Disclaimer: Immer noch nicht unseres. Und das wird es wohl auch nie werden. Schade eigentlich... andererseits... die Verantwortung für so viele Elben, Menchen, Zwerge, Hobbits, Orks, Ents etc. zu übernehmen...
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Hethwyr begab sich an die Segel und löste sie. Riael ging zum Steuer und nahm Kurs von der Bucht weg auf. Feanor kümmerte sich um seinen Sohn, der von Schmerz gezeichnet an der Bootswand niedergesunken war.
Langsam glitt das Boot über das ruhige Wasser und schon bald war nichts mehr von dem Lärm des Hafens zu hören, wenngleich immer noch der sanfte Schein der Laternen die Wellen erleuchtete.
Feanor stand nachdenklich am Bug des Schiffes und hatte die Hände auf die Bootswand gestützt. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Es blieb nur zu hoffen, dass Ulmo ihre Reise nicht entdecken würde und das Meer ihnen wohlwollend gesinnt war.
Riael und Hethwyr unterhielten sich leise über ihrer Kurs und Feanor war froh, damit nichts zu tun zu haben. Er schaute sich zu Maedhros um, der sich an der Bootswand niedergelegt hatte und schlief. Auch Feanor suchte sich ein ruhiges Plätzchen um sich zur Ruhe zu begeben.
Nach einer Zeit die er nicht bemessen konnte, wurde er wieder wach.
In der Ferne sah er beim Aufrichten die Lichter der Elbeninsel Tol Eressea schimmern und ging zu Hethwyr, der grade am Steuer stand.
"Sind wir außer Sichtweite?" fragte er ihn.
"Natürlich nicht...aber ein anderer Weg ist ein zu großer Umweg für uns."
"Ich denke nicht, dass sie uns entdecken werden." bemerkte Riael, der eben dazugekommen war. "Und selbst wenn, was würde sie das interessieren? Sie sind sicher zu sehr mit sich selbst beschäftigt." In seiner Stimme klang ein Hauch Bitterkeit mit. Feanor fragte sich, woran dies liegen konnte. "Mir macht etwas anderes Sorgen." sprach Riael weiter "Ein Sturm braut sich zusammen, ich fühle es."
Schwachsinn, hätte Feanor beinahe gesagt. Während er auf die Reling ging, um seinen Sohn zu wecken- wenn es wirklich ein Unwetter gäbe war der Platz an der Bootswand einer der unsichersten, den es auf dem ganzen Schiff gab - wunderte er sich, was mit ihm los war. Früher hätte er solche Gedanken nicht gehabt. Früher... früher, als noch alles anders war... Etwas huschte durch Feanors Geist, ein Bild von neun Gestalten- seine so früh verstorbene Mutter Míriel, seine geliebte Ehefrau Nerdanel, seine sechs in Aman bleibenden Söhne, und Finwe, sein Vater, den er über alles in der Welt geliebt hatte... Sie alle waren so weit weg... unerreichbar... wie er sich wünschte, bei ihnen sein zu können, nicht hier draußen auf dem dunklen Meer, ständig auf der Flucht, ohne Rast und Frieden...
"Vater? Ist alles in Ordnung?" Maedhros' besorgte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
"Natürlich." erwiderte Feanor und stellte sich neben seinen Sohn, der, mit beiden Händen auf die Reling gestützt dastand. Er schien schon seit geraumer Zeit wieder wach zu sein.
"Schau!" sagte Maedhros nach kurzer Zeit "Dort hinten, im Norden, da sind Wolken..."
Tatsächlich waren weit hinten, beinahe außer Sichtweite, Wolken aufgezogen. Riaels Theorie von dem Sturm schien plötzlich gar nicht mehr so abwegig.
"Riael meint, es braue sich ein Sturm zusammen." bemerkte Feanor "Es wäre besser wenn du..."
Eine einzelne kräftige Windböe und eine kurz darauf folgende riesige Welle ließen das Schiff gefährlich schwanken.
"Wenn ich was?" erkundigte sich Maedhros in einem Tonfall, den sein Vater nicht zu deuten vermochte.
"Wenn du dich nicht so nah an der Reling aufhältst." meinte Hethwyr, der seinem Freund das Steuer überlassen hatte und sich nun an den Segeln zu schaffen machte. Keiner der beiden Noldor hätte sagen können, was genau er tat, sie verstanden sich nicht auf die Schifffahrt. Ehrlichgesagt waren weder Feanor noch Maedhros je auf einem Schiff gewesen.
