Neuntes Kapitel

Innere Stimmen

"Und deshalb verfügen Wir, dass alle noch nicht betroffenen Gebiete jene Seelen aufnehmen, die dem Nichts entronnen sind. Weiters werden alle Gebiete, welche dem Nichts am nächsten sind, evakuiert", diktierte Koenma mit entschlossener Stimme, während er auf dem Schreitisch hin und her schritt. Sein rundes Babygesicht war sehr ernst und er hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt.

Der grüne Dämon wischte sich den Schweiß von der Stirn und kratzte sich zwischen den Hörnern. Dieses Dekret würde im Reich der Seelen viel Unfrieden stiften, vor allem da der Raum immer enger und enger wurde. Schon jetzt gab es hundertfach Alarm aus der Menschenwelt, dass sich viele Seelen einfach an die Oberfläche verzogen hatten und sich an bestimmten heiligen Orten, besonders Shinto Schreinen und Buddhistischen Tempeln sammelten, zum Schrecken jener sensibler Menschen, die sich beim Beten plötzlich durchscheinender Gesellschaft gegenüber sahen.

Koenma war längst am Ende seiner Weisheit angelangt und sein Vater, der mächtige Enma versuchte auf seine Art das Nichts einzudämmen. Koenma war sich nicht sicher, ob das Nichts ohne König Enmas Bemühungen nicht schon längst mehr vom Jenseits verschlungen hätte. Auf jeden Fall war er dankbar, dass sein Vater alle Hände voll zu tun hatte und offenbar zu beschäftigt war, um nach einem Schuldigen für das ganze Dilemma zu suchen.

Mit einem tiefen Seufzer ließ sich Koenma in den Sessel fallen und starrte gedankenverloren vor sich hin. Obwohl er sich nicht einer konkreten Schuld bewusst war, konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, dass er die Anwesenheit dieses fehlgeleiteten, begabten Menschen hätte früher merken müssen. War es nicht seine Aufgabe, zu verhindern dass sich Jenseits und Diesseits mischten? Hatte er damals nicht deshalb Yusuke und seine Freunde als Team ins Rennen geschickt um ein Übergreifen des Jenseits bzw. der Dämonenwelt auf die Welt der Menschen zu verhindern? War er zu sehr darauf bedacht gewesen, die Menschen vor den Seelen und Dämonen zu schützen und hatte vergessen, dass auch umgekehrt eine Katastrophe möglich war? Yusuke, Kuwabara und andere Menschen hatten bereits die Grenze übertreten. Menschen waren unberechenbar, er hätte besser aufpassen müssen...

"War das alles, Koenma-sama?", fragte der Dämon vorsichtig und klemmte sich den Stift hinter das Ohr.

Koenma schreckte aus seinen Gedanken hoch und hüpfte vom Sessel. Ein wenig Konzentration und er war wieder der gut aussehende Junge. Er öffnete die geheime Kammer und entnahm das goldene Namenssiegel seines Vaters. Neben dem schwarzen Video und der Goldenen DVD war dies ein weiterer äußerst kostbarer Gegenstand, der schon einmal zu einem von Yusukes Abenteuern geführt hatte. Auch damals hatte es hoffnungslos ausgesehen und dennoch... dass das Siegel wieder an seinem Platz lag, war doch schon Beweis, dass Menschen zu unglaublichen Dingen fähig waren. Mit etwas mehr Hoffnung drückte er das Siegel auf das Dokument. Im selben Augenblick erschienen unzählige Kopien davon in allen Gebieten des Jenseits. Sie klebten sich selbst an Felsen, Mauern und Bäume, sodass jede Seele von Koenmas Anordnungen erfuhr und sich danach richten konnte. "Danke, das war vorerst alles", sagte Koenma und schickte den Schreibdämonen fort.

Er blickte auf den Stapel von Dokumenten, der noch gesiegelt werden musste. Nicht mit dem goldenen Siegel, sondern mit dem roten, seinem eigenen. Doch wie so oft fehlte ihm die Lust, auch nur eines der Blätter in die Hand zu nehmen. Zu sehr lag die jetzige Krise auf seiner Seele. Wie von selbst glitt seine Hand zu der Fernbedienung, die er zuvor extra wegen dem Dekret zur Seite gelegt hatte. Seine Finger fanden rasch die Knöpfe und vor ihm tauchten die verseuchten Gegenden, eine nach der anderen auf. Fünfunddreißig Prozent des Jenseits waren verschwunden. Wie lange würde es dauern, bis selbst der Palast nicht mehr war?

In diesem Augenblick tat es einen Knall und zwei schwere Körper plumpsten vor seinem Schreibtisch auf den Boden. Koenma ließ vor Schreck die Fernbedienung fallen. Er beugte sich über die Tischplatte. "Was soll das?", fragte er unwirsch, doch jede weitere Bemerkung blieb ihm im Halse stecken.

Goku und Doguro lagen regungslos auf den grau polierten Steinplatten, Blut rann aus zahlreichen Wunden und sie atmeten schwach und unregelmäßig. "Du liebes Bisschen!", hauchte Koenma und umrundete den Schreibtisch. Vor den beiden schwer verletzten Gestalten ließ er sich auf die Knie nieder und nahm den Schnuller aus seinem Mund. Wie schon damals in jener Höhle, wo Yusuke den Kampf schon verloren hatte und er, Koenma, glaubte an seiner Stelle dem Schrecken Einhalt gebieten zu müssen, leuchtete der geheimnisvolle Gegenstand, der nur auf den ersten Blick wie ein Schnuller aussah, auf. Die Kräfte, die Koenma die ganze Zeit über in ihn hatte fließen lassen, gab er zu einem kleinen Teil wieder frei und grünes, heilsames Licht hüllte den Saiyajin und den Dämon ein. Ihre Wunden schlossen sich, ihre Atemzüge wurden ruhig und tief und eine gesunde Farbe kehrte in ihre vormals graue Haut zurück.

Goku war der erste, der seine Augen aufschlug. Er gähnte ungeniert und streckte sich. "Koenma", fragte er verwundert, drehte seine Arme und fuhr sich über das Gesicht, "gibt es hier auch magische Bohnen?"

"Nein, aber ein paar Kleinigkeiten kann ich auch", sagte Koenma und lächelte. "Gute Arbeit Goku, du hast Doguro den Klauen der Hölle entrissen."

"Werden sie nicht hier nach mir suchen?", mischte sich Doguro ein und richtete sich langsam auf. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie so einfach aufgeben, so wie sie hinter mir her waren."

"Die Aufgabe der Höllenwärter endet an der Grenze der Hölle", sagte Koenma. "Gut möglich, dass sie mich mit Protestschreiben eindecken, aber du warst nur eine Seele von vielen, die dort büßen müssen. Außerdem ist auch die Hölle nicht gefeit gegen das Nichts. Wenn meine Berechnungen stimmen, müsste gleich mal der erste Randbereich der Hölle Löcher bekommen."

