Disclaimer: siehe Kapitel 1

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Maedhros lehnte sich an den Türrahmen und schaute nach oben. Finwe war nun in den Hallen Mandos, unwiederbringlich. Der Schmerz und die Schuldgefühle saßen tief und er konnte sich vorstellen, wie das Volk der Noldor sich ohne ihren König fühlen musste.

Eine große Last lag jetzt auch auf seinem Vater, Finwes Sohn, der dieses Volk nun rechtmäßig führen müsste. Maedhros wusste aber auch, wie er dort so stand und seinen Vater beobachtete, dass dies nicht in dessen Willen war.

Erst die aufrührerischen Reden gegen die Valar und jetzt die Vorkommnisse des heutigen Tages. Feanor liebte seine Silmaril mehr als alles andere und dass ihm jemand diese Steine nehmen könnte, war für ihn eine unvorstellbare Qual.

Und nun war sein Vater getötet worden, getötet von Morgoth.

"Vater.." sagte Maedhros wieder, nicht sicher ob er jetzt mit seinem Vater reden konnte.

Feanor drehte sich hasserfüllt um.

"Was willst du.." brachte er verzerrt hervor und kniete dann vor dem Podest mit den Silmaril nieder.

"Mein Werk.." hörte Maedhros ihn flüstern. "Mein Werk und kein lebendes Wesen wird sie mir je nehmen können...MAEDHROS!!" Dieser zuckte unter dem plötzlichen Schrei und der Schärfe der Stimme zusammen. "Mein Vater ist tot...und du...du warst dabei und hättest ihn retten können!!"

Feanors Stimme brach ab, der Wahnsinn in seinen Augen war von einem auf der anderen Augenblick erloschen. Er brach zusammen, eine Hand nach oben zu den Silmaril gereckt. "Mein Werk...mein Vater..." Er krümmte sich zusammen und seine Lippen öffneten sich zu einem stillen Schrei.

Maedhros zog sich zurück. Er musste einsehen, dass in dieser Situation nicht mit seinem Vater zu reden war. Doch einmal mussten die Umstände geklärt werden, musste gesagt werden wie ihre Zukunft aussehen mochte. Maedhros ging durch die Dunkelheit.

Leise strich der Wind durch die Blätter, doch sehen konnte er die Bäume nicht. Der Wind trug Klagelaute an sein Ohr, Elben, die um das erloschene Licht trauerten und weinten. Maedhros blieb stehen und hielt sein Gesicht in den Wind. Der Kampf und die Geschehnisse des Tages hatten auch beim ihm Spuren hinterlassen.

Der Wind war ungewöhnlich kühl, oder vielleicht kam es Maedhros nur so vor, als er sich erschöpft auf das weiche Gras sinken ließ. Am Himmel strahlten schwach die Sterne, nur ein sehr kümmerliches Licht im Gegensatz zu dem, das sie verloren hatten, aber trotzdem wunderschön...

Maedhros seufzte und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Großvater hatte den Anblick der Sterne immer geliebt... Wie schön musste es damals gewesen sein, dort in Mittelerde, wo es nicht die Fesseln gab, die einen hier banden, wo man tun und lassen konnte was man wollte... Maedhros spürte, wie ihm Tränen die Wangen herunterliefen. Schnell wischte er sie weg. "Du bist doch kein kleines Kind mehr!" tadelte er sich selbst und begann dann, eher unbewusst, mit leiser Stimme zu singen, alte Lieder, wie sie die Quendi am Anfang der Zeit unter den Sternen gesungen hatten. Wer hatte sie ihm beigebracht? Maedhros wusste es nicht mehr und es kümmerte ihn nicht. Eine sonderbare Ruhe senkte sich über ihn, etwas, das er seit langem nicht mehr gespürt hatte. Kurz darauf war er eingeschlafen...

Es klopfte an der Haustür. Überrascht sah Maglor von seinem Buch auf. Wer konnte das sein? Seine Brüder und Vater kamen fast immer durch die Hintertür herein und Besuch erwarteten sie auch nicht. Es klopfte wieder. Seufzend legte Maglor sein Buch beiseite und öffnete. Ein Elb, den er nicht kannte, stand dort und verbeugte sich.

"Eine Botschaft für König Curufinwe Feanor. Es ist von äußerster Wichtigkeit." sagte er langsam, das Wort ,König' besonders betonend. Dann überreichte er Maglor eine versiegelte Schriftrolle und verschwand blitzschnell wieder. Erstaunt sah Maglor erst die noch offene Tür und dann die Schriftrolle an. Was war denn nun los?

Maglor entschloss sich nach langem Zögern, die Nachricht seinem Vater sofort zu überreichen. Er wusste, dass Feanor sicher ungern gestört werden wollte, doch wenn diese Botschaft wirklich so wichtig war...

