Silver Lady - eine Geschichte um Helios und Chibi Usa

Chibi Usa's Entscheidung Kleine Lady stand unentschlossen vor dem Kleiderschrank in ihrem Zimmer im Kristallpalast. Morgen war ihr achtzehnter Geburtstag. Zum zweitenmal seit sie sich erinnern konnte, würde sie an ihrem Geburtstag alleine sein. Ihre Mutter, ihr Vater und alle inneren Senshi waren zu einer Rundreise durch das Kristallreich aufgebrochen. Sie erinnerte sich noch gut an die Debatte, die der Reise vorangegangen war.

"Muss das wirklich sein?", hatte die Königin ihren ersten Berater, Kleine Lady's Onkel Shingo gefragt. "Ich hatte mich darauf gefreut, dass wir zusammen im Palast feiern." Der Zufall (oder etwa die Bestimmung?) wollte es, dass die Königin und ihre Tochter genau am selben Tag Geburtstag hatten. Seit ihrer Rückkehr aus der Vergangenheit hatte sich ihr Mutter noch viel mehr bemüht, Zeit für Kleine Lady zu haben.

"Das haben wir alles schon oft genug durchgesprochen, Usagi", erwiderte Shingo stirnrunzelnd. Der erste Berater nannte die Königin selten bei ihren alten Namen und das auch dann nur, wenn sie allein waren. Keiner der beiden hatte Kleine Lady bemerkt, die leise in die Bibliothek gekommen war, um nach einem Buch zu suchen. "Dein Volk liebt dich und es möchte den vierzigsten Geburtstag ihrer Königin gerne mit ihr zusammen feiern. Keine Sorge, ich werde dich begleiten, alle Senshi werden dabei sein, Luna und Artemis und natürlich der König. Du wirst deine Freude haben."

"Warum können wir Kleine Lady nicht mitnehmen?", fragte die Königin. "Sie wird sich hier einsam und verlassen vorkommen, wo doch die Äußeren Senshi derzeit auch nicht auf der Erde sind."

"Es geht nun einmal um dich und nicht um deine Tochter. Die Prinzessin bekommt ihre große Feier wenn wir wieder zurück sind. Du hast doch schon mit ihr darüber gesprochen, oder?"

Serenity nickte und sah nicht sonderlich glücklich drein. "Sie wird so schnell erwachsen, Shingo. Bald ist sie achtzehn. Ich habe ihre innere Unruhe bemerkt. Es drängt sie hinaus, aber da sie die Kronprinzessin ist, kann sie sich nicht einmal in der Stadt frei bewegen. Ich habe wenigstens meinen Endymion, aber Kleine Lady hat nur Luna P, Diana und ab und zu auch Sailorsaturn, wenn diese uns einen Besuch abstattet. Seitdem es dem Schwarzen Mond gelungen ist, uns damals so zu überraschen, haben die Äußeren Senshi ihre Wachsamkeit verdreifacht und niemals nachgelassen, obwohl wir nun schon so lange Frieden haben..."

"Du hast nicht Unrecht", hatte Shingo versöhnlich eingelenkt, "aber vergiss nicht, dass Mama und Papa zu Besuch kommen werden. Sie vergöttern Kleine Lady. Du wirst sehen, die Woche geht schnell vorbei..."

Ihre Mutter hatte immer noch nicht völlig überzeugt geklungen, als sie nach längerem Schweigen schließlich seufzend nachgab. "Aber dann muss ihr Fest besonders schön werden, schließlich wird sie achtzehn.... Wäre es nicht an der Zeit, sie offiziell als meine Nachfolgerin ausbilden zu lassen?"

"Schau nur mal in den Spiegel, Usagi", war Shingos Antwort, "du bist dem Kalender nach vielleicht vierzig, wenn man die tausend Jahre des eisigen Schlafes wegrechnet, aber du siehst immer noch nicht älter aus wie 25. Wir denken, das ist die Macht des Silberkristalls. Keine Kriegerin, weder ihr noch der König, ich oder unsere Eltern sind in den letzten fünfzehn Jahren körperlich gealtert. Kleine Lady wird eine sehr lange Jugend genießen dürfen, ehe sie sich mit königlichen Pflichten auseinandersetzen muss..."