"Dann gibt es diese Bedrohung also wirklich", murmelte Doguro und stemmte sich hoch. Sein Blick glitt über die Bildschirme, welche die betroffenen Gebiete zeigten. "Und wie geht es weiter?"

Koenmas Blick glitt über die betroffenen Gesichter der beiden Männer. Waren sie schon soweit? Seine Hand griff nach der Fernbedienung und er schaltete die beiden letzten Schirme ein. Der eine zeigte die Blutfestung, den Sitz ihrer Feinde, die andere einen dunklen Höhleneingang in einem Wald.

Wie erwartet konzentrierten sich die beiden Kämpfer zuerst auf den Feind. Die riesigen Mengen von Dämonen die in grotesk aussehenden Zelten und Hütten rings um die Burg campierten war nicht zu übersehen.

"Ihr werdet euch da durch kämpfen müssen, um an den Kern des Übels vordringen zu können", sagte Koenma ruhig. "Das sind zwar keine Dämonen der Klasse A, aber ihre Zahl allein könnte euch in Gefahr bringen. Vor allem, da ihr beide ziemlich aus dem Training seid."

"Wir haben gerade erst die Hölle hinter uns gelassen", sagte Goku zuversichtlich. "Das schaffen wir schon."

"Ach ja?" Koenma trat vor die beiden hin. Sie überragten ihn bei weitem. Ohne ein Zeichen von Furcht holte er kurz aus und seine rechte Faust traf den massigen Oberkörper Doguors genau über dem Brustbein. Normalerweise hätte das Doguro kaum gespürt und als Antwort nur eine Augenbraue spöttisch gehoben. Doch im Augenblick war er weit unter dem, was er selbst in seiner Zeit als Mensch an Kraft hatte aufbieten können. Der Schlag Koenmas ließ ihn röchelnd in die Knie brechen und nach Luft schnappen.

Goku starrte seinen neu gewonnen Kampfgefährten lediglich ungläubig an, dann wanderte sein Blick auf Koenmas Faust. Konnte dieser schmächtige Bursche so viel Kampfkraft getarnt haben? Er kam nicht dazu, sich weitere Gedanken darüber zu machen, denn schon wandte sich Enma ihm zu. Ehe er reagieren konnte, traf Koenmas Faust sein Brustbein an der gleichen Stelle und mit verwundert aufgerissenen Augen ging er nach Luft schnappend in die Knie.

"So, ihr beiden Helden", sagte der Sohn des Königs der Unterwelt, die Arme vor der Brust verschränkend, "und jetzt möchte ich noch einmal hören, dass ihr in eurem Zustand eine ganze Dämonenarmee vernichten könnt."

"Vielleicht sollten wir zuerst mal etwas essen", keuchte Goku. "Ich habe seit meinem Tod keine anständige Mahlzeit gehabt. Kein Wunder, dass ich immer schwächer geworden bin..." "Und ein kleines Nickerchen täte vielleicht auch gut", stimmte ihm Doguro zu. "Ich habe mich in der Hölle immer nach einem erholsamen Schlaf gesehnt."

"Was zu essen könnt ihr haben", sagte Koenma grinsend und schnippte mit den Fingern. Sogleich flog die große Türe auf und ein gutes Dutzend Dämonen rollte ebenso viele große Servierwagen herein. Glänzende Deckel wurden von großen Servierplatten gehoben und der Duft der unterschiedlichsten Gerichte erfüllte das Arbeitszimmer.

"Langt zu!", forderte Koenma die beiden auf und trat zur Seite. Goku ließ sich nicht zweimal bitten. Mit Augen, deren Glanz jener der edlen Kristallgläser übertraf stürzte er sich auf die Leckereien. Die Stäbchen waren rasch gefunden und flink schaufelte er Fleisch, Gemüse und Reis in sich hinein.

"An deiner Stelle würde ich nicht trödeln", sagte Koenma zu Doguro. "Sonst ist nichts mehr da."

"Aber ... aber macht es überhaupt Sinn als Toter etwas zu essen?", fragte dieser zögernd. "Wir haben ja keinen Bedarf an Nahrung und eigentlich müsste das Zeug ja schwer im Magen liegen..."

"Keine Sorge, ihr werdet es ohne Rückstände verwerten", grinste Koenma und schob Doguro auf einen Servierwagen zu, der noch nicht Gokus Raubzug zum Opfer gefallen war. "Ich weiß, was ich tue."

Noch immer zweifelnd griff nun auch Doguro nach den Essstäbchen und probierte ein Stück vom Omlett. Das Wasser trat ihm in die Augen, so gut schmeckte es. Auch führ ihn war es ewig her, dass er sich diesen schlichten Genuss gegönnt hatte. Seit seiner Dämon-Werdung hatte das Essen für ihn keinen Sinn mehr gehabt. Erst jetzt merkte er, wie sehr er diese angenehme Seite seines menschlichen Daseins vermisst hatte.

Er gab sich einen Ruck und stürzte sich in das Duell um den schnellsten Futterverwerter. "Ist alles zu eurer Zufriedenheit, Koenma-sama?", fragte sein erster Assistent und beobachtete die beiden Männer die verzückt die mit Lugwurz- Saft bestrichenen Brocken des grün schimmernden Gelees in sich hinein mampften.

"Sehr gute Arbeit", nickte Koenma gnädig. "Es war eine gute Idee den Lugwurzsaft so zu verändern, dass er unterschiedliche Erinnerungen an leckeres Essen weckt. Dazu wird den beiden das Energiegelee gut bekommen."

Auch ohne Hilfsmittel und geschulten Sinn für Auras konnte Enma unschwer erkennen, dass die beiden Helden immer mehr zu Kräften kamen. Ihre Schwäche war nicht nur ein Resultat des Kampfes gegen die Wächter der Hölle, sondern lag auch im System der Hölle selbst begründet. Nicht ganz ohne System, denn irgendwie musste ja verhindert werden, dass es den oftmals sehr starken Delinquenten gelang, einfach davon zu spazieren und innerhalb der Hölle Radau zu machen. Trotz ihrer Energiewaffen und ihrem unheimlichen Aussehen waren die Wächter alles andere als unbesiegbar und nur weil sie kontinuierlich die Kraft aus den Körpern starker Verurteilter zog, konnten sie das komplexe System der Bestrafung, der Grenze und nicht zuletzt die Illusion ihrer eigenen Macht am Leben erhalten. Doguro hatte nur deshalb noch so viel Power besessen, weil er sich anders als die meisten Verbrecher nicht gegen das System aufgelehnt hatte. Je unwilliger jemand die Strafe über sich ergehen ließ, je mehr Kraft er durch die Auflehnung vergeudetet, desto mehr konnte ihm die Hölle stehlen.

