Kapitel 20 - Lilith, der dunkle Mond

Voller Unglauben schaute das versammelte Sailorteam auf Nehelenia. Das war also das Geheimnis, dass Nocturn ihnen nicht preisgeben wollte. Die Person, die noch bei ihm war, war seine Tochter Envinity. Und damit nicht genug. Sie war auch die letzte Kriegerin, die sie schon so lange gesucht hatten. Und sie war in der Hand des Feindes. Wenn es ihnen nicht gelang, das Böse aus ihr zu verbannen, würden sie in diesem Kampf ganz sicher unterliegen. Königin Serenity hatte schon bei früheren Gelegenheiten gesagt, dass Sieg oder Niederlage in diesem Kampf allein von der letzten Kriegerin abhängen würden. Sailor Moon war der Schock über diese Nachricht noch immer anzusehen. Sie würde also gegen die letzte Kriegerin kämpfen müssen um sie auf ihre Seite zu ziehen. Es war schon schlimm genug, wenn sich Sailor Senshi untereinander bekämpften. Doch Sailor Lilith war offensichtlich auch noch eine Verwandte aus dem vergangenen Königreich des Mondes und damit eine wichtige Verbindung zu ihrem früheren Leben. Nehelenia sah sie mitfühlend an. "Ich weiß, was Du nun fühlen musst, Serenity. Es ist kein schönes Gefühl, sich gegen Verwandte zu stellen. Doch Envinity trägt wie Du das Erbe des Silberreiches in sich. Ich hoffe, dass dieser Umstand ausreicht, um die Dunkelheit, die nun schon so lange auf ihr gelastet hat, aus ihrem Herzen zu vertreiben." Nehelenia hatte mit einer solchen Entschlossenheit gesprochen, dass nun auch in Sailor Moons Herzen die Hoffnung wuchs, ihre Cousine doch noch von den bösen Mächten, die sie beherrschten, zu befreien.

Entschlossen blickte sie ihre Freundinnen an. "Ich weiß nicht, was uns dort oben erwartet", begann sie mit etwas zittriger Stimme. "Aber ich möchte alles was möglich ist tun, um Lilith vom Bösen zu befreien." Die Sailor Senshi sahen Sailor Moon mitfühlend an und nickten. Jede von ihnen verstand, wie ihre Prinzessin sich fühlen musste. "Dann lasst uns gehen", drängte Venus und begann, die Stufen der Treppe hinaufzusteigen. Die anderen schlossen sich ihr schweigend an. Dankbar lächelte Sailor Moon sie an und folgte ihnen. Auf dem Weg nach oben blickte sie noch einmal über die Schulter und sah, dass Nehelenia und ihre Mutter am Fuß der Treppe standen, und ihr hoffnungsvoll hinterher blickten. All ihren Willen zusammen nehmend, blickte sie vorn, die Treppe empor. Neben sich hörte sie die Schritte ihrer Freundinnen, obwohl sie sie kaum noch sehen konnte. Die Dunkelheit um sie herum schien immer dichter zu werden. "Ich sehe die Stufen nicht mehr", hörte sie die Stimme von Merkur hinter sich. Doch sie schien wie durch einen dichten Nebel zu ihr zu dringen. Auch die Stimmen der anderen schienen wie durch die Dunkelheit verzerrt zu sein. Ganz instinktiv griff sie nach der Macht in ihrem Herzen und ohne, dass sie einen Befehl geben musste, flammte ihre silberne Aura um sie herum auf und vertrieb die Dunkelheit. Ein zorniges Aufheulen, das von jenseits der Schatten zu kommen schien, antwortete ihr.

Verwundert betrachtete das Sailorteam ihre Anführerin die mit entschlossenem Blick die Treppe hinaufsah. "Ich habe das Gefühl, ihre Macht wächst mit jedem Schritt, den sie tut", flüsterte Saturn Pluto zu. Diese beobachtete Sailor Moon auch mit eher gemischten Gedanken. "Diese neue Kraft resultiert aus ihrem Wunsch, mit allen Mitteln ihrer Verwandten, der letzten Kriegerin, beizustehen. Ich bin mir nicht sicher, was das zu bedeuten hat", gestand sie. "Diese Macht könnte ausreichen, um uns zum Sieg zu verhelfen. Doch wenn Sailor Moon ihr ganzes Herz hineinlegt, und das wird sie, könnte sie diese Macht auch vernichten, indem sie alle Lebensenergie aus ihr zieht." Saturn blickte nachdenklich zu Sailor Moon hinüber. "Ich denke, dass sie stark genug sein wird, um ihre Cousine zu retten." Voller Zuversicht wartete sie Plutos Antwort ab, doch diese schwieg nur und beobachtete weiter das silberne Licht, dass ihnen den Weg leuchtete.