Danach hatten sie die Bibliothek auf der anderen Seite verlassen, ohne zu ahnen, dass Kleine Lady das ganze Gespräch mitangehört hatte.

"Ich will nicht, dass meine Eltern alt werden und sterben", sagte Kleine Lady leise zu sich selbst. Allein der Gedanke erschien ihr grauenvoll. "Aber ich will nicht länger nur das Anhängsel meiner Eltern sein, ich muss einen Platz finden, wo ich gebraucht werde... aber wo?"

Sie griff in den Schrank und nahm das erstbeste Kleid heraus. Es war blassrosa und entsprach im Schnitt dem ihrer Mutter, nur dass die Schmetterlingsmasche hinten fehlte. Es war sauber, hübsch, sehr weich und ...

"Langweilig." sie hängte es wieder hinein und griff nach einem anderen.

Egal welches Kleid sie auswählte, sie alle waren entweder blassblau, blassrosa oder weiß und ihr Schnitt entsprach entweder den Kleidern ihrer Mutter oder jenen, welche die Mondprinzessin getragen hatte. Dumpf erinnerte sie sich, dass sie als Kind selbst entschieden hatte, so zu werden wie ihre Mutter. Daher hatte sie immer gern diese Art von Kleidern getragen. Doch heute... "Heute will ich mal nicht die Prinzessin sein", sagte sie halblaut und schlug die Schranktüren zu. Bis zu den Gemächern der Senshi waren es nur wenige Schritte und keine von ihnen sperrte jemals die Türe ab. Saturns Zimmerflucht lag der ihren am nächsten und genau dahin wollte sie. Zum Glück war es früher morgen und jeder im Palast schlief noch. Später würde das normale Tagwerk beginnen und keiner würde auch nur ein Wort über ihren Geburtstag verlieren, nicht, ehe die Königin ihr offiziell gratuliert hatte.

In Saturns Schrank hingen jede Menge farbenfroher Kleider, meist in Lila oder Grün. Kleine Lady griff nach einer Hose und einem Pulli, beides in dunkelgrün und war froh, dass Saturn genau ihre Maße hatte. Hotaru hatte bestimmt nichts dagegen, wenn sie die Sachen für heute mal auslieh.

Leider lief sie auf dem Rückweg ihrer Kammerzofe in die Arme. "Prinzessin!", entsetzte sich diese, "wie könnt Ihr nur so rumlaufen? Heute ist doch..", dann schluckte sie und presste rasch die Hand auf den Mund. Kleine Lady unterdrückte ein Kichern. "Was soll heute sein?", fragte sie scheinbar verwundert.

Die Kammerzofe wurde rot, dann blass, ehe sie sich fasste: "Der Tag an dem Ihre erlauchten Großeltern zu Besuch kommen. Was habt Ihr nur mit Euren Haaren getan?"

"Ich dachte, es wäre an der Zeit für eine Veränderung." Sie fuhr sich durch die offen herabfallende Mähne.

"So ein Unsinn? Ihr seht wie eine Landstreicherin aus. Kommt mit, wir müssen Euch frisieren." Sie rief noch eine zweite Zofe zu Hilfe und sie bugsierten die widerstrebende Kleine Lady in ihr Umkleidezimmer zurück. Sie drückten sie auf einen Hocker vor dem Frisierspiegel und begannen ihr Werk. Ergeben schloss Kleine Lady die Augen. Endlich, es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, traten die Zofen zur Seite. "Jetzt sehr ihr wieder wie eine Prinzessin aus, Hoheit! Schaut euch an!"