Goku wiederum war zwar nur sehr kurz in der Hölle gewesen, doch da er sehr viel Kraft gegen die Hölle aufgewendet hatte, war ihm genau diese abhanden gekommen.

Beide, Goku wie Doguro gewannen mit jedem Bissen mehr an Energie zurück. Als die beiden am Ende ihre leeren Teller mit einem zufriedenen Seufzer zur Seite schoben, hatten sie ihr altes Level erreicht.

"Ich fühle mich viel besser", sagte Goku und ließ probehalber seine Aura auflodern. Prompt zersprang die Hälfe des Geschirrs.

"Ts...ts...ts..", rügte Koenma mit erhobenem Zeigefinger. "Deine Frau brauchte wohl nie eine Spülmaschine, wenn sie sich nach jedem Essen neues Geschirr kaufen musste..."

Der Saiyajin hatte den Anstand, betreten dreinzuschauen. "Tut mir leid, Koenma..., aber", er strahlte gleich wieder über das ganze Gesicht, "wir beide sind wieder so stark wie zuvor, jetzt können wir diese hässliche Burg auseinander nehmen."

"Oje...", der Sohn des Königs der Unterwelt rieb sich die Stirn. "Du hast wohl keine Vorstellung davon, was dort auf dich wartet, oder?"

Er setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, nahm die Fernbedienung und klickte in rascher Folge mehrere Tasten. Das reale Bild der Burg verschwand und eine Computergrafik nahm ihren Platz ein. Rings um die Burg wimmelte es von Gegnern, genau wie auf dem echten Bild. Enma drückte drei weitere Tasten und zwei neue Figuren kamen ins Bild.

"He! Das da könnte ja ich sein!", rief Goku und deutete auf die Figur mit den schwarzen Zacken am Kopf.

"Dann stellt das andere mich dar", murmelte Doguro. Er stellte sich hinter Koenma, um einen besseren Blick auf den Schirm zu haben.

Am unteren Rand des Bildes tauchten nun mehrere farbige Balken auf. "Der rote ist euer Leben, der blaue eure Angriffskraft", erklärte Koenma ungefragt. "Die von euren Gegnern habe ich durch besondere Sonden der Beobachtungssonden herausgefunden."

"Das wird ein Spaß!" Goku hatte noch nie viel mit Computern anfangen können, aber zuzusehen wie sein Computer-Ich die Bösen verklopfte, das versprach gute Unterhaltung. Ah, wenn er doch selbst zuschlagen könnte...

Als die beiden Spielfiguren sich ihren Gegnern näheren wurden sie von der Masse eingekreist und die Schlacht begann. Computergoku schwang seine Fäuste und fegte die Monster reihenweise von den Beinen. Wie auf geheime Absprache, machte auch Computerdoguro nicht von seiner stärksten Form gebrauch. Das war auch gar nicht nötig, denn obwohl die Zahl der Bösen riesig war, konnte immer nur eine bestimmte Menge direkt zur Tat schreiten, und außerdem behinderten sie sich gegenseitig. So war es nicht verwunderlich, dass die beiden Spielhelden sich dem Burgtor immer mehr näherten und dabei eine Straße der Verwüstung, gepflastert mit k.o. geschlagenen Monstern zurückließen. Auch das Burgtor hielt ihren vereinten Kräften nicht stand und das Grinsen des echten Goku wurde immer breiter.

Man konnte leider nicht sagen, was im Inneren vor sich ging, weil die beiden im Dunkel eines langen Ganges verschwanden. Doch der Lautsprecher übertrug Kampfesrufe, das schmerzhafte Stöhnen von getroffenen Opfern, das Knacken von Knochen und den dumpfen Laut fallender Körper. Offenbar ging im Inneren alles den gleichen Gang wie draußen.

Doguro bemerkte es als erster. "Goku, schau! Unsere Kampfkraft!"

Sie war sprunghaft in die Höhe gestiegen. "Wir haben uns auf die nächste Stufe gesteigert!", sagte Goku nach einem Blick auf den blauen Balken.

"Das kann nur bedeuten, dass da drin ein paar härtere Brocken sind", schloss Doguro.

Konenma nickte dazu nur. Einen Augenblick später drang ein Schmerzensschrei aus dem Lautsprecher, der Goku zusammen zucken ließ. "Das war ich!"

Sein blauer Balken wurde noch ein Stück länger, im Gegenzug jedoch schrumpfte sein roter Lebensbalken um die Hälfte.

Der nächste dumpfe Schrei ließ Doguro einen halben Schritt zurück weichen. Seine beiden Balken folgten Gokus Beispiel.

Dann ging alles sehr rasch. Schlagartig fielen die beiden blauen Striche auf das Anfangsniveau zurück, der rote Lebensfaden wurde kürzer und kürzer und erlosch...

Zwei Totenschädel drehten sich auf dem Bildschirm im Kreis und es erschienen die Worte: "Wir hoffen, Sie haben die Prämien für ihre Lebensversicherung pünktlich bezahlt."

"So ein Quatsch!" Doguro schlug mit der Faust auf den Schreibtisch, dass alle Aktenberge einen Sprung Richtung Decke machten.

"Wir sollten noch mal von vorn anfangen", sagte Goku und kratzte sich an der Stirn. "Offenbar haben wir vergessen ein paar dieser magischen Items mitzunehmen und die Heiltränke waren auch zu wenige..."

"Zum Donner noch mal!", fluchte Koenma und raufte sich die Haare. "Das war kein Spiel, das war eine Simulation! Es zeigt euch, was passiert, wenn ihr so wie ihr seid, zu zweit die Burg betretet. Was da drin auf euch wartet ist um vieles stärker als ihr."

"Sicher?", fragte Doguro misstrauisch. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass ihn jemand dermaßen übertreffen konnte.

"Kein Zweifel. Die Werte sind eindeutig. Was da draußen rumläuft sind bestenfalls schwache Fußsoldaten. In der Burg drin sitzen die großen Brocken und die sind euch über."

Goku starrte einige Atemzüge lang auf die sich noch immer drehenden Totenköpfe, doch er schien den darüber laufenden Werbetext für verschiedene Einäscherungsinstitute und Buddhistische Bestattungen nicht zu sehen.

"Dann müssen wir eben stärker werden", sagte er schließlich entschlossen. "Gibt es hier einen Ort jenseits von Zeit und Raum oder einen Schwerkraftverstärker?"

"Weder, noch", erwiderte Enma und erklärte Doguro kurz, was es damit auf sich hatte. "Aber ich kann euch das Labyrinth des Drachen anbieten." Wiederum musste die Fernbedinung herhalten und auf einem bislang unbenutzten Schirm tauchte ein gigantisches Labyrinth auf, die hohen Wände der unterirdischen Gänge schienen mal aus Eis, dann aus Feuer und dann wieder aus polierter Finsternis oder kränklichem Grüngrau zu bestehen.