Es schien, als wären sie bereits eine Ewigkeit durch die Dunkelheit gelaufen, doch endlich fand die Treppe ein Ende. Sie schienen in einem leeren, unendlichen Raum zu stehen in dem nur ein riesiges Tor vorhanden war. Langsam trat Sailor Moon näher an dieses große Portal heran, so dass ihr Licht die reichen Verzierungen und Malereien darauf sichtbar machen konnte. Erschrocken wich sie zurück. Auf diesem Tor waren alle nur denkbaren Albträume aufgezeichnet, so dass sich einige der Senshi entsetzt davon abwanden. Nur Pluto und Charon blickten finster auf diese dunklen Schattenwelten, die sich den Freundinnen auf dem Tor enthüllten. "Wisst ihr etwas darüber?" wandte sich Sailor Moon hilfesuchend an die beiden. "Ihr seht aus, als hättet ihr dieses Tor schon einmal gesehen." Pluto schüttelte den Kopf. "Nein, gesehen habe ich dieses Tor noch nie. Aber ich weiß, dass diese Szenen Bilder aus der Hölle sind und das darstellen, was mit dieser Welt passieren wird, wenn unser Feind gewinnen sollte." Entgeistert blickte Sailor Moon die Beiden an, nickte dann aber verstehend und drehte sich zu dem Tor um. "Dann wollen wir doch dafür sorgen, dass so etwas niemals passieren wird." Entschlossen streckte sie ihre Hände aus, und berührte das Tor.

"SILVERMOON LIGHT EMBRACE!"

In einem weißen Aufblitzen breitete sich ihre silberne Aura aus und überflutete die ganze Tür. Gespannt beobachteten die restlichen Senshi dieses Schauspiel und hofften schon fast, dass es Sailor Moon gelingen würde, mit einem einzigen Befehl das Tor zu öffnen. Doch bald erkannten sie, dass sie sich getäuscht hatten. Die Albtraumbilder auf dem Tor schienen mit einem Mal lebendig zu werden und das silberne Licht Sailor Moons zurück zudrängen. "Wir müssen ihr helfen", rief Mars den anderen zu, die unentschlossen auf das Tor blickten. "Wie sollen wir das denn machen?" fragte Sun, mit einer für sie ganz untypischen ängstlichen Stimme. "Wir vereinen unsere Kräfte und konzentrieren sie auf Sailor Moon. Wenn es uns so nicht gelingt die Tür zu öffnen, hat unser Kampf sowieso keinen Sinn mehr, weil wir es dann mit Nocturn schon mal gar nicht aufnehmen können."

Einem inneren Befehl folgend fassten sich die Sailorkrieger an den Händen und schlossen ihre Augen. Ohne ihr Zutun flammten die Auren ihrer Planetenmächte auf und hüllten sie vollständig ein. Langsam ging dann ihr Licht auf Sailor Moon über, deren Aura inzwischen in allen Regenbogenfarben leuchtete. Die Dunkelheit wurde zurückgedrängt und das Tor flog mit einem lauten Knall nach innen auf. Beeindruckt von dieser Macht wichen die Sailor Senshi einen Schritt zurück und warfen einen Blick ins Innere des Raumes. Vor ihnen erstreckte sich eine lange Halle, die mit blauleuchtenden, schwarzen Kerzen bestückt war. Schwere Wandbehänge zierten die Wände des Saals. Jeder von ihnen war schwarz mit einem ihnen unbekannten, blutroten Symbol bestickt, dass im unheiligen Licht der Flammen bedrohlich glitzerte. An der Spitze der Halle erhob sich ein gewaltiger Altar, der in mehrere Etagen unterteilt war und nur durch eine breite Treppe zu erreichen war.

Vorsichtig marschierte das Sailorteam ins Innere, wobei sie nach allen Seiten Ausschau hielten, um gegen einen plötzlichen Angriff gewappnet zu sein. Ein plötzliches Geräusch ließ sie herumfahren und sie konnten gerade noch hilflos zusehen, wie die riesige Tür zuschlug und sie in der Halle einschloss. "Verdammt", fluchte Jupiter. "Das war eine Falle. Mit so was hätten wir eigentlich rechnen müssen." Hastig sahen sie sich um und suchten nach einem möglichen Fluchtweg. "Zwecklos", flüsterte Vulcan leise. "Wir sind ja blindlings in diese Falle getappt. Jetzt sollten wir zusehen, dass wir das auch zuende bringen können, weswegen wir gekommen sind." Erstaunt starrten die anderen Sailor Senshi sie an, bis sie schließlich zustimmten. "Du hast Recht", stimmten Mars und Nemesis zu. "Aber wo steckt Nocturn? Hier ist niemand außer uns."