Gerade das hatte Kleine Lady vermeiden wollen. Da sie aber wusste, dass die Zofen keinen Schritt weichen würden, ehe sie nicht zumindest einmal in den Spiegel geschaut hatte, hob sie den Kopf und öffnete die Augen. Natürlich bereute sie es sofort. Aus dem Spiegel blickte ihr eine junge Frau entgegen, deren rosa Haare zu zwei großen Haarknoten gebunden war, von denen lange Strähnen bis weit zu den Knien herab fielen. Rotbraune Augen sahen sie aus einem fein geschnittenen, blassen Gesicht an. Kleine Lady sah in das Gesicht ihres schlimmsten Alptraums: Black Lady. "Es sieht gut aus", sagte sie rau mit angespannter Stimme. Wenigstens hatte Black Lady niemals Pullover und Hose getragen.

"Ihr solltet euch auch angemessen kleiden für euren...", sagte die zweite Zofe, aber die erste puffte ihr in die Rippen und sie verschluckte den Rest.

"Soviel ich weiß, kommen meine Großeltern erst heute Nachmittag", sagte Kleine Lady, dankbar, den Blick vom Spiegel abwenden zu dürfen. "Bis dahin werde ich ein wenig in den Garten gehen." Sie erhob sich und ehe die Zofen etwas unternehmen konnten, war sie schon hinausgeschlüpft und rannte den Gang hinunter. Es juckte ihr in den Fingern, die Haarknoten zu öffnen. "Irgendwann schneide ich mir die Haar ganz kurz und trage grüne Kontaktlinsen", nahm sie sich laut vor. Draußen im Park herrschte friedliche Stille. Von hier oben konnte sie durch die Wände des Kristallkomplexes hinunter auf die Stadt blicken. "Wenn ich nicht die Prinzessin wäre, könnte ich mich dort unten amüsieren, wie ich es mit Usagi getan habe", sinnierte sie halblaut und nicht zum letzten Mal verspürte sie Sehnsucht nach jener Zeit. Wann hatte es begonnen? Wann hatte sie zum ersten Mal bemerkt, dass sie begann, sich in eine Kopie von Black Lady zu verwandeln? Vor einem Jahr? Vor einem Monat? Es schien ihr eine Ewigkeit her zu sein. "Vielleicht ist das der wahre Grund, warum mich meine Mutter nicht bei sich haben will und die Senshi sich nicht mehr mit mir abgeben, ich erinnere sie an das Monster namens Black Lady." Sie hockte sich auf einen großen Stein und wartete auf die Tränen, aber ihre Augen blieben trocken. Es war nun mal nicht zu ändern, auch mit kurzen Haaren und grünen Augen nicht. Saturn hatte Glück. Mistress 9 war eine völlig andere Person gewesen und Hotaru sah ihr auch als fast Erwachsene nicht ähnlich.

"Aber nur weil ich mein Gesicht nicht ändern kann, heißt das noch lange nicht, dass ich dauernd mit diesen blöden Haarknoten herumlaufen muss." Entschlossen zog sie die Nadeln aus den Knoten und sogleich flossen ihre Haare locker bis auf den Boden herab. Sie schüttelte den Kopf und genoss das Gefühl. Irgendwo hatte sie doch noch.... Sie langte in die Hosentasche und zog ein hellgrünes Band heraus. Es war ihr gelungen, das rasch noch einzustecken, ehe die Zofen sie in die Mangel genommen hatten. Zwar hatte sie keine Bürste zur Hand, aber dennoch gelang ihr ein recht passabler langer Zopf, den sie mit dem grünen Band zusammenband. "Besser geht es eben nicht. Oma und Opa sind bestimmt nicht so pingelig", sagte sie und stand auf. Da fiel ihr Blick auf einen halb versunkenen Stein, der nur wenige Schritte entfernt aus dem hohen Gras ragte. Er hatte eine seltsam regelmäßige Form, so als wäre er nicht einfach nur ein Stein... Neugier war schon immer eine ihre vorherrschenden Eigenschaften gewesen. Sie schob das Gras beiseite und schluckte. Ein Grabstein - daran gab es nichts zu rütteln. Aber wessen Grab lag hier im königlichen Garten? Ihre Mutter hatte nie ein Wort davon erwähnt. Instinktiv erriet sie, dass es viel älter war als Kristalltokio, dass es schon hier gewesen sein musste, als ihre Mutter Kristalltokio erschaffen hatte. Wahrscheinlich wusste sie nichts davon und auch sonst niemand. Der Gedanke war aufregend und eilends machte sie sich daran, den Stein zu säubern. Was sie darauf las, ließ sie erstarren:

"Hier ruht Helios aus Elysion, dem Reich der Träume. Er wurde am dritten April, im Jahre **** getötet. Möge seine Seele Frieden finden." "Helios", flüsterte Kleine Lady und ihre Augen füllten sich mit Tränen. "Mein Pegasus, nicht du!"