"Das ist der Trainingsraum meines Vaters", erklärte Koenma, "besser gesagt er war es, bevor mein Vater zu groß und schwer wurde, um durch die Gänge zu passen. Wenn es euch gelingt, das Zentrum zu erreichen, dann werdet ihr sehr viel stärker geworden sein."

"Was ist, falls wir es nicht schaffen?", fragte Doguro vorsichtig.

"Dann..", meinte Koenma und deutete auf die sich wiederholende Werbebotschaft, "dann wird von eurer Seele und von euren geschenkten Körpern nicht mehr genug übrig sein, dass sich eine Einäscherung lohnt..."

"Klingt super!", freute sich Goku. Endlich wieder Action. Er war sehr froh, dass er keine strategischen Überlegungen anstellen musste. Doguro schien darin ein Stück besser zu sein als er. "Und wie kommen wir dahin?"

Koenma winkte ihnen, vor seinen Schreibtisch zu treten und fing an, in einer Schublade zu wühlen. "Wo war es doch noch gleich...?"

Als die beiden vor dem Schreibtisch standen und auf eine Erklärung oder einen Plan warteten, zückte er ein schwarzes Kästchen, kaum größer wie seine Handfläche, mit einem roten Knopf. "Es ist ganz in der nähe, keine hundert Meter." Klick. "In die Tiefe gerechnet...."

Der Boden unter ihren Füßen verschwand und ein Sog riss sie mit sich in die Finsternis hinab. "Gute Reise! Und vergesst nicht, mir ein Souvenir mitzubringen!", rief Koenma ihnen noch nach. Zufrieden registrierte er, dass der Boden sich wieder schloss und warf den Öffnungsmechanismus in die Schublade zurück. "Vielleicht hätte ich ihnen einen Imbiss mitgeben sollen..."

****************************++++++++++++

"La'iiiir!" Der junge Mann schreckte hoch und rieb sich die Augen. War das nicht Getsecos Stimme gewesen? Plötzlich fröstelte es ihn und er rieb sich heftig die Arme, um die Gänsehaut zu vertreiben. Was für ein schrecklicher Traum, wie der Dämonenherrscher nach ihm gegriffen hatte, mit Klauen die so kalt und hart waren wie Glas und dann dieses sonderbare Schimmern seines ganzen Körpers... Entschlossen schlug er die Decke zurück und wankte zu dem Wassereimer, um seinen Kopf hinein zu stecken, so als könnte er auf diese Art seine Erinnerung an den bösen Traum vertreiben.

Sein ganzer Körper schmerzte und die schmalen Striche getrockneten Blutes auf seinem Oberkörper zeugten von jenen Momenten, da auch Getsecos Kontrolle über seine Kräfte nachgelassen hatte. Oder war es Absicht gewesen? Immerhin hatte der Dämon mit sichtlichem Vergnügen das Blut der Wunden geleckt, doch da war La'ir schon so außer sich gewesen, dass er keinen klaren Gedanken mehr hatte fassen können.

In diesem Moment setzte das Begreifen ein. Gesteco. Die gestrige Nacht. Schmerz, Vergnügen, so köstliches Vergnügen, dass er glaubte sterben zu müssen.

Mit zitternden Händen suchte er nach der Seife und nachdem er geduscht hatte, wieder und wieder bis er sicher war, nicht mehr nach Schweiß und Blut zu stinken, suchte er frische Kleider.

Als er sich die Kapuze über das Haar zog, hatte er sich wieder soweit in Gewalt, dass er der Wahrheit ins Gesicht sehen konnte. Der Dämon hatte seinen Spaß gehabt. Mehr als einmal. Damit war Getsecos Neugier wohl genügend gestillt worden und damit war auch La'irs Nützlichkeit erschöpft. Wenn nicht ein Wunder geschah, war dieser Tag sein letzter. Ein schwaches Lächeln irrlichterte um seine Mundwinkel. Wie sehr hatte er sich genau das herbei gewünscht? Ein Ende des Terrors, ein Ende der Angst. Aber jetzt, nach dieser Nacht, in der er gespürt hatte, wie viel Leben, wie viel Sehnsucht noch in ihm war, da wollte er noch ein wenig länger davon kosten...

Ein tiefer Atemzug, noch einer. Dann zog er den Knoten seines Gürtels fester und schritt zur Türe. Es mochte vermessen sein, zu hoffen, dass diese Nacht auch etwas in Getseco bewegt hatte, dennoch ... Hoffnung war ein zähes Gewächs. Als er die Türe aufstieß wäre er um ein Haar von einer Gruppe aufgeregter Dämonen über den Haufen gerannt worden. "Was gibt es?", fragte er verwundert.

"Ach, du bist es, La'ir." Der Anführer des sechs Mann starken Trupps schob seinen verbeulten Helm ein Stück zurück. "Hast du es denn noch nicht gehört? Seine Oberste Grausamkeit ist verschwunden." La'ir schnappte erstaunt nach Luft. "Verschwunden? Du meinst, er ist irgendwohin verreist?"

Der grünfellige Dämon schüttelte seinen massigen Kopf, dass die zu Zöpfchen geflochtenen Stirnfransen hin und her flogen. "Wir haben Ausgucke an allen Türmen und Wächter an allen Toren, sogar in den unterirdischen Tunnels wimmelt es von Leuten, so überfüllt sind die Quartiere. Jemand mit der Ausstrahlung des Herrschers wäre niemals unbemerkt da durch gekommen. Jirozz hat uns schon seit Stunden jeden Winkel absuchen lassen, aber es gibt nirgendwo eine Spur."

"Bis auf ihn hier!", ertönte es vom anderen Ende des Flurs. Marami war dort wie aus dem Nichts aufgetaucht, die roten Haare leuchteten wie fast aus eigener Kraft. Dem Jungen wurde es innerlich kalt und heiß zugleich. Soviel Verachtung, Hass und Neid zugleich hatte er noch nie im Blick eines weiblichen Wesens gelesen. Was hatte er ihr denn getan?

"Wie meint Ihr das, Marami", fragte der Patrouillenführer die Stirn runzelnd.

Sie verschränkte die Arme und kniff die Augen zusammen. "Er war doch das Lieblingsspielzeug unseres Herrschers, oder? Wer weiß, vielleicht hatte er auf einmal keine Lust mehr, mitzuspielen und ihr kennt seine Kräfte..."

Prompt wichen die Dämonen einen Schritt zurück und fuhren ihre Krallen aus. La'ir schluckte schwer und schüttelte heftig den Kopf. "Nein, nein ... ich hätte viel zuviel Angst und bevor ich auch nur die Hände zusammenbrächte, hätte Getseco mich in Stücke gerissen. Glaubt mir!"

