Wie immer: ~*~*~ = Traum (sollte ja eigentlich kursiv sein)
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Seit jenem mysteriösen Vorfall in der Nacht waren bereits mehrere Tage vergangen. Zuhause war Akane kaum noch anzutreffen; selbst, wenn sie ausnahmsweise mal nicht mit ihren Freundinnen durch Cafés und Shopping- Centers streifte, wie so oft in letzter Zeit. Wenn das Essen fertig war, beschwerte sie sich nun regelmäßig über Bauch- und Kopfschmerzen oder ähnliches, sodass sie bestimmten Personen geschickt aus dem Weg gehen konnte. Kasumi hätte sie natürlich nie verhungern lassen und brachte ihr immer alles, was sie brauchte, aufs Zimmer, die anderen warnend, ihre jüngste Schwester nicht zu stören, da sie als Kranke viel Ruhe bräuchte. Ganz besonders Ranma, den sie immer wieder dabei erwischt hatte, wie er zu ihrem Fenster hinauf kletterte - er gab schließlich von selbst auf, da er es satt hatte, nach jedem Versuch, mit ihr zu reden, mit zwei überglücklichen Vätern "ein kleines Schlückchen auf seine Männlichkeit" trinken zu müssen. Erklärungen jeder Art waren hoffnungslos. Das erkannte er spätestens dann, als er versucht hatte, sich darauf zu beziehen, dass er sie kurze Zeit zuvor, nachts plötzlich aufwecken musste und sie daraufhin sehr still geworden war. Auf diesen Bericht folgte eine Minute Ruhe im Tendo Haus. Die Zeit schien still zu stehen, keiner sagte etwas, nichts bewegte sich. Und dann plötzlich mit einem lauten Knall brach im ganzen Haus eine Panik aus. Kasumi fiel mit den Worten "Aber sie sind doch noch so jung" in Ohnmacht und landete zum Glück weich auf den dicken Panda, der sich gerade eine ganze Flasche Sake in sein gieriges Maul goss und ein Schild hochhielt, auf dem stand: "Junge, ich bin so stolz auf dich. Du kommst ganz nach deinem alten Herren." Soun brach wie üblich in einen starken Weinkrampf aus und winselte zwischen den Schluchzern: "Meine Kleinste wird erwachsen. Flieg flieg, kleiner Schmetterling. Auf auf und davon - in die weite Welt. Du bist bei ihm in guten Händen." Selbst die sonst so beherrschte Nabiki flippte komplett aus. Mit funkelnden Augen erhob sie sich bei dieser Nachricht langsam vom Tisch, an dem sie gerade ihren Tee getrunken hatte, kicherte erst leise vor sich hin und sagte dann ruhig und langsam zu sich selbst, während sie an ihren Fingern abzählte: "Mal schauen, Shampoo, Ukyo, Kodachi, Kuno, vielleicht auch Ryoga, wenn ich ihn finden sollte,... 1000 Yen pro Person für diese Info. Oder lieber gleich 2000? Das heißt - ICH BIN REICH! HAHAHA!" Mit einem wahnsinnigen Lachen verließ sie hopsend das Haus. In all dem Chaos blieb Ranma zurück, der die Menschen um sich herum stumm und regungslos betrachtete, ehe er angewidert den Kopf schüttelte. "In diesem Haus ist doch jeder verrückt. Absolut verrückt. Das Traurige ist, dass ich mit meinem bescheuerten Fluch nicht mal von mir selbst behaupten kann, normal zu sein. Die Einzige, mit der man sich hier unterhalten kann ist..." Er schaute traurig die Treppe hinauf und seufzte. Dann lachte er leicht, wirkte jedoch nicht glücklich dabei. "Ich schätze, verglichen mit den anderen hier, ist so ein Machoweib vielleicht doch nicht unbedingt das Schlimmste, was man sich vorstellen kann." PUNCH! "Merken" knurrte er zu sich, nachdem ein mit Sake übergossener Panda feierlich einen Arm um Ranmas Schulter gelegt hatte und zu einem weiteren Prost die Flasche erhob. "Auf keinen Fall derartiges irgendwann wieder aussprechen, auch wenn du glaubst, niemand ist da. In diesem Irrenhaus ist das einfach zu riskant." Er schaute schnaufend zu, wie der Panda gen Sonnenuntergang flog, bis von ihm nur noch ein kleines Funkeln am Firmament zu sehen war. Dann wanderte er mit seinen Gedanken zurück zu Akane, von der er genau wusste, dass sie nur simulierte. Auf diese Weise hatte Akane es sogar geschafft, zwei Tage der Schule fern zu bleiben. Dies konnte aber natürlich nicht zum Dauerzustand werden. Und so kam sie mit immer neuen Plänen auf, ein Gespräch mit Ranma zu verhindern. Der hatte sich anfangs in der Schule noch zurückgehalten, weil er befürchtete, er hätte sie doch mehr erschreckt, als erst angenommen, als sie ihn nachts in ihrem Zimmer fand. Später reihten sich aber die seltsamsten Begebenheiten aneinander, sodass er bald mit seinem Latein am Ende war. Schaffte er es, rechtzeitig aufzustehen, um mit ihr überpünktlich das Haus zu verlassen, so überraschte sie ihn mit immer wieder neuen Ideen, sodass er überhaupt keine Chance bekommen hätte, sich irgendeinen Plan auszudenken, um ihre Widerstandsversuche zu umgehen. Eines Morgens war Ranma zu ihrem Erstaunen früher wach als sie und hatte es sogar mitbekommen, wie sie sich ohne Essen aus dem Haus zur Schule schlich. Als er ihr hinterherlief und von seinem Weg auf dem Zaun aus mit ihr zu reden begann, glaubte er zunächst, alles lenke sich allmählich wieder in seine gewohnten Bahnen ein. Sie schien tatsächlich zuzuhören, machte keine Anstalten, wegzulaufen und unterbrach ihn auch nicht. Sein Optimismus legte sich, nachdem er nach einigen Sätzen, die er gesprochen hatte und keine Antwort von ihr bekam, seinen Kopf leicht zur Seite neigte, um den Blickkontakt mit ihr zu suchen. Was er sah, war keineswegs schrecklich, doch höchstungewohnt. Akane hatte sich, ohne dass er es bemerkte, eine schwarze Sonnenbrille aufgesetzt und unter ihrem dichten, schwarzen Haar, erkannte man den Kopfhörer eines Walkmans. Mit Sonnenbrille hatte Ranma seine Verlobte noch nie gesehen. Und wenn es schon eine sein musste, dann vielleicht nicht gleich so eine Dunkle, dachte er sich, - die Sonne schien schließlich noch nicht stark, so früh am Morgen - und auf jeden Fall eine viel Kleinere. Die hier war riesengroß und verdeckte fast die Hälfte ihres kleinen, schmalen Gesichts. Was bei einer großen Lady womöglich elegant ausgesehen haben mochte, wirkte an ihr eher wie eine Verkleidung. Mit aufgerissenem Mund kippte Ranma ohne jede Gegenwehr nach hinten über.