Ein heller Lichtblitz blendete die Gruppe und einen Augenblick lang konnte niemand von ihnen etwas sehen. Als sie sich wieder umschauten, loderten die blauen Flammen an den Kerzen und Fackeln höher und heller als zuvor und die sie hatten das Gefühl, dass sich die Symbole auf den Wandbehängen langsam verändern würden. "Willkommen, Sailorteam des weißen Mondes", erklang eine Stimme hinter ihnen. Erschrocken drehten sie sich um. Dort, auf der Spitze der Empore stand, umgeben von grauem Nebel, Nocturn. Und neben ihm stand noch eine weitere Person, die vollständig in eine schwarze Robe gehüllt war. Sailor Moons Atem stockte. Das musste Envinity sein, die Tochter von Nehelenia und damit ihre Verwandte aus dem Silberjahrtausend und letzte Kriegerin des Sonnensystems. "Envinity", flüsterte sie kaum hörbar. Nocturn grinste diabolisch. "Oh, ich sehe du bist hinter das Geheimnis meiner Begleitung gekommen, Prinzessin." Langsam drehte er sich zu der verhüllten Gestalt um. "Nun, meine Tochter. Da unsere Gäste Deine Identität nun schon erraten haben, kannst du uns nun auch mit Deinem zauberhaften Gesicht erfreuen."

Mit einer flüssigen Bewegung fuhr die Person über die schwarze Robe und zog die schwere Kapuze zurück, die bisher ihr Gesicht bedeckt hatte. Das Sailorteam blickte schockiert in das Gesicht von Envinity. Die Ähnlichkeit mit Sailor Moon war wirklich verblüffend. Zwei lange Zöpfe, die am kopf zu Knoten gebunden waren fielen über ihre Schulter und reichten fast bis auf den Boden und das Symbol des Mondes leuchtete auf ihrer Stirn. Doch fehlten ihrem Gesicht die Güte und das Mitleid, dass Sailor Moon ausmachte. "Als wenn man Dich durch einen dunklen Spiegel sehen würde", flüsterte Mars Sailor Moon leise zu. Diese nickte nur sprachlos. Treffender hätte man es nicht ausdrücken können. Wo sie selbst goldenes Haar hatte, war das von Envinity schwarz. Und ebenso war der goldene Halbmond, den sie auf ihrer Stirn trug bei ihrem dunklen Spiegelbild in tiefes Schwarz getaucht. "Envinity", flüsterte sie wieder und machte einen Schritt auf den Altar zu. "Komm nicht näher!" Envinitys kalte, klare Stimme hallte durch den Saal. Verwirrt blickte Sailor Moon nach oben. "Prinzessin des weißen Mondes", fuhr sie fort. "Du bist eine Feindin unseres Ordens und wenn du Dich weiter dem Altar näherst und das Ritual störst, werde ich Dich vernichten."

Sailor Moons Gedanken überschlugen sich. Konnte es sein, dass Envinity keine Ahnung davon hatte, dass sie ebenfalls zur Familie des Mondes gehörte? Wie konnte das sein? Sie musste doch tief in ihrem Innern den Konflikt zwischen den guten und den bösen Mächten fühlen. Wenn ihr Kristall wirklich an Macht ihrem Silberkristall ähnlich war, so musste eine Menge dunkler Energie nötig gewesen sein, um sie zu kontrollieren und die gute Seite zu unterdrücken. Vielleicht, wenn sie die Macht ihres Kristalls einsetzte würde sie die dunkle Aura, die Envinity einnahm, vertreiben können. "Denk nicht einmal daran, Prinzessin!" Obwohl nicht mehr als ein Flüstern, so war Nocturns Stimme doch bis in den letzten Winkel der Halle hörbar. Sailor Moon erstarrte in der Bewegung. War es möglich, dass er ihre Gedanken gelesen hatte? Sie sah sich und suchte die Augen ihrer Freundinnen, die sie gespannt anblickten. Entschlossen drehte sie sich wieder um und trat noch einen Schritt nach vorne. "Envinity, hör mir zu.

"SHADOW SPLITTER!"