Der Wind wurde spürbar stärker und das Wasser immer unruhiger. Bald schon zogen die Wolken über sie hinweg und verdeckten die Sterne. Feanor erkundigte sich bei Hethwyr, ob er irgendwie behilflich sein könne, aber der Teleri schüttelte den Kopf. Eine Person mit so geringen Schifffahrtskenntnissen wäre momentan eher eine Last als wirkliche Hilfe. Daher wies Hethwyr Feanor an, ruhig zu bleiben und sich um seinen Sohn zu kümmern.
Und dann kam er, der Sturm....
Er kam mit solcher Wucht, dass Feanor und Maedhros sich nur noch auf den Boden geworfen fühlten und versuchen konnten, sich irgendwie an den Planken festzuklammern. Riael hielt tapfer am Steuer aus und versuchte das Schiff vor dem Kentern zu bewahren.
Das Meer war schwarz, auf den peitschenden Wellen tanzte grauer Schaum. Der pechschwarze Himmel wurde von grellen Blitzen zerrissen, die eine Wolkenwand beleuchteten, die sich bis zum Horizont zog. Mit letzter Kraft zogen Hethwyr und Riael die Segel ein. Das Schiff wurde hin- und hergeworfen, ächzte, die Planken stöhnten unter jedem neuen Schlag.
Feanor hatte Angst. Er hatte Angst: Angst um sein Leben, um seine Steine und am Allermeisten um seinen Sohn. Er war die letzte vertraute Person die ihm von allen, die er liebte, geblieben war und er hatte schrecklich Angst seinen Sohn jetzt auch noch zu verlieren, in diesem Sturm. Solche Gefühle waren völlig neu für und sie verwunderten ihn auch. Wenn er aber zu Maedhros hinübersah, der sich krümmte und festklammerte, dann fühlte er immer einen neuen Stich im Herzen. Er würde jetzt gerne etwas tun, doch er wusste nicht was.
Mittlerweile hatten auch die Teleri das Steuer aufgegeben und versuchten, sich auf dem Schiff halbwegs in Sicherheit zu bringen. Die Pferde rissen panisch an ihren Stricken und bäumten sich wie im Wahnsinn auf. Langsam, und immer Halt suchend, kroch Feanor zu ihnen hinüber und flüsterte ihnen ein paar beruhigende Elbenworte zu. Tatsächlich wurden die Pferde stiller und lauschten seiner Stimme. "Gwaun daw anor feanol." (dt. Vergangene Finsternis, strahlende Sonne) (Anm. Nîm: Gwaun heißt vergangen,ich habs mal angepasst,OK?)
Auch Feanor selbst wurde ruhiger und seine Panik, seine Verzweiflung legte sich. Er sah zu Maedhros hinüber, der unbewegt auf den Planken lag. Feanor stieß einen Schrei aus. Er wollte zu seinem Sohn, ihm helfen. Da traf ein erneuter Wellenschlag das Schiff. Feanor wurde mit solcher Kraft gegen die Bootswand geschleudert, dass er in die Dunkelheit hinabsank und nichts mehr sah und hörte.
Dies war der Zeitpunkt, als Hethwyr und Riael endgültig jede Kontrolle über das kleine Schiff verloren. Es war nur noch ein Spielball der immer größer werdenden Wellen.
"Ich habe noch nie solch riesige Wellen gesehen!" rief Hethwyr, doch der Wind verschluckte seine Stimme beinahe vollkommen.
Riael nickte, er hatte seinen Freund trotzdem verstanden, und suchte nach den beiden Noldor. Er fand sie schnell. Maedhros klammerte sich mit einer Hand an irgendetwas, der Teleri konnte nicht erkennen was genau es war, mit der anderen hatte er den Arm seines Vaters gepackt und verhinderte so, dass dieser einfach von Bord geschleudert wurde. Mehr konnte der Elb jedoch nicht tun, denn auch er war beinahe am Ende seiner Kräfte. Riael seufzte. Gerne hätte er den beiden Noldor geholfen, doch dies war im Augenblick unmöglich. Sie konnten nur hoffen, dass der Sturm bald ein Ende fand.
Maedhros blinzelte. Um ihn herum war es dunkel, doch es war eher beruhigende als eine erschreckende Dunkelheit. Das grausame Schwanken des Bootes hatte aufgehört, das Getöse der Wellen war versiegt, nur noch ein sanftes Plätschern war zu hören. Scheinbar hatten sie den Sturm gut überstanden. Als er sich aufrichtete stellte er verwirrt fest, dass es nicht die Schiffsplanken waren, auf denen er gelegen hatte, sondern etwas weiches, körniges.