Im Schutze ihrer schwarzen Brille bemerkte Akane nicht mal aus den Augenwinkeln Ranmas Sturz. Auch seinen gequälten erst tiefen, dann plötzlich piepsig-schrillen Schrei hörte sie durch die laute Musik, die aus ihrem Kopfhörer drang, nicht. Lediglich ein paar Wasserspritzer brachten sie zum Stutzen und sie hielt an. Verwundert lehnte sie sich übers Geländer und fand dort eine kleine Gestalt auf den Boden stampfend. Neugierig stellte sie die Musik ab und nahm ihre Brille herunter. Ihr Gesicht erhellte sich. Auf einmal entfuhr ihr ein klares, süßes Lachen. "Ach, du bist es Ranma! Also ehrlich, wenn du schon früher aufstehst, solltest du deine Zeit nicht unbedingt so verschwenden." Sie schüttelte vergnügt ihren Kopf und bat Ranma eine Hand, um ihm heraus zu helfen. "Mein Glück", dachte sie sich währenddessen. "Dieser Trottel. Jetzt brauche ich mir wenigstens keine Sorgen zu machen. Bei seiner weiblichen Form bin ich schließlich ganz gelassen." Sie lächelte zu sich selbst.
Ranma, der eben noch als wütender Rotschopf aufgebracht fluchte und schimpfte, beruhigte sich, sobald er Akanes Stimme wahrnahm. "Sie... spricht mit mir? Hat sie mir vorhin etwa doch zugehört?" Verlegen schaute er sie an, als das Wasser an seinem weiblichen Körper heruntertröpfelte und vergaß dabei jeden Gedanken an irgendeinen 'Kampf' zwischen ihnen. Die Hand an ihrem dünnen Ärmchen war wirklich winzig. Er fragte sich wie schon so oft zuvor, wie ein so zartes Mädchen, so brutal sein konnte. Nachdem er einige Momente sprachlos zu ihr heraufgeschaut hatte, lächelte er schließlich etwas beschämt zurück und griff nach ihrer Hand, um sich hochziehen zu lassen. Die Ereignisse der letzten Zeit hatten ihn ganz schön entkräftet. Er konnte nur noch schlecht schlafen und verlor leicht den Appetit. Da kam ihm ihre Hilfe nur allzu recht.
Akane hatte es fast geschafft. Ranma war in seiner weiblichen Form weitaus schwerer, als sie je angenommen hatte und viel Anstrengung, wieder nach oben zu gelangen, schien von seiner Seite auch nicht gerade zu kommen. Auf einmal runzelte die noch an Akanes Hand baumelnde Ranma-chan die Stirn, als sie sich von ihrem Hemd ein kleines schönes Blümchen zupfte. "Wie kommt die denn dahin?" wunderte er sich. "Vielleicht bei meinem Sturz hängen geblieben?" Fragend streckte er sie Akane entgegen und erkannte erst dann, dass sie entgeistert auf ihren Handkontakt starrte, als ihre Unterlippe leicht zu zittern begann. Ihr Blick wanderte dann zu der kleinen Blume hinüber. Das letzte, was Ranma mitbekam war, wie ihre Augen groß und rund wurden und sie eilig nach Luft schnappte. "Was hast du denn?" fragte der kleine Rotschopf und streckte ihr den Kopf entgegen, als Akane ruckartig zurückwich und ohne Vorwarnung ihre Hand losriss. Ranma fiel an diesem Morgen gleich ein zweites Mal rückwärts hinunter, was für ihn ein neuer Rekord war, während Akane ihm erstarrt hinterher schaute und einige Sekunden überlegte, ob sie etwas tun sollte. Dann nahm sie ruhig ihre Schultasche, ging langsam davon und erhöhte plötzlich mit jedem Schritt ihr Tempo.
"WIE IST DAS MÖGLICH?" schrie Akane innerlich. "Er war doch diesmal ein Mädchen. Seine Hände sind doch anders in der weiblichen Form... oder? Ganz ruhig, ganz ruhig. Wir waren beide Mädchen. In keinem meiner merkwürdigen Träume tauchte er als Frau auf. Aber dennoch. Dass mich diese Berührung - mit einem Mädchen! - so aus der Fassung bringt... das bedeutet doch nicht, dass ich...?" Laut aufheulend schlug sie sich die Hände an den Kopf und presste ihre Tasche gegen die Stirn. "Das ist doch zum verrückt werden..." Abrupt kam sie zum Stehen. "Und dann war da noch diese Blume." Nachdenklich biss sie sich auf die Lippe. "Sie sah genauso aus wie in meinem zweiten Traum. Irgendwie scheint sich alles zu wiederholen." Sie schüttelte den Kopf, für sich festmachend, dass Träume nur Schäume sind und es so etwas wie Wahrsagerei nicht gibt. Dieser hatte sie durch eine okkultistisch interessierte Klassenkameradin schließlich schon einmal vertraut. Und wäre dies zurecht gewesen, dann würden sie und Ranma mittlerweile längst verheiratet sein.
~
Die Zeit in der Schule verlief ähnlich stressig. Nachdem Akane ihrem Lehrer in einem Gespräch unter vier Augen erklärt hatte, dass ihr in letzter Zeit häufiger übel sei und somit im Falle des Falles lieber möglichst nah an der Tür und somit auch näher zu den Waschräumen säße, schaffte sie es, ihren unerträglichen Sitzplatz neben Ranma loszuwerden. Obwohl sie nicht zu ihm hinüberschaute, merkte sie seinen stummen Blick in ihrem Rücken, als sie sich setzte.