Eine schwarze Energiewelle raste auf Sailor Moon zu und warf sie zu Boden. Das Sailorteam wollte sich gerade schützend um sie stellen, als sie abwehrend die Hände hob. "Nein, haltet Euch zurück." Als sie die Unsicherheit in den Blicken ihrer Freundinnen sah, fügte sie leise hinzu. "Ich habe einen Plan. Vertraut mir." Widerwillig zogen sich die Sailor Senshi zurück und überließen Sailor Moon das Feld. Sailor Moon erhob sich mit neuer Zuversicht. Obwohl sie einige Schrammen von dem Sturz davongetragen hatte, so war dieser Angriff doch die Attacke einer Sailor Senshi gewesen und das bedeutete, dass ihr altes Ich noch nicht vollständig unterdrückt war. "Envinity", rief sie ihr mit fester Stimme zu. "Hör mir zu. Der, den Du Nocturn nennst, hat Dich all die Jahre betrogen. Er hat Dich Deiner Mutter weggenommen, um Dich für seine dunklen Pläne zu missbrauchen." Die Worte hingen in der Luft und Sailor Moon und das Sailorteam warteten gespannt auf eine Reaktion. Doch Envinity lachte nur kalt über die Vorwürfe. "Was für ein Unsinn", schleuderte sie ihr entgegen und ließ ihren Worten eine weitere Salve aus schwarzer Energie folgen. Sailor Moon stemmte sich erneut gegen die gewaltige Attacke und widerstand auch dieser.

Schwer atmend richtete sich wieder auf und blickte ihrer Cousine mit klarem, aufrichtigem Blick entgegen. "Wenn Du dich so dagegen sträubst, werde ich dir die Wahrheit zeigen müssen." Sie hob die Hände über den Kopf und konzentrierte sich darauf, ihren Silberkristall erscheinen zu lassen. "Jetzt reicht es aber wirklich", hörte sie Nocturns amüsierte Stimme flüstern. Sie öffnete die Augen und erkannte, dass sich Nocturn, der bisher belustigt am Rand des Geschehens gestanden hatte, sich auf eine Attacke vorbereitete. "Schnell", rief sie dem Sailorteam zu. "Haltet ihn auf. Er darf sich nicht einmischen." Wieder lachte Nocturn ein kleines, freudloses Lachen. "Wie vorhersehbar"; murmelte er leise und wandte sich dem Sailorteam zu.

"JUPITER THUNDERSTRIKE REVENGE!"

"MARS IGNEOUS SPIRIT!"

Die beiden Attacken fegten durch die Halle und hüllten Nocturn vollständig ein. Doch mit einem Mal leuchtete eine Aura aus Dunkelheit um ihn herum auf und absorbierte die vereinten Attacken von Jupiter und Mars. Mit einem zufriedenen Lächeln legte Nocturn die Hand auf ein größeres, dunkles Prisma, das immer noch auf dem dunklen Samt des Altars lag. "Seht es doch endlich ein. Ihr habt hier einfach nicht genug Macht um mir auch nur einen Kratzer zufügen zu können." Durch die Aussage provoziert, vereinten nun auch Uranus und Neptun ihre Angriffe.

"URANUS HEAVENLY PUNISHMENT!"

"NEPTUNE SPRING TIDE!"

Eine Attacke, mit der Kraft von einem Tsunami ausgestattet traf Nocturn, doch richtete sie ebenso wenig Schaden an wie die vorigen Angriffe. Die einzige Ausnahme bestand darin, dass das Prisma auf dem Altar nun schon um einiges heller leuchtete als noch zuvor.

Doch all dies beachtete Sailor Moon in diesem Moment nicht. Sie konzentrierte sich auf die Macht ihres Silberkristalls und blickte dabei Envinity fest an. "Glaub mir doch bitte", flehte sie leise. "Nocturn benutzt Dich nur. Er hat Dir Deine Macht; Dein Geburtsrecht gestohlen und für sich ausgenutzt." Sie sah ihr fest in die Augen. "Bitte. Du musst die Wahrheit doch schon immer geahnt haben." Doch Envinity starrte sie nur mit ihren goldenen Augen hasserfüllt an. "Welche Wahrheit?" fragte sie spöttisch und schoss eine weitere Salve aus schwarzer Energie ab. Doch diesmal traf der Angriff auf Widerstand. Ein gewaltiger silberner Blitz blendete alle Anwesenden und erfüllte den Raum mit hellem, warmem Licht. Als die Energie verebbte, stand Prinzessin Serenity in der Halle, eingehüllt in die silbrig strahlende Aura ihres Schutzplaneten. "Du bist eine Sailor Senshi", beantwortete sie schlicht die Frage von Envinity und sammelte die Energie des Silberkristalls. "Mutter", schickte sie ihre Gedanken in die Astralebene. "Kannst du mich hören?" Eine kurze, schrecklich lange Sekunde, vernahm sie keine Antwort. "Ich bin hier, meine kleine Prinzessin." Daraufhin sandte Serenity einen zweiten Gedanken. "Nehelenia", rief sie stumm. "Tante", fügte sie kurz darauf hinzu. "Auch ich bin hier Serenity", klang die Stimme von Nehelenia in ihren Gedanken. "Könnt ihr mir helfen Envinity die Wahrheit zu zeigen?" In ihrem Geiste hörte sie ein paar unzusammenhängende Gedankenfetzen, bis sie schließlich die Gegenwart ihrer Mutter und ihrer Tante hinter sich spürte. "Wir werden es versuchen, Serenity", flüsterte ihre Mutter leise. "Richte nur die Energie des Silberkristalls auf Deine Cousine. Den Rest werden wir übernehmen."