Marami lächelte fies. "Wer weiß, vielleicht war Getseco während eines kleinen, intimen Augenblicks abgelenkt und das hast du ausgenutzt, du Abschaum vom oben!"

La'ir vermochte nicht zu verhindern, dass sich seine Wangen hochrot färbten. "So ein Quatsch", entfuhr es ihm und heiser fügte er halblaut hinzu, "ich war doch viel mehr abgelenkt als er." Den Dämonen blieb der Mund offen stehen und Marami ging mit einem ekelhaft zischenden Laut in Angriffsstellung.

"Was soll das?", kam von weiter hinten mit einem Mal Jirozz' Stimme. Der hagere Oberdämon trug einen purpurnen Umhang und einen langen, schwarzen Stab, der am oberen Ende mit ein vier langen Schnüren verziert war, an denen faustgroße Totenschädel baumelten. Sie waren in allen Neonfarben bemalt und bei jedem Schritt schlugen sie mit einem seltsamen, hohlen Klang aneinander, bei dem sich La'ir die Nackenhaare aufstellten.

"Wir haben den Schuldigen, Jirozz", sagte Marami grinsend und wies auf La'ir, der seine Hände zu Fäusten geballt hatte und keine Anstalten machte, um seine jämmerliche Existenz zu winseln.

"So, dann ist also keine Spur von Getseco geblieben, wie?", Jirozz lächelte nicht unzufrieden. "Aber nach einem Schuldigen zu suchen ist wirklich schlechter Stil, meine Liebe." Marami zuckte zusammen.

"Nur schwache Menschen finden es schlecht, wenn die Auslese ihre Wahl trifft. Ein Herrscher der Dämonen bleibt nur so lange an der Macht, so lange er einen Fehler macht. Getseco hat offensichtlich einen Fehler gemacht, in dem er diesen Menschen so nahe an sich heran ließ. Die Strafe folgte auf den Fuß. Als zweiter in der Reihe werde ich von nun an den Angriff auf das Jenseits leiten. Oder..." Er drehte den Kopf und warf der recht großen, neugierigen Schar, die sich hinter ihm angesammelt hatte, einen scharfen Blick zu, "oder hat jemand etwas dagegen einzuwenden?"

"Ich!" La'ir trat vor, den Blick starr auf Jirozz' gnadenlose Fratze gerichtet. "Ich habe Getseco nicht verschwinden lassen."

Jirozz leckte sich die Eckzähne. Der Mensch war eigentlich überflüssig, aber Getseco hatte ihn sicher nicht nur als Spielzeug betrachtet. Es wäre leicht, diesen Wurm zu zertreten, aber falls er jetzt schon starb, könnte einerseits ein Nichts gleich hier im Schloss entstehen und alle verschlingen oder die Nichts überall im Jenseits könnten mit ihrem Erschaffer verschwinden. Doch ohne diese Bedrohung würde Enma schwerlich zur Tat schreiten und einen Verzweiflungsangriff auf die Blutfestung wagen. Den König der Jenseits in diesem, ihrem Heimterrain zu stellen, das war ein Eckpunkt ihrer Strategie. Es war unsicher, wie sich der Kampf im Palast Enmas selbst entwickeln würde.

Jirozz war ein eiskalter Taktiker. Er sah, wie sich La'irs Hände in einander verkrampften. Der Wurm hatte noch nicht seine volle Schuldigkeit getan.

"Wie du meinst, ist ja auch nicht wichtig", winkte er also scheinbar gleichgültig ab. "Vielleicht sitzt Getseco wirklich noch irgendwo und beobachtet uns. Vielleicht ist das Ganze ja eine Art Test, wie wir ohne ihn zurecht kommen. Also lasst uns so handeln als wäre er wirklich fort und wir auf uns gestellt." Eine leichte Bewegung ging durch die Menge, jeder lugte verstohlen in alle möglichen Winkel und Ecken, ob nicht irgendwo Getseco lehnte und sich die Hände rieb.

"Auf jeden Fall", fuhr Jirozz fort, "übernehme ich das Kommando. Dich, Mensch, will ich nicht in meiner Nähe haben." Seine Mundwinkel zuckten. "Es wäre nicht in Getsecos Sinn, dich zu töten, aber ich kann dich degradieren. Du da!" Er winkte dem grünfelligen Dämon, der drei Schritte auf den neuen Herrscher zu machte und dann ergeben den Kopf senkte.

"Sehr brav", schnurrte Jirozz. "Wie heißt du?"

"Chrevian", sagte der Angesprochene laut und deutlich. "Patrouillenführer Chrevian."

"Gut, Patrouillenführer Chrevian, das hier ist ab nun dein neuer Rekrut." Der Stab wies auf La'ir. "Drille ihn, damit er ein nützliches Mitglied deines Trupps wird, aber bring ihn dabei nicht um."

Man sah Chrevian an, dass er diesen Befehl für einen Schwachsinn sondergleichen hielt. Doch die Kälte in Jirozz Blick ließ keine andere Antwort zu als ein zustimmendes Knurren. Der Patroillenchef salutierte und wandte sich dann an La'ir, dessen ungläubiger Blick zwischen ihm und Jirozz hin und her sprang.

"Komm mit!", mehr sagte Chrevian nicht, das war auch gar nicht nötig. La'ir ergriff diesen Strohhalm mit beiden Händen und reihte sich wortlos am Ende der Reihe ein.

Jirozz sah der kleinen Patrouille grinsend nach, als sie am oberen Ende des Ganges verschwanden. "Setze diesen Trupp dazu ein, am äußeren Lager Wache zu schieben", sagte er zu Marami. "Ich will so viel Raum zwischen diesem Menschen und mir wie möglich."

Mit verbiestertem Gesicht nickte die Dämonin und warf ihre roten Zöpfe zurück. Es würde schon noch eine Gelegenheit geben, für La'irs raschen Abgang zu sorgen. Auslöschung hin oder her.

"Und da ist kein Irrtum möglich?" Bulma, Yamchu und Kuwabara standen vor einem mächtigen Baumriesen. An einem Ast, sehr, sehr weit oben baumelte verkehrt eiförmiges Gebilde aus rosa schimmernden Material. Es war ungefähr so groß wie alle drei zusammen und verströmte einen eigenartig süßlich- scharfen Geruch.

******************************++++++++++++

Zum wiederholten Male befragte Bulma ihren Radar und schüttelte resigniert den Kopf. "Er muss da drin sein, wahrscheinlich im Königsnest. Jemand hat mir mal erzählt, dass Rubinwespen mit Vorliebe ihre Nester um glitzernde Dinge herum bauen, die irgendwo in Bäumen hängen."

Kuwabara kratzte sich am Nacken. "Was ist so schlimm an diesen Tierchen?", fragte er verwundert. "Sie sind winzig im Vergleich zu den Wespen, die ich kenne und wenn sie sich durch Rauch nicht vertreiben lassen, verbrennen wir einfach ihr Nest und fischen den Dragonball aus der Asche."