Gruppenarbeiten erledigten sie für gewöhnlich zusammen. Eher unfreiwillig, da sie als Verlobte in der ganzen Schule bekannt, von jedem dazu verdonnert wurden, alles gemeinsam zu tun. Am ersten Tag entkam Akane dieser Last geschickt, indem sie sich, noch ehe der Lehrer seine übliche Gruppenkonstellation runtersprechen konnte, aufgeregt meldete und fragte, ob sie diesmal Gosunkugi als Partner haben dürfe. Das war der Augenblick in dem Ranma wirklich wütend wurde und zähneknirschend seinen Bleistift zerbrach, während sein magerer Mitschüler auf Wolke sieben davon schwebte. Akanes Plan, mit jemand anderem abgelenkt zu sein, ging jedoch nicht ganz so gut auf, da Gosunkugi nur kurze Zeit später vor lauter Glück schwarz vor Augen wurde und ein Krankenwagen ihn bald darauf ins nächste Hospital fuhr.
Richtig anstrengend war jedoch die Gestaltung der Pausen. Ranma war ein Meister im Anschleichen und er hatte Augen wie ein Adler. Verstecken half nichts. Er war einfach zu gut. "Wieso eigentlich verstecken?" wunderte sich Akane, doch kam nicht gegen das starke Gefühl an, dass er sie noch immer verfolgen würde. Sie hatte bloß keine Ahnung, warum. So wendete sie verschiedene Tricks an, um ihn auf Abstand zu halten. An einem Tag verschwand sie im Hauswirtschaftsraum und begann zu kochen. Sie wusste ganz genau, dass Ranma es nie wagte, sich ihr zu nähern, wenn sie am Herd stand. Es würde unerträglich stinken, antwortete er immer. Und das erste Mal war sie richtig froh darüber. An anderen Tagen verbrachte sie unendlich lange Zeit in den Mädchenwaschräumen oder versuchte in den Umkleideräumen der Mädchen ein kleines Mittagsschläfchen zu halten. Letztere beiden Methoden verabscheute sie jedoch, da sie es nicht ausstehen konnte, einfach nur irgendwo, nichts tuend herumzulungern. Sie wurde kreativ, gab Interesse für den Theaterclub vor und beteiligte sich an etlichen Kostümproben, in denen sie sich dann für die Mittagspause davon schlich. So konnte man in jenen Tagen einen Pinguin, Superman, eine überdimensionale gelbe Ente und einen laufenden Riesenspargel über den Schulhof flitzen sehen. Ranma wunderte sich zunächst über Akanes neuen seltsamen Verkleidungstick und schüttelte genervt über ihre Dummheit den Kopf, als er einsah, dass die Kostümierung im galt. Akane spürte, dass sie durchschaut worden war. Fast wäre sie so weit gegangen, sich auf ein "romantisches Picknick" mit Kuno in einer der Mittagspausen einzulassen, nur um sich Ranma vom Hals zu halten, als sie zu ihrer letzten Verkleidung fand, die diesmal ganz eindeutig ihren Effekt auf Ranma hatte. Bis zu den Ferien stolzierte sie jeden Tag in der Mittagspause als Katze verkleidet herum. Und wenn sie glaubte, Ranma hätte sich gerade daran gewöhnt und war kurz davor, sie wieder anzusprechen, miaute sie plötzlich laut los, was ihre Mitschüler immer wieder mit neuer Verwunderung aufnahmen, während es Ranma zitternd zurückschrecken ließ - egal wie oft sie es tat. Sie lachte vergnügt in sich hinein. "Das macht ja fast schon Spaß. Schade, ich würde das Kostüm gerne mit nachhause nehmen."
***
Ein großes einstimmiges Seufzen der Erleichterung breitete sich auf dem Schulgelände aus, nachdem der Gong der letzten Stunde ertönte und die Schüler in die langersehnten Ferien entließ. Von Akane kam jedoch eher ein verzweifelter Seufzer.
Es war ihr Glück, dass ausgerechnet Ranma an diesem Tag Reinigungsdienst hatte und somit gemeinsam mit zwei Mitschülern sämtliche Fenster und Böden der Klassenzimmer putzen musste. Dadurch gewann sie etwas Zeit zum Nachdenken über ihre nächsten Schritte. Mittlerweile waren bereits drei Wochen vergangen, seit ihrem ersten mysteriösen Traum. Seitdem träumte sie fast jede Nacht etwas nur noch Verrückteres. Die Krönung erreichte sie drei Tage zuvor.
*~*~*~ Das heiße Badewasser gab ihr ein wohliges Gefühl. Tief atmete sie ein und schloss die Augen, als sie sich entspannt zurücklehnte und das Blubbern der Seifenblasen an ihrem Rücken leicht kribbelte. Es war ein Bad wie jedes andere und doch schien alles so perfekt, so friedlich. Zufrieden summte sie eine langsame Melodie vor sich hin. Sie griff nach dem Schwamm und wusch sich lächelnd ihre Arme und Schultern. Auf einmal hörte sie ein Knarren. Hinter ihr wurde die Tür geöffnet. Verwundert drehte sie sich um und sah Ranma-chan in den viel zu weiten Männerkleidern im Türrahmen stehen. Nach einem Moment drehte sie sich um und schloss die Tür wieder. Dann begann sie sich, ruhig ihrer Kleider abzustreifen und stieg ohne Worte zu Akane in die Wanne. Nur einen Augenblick später war Ranma wieder in seiner männlichen Form und schaute Akane grinsend an.
Sie blinzelte und fragte in einem normalen Ton: "Ist das denn in Ordnung?"
Ranma nahm sich lachend eine Hand voll Schaum und blies ihn Akane ins Gesicht. "Aber natürlich, wieso denn nicht? Wir sind doch schließlich verlobt."
"Oh", gab Akane knapp zurück und nickte.
"Darf ich dir den Rücken waschen, Liebling?" Er schenkte ihr ein süßes Lächeln.
"Okay", antwortete Akane heiter, als hätte er ihr gerade ein Eis angeboten. Die Tatsache, dass sie beide nackt in der engen Badewanne saßen, schien nicht besonders von Bedeutung zu sein.
Sie drehte ihm den Rücken zu. Einige Sekunden tat sich nichts, dann hörte sie ihn ihren Namen flüstern, fast schon seufzen, und spürte, wie er ihr ein paar Strähnen ihres Nackenflaums beiseite strich. Fest, aber zugleich vorsichtig und zärtlich massierte er mit dem Schwamm in kreisenden Bewegungen ihren Rücken, als sie mit geschlossenen Augen ihre Melodie weiter summte. Der aufsteigende Dampf des heißen Badewassers umhüllte sie angenehm. Es fühlte sich gut an. Plötzlich spürte sie noch etwas anderes. Seinen Atem. Er muss mit seinem Gesicht ganz nah an ihrem Nacken gewesen sein.