Glücklich über die Hilfe wandte sich Serenity wieder Envinity zu, die die ganze Szene mit erstauntem Blick beobachtet hatte. "Ein neues Kleid wird Dir auch nicht helfen mich zu besiegen", spottete sie und konzentrierte ihre Macht auf den nächsten Angriff. Ein schwarzer Blitz, dunkler als alle Attacken vorher, schoss auf Serenity zu und drohte sie zu verschlucken. Doch die Prinzessin des weißen Mondes streckte der schwarzen Energie ihren Silberkristalls entgegen, der die Attacke sofort neutralisierte und eine silberne Aura erschuf, die bis hinauf zu Envinity strahlte. Erschrocken schloss diese die Augen um sich vor dem reinigenden Licht zu schützen. Nein, nicht jetzt", hörte sie noch die zornerfüllte Stimme Nocturns durch den Saal hallen.

Verwirrt schlug sie die Augen wieder auf. Was war geschehen? Vor wenigen Sekunden hatte sie sich doch noch in der dunklen Kathedrale im Kampf mit der Mondprinzessin befunden? Ah richtig, dachte sie zornig. Diese Göre hat es irgendwie geschafft mich hierher zu verbannen. Wieder sah sie sich um. Doch wo war überhaupt "Hier"? Sie befand sich immer noch, oder schon wieder, in einem Gebäude, dass der Kathedrale nicht unähnlich war. Der Stein, aus dem dieser Bau gefertigt war, glänzte derartig, dass man sich darin spiegeln konnte. Als sie sich noch weiter in der Betrachtung des Gebäudes verlieren wollte, lenkte ein seltsames Licht ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ein kleines Licht, dass in unregelmäßigen Abständen aufflackerte, tanzte vor ihrem Gesicht herum. Misstrauisch beobachtete Envinity dieses Licht und hielt sich zum Angriff bereit, als sie eine winzige Gestalt im Innern wahrnahm. Dieses kleine Wesen ähnelte ihr bis aufs Haar, nur strahlte es Wärme und Güte aus. "Willkommen, Prinzessin", wisperte es mit einer hohen, dünnen Stimme. "Ich heiße Dich im Spiegelpalast willkommen. Bitte folge mir. Die Zeit drängt." Ehe sie noch etwas einwenden konnte, wandte sich das flackernde Licht um, und flog durch die dunklen Gänge einem unbekannten Ziel entgegen. Zorn wallte in ihr auf. Wie konnte dieses winzige Wesen es wagen, ihr Befehle zu erteilen. Doch eine innere Stimme sagte ihr, dass es möglicherweise bedeutend sein könnte, was diese kleine Fee ihr mitzuteilen hatte. So schnell es ihr möglich war, folgte sie diesem kleinen Licht und gelangte dadurch immer tiefer in dieses Gebäude, dass die Fee den Spiegelpalast genannt hatte. Der Name hätte nicht besser passen können. Überall hatte man das Gefühl in Spiegel zu blicken und die unendlichen Spiegelungen, die sich daraus ergaben, verliehen den Gängen eine gewisse Aura von Unendlichkeit. "Warte doch", rief sie ihrer Führerin hinterher, doch sie immer nur einen schwachen Lichtschein, der um die nächste Ecke flitzte.