Yamchu und Bulma sahen ihn entsetzt an. "In deiner Welt hat es wohl keine Rubinwespen", fragte Bulma seufzend. Sie wies mit einer weit ausholenden Bewegung auf die Überreste eines Dorfes, welche sich in gut einem Kilometer Entfernung befanden. "Was glaubst du, warum sind die Leute hier weg gezogen? Sicher nicht weil sie alle im Lotto gewonnen haben und nun in der Stadt wilde Partys feiern."

Der Rothaarige zog die Brauen hoch. "Wollt ihr mir weismachen, sie haben wegen ein paar Insekten ihr zuhause aufgegeben?" Als beide, Yamchu und Bulma nickten, lachte er unsicher. "Das ist nicht euer Ernst, oder?"

"Schau mal, wir sind hier unten im Moment relativ sicher, weil es so aussieht als würde es gleich regnen. Das einzige, was Rubinwespen nicht mögen, ist Wasser. Daher bleiben sie bei Schlechtwetter im Nest. Bei dieser Größe, ein größeres Nest habe ich noch nie gesehen, müssen das an die Millionen Rubinwespen sein. Das Heimtückische an ihnen sind nicht ihre winzigen Stachel, die kaum die Haut ritzen, es ist ihre Rückenblase." Bulma fischte aus den Weiten ihres Werkzeuggürtels eine Pinzette heraus und hob damit, so vorsichtig als wäre es dünnstes Glas, den winzigen, gekrümmten Körper einer toten Rubinwespe von einem Blatt. "Seid vorsichtig, dass ihr nicht auf eine tretet.

Normalerweise verliert das Zeug seine Wirkung eine Weile nach ihrem Tod, aber wir wollen kein Risiko eingehen." Sie hielt Kuwabara das Insekt vor die Nase. Er kniff die Augen zusammen und dann bemerkte er die rot schimmernde kugelige Erhebung zwischen den Flügeln. Der Rest des gut fünf Millimeter langen Körpers war komplett schwarz. Er fing Bulmas fragenden Blick auf und deutete mit dem Zeigefinger auf den roten Fleck. "Das da?"

Im Nu riss Yamchu seinen Arm zurück. "Bist du Lebensmüde? Niemand berührt eine Rubinwespe an der Stelle, ohne zuvor sein Testament gemacht zu haben. Schau wie Bulma das Ding hält, sie hat es am Hinterleib in der Zange, das ist so ziemlich die sicherste Stelle."

"Schon gut!", Yamchu machte sich frei und trat einen Schritt zurück. "Was genau ist denn so gefährlich an diesen Tierchen?"

"Die kleinen Teufel verteidigen sich auf zweierlei Arten", erklärte Bulma im besten Dozententonfall. Wenn sie sich bedroht fühlen, fliegen sie bei Schönwetter ins Sonnenlicht und irgendwie können sie die Blase so ausrichten, dass die Flüssigkeit darin normales Licht in Laserstrahlen verwandelt. Sie sind nicht mal so dick wie ein Haar, also schließen sich die Wunden meist rasch wieder, aber wenn viele, viele Rubinwespen ihr Nest verteidigen, sehen wir alle bald aus wie Siebe."

"Aber es hat im Moment kein Sonnenlicht, oder? Da können sie nicht mit diesen Strahlen auf uns schießen", warf Kuwabara vorsichtig ein.

"Das wusste die Evolution auch", belehrte ihn Bulma. Sie fixierte die Pinzette, sodass diese das Insekt auch noch festhielt, wenn man den griff löste. Dann sah sie Yamchu auffordernd an und deutete mit dem Kopf in Richtung des Dorfes. Der schwarzhaarige Kämpfer schluckte und nahm ihr vorsichtig die Pinzette ab. "Nicht zittern!", ermahnte sie ihn, als er weit ausholte und die Pinzette mitsamt dem Insekt gegen eine der Hausruinen schleuderte.

"Aufpassen!", sagte sie Kuwabara zu. Keine Sekunde zu früh. Die Pinzette prallte mitsamt dem Insekt gegen die zerfallene Mauer, es gab einen heftigen Druck auf die rote Stelle und .... KAWUMM!!! Kuwabara zuckte zusammen und presste die Hände auf die Ohren. Als sich der Qualm verzogen hatte, stand von der Hausruine kein Stein mehr auf dem anderen. Ein rauchender Trümmerhaufen, mehr war nicht geblieben. Erst jetzt fiel ihm auf, dass es einige ähnlich geformter Haufen zwischen den noch halb intakten Gebäuden gab. Da diese von Unkraut überwuchert waren, hatte er sie vorher nicht genau angeschaut.

"Woraus genau diese Flüssigkeit besteht, weiß bis heute niemand", erklärte Bulma und rieb sich den Schweiß von der Stirn. "Aber alle Wissenschaftler sind sich einig, dass dies die gefährlichste Flüssigkeit der Welt ist. Diese Wespe war schon ein paar Stunden tot, also hatte ihre Blase nicht mehr die ganze Power. Eine frische Wespe hätte noch zwei Häuser mehr dem Erdboden gleich gemacht. Und jetzt", sie sah Kuwabara freundlich lächelnd an, "und jetzt lade ich dich ein, mit beiden Händen in dieses Nest zu greifen..."

**********************************************+

Wer wird der nächste sein? Keiner der drei sprach den Gedanken aus, doch er geisterte in ihren Köpfen. Kurama, Piccolo und Vegeta schritten Seite an Seite durch den Nebel. Hiei und Yusuke, die ihre Prüfung bereits hinter sich hatten, waren ein bisschen zurück geblieben, so als ob sie nicht stören wollten.

Vegeta verbarg sein bohrendes Unbehagen hinter einer Maske aus Eis. Kurama spielte mit seiner Rose, die er innerhalb von Sekunden in seine Rosenpeitsche verwandeln konnte und Piccolos Gesicht zeigte eine Mischung aus Konzentration und Sorge.

"Täusche ich mich, oder wird der Nebel dicker?", fragte Kurama nach einer Weile. Piccolo fuhr mit der Hand durch die wabernden Schleier, die sich nur kurz teilten und gleich wieder schlossen. "Kann sein, obwohl ich nicht verstehe, welchen Zweck das haben sollte..." Er kniff die Augen zusammen. War da vorne nicht ein Licht? Sein schon etwas hungriger Körper reagierte auf den Schein und er machte ein paar rasche Schritte vorwärts.

Plötzlich fegte ein kalter, feuchter Hauch durch den Nebel, wirbelte ihn auf und bildete für ein paar Augenblicke eine Wand wie aus Watte zwischen Piccolo und dem Rest der Gruppe. "Was ...?", murmelte der Namekianer erstaunt. Diese Art von Training konnte ihm langsam gestohlen bleiben.