"Oh", entfuhr es ihr als sie überrascht ihren Kopf anhob. Auf einmal fühlte sie, wie er seine Arme eng um sie schloss und sie nah an sich heranzog. Auf ihrer nackten Haut spürte sie jeden Muskel seines durchtrainierten Körpers. Sie zitterte als er seine Wange sanft an ihrer Schulter rieb.
"Ist das...", setzte sie an und drehte ihren Kopf leicht zu ihm hin. Doch er antwortete, noch ehe sie ihre Frage zuende stellen konnte.
"Wir sind doch schließlich verlobt", wiederholte er und vergrub sein Gesicht mit einem zufriedenen, langen Seufzer in ihrem nassen Haar.
Akane lächelte. ~*~*~*
Als sie aufgewacht war, gab es diesmal keinen panischen Angstschrei, keine schweißnasse Nachtwäsche. Weder raste ihr Herz, noch zitterten ihre Hände. Sie war ganz ruhig. Starr blickte sie an die Decke und wunderte sich, warum sie so ruhig war. Schließlich war es mit Abstand der schlimmste Traum von allen. Ja, sogar der schlimmste Traum, den sie jemals hatte. Aber weshalb machte es ihr dann nichts aus? Bedeutete das, dass sie sich langsam an ihre Träume gewöhnt hatte oder wurde sie allmählich verrückt? Es gab natürlich noch eine dritte Möglichkeit, aber die wagte sie in Anbetracht dessen, dass ihr Verlobter sie als nicht mehr als ein "unsexy Machoweib" ansah, gar nicht erst in Betracht zu ziehen. Stirnrunzelnd kroch sie tiefer unter die Bettdecke. Sie hatte Angst. Angst vor dieser inneren Ruhe. Angst vor sich selbst.
Und nun, da die Ferien begonnen hatten? Würde es gut sein, da ihr mit der Zeit die Ideen ausgingen, allein und ungestört zur Schule und wieder nachhause zu gehen? Sie seufzte. Ranma ist ein absoluter Faulpelz, wenn es ums Ausschlafen geht. Lange hatte er es ohnehin nicht durchgehalten, morgens mit ihr Schritt halten zu wollen und räkelte sich noch lange Zeit auf seiner Schlafmatte, als sie längst das Haus verlassen hatte. Akane wusste, dass ihr mit der schulfreien Zeit nur noch Härteres bevorstehen würde, da sie ihm und ihren beängstigenden Gedanken nun permanent ausgeliefert war. Zu allem Überfluss fuhren ihre zwei besten Freundinnen, Yuka und Sayuri, in den Urlaub und so konnte sie nicht mal mehr für ein paar Stunden pro Tag mit ihnen ausgehen.
Als sie so gedankenverloren nachhause schlenderte, musste sie irgendwo falsch abgebogen sein und fand sich plötzlich in einem kleinen, stillen Park wieder. Müde seufzte sie ein weiteres Mal und setzte sich auf eine Parkbank. Noch nie zuvor war ihr so elend zu mute gewesen. Natürlich gab es dann und wann mal ein paar Momente, in denen sie Ranma gerne umarmt hätte. Das waren aber eher Momente voller Freude und Glück. Wie als er seine Kraft durch die Moxa-Behandlung wiedererlangt hatte. Oder als er ihr das Gegenmittel zu den Supersoba gegeben hatte und sie somit ihren Schnurrbart verlor. Er war ja nicht durch und durch gemein und rücksichtslos. Aber dennoch entschieden zu oft. Und diese Gefühle, die in den vergangenen drei Wochen wachsend aufkamen, verwirrten sie. Sie verstand sie nicht und fühlte sich so allein wie nie zuvor. Traurig schaute sie auf den sandigen Boden, als sie bemerkte, dass etwas kleines Funkelndes auf ihre Hand heruntertropfte. "Eine Träne?" wunderte sie sich und wünschte sich, es wäre jemand da, der sie trösten und ihr helfen könnte. Jemand, dem sie sich einfach voll und ganz anvertrauen, vor ihm weinen konnte. So stark wie nie zuvor in ihrem Leben sehnte sie sich jetzt nach einem Freund.
Genau in dem Moment stolperte Ryoga hinter einer Kiefer hervor. In seiner Hand hielt er eine Karte, auf die er konzentriert blickte und verzweifelt murmelte: "Bin ich noch in Hokkaido?"
"Ryoga-kun!" rief Akane erfreut. Ihre Augen leuchteten hell auf.
"Akane-san?" fragte der ewig verlorene Junge fassungslos. "Aber was machst du denn hier in Hokkaido?"
Sie lachte und ging auf ihn zu. "Das ist es", dachte sie, als ihr eine Idee in den Sinn kam.
"Schön, dich endlich mal wieder zu sehen. Du kommst gerade richtig." Freundlich blickte sie zu ihm hinauf.
"Ach wirklich?" Er kratzte sich am Kopf.
"Wirklich", antwortete sie. "Du hast mir doch vor einiger Zeit mal dieses Angebot gemacht."
Er nickte und sie fuhr fort. "Nun ja, jetzt würde ich gerne darauf zurückkommen." Sie lächelte.
"Jeder Zeit, Akane-san". Er lächelte zurück.
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Anmerkungen der Autorin:
Puuhh... Diesmal habe ich wirklich versucht, mit Konzept zu arbeiten. Ganz schön stressig. Wie ich vorher schon angekündigt habe, ist in diesem Kapitel eher wenig Romantik. Und der Traum... Naja, sorry. Ich brauchte eine Steigerung zu den anderen Träumen. Hoffe, das geht nicht als Hentai oder so was durch. Ich hab schließlich nichts direkt beim Namen genannt. -.- Also sorry nochmal. Haltet mich bitte nicht für pervers oder so. *lol* Normalerweise stehe ich nicht so drauf, derartiges zu schreiben, aber für die Story ist der "Extremfall" nun mal wichtig. Okay, wirklich "extrem" war es nicht, es ginge theoretisch schließlich noch mehr. Aber da will ich mich dann doch lieber in Grenzen halten. ^.~
Das nächste Kapitel wird die Story in einigen Punkten total umwerfen. Ich hoffe, ihr lest alle weiter. Und bitte bitte kommentiert!