Es gab jedoch auch Stellen in diesem alten Palast, die eine andere Art von Ausstrahlung hatten. Einmal kam Envinity an einer langen Treppe vorbei, die tief in die Dunkelheit eines Kellergewölbes führte. Die bösen Energien die davon ausgingen waren schon fast greifbar und dass noch, nachdem hier lange keine Menschen mehr wohnten. Als sich ihre Geduld langsam dem Ende näherte, fand sie sich vor einer gewaltigen Halle wieder, die mit riesigen Türflügeln verschlossen war. "Was machen wir hier?" fragte Envinity die kleine Fee ungehalten. Diese deutete nur wortlos auf das große Tor. Verständnislos wandte sich Envinity diesem zusätzlichen Ärgernis zu und wollte sie mit ihrer Macht aufbrechen. Doch gerade, als sie die Hände hob, öffneten sich die Türflügel ganz von selbst und schwangen lautlos ins Innere. Erschrocken sprang sie einen Schritt zurück und spähte verärgert in die Halle. Sie hasste es, von etwas erschreckt zu werden. Doch nichts, was sie im Innern des Saals entdeckte, machte ihr in irgendeiner Weise Angst. Warmes Licht strahlte aus farbigen Kristallkugeln und wurde in dem Spiegelglas hundertfach wiedergegeben. Vorsichtig ging Envinity ins Innere, immer in dem Bewusstsein, möglicherweise in einen Hinterhalt der Mondprinzessin zu geraten. Doch nichts von alledem passierte. Im Gegenteil. Ein seltsames Gefühl breitete sich in ihr aus. Hätte sie es nicht besser gewusst, würde sie den Eindruck haben, nach Hause zu kommen. Doch diese Vorstellung war natürlich Blödsinn.

Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen und richtete ihren Blick langsam auf die Spitze der Halle. Was sie dort sah verschlug ihr den Atem. Vor einem verspiegeltem Thron standen zwei riesige Spiegel. Sie sahen beide genau gleich aus, bis auf die winzige Tatsache, dass der linke einen schlichten silbernen Rahmen und der rechte einen reichverzierten schwarzen Rahmen hatte. Das flackernde Licht ihrer Fee war immer an ihrer Seite und leuchtete ihr den Weg. Als sie vor den zwei Spiegeln stand sah sie sich zu ihrer kleinen Begleiterin um. "Was wird jetzt von mir erwartet?" fragte sie ungeduldig. Die Fee sah sie mitleidig an. "Sieh hinein und wähle", antwortete sie kryptisch. Envinity wandte sich den Spiegeln zu, da es für sie offensichtlich war, dass aus ihrer Führerin sonst nichts herauszubekommen war.

Ihrer inneren Stimme folgend stellte sie sich zuerst vor den Spiegel mit dem schwarzen Rahmen und blickte hinein. Zuerst sah sie nichts, außer ihrem eigenen Spiegelbild. Dann, ganz plötzlich verschwamm die Oberfläche, als hätte jemand einen Stein in einen Teich geworfen. Bilder tauchten in einer immer schnelleren Abfolge vor ihr auf. Bilder von ihr, wie sie gegen das Sailorteam kämpfte und schließlich gewann. Bilder, wie sie mit der Energie der toten Krieger ihrer Gebieterin die Wiedergeburt in diese Welt ermöglichte. Envinitys Blut raste durch ihre Adern. Dieser Spiegel zeigte ihr also die Zukunft. "Ich wusste es. Wir werden dieses Sailorteam auslöschen", wandte sie sich siegesgewiss zu der Fee um. Diese sah sie nur weiter mit diesem mitleidigen Blick an und bedeutete ihr, den Bildern weiter zu folgen. Ohne Argwohn wandte sich Envinity wieder dem Spiegel zu. Ein unendlich böses Gesicht starrte sie an. Sie sah sich selbst, wie sich in furchtbaren Schmerzen vor dieser Kreatur auf dem Boden wand, und ihr schließlich ihre Seele entrissen wurde, die diesem Wesen als Nahrung diente. Hinter ihr stand Nocturn und beobachtete die Szene mit einer diabolischen Fratze, die einem Lächeln wohl noch am nächsten kam. Envinity lief der Angstschweiß über die Stirn. Sie sah die Jahre, die auf diesen Moment folgten an sich vorüberziehen und beobachtete, wie sie als seelenlose Marionette des Chaos Schrecken in der Galaxie verbreitete. Sie sah wie ihre Macht immer weiter wuchs und sie zwar mächtig doch von allen ungeliebt und verhasst regierte. Sie sah, wie sie schließlich in einer unbedeutenden Schlacht auf einem unbedeutenden Planeten tödlich verwundet wurde und von allen verlassen allein auf den Tod wartete. Heiße Tränen rannen über Envinitys Gesicht, als sie die letzten Momente ihres Lebens beobachtete und war verwundert, als schließlich eine zweite Gestalt in die Szene trat und ihren sterbenden Körper auf ihrem Schoß bettete. Die schwarzen Haare dieser Frau waren auf dem Kopf zu zwei Knoten gebunden und fielen ihr über die Schulter bis fast auf den Boden. Im nächsten Augenblick hatte sie den Eindruck, dass diese Frau sie durch den Spiegel hinweg ansah und ihre Augen unendlich traurig wurden. "Envinity, mein Kind", flüsterte sie nur und schloss schließlich die Augen, als die Envinity im Spiegel schließlich mit einem lautlosen Ruf nach Liebe in ihren Armen starb.