"Ich weiß", erklang auf einmal eine heisere Stimme aus dem Halbdunkel, das vor ihm lag. "Dir wird es auch nichts nützen..."

Piccolo kniff die Augen zusammen. Diese Stimme kannte er doch! "Komm heraus!", rief er und straffte die Schultern.

Schlurfende Schritte kamen näher und eine leicht gebückte Gestalt schälte sich aus den Schatten. Gott.

Piccolo trat unwillkürlich einen Schritt zurück und griff sich an die Brust.

"Keine Sorge", lächelte der verrunzelte Namekianer vor ihm, "ich bin nicht real. Ich bin nur der Spiegel deiner Ängste. Mein Körper ist immer noch ein Teil von dir."

"Genau wie meiner", ertönte eine weitere Stimme, kräftiger und jünger. Neil erschien neben Gott und sah ihn mit den ruhigen, ernsten Augen an. "Wir geben wieder, was in deiner Seele vor sich geht. Piccolo..."

"Und das wäre...?", Piccolo zwang sich zur Ruhe. Er hatte mit vielem gerechnet, damit ansehen zu müssen, wie seine Rasse auf ihrem neuen Planeten starb oder wie Gohan umkam. Doch auf diese Situation war er nicht vorbereitet. Wie um alles in der Welt sollte das Erscheinen dieser beiden Gestalten seine Ängste darstellen? Sie bedrohten ihn ja nicht ...

"Natürlich nicht", erwiderte Neil, so als ob er Piccolos Gedanken gelesen hätte. "Warum sollten wir dir etwas antun wollen? Nur wenn du überlebst, haben auch wir eine Chance..."

"Also was wollt ihr sonst?", fragte Piccolo und sein Blick wanderte misstrauisch zwischen den beiden hin und her. "Was wollt ihr mir zeigen?"

"Deine Art zu trainieren...", begann Gott und wies auf die rechte Felswand. Wie auf Befehl leuchtete diese auf und wurde durchsichtig. Dahinter, wie durch ein gigantisches Fenster sah man eine öde Wüstenlandschaft. Auf einem roten, staubigen Felsen saß eine kleine grüne Gestalt mit weißem Umhang und weißem Turban. Die Ruhe, welche von der Gestalt ausging währte nur einen Augenblick. Dann sprang sie auf, spannte die Muskeln an und konzentrierte sich. Eine machtvolle Aura umgab sie und einen Atemzug später spalteten sich drei Duplikate von ihr ab. Die nun vier Piccolos, kämpften nun gegeneinander in einem Schlagabtausch, dem ein normales menschliches Auge nicht mehr zu folgen vermochte. Sie traten, sie schlugen, sie duckten sich und sie beschossen sich mit Energie, die Felsen zu Krümeln zermalmte und Krater in den roten Sand brannte. Dann, standen sie keuchend in einiger Entfernung zueinander, das Original schloss die Augen und die drei Kopien verschmolzen wieder mit ihm.

"... hat dich nicht weiter gebracht", beendete Gott seinen Satz. Die Felswand wurde wieder dunkel. "Das ist nicht wahr!", erklärte Piccolo kopfschüttelnd. "Ich bin stärker geworden, ich habe Raddiz besiegt..."

"Du hast was..?", lachte Neil und wies auf die linke Felswand. Es flimmerte grau, wie auf einem Bildschirm ohne Empfang. Sobald der noch immer lachende Namekianer mit den Fingern schnippte war auf einmal ein Bild da. Es zeigte den Kampf zwischen Raddiz, Goku und Piccolo. "Er hat dir den Arm abgetrennt und wenn Goku ihn nicht gehalten hätte, wärst du niemals in der Lage gewesen, deine langsame Attacke einzusetzen. Deine Kräfte waren hier zu schwach", sagte Neil und es klang weder spöttisch noch anklagend. Es war einfach eine schlichte Tatsache. Piccolo nickte langsam...

Der andere Namekianer schnippte nochmals und das Bild wechselte zu Piccolos Training mit Gohan. "Hier kann man dir zugute halten, dass du in erster Linie ihn und nicht dich trainiert hast", kam es halblaut von Neil. "Dennoch war das Ergebnis verheerend...." Und wieder Bildwechsel, diesmal zu Piccolos Tod. "Eigentlich ein edles Opfer, aber wenn du stärker gewesen wärst, wenn du ein besserer Lehrer gewesen wärst, hättest du mehr zustande gebracht, als nur ein schwaches Schutzschild zu sein..."

Diesesmal atmete Piccolo scharf ein. "Ich bin ja wieder zurück gekommen."

"Aber bist du auch stärker zurückgekommen?", fragte Neil und gab dann selbst die Antwort. "Nein, das bist du nicht, zumindest nicht stark genug. Du hast es gespürt, auf Namek. Deshalb hast du die einige Art gewählt, die dich wirklich stärker macht. Du bist mit mir verschmolzen." Nun zeigte der Bildschirm diese Szene und gleich danach kam ein Ausschnitt vom Kampf gegen Freezer. "Du warst nicht schlecht, wir beide waren nicht schlecht. Aber wir waren nicht gut genug..." Freezer tötete Piccolo um ein Haar und brannte ein Loch durch dessen Brust.

"Wir sind noch mal davon gekommen", sprach Neil nun weiter. "Knapp und angeschlagen, dank unserer Freunde. Seitdem habe ich mich nicht mehr gerührt und ich wette, du hast schon fast vergessen, dass ich immer noch da bin, dass mein Ich nicht erloschen ist... in dir."

"Neue Gegner", mischte sich nun auch Gott ein, "neue Gegner würden auftauchen und du hast dein Training geändert, du hast mit Goku und Gohan trainiert, eine lange Zeit ..." Er klatschte in die Hände und sogleich wurden Ausschnitte aus dieser Trainingsphase gezeigt. "Doch als die Cyborgs kamen, warst du nur ein minderes Spielzeug für die und kein Gegner..."

Zum ersten Mal zeigte Piccolo eine Reaktion. Beim Anblick seiner schwachen Gestalt und wie hilflos er den Cyborgs gegenüber war, ballte er die Fäuste. Es war so demütigend gewesen, nach all dem harten Training...

"... aber du hast die Zeichen der Zeit erkannt und dich mit mir vereint. Wir waren wieder eins. Und das hat dich weiter gebracht. Durch die Fusion warst du nun der stärkste des Teams. Für kurze Zeit."

"Doch schon bei Cell konntest du nichts ausrichten, hast zusehen müssen, wie Gohan kämpfte, zusehen müssen, wie Goku schon wieder sich geopfert hat", seufzte Gott und klatschte, um diese Szenen vorzuführen.