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Seit jenem mysteriösen Vorfall in der Nacht waren bereits mehrere Tage vergangen. Zuhause war Akane kaum noch anzutreffen; selbst, wenn sie ausnahmsweise mal nicht mit ihren Freundinnen durch Cafés und Shopping- Centers streifte, wie so oft in letzter Zeit. Wenn das Essen fertig war, beschwerte sie sich nun regelmäßig über Bauch- und Kopfschmerzen oder ähnliches, sodass sie bestimmten Personen geschickt aus dem Weg gehen konnte. Kasumi hätte sie natürlich nie verhungern lassen und brachte ihr immer alles, was sie brauchte, aufs Zimmer, die anderen warnend, ihre jüngste Schwester nicht zu stören, da sie als Kranke viel Ruhe bräuchte. Ganz besonders Ranma, den sie immer wieder dabei erwischt hatte, wie er zu ihrem Fenster hinauf kletterte - er gab schließlich von selbst auf, da er es satt hatte, nach jedem Versuch, mit ihr zu reden, mit zwei überglücklichen Vätern "ein kleines Schlückchen auf seine Männlichkeit" trinken zu müssen. Erklärungen jeder Art waren hoffnungslos. Das erkannte er spätestens dann, als er versucht hatte, sich darauf zu beziehen, dass er sie kurze Zeit zuvor, nachts plötzlich aufwecken musste und sie daraufhin sehr still geworden war. Auf diesen Bericht folgte eine Minute Ruhe im Tendo Haus. Die Zeit schien still zu stehen, keiner sagte etwas, nichts bewegte sich. Und dann plötzlich mit einem lauten Knall brach im ganzen Haus eine Panik aus. Kasumi fiel mit den Worten "Aber sie sind doch noch so jung" in Ohnmacht und landete zum Glück weich auf den dicken Panda, der sich gerade eine ganze Flasche Sake in sein gieriges Maul goss und ein Schild hochhielt, auf dem stand: "Junge, ich bin so stolz auf dich. Du kommst ganz nach deinem alten Herren." Soun brach wie üblich in einen starken Weinkrampf aus und winselte zwischen den Schluchzern: "Meine Kleinste wird erwachsen. Flieg flieg, kleiner Schmetterling. Auf auf und davon - in die weite Welt. Du bist bei ihm in guten Händen." Selbst die sonst so beherrschte Nabiki flippte komplett aus. Mit funkelnden Augen erhob sie sich bei dieser Nachricht langsam vom Tisch, an dem sie gerade ihren Tee getrunken hatte, kicherte erst leise vor sich hin und sagte dann ruhig und langsam zu sich selbst, während sie an ihren Fingern abzählte: "Mal schauen, Shampoo, Ukyo, Kodachi, Kuno, vielleicht auch Ryoga, wenn ich ihn finden sollte,... 1000 Yen pro Person für diese Info. Oder lieber gleich 2000? Das heißt - ICH BIN REICH! HAHAHA!" Mit einem wahnsinnigen Lachen verließ sie hopsend das Haus. In all dem Chaos blieb Ranma zurück, der die Menschen um sich herum stumm und regungslos betrachtete, ehe er angewidert den Kopf schüttelte. "In diesem Haus ist doch jeder verrückt. Absolut verrückt. Das Traurige ist, dass ich mit meinem bescheuerten Fluch nicht mal von mir selbst behaupten kann, normal zu sein. Die Einzige, mit der man sich hier unterhalten kann ist..." Er schaute traurig die Treppe hinauf und seufzte. Dann lachte er leicht, wirkte jedoch nicht glücklich dabei. "Ich schätze, verglichen mit den anderen hier, ist so ein Machoweib vielleicht doch nicht unbedingt das Schlimmste, was man sich vorstellen kann." PUNCH! "Merken" knurrte er zu sich, nachdem ein mit Sake übergossener Panda feierlich einen Arm um Ranmas Schulter gelegt hatte und zu einem weiteren Prost die Flasche erhob. "Auf keinen Fall derartiges irgendwann wieder aussprechen, auch wenn du glaubst, niemand ist da. In diesem Irrenhaus ist das einfach zu riskant." Er schaute schnaufend zu, wie der Panda gen Sonnenuntergang flog, bis von ihm nur noch ein kleines Funkeln am Firmament zu sehen war. Dann wanderte er mit seinen Gedanken zurück zu Akane, von der er genau wusste, dass sie nur simulierte. Auf diese Weise hatte Akane es sogar geschafft, zwei Tage der Schule fern zu bleiben. Dies konnte aber natürlich nicht zum Dauerzustand werden. Und so kam sie mit immer neuen Plänen auf, ein Gespräch mit Ranma zu verhindern. Der hatte sich anfangs in der Schule noch zurückgehalten, weil er befürchtete, er hätte sie doch mehr erschreckt, als erst angenommen, als sie ihn nachts in ihrem Zimmer fand. Später reihten sich aber die seltsamsten Begebenheiten aneinander, sodass er bald mit seinem Latein am Ende war. Schaffte er es, rechtzeitig aufzustehen, um mit ihr überpünktlich das Haus zu verlassen, so überraschte sie ihn mit immer wieder neuen Ideen, sodass er überhaupt keine Chance bekommen hätte, sich irgendeinen Plan auszudenken, um ihre Widerstandsversuche zu umgehen. Eines Morgens war Ranma zu ihrem Erstaunen früher wach als sie und hatte es sogar mitbekommen, wie sie sich ohne Essen aus dem Haus zur Schule schlich. Als er ihr hinterherlief und von seinem Weg auf dem Zaun aus mit ihr zu reden begann, glaubte er zunächst, alles lenke sich allmählich wieder in seine gewohnten Bahnen ein. Sie schien tatsächlich zuzuhören, machte keine Anstalten, wegzulaufen und unterbrach ihn auch nicht. Sein Optimismus legte sich, nachdem er nach einigen Sätzen, die er gesprochen hatte und keine Antwort von ihr bekam, seinen Kopf leicht zur Seite neigte, um den Blickkontakt mit ihr zu suchen. Was er sah, war keineswegs schrecklich, doch höchstungewohnt. Akane hatte sich, ohne dass er es bemerkte, eine schwarze Sonnenbrille aufgesetzt und unter ihrem dichten, schwarzen Haar, erkannte man den Kopfhörer eines Walkmans. Mit Sonnenbrille hatte Ranma seine Verlobte noch nie gesehen. Und wenn es schon eine sein musste, dann vielleicht nicht gleich so eine Dunkle, dachte er sich, - die Sonne schien schließlich noch nicht stark, so früh am Morgen - und auf jeden Fall eine viel Kleinere. Die hier war riesengroß und verdeckte fast die Hälfte ihres kleinen, schmalen Gesichts. Was bei einer großen Lady womöglich elegant ausgesehen haben mochte, wirkte an ihr eher wie eine Verkleidung. Mit aufgerissenem Mund kippte Ranma ohne jede Gegenwehr nach hinten über.