Mit einem Schrei riss sie sie sich vom Spiegel los und sackte zu Boden. Ihr herz pochte laut in ihrer Brust und alles verschwamm vor ihren Augen. "Nein", keuchte sie. "Das kann nicht sein. Wieso.was habe ich denn getan?" fragte sie laut und sah die kleine Fee dabei flehend an. Diese sah sie nur an und deutete auf den zweiten Spiegel, dessen silberner Rahmen sanft im Licht leuchtete. Mit Mühe stützte sich Envinity auf und stolperte zu dem Spiegel, wappnete sich innerlich und blickte hinein. Wie beim ersten Mal verschwamm nach einiger Zeit die Oberfläche und gab die Sicht auf die Zukunft frei.

Verwundert blickte Envinity auf die Bilder, die sich ihr nun offenbarten. Auch hier sah sie Leid und Schmerz, doch alles wurde von einem alles überstrahlendem Licht der Liebe und der Freundschaft in den Schatten gestellt. Sie sah sich selbst an der Seite der Mondprinzessin stehen und auf ihrer Stirn leuchtete in hellem Licht ein dunkler, nach oben geöffneter Halbmond. Sie sah Bilder von Kämpfen und Verletzungen an sich vorüberziehen, doch spürte sie tief in ihrem Innern ein Gefühl, dass all das für eine gute Sache erduldet wurde. Mit einem Mal wurde der Spiegel dunkel und plötzlich blickte sie auch hier wieder das unendlich böse Gesicht an. Sie schreckte zurück, konnte ihre Augen jedoch nicht davon abwenden. "Ich kann meine Zukunft also nicht ändern", sagte sie leise zu sich selbst. "Dieses Ereignis wird auf jeden Fall eintreten." Sie folgte der Szene und erwartete, wieder den entsetzlichen Augenblick miterleben zu müssen, wie ihrem gequälten Körper ihre Seele entrissen wurde. Doch diesmal hüllte sie ein schützendes Licht ein und bewahrte sie vor den Fängen des Bösen. Das Licht strahlte immer heller und heller und verschluckte schließlich den dunklen Schatten des Bösen. Als das Licht im Spiegel langsam verblasste, blickte sie wieder in die Augen der Frau mit den langen schwarzen Haaren, die sie liebevoll anblickten. Und plötzlich, als hätte dieser Anblick eine Tür in ihrem Innern geöffnet, wusste sie, wer diese Person war und was sie all die Jahre vermisst hatte.

"Mutter", flüsterte sie erstickt, streckte ihre Arme in das helle Licht des Spiegels und sank in die Arme ihrer Mutter Nehelenia. "Envinity, mein Kind." Die Liebe in diese Stimme trieb Envinity die Tränen in die Augen und sie sah auf. "Mutter", wiederholte sie nur, unfähig etwas anderes zu sagen. Nehelenia lächelte sie an und streckte ihr die Hand entgegen. "Du hast weise gewählt, meine Tochter. Du hast dich entschlossen, den Weg, den ich damals aus Hass eingeschlagen habe zu verlassen. In der Zukunft wird das Deine Seele retten." Envinity sah sie fragend. "Zwischen welchen Dingen habe ich denn gewählt, Mutter?" Diese strich ihr mit der Hand sanft über den Kopf. "Du standest vor der gleichen Wahl wie ich, vor vielen, vielen Jahren. Du hattest die Wahl zwischen einer kurzen Zeit unglaublicher Macht in der Dunkelheit und einem einsamen Tod oder einem langen, erfüllten Leben mit den Kräften einer Planeten-Senshi und der Möglichkeit der Welt das Geschenk des Friedens zu machen." Envinity dachte lange darüber nach und nickte schließlich. "Nocturn hat mich also wirklich all die Jahre über belogen?" Nehelenia nickte ernst. "Und diese Vision, die ich hatte. Dieser Vision von ihm wie er mich Dir wegnimmt." Nehelenia senkte die Augen. "Auch das ist leider wahr." Envinity schluchzte leise und schloss für einen Moment die Augen. Als sie sie wieder öffnete, blickte sie ihre Mutter entschlossen an. "Was kann ich tun?" fragte sie nur. "Ich werde Dich nun zurückschicken"; erklärte Nehelenia und legte ihr wieder die Hand auf die Stirn. Das Licht um sie wurde immer heller und schließlich sah Envinity ihre Mutter nicht mehr. "Geh mit meinem Segen, mein Kind. Und hilf Deiner Cousine im Kampf gegen das Böse." "Mutter", rief sie in das Licht hinein. "Ich liebe Dich." Ihre Stimme verhallte, doch in ihrem Herzen fühlte sie, dass ihre Mutter sie verstanden hatte.