"... und das nach all dem Training, das du durchgemacht hast. Du hast dich geteilt, du hast dich mental gesteigert, aber tief in dir hast du es seit der Verschmelzung mit mir geahnt", sagte Neil und verschränkte die Arme. "Die einzige Möglichkeit für dich, wirklich stärker zu werden, ist die Fusion, aber Dende ist kein Partner für dich und ohne ihn wären die Dragonballs verloren." Piccolo trat betroffen noch einen Schritt zurück. "Ich kann, ich kann mich auch ohne Fusion steigern. Ganz sicher."

"Wirklich?", fragte Gott und es klang eher mitleidig. "Oder sagst du das nur, weil du außer Dende niemanden zur Hand hast?" Er und Neil sahen sich an und nickten. Mit einem Schlag war der Ganng hinter ihnen voll mit jungen, kräftigen Namekianern.

"Wir wollen dir helfen stärker zu werden. Piccolo!", riefen sie wie aus einem Mund. "Verschmelze mit uns und du bist in der Lage diese Welt zu retten. Du wirst nur stärker durch uns. Vergiss dieses Training, vergiss diesen langen Marsch. Es gibt für dich nur den einen Weg..."

"Nein, nein!" Mit weit aufgerissenen Augen streckte Piccolo abwehrend die Hände aus. "Zwei sind genug, noch mehr und ich könnte ... ich könnte..."

"Du könntest dich verlieren?", fragte Neil ruhig.

"Das ist es, nicht wahr", fügte Gott hinzu, "du hattest schon bei mir große Angst davor. Jede neue Verschmelzung könnte dein ich verändern. Du wärst nicht mehr Piccolo wie ihn deine Freunde kennen, wie ihn Gohan verehrt." Er schüttelte seufzend den Kopf. "Eine schlimme Sackgasse für dich. Ohne Verschmelzung wirst du immer ein Klotz am Bein sein für Goku, für Vegeta für deine neuen Kampfgefährten..."

"Was willst du tun? Dein Ich retten oder die anderen?", fragte Neil und sein Blick war nun hart und bohrend.

"Weiter zwecklos durch den Tunnel laufen, oder nach Namek reisen, um dort auf die einzige Art stärker zu werden, die es für dich gibt?", fragte Gott und ein warnendes Leuchten erschien in seinen Augen.

Piccolo presste die Handflächen auf die Schläfen und seine Fühler bebten. "Ich weiß es nicht! Ich will den anderen helfen, ich will nützlich sein, aber ... aber..."

"Du kannst der alten Hexe vertrauen", erklang mit einem Mal hinter Piccolo Yusukes Stimme. Der dicke Nebelvorhang teilte sich und die anderen traten zu Piccolo. "Genkei hat noch nie versagt, wenn sie für ihre Schüler ein Programm entworfen hat", sagte der dunkelhaarige Junge ruhig.

"Das unterstreiche ich voll und ganz", sagte Kurama und lächelte Piccolo ermutigend zu. "Sie hat ein paar Nichtsnutze von Dämonen so gut ausgebildet, dass ich sie als Geheimwaffe einem der großen Herrscher der Dämonenwelt andrehen konnte. Glaube mir, wenn sie sagt, dass dieser Weg für uns passt, dann stimmt es."

"Sie dir nur mal die Aura dieser beiden an", sagte Vegeta mit einem Wink auf Yusuke und den schweigsamen Hiei. Man hörte seinen Neid heraus.

Piccolo konzentrierte sich und atmete scharf ein, als er die neue Kraft spürte, die von den beiden bereits Geprüften ausging.

Vegeta nickte. "Was dieser Dämon und dieser halbe Mensch schaffen, das kriegst du auch noch hin, oder? Auf Goku kann ich ja nicht zählen, wenn wir wieder zurück sind und ich sollte einen anständigen Gegner haben, für ein paar Trainingsrunden. Immer nur in der Kammer wird mit der Zeit öde..." Piccolo betrachtete seufzend seine blasser gewordenen Hände. Er war weder ganzer Dämon noch halber Mensch. Er war auch kein Saiyajin.

"Ich bin auch etwas nervös", sagte Kurama und legte ihm die Hand auf die Schultern. "Als Fuchsgeist in Menschengestalt habe ich nie so richtig zu Hiei und Yusuke gepasst. Dass ihr beiden dabei seid beruhigt mich irgendwie. Du kannst Genkei vertrauen. Sie ist die erfahrenste Trainerin, die ich kenne."

"Er kann euch nicht glauben", kam es aus Gottes Mund. "Ich weiß es, denn ich bin ein Teil von ihm. Er hat nie anderen vertraut, daher macht es ihn ja so verrückt, sich auf weitere Verschmelzungen einlassen zu müssen."

"Wen wundert es", fragte Vegeta verächtlich. "Mit einem Dörrpflaume wie dir verschmelzen zu müssen, wäre für jeden ein Alptraum. Ein Glück, dass ich nie auf so etwas Lächerliches angewiesen sein werde. Fusionen sind nur was für schwaches Gemüse wie euch..."

"Wie sicher bist du dir da?", fragte Neil freundlich. "Vielleicht können auch Saiyajins verschmelzen?"

"Da es nur noch mich und Goku gibt", grinste Vegeta gelassen zurück, "kannst du dir diese dumme Idee gleich aus dem Kopf schlagen."

Die große Zahl an jungen Namekianern war für kurze Zeit ins Stocken geraten. Jetzt ging ein Ruck durch sie hinurch und sie kamen mit festen Schritten unaufhaltsam auf Piccolo zu. "Fusioniere mit uns! Dann bist du unbesiegbar... dann bist du..."

"Vergesst es!" Piccolo riss die Hände hoch und schickte eine Zahl von blauen Energieblitzen auf die grüne Schar zu. Ohne einen Laut von sich zu geben verschwanden sie im Nichts. "Vorläufig", sagte Piccolo und ballte die Fäuste, während sein Blick zwischen Gott und Neil hin und her wanderte.

"Vorläufig sind wir genug. Ihr seid nicht irgendwer gewesen, ihr beide wart stark und ich respektiere euch dafür. Auch dich, Neil, obwohl ich dich damals nicht kannte. Durch dich habe ich Erinnerungen an ein Leben auf Namek. Und außerdem", und jetzt grinste er beinahe, "und außerdem heißt es doch, dass aller guter Dinge drei sind, oder?" Er tat einen raschen Schritt auf die beiden zu und packte sie an den Händen. "Mag sein, dass ich tief drin Angst davor habe, dass ich allein nicht genug bin, um diese und damit auch Gohans Welt zu beschützen. Aber ich habe ja euch, oder?"

"Endlich....", kam es aus Gottes Mund und er verblasste zu einem Schemen, der mit Piccolo verschmolz.

"... hast du verstanden", flüsterte Neil und folgte Gottes Beispiel. Piccolo kreuzte die Arme vor der Brust, atmete tief durch und brach zusammen.

Ende des neunten Kapitels