Im Schutze ihrer schwarzen Brille bemerkte Akane nicht mal aus den Augenwinkeln Ranmas Sturz. Auch seinen gequälten erst tiefen, dann plötzlich piepsig-schrillen Schrei hörte sie durch die laute Musik, die aus ihrem Kopfhörer drang, nicht. Lediglich ein paar Wasserspritzer brachten sie zum Stutzen und sie hielt an. Verwundert lehnte sie sich übers Geländer und fand dort eine kleine Gestalt auf den Boden stampfend. Neugierig stellte sie die Musik ab und nahm ihre Brille herunter. Ihr Gesicht erhellte sich. Auf einmal entfuhr ihr ein klares, süßes Lachen. "Ach, du bist es Ranma! Also ehrlich, wenn du schon früher aufstehst, solltest du deine Zeit nicht unbedingt so verschwenden." Sie schüttelte vergnügt ihren Kopf und bat Ranma eine Hand, um ihm heraus zu helfen. "Mein Glück", dachte sie sich währenddessen. "Dieser Trottel. Jetzt brauche ich mir wenigstens keine Sorgen zu machen. Bei seiner weiblichen Form bin ich schließlich ganz gelassen." Sie lächelte zu sich selbst.
Ranma, der eben noch als wütender Rotschopf aufgebracht fluchte und schimpfte, beruhigte sich, sobald er Akanes Stimme wahrnahm. "Sie... spricht mit mir? Hat sie mir vorhin etwa doch zugehört?" Verlegen schaute er sie an, als das Wasser an seinem weiblichen Körper heruntertröpfelte und vergaß dabei jeden Gedanken an irgendeinen 'Kampf' zwischen ihnen. Die Hand an ihrem dünnen Ärmchen war wirklich winzig. Er fragte sich wie schon so oft zuvor, wie ein so zartes Mädchen, so brutal sein konnte. Nachdem er einige Momente sprachlos zu ihr heraufgeschaut hatte, lächelte er schließlich etwas beschämt zurück und griff nach ihrer Hand, um sich hochziehen zu lassen. Die Ereignisse der letzten Zeit hatten ihn ganz schön entkräftet. Er konnte nur noch schlecht schlafen und verlor leicht den Appetit. Da kam ihm ihre Hilfe nur allzu recht.
Akane hatte es fast geschafft. Ranma war in seiner weiblichen Form weitaus schwerer, als sie je angenommen hatte und viel Anstrengung, wieder nach oben zu gelangen, schien von seiner Seite auch nicht gerade zu kommen. Auf einmal runzelte die noch an Akanes Hand baumelnde Ranma-chan die Stirn, als sie sich von ihrem Hemd ein kleines schönes Blümchen zupfte. "Wie kommt die denn dahin?" wunderte er sich. "Vielleicht bei meinem Sturz hängen geblieben?" Fragend streckte er sie Akane entgegen und erkannte erst dann, dass sie entgeistert auf ihren Handkontakt starrte, als ihre Unterlippe leicht zu zittern begann. Ihr Blick wanderte dann zu der kleinen Blume hinüber. Das letzte, was Ranma mitbekam war, wie ihre Augen groß und rund wurden und sie eilig nach Luft schnappte. "Was hast du denn?" fragte der kleine Rotschopf und streckte ihr den Kopf entgegen, als Akane ruckartig zurückwich und ohne Vorwarnung ihre Hand losriss. Ranma fiel an diesem Morgen gleich ein zweites Mal rückwärts hinunter, was für ihn ein neuer Rekord war, während Akane ihm erstarrt hinterher schaute und einige Sekunden überlegte, ob sie etwas tun sollte. Dann nahm sie ruhig ihre Schultasche, ging langsam davon und erhöhte plötzlich mit jedem Schritt ihr Tempo.
"WIE IST DAS MÖGLICH?" schrie Akane innerlich. "Er war doch diesmal ein Mädchen. Seine Hände sind doch anders in der weiblichen Form... oder? Ganz ruhig, ganz ruhig. Wir waren beide Mädchen. In keinem meiner merkwürdigen Träume tauchte er als Frau auf. Aber dennoch. Dass mich diese Berührung - mit einem Mädchen! - so aus der Fassung bringt... das bedeutet doch nicht, dass ich...?" Laut aufheulend schlug sie sich die Hände an den Kopf und presste ihre Tasche gegen die Stirn. "Das ist doch zum verrückt werden..." Abrupt kam sie zum Stehen. "Und dann war da noch diese Blume." Nachdenklich biss sie sich auf die Lippe. "Sie sah genauso aus wie in meinem zweiten Traum. Irgendwie scheint sich alles zu wiederholen." Sie schüttelte den Kopf, für sich festmachend, dass Träume nur Schäume sind und es so etwas wie Wahrsagerei nicht gibt. Dieser hatte sie durch eine okkultistisch interessierte Klassenkameradin schließlich schon einmal vertraut. Und wäre dies zurecht gewesen, dann würden sie und Ranma mittlerweile längst verheiratet sein.
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Die Zeit in der Schule verlief ähnlich stressig. Nachdem Akane ihrem Lehrer in einem Gespräch unter vier Augen erklärt hatte, dass ihr in letzter Zeit häufiger übel sei und somit im Falle des Falles lieber möglichst nah an der Tür und somit auch näher zu den Waschräumen säße, schaffte sie es, ihren unerträglichen Sitzplatz neben Ranma loszuwerden. Obwohl sie nicht zu ihm hinüberschaute, merkte sie seinen stummen Blick in ihrem Rücken, als sie sich setzte.