Als das Licht plötzlich verschwand, stand sie wieder in der dunklen Kathedrale und blickte auf die Mondprinzessin herunter, die sie aufmerksam beobachtete. Erst jetzt drangen die Kampfegräusche wieder zu ihr hinauf und sie blickte zu dem Rest des Sailorteams, das sich eben noch gegen Nocturn behauptete. Ihre Attacken richteten nur geringen Schaden an. Dafür wuchs die Sternenmacht, die Nocturn in dem letzten verbleibenden schwarzen Prisma sammelte, weiterhin an. Envinity überlegte schnell. Sie musste diesen Energiefluss stoppen, bevor es zu spät war. "HALT", rief Envinity und zu ihrer Überraschung hörten die Kämpfe sofort auf und alle blickten zu ihr hinüber. Envinity spürte die Augen der Mondprinzessin auf sich ruhen und beobachtete von ihrem Platz aus, die Sailor Senshi unter sich. "Komm zu mir, meine Tochter", hörte sie die lockende Stimme Nocturns. "Hilf mir, unsere Feinde ein für allemal zu besiegen." Langsam setzte Envinity einen Fuß vor den anderen und stand schließlich neben der Person, die sie immer Vater genannt hatte, ohne jedoch die echte Bedeutung dieses Wortes zu kennen. Wieder wanderten ihre Augen über die Kriegerinnen, die am Fuße des gewaltigen Altars standen, immer noch bereit ihr Leben für die Gerechtigkeit zu geben. Langsam hob sie die Arme und konzentrierte ihre Macht darin.

"SHADOW."

Neben sich spürte sie Nocturn innerlich jubeln. Ihm musste wohl entgangen sein, dass sich eine Wandlung in seiner Tochter vollzogen hatte. Ein kurzes Lächeln spielte um ihre Lippen. Fast konnte er ihr leid tun. Aber auch nur fast. "Tut mir leid, Vater", flüsterte sie und freute sich über die plötzliche Bestürzung in seinem Gesicht, als er die Wahrheit erkannte.

".SPLITTER!"

Mit einer rasanten Geschwindigkeit drehte sie sich um und zielte mit all ihrer Macht auf die Stelle, von der sie wusste, dass es die Hauptquelle seiner Macht war; das dunkle Prisma um seinen Hals. Völlig verblüfft hatte Nocturn ihrer Attacke nichts entgegenzusetzen und wurde mit einer Heftigkeit gegen die Wand geschleudert, die jedem normalen Menschen sofort das Genick gebrochen hätte. Doch Nocturn machte es lediglich bewusstlos. Während er hinabstürzte, krallten sich seine Hände um das zerbrochene Prisma, das an einer dunklen Kette um seinen Hals hing. Verblüfft beobachtete Envinity, wie weiße Energie zwischen seinen Fingern hervorquoll und sich in der Luft zu einem leuchtenden Schmetterling aus reinem Licht vereinte. Das Licht erinnerte sie an das, was sie vor wenigen Momenten in den Armen ihrer Mutter gespürt hatte. Der Schmetterling flog auf sie zu und hinterließ eine Spur glitzernder Funken in der Luft. Vor ihrem Gesicht schlug er noch ein paar Mal mit den Flügeln und verwandelte sich schließlich in einen Stab, wie sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Auf der Kugel an seiner Spitze leuchtete ein nach oben geöffneter Halbmond auf einem Symbol, dass sie an einen Kristall erinnerte. Langsam näherten sich ihre Hände dem Stab. Unter sich hörte sie ganz leise Nocturns Stimme. "Nein", flüsterte er schwach. "Nicht so kurz vor dem Ziel." Ihre Hände schlossen sich schließlich um den Stab und eine nie gekannte Energie durchflutete sie. Sie spürte, wie ihr ganzer Körper in weißem, warmem Licht gebadet wurde und plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie streckte den Stab weit über ihren Kopf. Die Worte, die sie ihn ihrem Kopf gehört hatte, schallten nun aus ihrem Mund.

"LILITH ETERNAL - MAKE UP!"

Das weiße Licht schloss sich um sie und formte eine Uniform, die der der Sailor Senshi zum verwechseln ähnlich sah. Als das Licht langsam verebbte, trug sie einen Sailor Fuku, aus Schwarz und Silber mit dunkelroten Schleifen. "Es ist soweit", hörte sie eine Stimme in ihrem Geist und sie sah an den Gesichtern der übrigen Senshi, dass auch sie diese Stimme vernahmen. "Die letzte Kriegerin ist gefunden."