Sand!
Moment mal, wieso Sand? Maedhros ließ seinen Blick schweifen. Er sah das Meer, so ruhig, als würde es noch nicht einmal ansatzweise den Begriff ,Sturm' gehört haben, er sah den hellen Sandstrand, der sich schier endlos nach Norden und Süden erstreckte, er sah eine grasbewachsene Ebene und einen Wald hinter sich und die Sterne über sich. Es war ein friedlicher Anblick, doch den Elben erfüllte es mit Besorgnis. Wo war er? Wie kam er hierher? Und vor allem: Was war mit seinem Vater passiert?
Das letzte woran Maedhros sich erinnern konnte war, dass er verzweifelt versucht hatte, nicht von den gewaltigen Wellenschlägen von Bord geworfen zu werden, und er hatte sich bemüht, Feanor zu beschützen. Hatte er etwa versagt? War sein Vater den Tiefen des Meeres zum Opfer gefallen? Hatte er durch sein Versagen seinen Vater getötet?
"Oh Ilúvatar! Bitte lass es nicht so sein!" betete Maedhros still. Dann sah er direkt neben sich einen hellen Schimmer. Er streckte die Hand aus und griff danach. Es war ohne Zweifel ein Edelstein. Er brauchte gar nicht näher hinsehen um festzustellen, dass es sich um einen der Silmaril handelte. Bei diesem Anblick begann der älteste Sohn Feanors zu weinen.
Lange lag er auf dem weichen,warmen Sand und hielt den immer noch glühenden Stein fest umklammert. Er konnte nicht sagen,wieviel Zeit er dort so verbracht hatte: In Verzweiflung,Angst und Trauer.
Er hatte einen Silmaril, doch wo waren sein Vater und Hethwyr und Riael? Die Vorstellung, ganz allein zu sein, machte ihm Angst. Größere Angst, als er sie je verspürt hatte.
Irgendwann versiegten jedoch auch seine bitterlichen Tränen, so als wäre er von innen heraus vertrocknet. Zitternd lang er jetzt auf dem Sand, keuchte von Zeit zu Zeit und bohrte mit den Fingern in sein Fleisch, hielt den Stein an sich gepresst.
Plötzlich, als schon jeglicher Lebenswille aus ihm gewichen war, spürte er wie ihn jemand vorsichtig an der Schulter berührte. Er fuhr erschreckt herum, aber dennoch schutzlos gegen einen eventuellen Angriff, denn Pfeil und Bogen hatten sie auf dem Schiff verloren.
Es war sein Vater. Feanor stand dort und sah ihn ungläubig an. Maedhros spürte eine gewaltige Erleichterung aufsteigen. Doch sein Vater sagte nichts und auf einmal veränderte sich seine Miene. Maedhros schaute ihn erschreckt an. Feanor stand ruckartig auf, sein Gesicht zu einer furchtbaren Grimasse verzerrt.
"Gib mir den Stein!!" zischte er und streckte seine Hand verlangend nach Maedhros aus. "Den Stein.." und er kam einen Schritt auf seinen Sohn zu.
Dieser wich zurück, stolperte und blieb wieder liegen. "Ich...Ich..." brachte er nur hervor und vermied den Anblick von Feanors Qual.
Da schrie Feanor seine Wut heraus, schrie in die Stille, schrie seinen Sohn an. Er packte ihn hart an der Schulter und entriss ihm den Stein.
Maedhros blieb mühsam stehen und schließlich griff er Feanor an den Schultern und stieß ihn kraftvoll in den Sand. Dort blieb Feanor schließlich liegen,leise wimmernd mit dem Silmaril in der Hand. Er streckte eine Hand nach Maedhros aus und dieser kniete sich neben ihn.
"Es tut mir Leid.." flüsterte er.
"Ich dachte, du seist tot." erwiderte Maedhros. "Ich hatte nur den Stein...nie habe ich solche Verzweiflung erlitten."
Feanor sah seinen Sohn ernst an und sagte nichts mehr.
"Was ist mit Hethwyr und Riael?" fragte Maedhros schließlich nach einem langen Schweigen.
"Ich habe sie nicht gesehen." antwortete Feanor. "Ich wünsche mir so sehr, sie noch einmal wiederzusehen."
"Sag sowas nicht...das werden wir."
Schließlich sank auch Maedhros in den Sand und schlief erschöpft nach all den Strapazen ein.
***
Ff.
by Nimloth & Finlass