Gruppenarbeiten erledigten sie für gewöhnlich zusammen. Eher unfreiwillig, da sie als Verlobte in der ganzen Schule bekannt, von jedem dazu verdonnert wurden, alles gemeinsam zu tun. Am ersten Tag entkam Akane dieser Last geschickt, indem sie sich, noch ehe der Lehrer seine übliche Gruppenkonstellation runtersprechen konnte, aufgeregt meldete und fragte, ob sie diesmal Gosunkugi als Partner haben dürfe. Das war der Augenblick in dem Ranma wirklich wütend wurde und zähneknirschend seinen Bleistift zerbrach, während sein magerer Mitschüler auf Wolke sieben davon schwebte. Akanes Plan, mit jemand anderem abgelenkt zu sein, ging jedoch nicht ganz so gut auf, da Gosunkugi nur kurze Zeit später vor lauter Glück schwarz vor Augen wurde und ein Krankenwagen ihn bald darauf ins nächste Hospital fuhr.
Richtig anstrengend war jedoch die Gestaltung der Pausen. Ranma war ein Meister im Anschleichen und er hatte Augen wie ein Adler. Verstecken half nichts. Er war einfach zu gut. "Wieso eigentlich verstecken?" wunderte sich Akane, doch kam nicht gegen das starke Gefühl an, dass er sie noch immer verfolgen würde. Sie hatte bloß keine Ahnung, warum. So wendete sie verschiedene Tricks an, um ihn auf Abstand zu halten. An einem Tag verschwand sie im Hauswirtschaftsraum und begann zu kochen. Sie wusste ganz genau, dass Ranma es nie wagte, sich ihr zu nähern, wenn sie am Herd stand. Es würde unerträglich stinken, antwortete er immer. Und das erste Mal war sie richtig froh darüber. An anderen Tagen verbrachte sie unendlich lange Zeit in den Mädchenwaschräumen oder versuchte in den Umkleideräumen der Mädchen ein kleines Mittagsschläfchen zu halten. Letztere beiden Methoden verabscheute sie jedoch, da sie es nicht ausstehen konnte, einfach nur irgendwo, nichts tuend herumzulungern. Sie wurde kreativ, gab Interesse für den Theaterclub vor und beteiligte sich an etlichen Kostümproben, in denen sie sich dann für die Mittagspause davon schlich. So konnte man in jenen Tagen einen Pinguin, Superman, eine überdimensionale gelbe Ente und einen laufenden Riesenspargel über den Schulhof flitzen sehen. Ranma wunderte sich zunächst über Akanes neuen seltsamen Verkleidungstick und schüttelte genervt über ihre Dummheit den Kopf, als er einsah, dass die Kostümierung im galt. Akane spürte, dass sie durchschaut worden war. Fast wäre sie so weit gegangen, sich auf ein "romantisches Picknick" mit Kuno in einer der Mittagspausen einzulassen, nur um sich Ranma vom Hals zu halten, als sie zu ihrer letzten Verkleidung fand, die diesmal ganz eindeutig ihren Effekt auf Ranma hatte. Bis zu den Ferien stolzierte sie jeden Tag in der Mittagspause als Katze verkleidet herum. Und wenn sie glaubte, Ranma hätte sich gerade daran gewöhnt und war kurz davor, sie wieder anzusprechen, miaute sie plötzlich laut los, was ihre Mitschüler immer wieder mit neuer Verwunderung aufnahmen, während es Ranma zitternd zurückschrecken ließ - egal wie oft sie es tat. Sie lachte vergnügt in sich hinein. "Das macht ja fast schon Spaß. Schade, ich würde das Kostüm gerne mit nachhause nehmen."
***
Ein großes einstimmiges Seufzen der Erleichterung breitete sich auf dem Schulgelände aus, nachdem der Gong der letzten Stunde ertönte und die Schüler in die langersehnten Ferien entließ. Von Akane kam jedoch eher ein verzweifelter Seufzer.
Es war ihr Glück, dass ausgerechnet Ranma an diesem Tag Reinigungsdienst hatte und somit gemeinsam mit zwei Mitschülern sämtliche Fenster und Böden der Klassenzimmer putzen musste. Dadurch gewann sie etwas Zeit zum Nachdenken über ihre nächsten Schritte. Mittlerweile waren bereits drei Wochen vergangen, seit ihrem ersten mysteriösen Traum. Seitdem träumte sie fast jede Nacht etwas nur noch Verrückteres. Die Krönung erreichte sie drei Tage zuvor.
*~*~*~ Das heiße Badewasser gab ihr ein wohliges Gefühl. Tief atmete sie ein und schloss die Augen, als sie sich entspannt zurücklehnte und das Blubbern der Seifenblasen an ihrem Rücken leicht kribbelte. Es war ein Bad wie jedes andere und doch schien alles so perfekt, so friedlich. Zufrieden summte sie eine langsame Melodie vor sich hin. Sie griff nach dem Schwamm und wusch sich lächelnd ihre Arme und Schultern. Auf einmal hörte sie ein Knarren. Hinter ihr wurde die Tür geöffnet. Verwundert drehte sie sich um und sah Ranma-chan in den viel zu weiten Männerkleidern im Türrahmen stehen. Nach einem Moment drehte sie sich um und schloss die Tür wieder. Dann begann sie sich, ruhig ihrer Kleider abzustreifen und stieg ohne Worte zu Akane in die Wanne. Nur einen Augenblick später war Ranma wieder in seiner männlichen Form und schaute Akane grinsend an.
Sie blinzelte und fragte in einem normalen Ton: "Ist das denn in Ordnung?"
Ranma nahm sich lachend eine Hand voll Schaum und blies ihn Akane ins Gesicht. "Aber natürlich, wieso denn nicht? Wir sind doch schließlich verlobt."
"Oh", gab Akane knapp zurück und nickte.
"Darf ich dir den Rücken waschen, Liebling?" Er schenkte ihr ein süßes Lächeln.
"Okay", antwortete Akane heiter, als hätte er ihr gerade ein Eis angeboten. Die Tatsache, dass sie beide nackt in der engen Badewanne saßen, schien nicht besonders von Bedeutung zu sein.
Sie drehte ihm den Rücken zu. Einige Sekunden tat sich nichts, dann hörte sie ihn ihren Namen flüstern, fast schon seufzen, und spürte, wie er ihr ein paar Strähnen ihres Nackenflaums beiseite strich. Fest, aber zugleich vorsichtig und zärtlich massierte er mit dem Schwamm in kreisenden Bewegungen ihren Rücken, als sie mit geschlossenen Augen ihre Melodie weiter summte. Der aufsteigende Dampf des heißen Badewassers umhüllte sie angenehm. Es fühlte sich gut an. Plötzlich spürte sie noch etwas anderes. Seinen Atem. Er muss mit seinem Gesicht ganz nah an ihrem Nacken gewesen sein.
