkes Handgelenk auf, kurz bevor es kräftig gegen die Wand geschlagen wäre. "Aber nein... nein", hörte er sie plötzlich gequält winseln. "...Menschen... vielen Menschen!" Sie wurde lauter und ihre Bewegungen noch kräftiger.
Ranma schaute sie einen Augenblick im Schock an, sammelte sich dann aber und rief ein paar mal vorsichtig ihren Namen.
"... glaub mir, ich will... Menschen... Wären sie nicht... ich dir schon längst gesagt, dass ich..." Das letzte schrie sie aus voller Kehle heraus als sie im selben Moment mit weit aufgerissenen Augen im Bett hochschreckte. Ihr Atem war so schnell, dass sie das Gefühl hatte, zu ersticken. Und ihr Mund war trocken, so trocken, dass sie ihr schweres Atmen nur als tiefes, krächzendes Keuchen wahrnahm.
"Ein Traum... nur ein Traum... schon wieder..." sagte sie hektisch zwischen allen paar Atemzügen zu sich selbst. "Ich bin... in meinem Zimmer", stellte sie dann erleichtert fest, als ihre noch müden Augen plötzlich etwas erkannten, was nicht hätte da sein sollen. Sie strengte sich an, etwas zu erkennen, lehnte sich etwas zurück, um die nötige Distanz zu erreichen, als sie plötzlich bemerkte, dass jemand ihr Handgelenk festhielt. Erschrocken ließ sie ihren Blick auf die fremde Hand fallen. "Was...?!"
"Oh ups... hehe... Tut mir leid, hab' ganz vergessen loszulassen."
Sie folgte der Stimme und fuhrt erschrocken zurück. "Ranma!"
"Ehm... ja" gab er geistreich zurück. "Weißt du, nicht dass du denkst, dass ich dich bespannern wollte oder so. Ich war im Garten" - 'Keine Lüge, ich war wirklich gerade im Garten' dachte er sich - "als ich dich plötzlich schreien und poltern hörte und da..."
"SCHREIEN?" unterbrach sie ihn entsetzt. "Nichts bestimmtes, oder? Oder?"
Ranma wunderte sich stark über ihre Reaktion und stutzte einen Moment bis er ihre Frage beantwortete. "Naja... irgendsowas mit 'vielen Menschen' und dann wolltest du irgendjemandem etwas sagen, glaube ich."
Akanes Kiefer klappte nach unten, doch sie brachte nicht einen Ton von sich. Ranma bemerkte nichts besonderes an ihrer Reaktion und setzte fort: "Man Akane, was hast du denn geträumt? Nicht, dass ich mir Sorgen machen würde oder so. So ein Brutalo wie du hat sowas sicher nicht nötig, nur..."
Erst dann bemerkte er Akanes starren Blick. Sie presste ihre Lippen fest aufeinander als sich ihre leeren Augen plötzlich mit etwas wie Furcht füllten.
"Das würde keinen Sinn ergeben", versuchte Ranma sich selbst zu beruhigen als er mehr und mehr von ihr eingeschüchtert wurde. "Sie denkt doch nicht, ich bin ihr in ihrem Zimmer, um ihr etwas anzutun... oder?"
In Akanes Augen blitzte etwas auf bevor sie wieder glasig und starr wurden. "Oh oh... spitze, echt spitze. Jetzt kommt dieses grässliche Machoweib wieder raus!" dachte sich Ranma. Er rechnete damit, dass sie außer sich vor Zorn auf ihn losgehen und nicht nur mit Schimpfwörtern, sondern auch Gegenständen aller Art um sich werfen würde.
"Akane, Akane, hör mir zu!" flehte er eilig als er rückwärts auf den Boden kippte und einen Meter wegkrabbelte. "Es war nicht so, wie du denkst."
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Sie sah ihn einfach nur mit undurchschaubarer Miene an. "Es tut mir leid, okay? Bist du jetzt zufrieden? Es tut mir leid!" Er sprach schnell und hastig und versuchte alles zu sagen, damit sie ihn ein wenig verschonen würde.
Plötzlich stand sie langsam und steif von ihrem Bett auf. Sie wandte ihren Blick von ihm ab, verließ das Zimmer, als sei Ranma nie drin gewesen und schloss hinter sich die Tür.
--- Ende des zweiten Kapitels. Und es schreitet immer noch sehr lahm voran. Irgendwie habe ich wohl den Faden verloren, denn ich wollte eigentlich auf etwas ganz anderes hinaus. ^^;; Vielleicht sollte ich besser mit Konzept arbeiten?