Während er die Treppen zum Arbeitszimmer seines Vater hinaufstieg überlegte Maglor, ob er die Schriftrolle vorher lesen sollte, ließ aber schnell wieder von dem Gedanken ab, denn dann hätte er das Siegel brechen müssen, was sicherlich auffällig gewesen wäre. Als er das Zimmer erreicht hatte, bemerkte Maglor verblüfft, dass die Tür offen war. Vorsichtig spähte er in den Raum hinein und sah Feanor auf dem Boden sitzen, den Kopf in die Hände gestützt. Obwohl er das Kommen seines Sohnes bestimmt gehört hatte, reagierte er erst, als Maglor laut, wenn auch mit zitternder Stimme, seinen Namen rief. Feanor stand auf, wie in Trance, und ging zu seinem Sohn hinüber.

"Ein... eine Botschaft für dich... Vater." sagte dieser zögernd.

Feanor nahm die Schriftrolle, öffnete sie langsam und las. Ein Wutschrei entfuhr seiner Kehle.

"DIESE VERDAMMTEN...!"

Erschreckt wich Maglor einige Schritte zurück.

"Was bilden sich diese verfluchten Valar" Feanor spie das letzte Wort förmlich aus "ein wer sie sind? Diese heuchlerischen Kreaturen wollen MEIN WERK!!! Aber sie werden es nicht bekommen! Oh nein..."

Maglor stand fassungslos auf seinen Vater starrend an der Tür. Feanor begann, wütend, fast wie im Wahn auf seine Hände starrend die Schriftrolle der Valar zu zerreißen.

"Aber Vater.." entfuhr es Maglor.

"Du denkst, dass darf ich nicht? Du denkst ich sollte ihrem Wunsch nachgehen, ja? GIB ZU DASS DU DAS DENKST!!"

Die letzen Worte hatte er geschrieen und Maglor zuckte zusammen. Er kannte seinen Vater gut, wenn er ihn auch nicht so verehrte wie sein Bruder Maedhros, und er wusste wieviel ihm die Steine bedeuteten..

"Nein, sie werden sie nicht bekommen...sie wissen nicht, was mir die Silmaril bedeuten... niemand kann dies nachvollziehen, denn keine Hände schufen ein vergleichbares Werk...das so wunderbar ist wie meins...Nein...Nein...."

Feanor starrte auf die Fetzen, die verstreut auf dem Boden lagen, dann sah er sich im Zimmer um. "Bin ich hier sicher?" flüsterte er. "Werden mich die Valar dennoch zwingen....was waren die Reden Morgoths...die abtrünnigen Reden gegen die Valar...vielleicht durchschaut er sie mehr als jeder andere in Valinor..."

"Vater, was redest du da?"

Feanor sah erstaunt zu Maglor, so als hätte er ihn schon fast wieder vergessen. "Ich weiß nicht, mein Sohn...ich dachte an Morgoth und an das was er über die Valar sagte..."

Maglor blieb stumm, unfähig etwas zu sagen, denn er wusste, dass Feanor Melkor eigentlich mehr als alles andere hasste. Aber seine Silmaril schienen eine so große Macht auf ihn zu haben, dass sie selbst dies veranlassen konnten.

Da hörten Maglor und Feanor, dass unten die Tür geöffnet wurde und jemand hereinkam. Dann kamen leichte, schnelle Schritte die Treppe hinauf und Maedhros erschien neben Maglor.

"Was ist geschehen?" fragte er schnell, denn er sah wie es Feanor ging und wie verwirrt sein Bruder war.

"Die Valar haben ihn erneut um die Steine gebeten...Vater hatte bereits die Gedanken, dass Morgoth doch Recht haben könnte mit seinen Reden..."

Maedhros musste sich beherrschen. Am liebsten hätte er jetzt seinen Vater gepackt und ihn angeschrieen, dass Melkor niemals Recht hatte und dass Melkor der Feind aller war.

Er versuchte ein paar Worte mit ihm zu wechseln, doch dann ließen Maglor und Maedhros ihn allein. Auch sie beide fühlten die Anstrengung und die Trauer der letzten Tage in den Knochen und wünschten sich nichts sehnlicher als noch einmal die goldenen Tage von Aman zu erleben. Doch dies war für immer vergangen wie es schien.

Als die beiden vor das Haus traten und miteinander sprachen, bemerkte Maedhros, dass auch seinem Bruder stille Tränen die Wangen herunter liefen.

"Was glaubst du, wie es weitergehen wird?" fragt er seinen Bruder und berührte ihn dabei vorsichtig an der Hand.

"Ich weiß es nicht, Maedhros."

Eine große Verzweiflung machte sich in Maedhros breit und er hoffte, dass sein Vater eine Entscheidung treffen würde. Feanor würde er niemals in seinem Leben alleine lassen, dazu liebte und verehrte er seinen Vater zu sehr.

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Tbc.

by Nimloth und Finlass