"Oh", entfuhr es ihr als sie überrascht ihren Kopf anhob. Auf einmal fühlte sie, wie er seine Arme eng um sie schloss und sie nah an sich heranzog. Auf ihrer nackten Haut spürte sie jeden Muskel seines durchtrainierten Körpers. Sie zitterte als er seine Wange sanft an ihrer Schulter rieb.
"Ist das...", setzte sie an und drehte ihren Kopf leicht zu ihm hin. Doch er antwortete, noch ehe sie ihre Frage zuende stellen konnte.
"Wir sind doch schließlich verlobt", wiederholte er und vergrub sein Gesicht mit einem zufriedenen, langen Seufzer in ihrem nassen Haar.
Akane lächelte. ~*~*~*
Als sie aufgewacht war, gab es diesmal keinen panischen Angstschrei, keine schweißnasse Nachtwäsche. Weder raste ihr Herz, noch zitterten ihre Hände. Sie war ganz ruhig. Starr blickte sie an die Decke und wunderte sich, warum sie so ruhig war. Schließlich war es mit Abstand der schlimmste Traum von allen. Ja, sogar der schlimmste Traum, den sie jemals hatte. Aber weshalb machte es ihr dann nichts aus? Bedeutete das, dass sie sich langsam an ihre Träume gewöhnt hatte oder wurde sie allmählich verrückt? Es gab natürlich noch eine dritte Möglichkeit, aber die wagte sie in Anbetracht dessen, dass ihr Verlobter sie als nicht mehr als ein "unsexy Machoweib" ansah, gar nicht erst in Betracht zu ziehen. Stirnrunzelnd kroch sie tiefer unter die Bettdecke. Sie hatte Angst. Angst vor dieser inneren Ruhe. Angst vor sich selbst.
Und nun, da die Ferien begonnen hatten? Würde es gut sein, da ihr mit der Zeit die Ideen ausgingen, allein und ungestört zur Schule und wieder nachhause zu gehen? Sie seufzte. Ranma ist ein absoluter Faulpelz, wenn es ums Ausschlafen geht. Lange hatte er es ohnehin nicht durchgehalten, morgens mit ihr Schritt halten zu wollen und räkelte sich noch lange Zeit auf seiner Schlafmatte, als sie längst das Haus verlassen hatte. Akane wusste, dass ihr mit der schulfreien Zeit nur noch Härteres bevorstehen würde, da sie ihm und ihren beängstigenden Gedanken nun permanent ausgeliefert war. Zu allem Überfluss fuhren ihre zwei besten Freundinnen, Yuka und Sayuri, in den Urlaub und so konnte sie nicht mal mehr für ein paar Stunden pro Tag mit ihnen ausgehen.
Als sie so gedankenverloren nachhause schlenderte, musste sie irgendwo falsch abgebogen sein und fand sich plötzlich in einem kleinen, stillen Park wieder. Müde seufzte sie ein weiteres Mal und setzte sich auf eine Parkbank. Noch nie zuvor war ihr so elend zu mute gewesen. Natürlich gab es dann und wann mal ein paar Momente, in denen sie Ranma gerne umarmt hätte. Das waren aber eher Momente voller Freude und Glück. Wie als er seine Kraft durch die Moxa-Behandlung wiedererlangt hatte. Oder als er ihr das Gegenmittel zu den Supersoba gegeben hatte und sie somit ihren Schnurrbart verlor. Er war ja nicht durch und durch gemein und rücksichtslos. Aber dennoch entschieden zu oft. Und diese Gefühle, die in den vergangenen drei Wochen wachsend aufkamen, verwirrten sie. Sie verstand sie nicht und fühlte sich so allein wie nie zuvor. Traurig schaute sie auf den sandigen Boden, als sie bemerkte, dass etwas kleines Funkelndes auf ihre Hand heruntertropfte. "Eine Träne?" wunderte sie sich und wünschte sich, es wäre jemand da, der sie trösten und ihr helfen könnte. Jemand, dem sie sich einfach voll und ganz anvertrauen, vor ihm weinen konnte. So stark wie nie zuvor in ihrem Leben sehnte sie sich jetzt nach einem Freund.
Genau in dem Moment stolperte Ryoga hinter einer Kiefer hervor. In seiner Hand hielt er eine Karte, auf die er konzentriert blickte und verzweifelt murmelte: "Bin ich noch in Hokkaido?"
"Ryoga-kun!" rief Akane erfreut. Ihre Augen leuchteten hell auf.
"Akane-san?" fragte der ewig verlorene Junge fassungslos. "Aber was machst du denn hier in Hokkaido?"
Sie lachte und ging auf ihn zu. "Das ist es", dachte sie, als ihr eine Idee in den Sinn kam.
"Schön, dich endlich mal wieder zu sehen. Du kommst gerade richtig." Freundlich blickte sie zu ihm hinauf.
"Ach wirklich?" Er kratzte sich am Kopf.
"Wirklich", antwortete sie. "Du hast mir doch vor einiger Zeit mal dieses Angebot gemacht."
Er nickte und sie fuhr fort. "Nun ja, jetzt würde ich gerne darauf zurückkommen." Sie lächelte.
"Jeder Zeit, Akane-san". Er lächelte zurück.
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Anmerkungen der Autorin:
Puuhh... Diesmal habe ich wirklich versucht, mit Konzept zu arbeiten. Ganz schön stressig. Wie ich vorher schon angekündigt habe, ist in diesem Kapitel eher wenig Romantik. Und der Traum... Naja, sorry. Ich brauchte eine Steigerung zu den anderen Träumen. Hoffe, das geht nicht als Hentai oder so was durch. Ich hab schließlich nichts direkt beim Namen genannt. -.- Also sorry nochmal. Haltet mich bitte nicht für pervers oder so. *lol* Normalerweise stehe ich nicht so drauf, derartiges zu schreiben, aber für die Story ist der "Extremfall" nun mal wichtig. Okay, wirklich "extrem" war es nicht, es ginge theoretisch schließlich noch mehr. Aber da will ich mich dann doch lieber in Grenzen halten. ^.~
Das nächste Kapitel wird die Story in einigen Punkten total umwerfen. Ich hoffe, ihr lest alle weiter. Und bitte bitte kommentiert!