Sie hatte ihn nie vergessen, ihren Freund, ihr weißes, geflügeltes Traumpferd, ihren Retter. Wie lange war es jetzt her, zehn Jahre etwa, als er über ihr dahin geflogen war, zurück nach Elysion. Mit brennenden Augen blickte sie auf ihre Hände und erinnerte sich an den Kuss, den er auf ihre Hand gedrückt hatte. Zu schade, dass sie sich nicht mehr an jenen Kuss erinnern konnte, mit dem er sie damals in Nehelenias Zelt geweckt hatte. Ihr erster, richtiger Kuss .... In Gedanken ging sie alle jungen Männer durch, die sie kannte. Die meisten waren Bedienstete im Palast, andere kamen aus einflussreichen Familien.... ja, sie war eine gute Partie, so hatte sie die Zofen flüstern gehört, aber vor den gestrengen Augen der Senshi und ihrer Eltern fanden die wenigsten Gnade. Ehrlich gesagt, fühlte sie sich auch zu keinem hingezogen, einige waren recht nett, aber nie hatte einer so ihr Herz berührt, wie damals Helios... Vielleicht hatte sie im Geheimen immer gehofft, ihn mal wieder zu treffen, und nun konnte sie lesen, dass er nur fünf Jahre nach ihrem Abschied gestorben war. Was war passiert? Wer hatte ihren Pegasus getötet oder war es ein Unfall gewesen? Silbern rannen die Tränen über ihre Wangen und tropfen unbeachtet ins Gras. Es musste doch irgendwelche Aufzeichnungen geben, Berichte darüber, wie ihr Pegasus gestorben war.... Sie stand auf und rannte mit wehendem Zopf in den Palast zurück. Sie hörte nicht die entsetzten Rufe ihrer Zofen, sie sah nicht die verblüfften Blicke der Diener. Das Archiv des Kristallpalastes war riesig, aber zum Glück musste sie sich nicht durch die abertausenden Bücher lesen, alle Daten waren im großen Zentralcomputer gespeichert und mit ihm konnte sie fast so gut wie Sailormerkur oder König Endymion umgehen. Kleine Ladys schlanke Finger huschten über die Tasten. Eylsion .... ja, die Geschichte über die Vergangenheit kannte sie bereits, Helios... das Bild zeigte ihn genauso wie sie ihn in Erinnerung hatte. Seine Aufgaben, seine Kräfte, der goldene Kristall ... aber keine Nachricht über seinen Tod. Vielleicht war der Grabstein gefälscht? Sie fragte den Computer, wo Helios derzeit anzutreffen wäre. Die Antwort war bitter: "Unbekannt". Man konnte ihn nicht treffen, ihm keine Nachricht schicken, denn es sah fast so aus, als wäre er eine Figur aus der Vergangenheit, die unbemerkt verschwunden war und um die sich niemand mehr kümmerte. "Niemand außer mir", sagte Kleine Lady heiser.

Mittlerweile hatten die Zofen sie aufgestöbert. "Was habt Ihr schon wieder mit Euren Haaren gemacht, Prinzessin", jammerte die ältere. "Jetzt müssen wir Euch neu frisieren!"

Kleine Lady wischte sich die Tränen vom Gesicht, ehe sie sich zu den Zofen umdrehte. "Lasst mich einfach in Ruhe!" Sie beendete das Programm und schlüpfte an ihnen vorbei aus dem Archiv, zurück in ihr Zimmer. Hier schloss sie erst einmal die Türe und verriegelte sie, ehe sie sich aufs Bett fallen ließ und in die Kissen schluchzte.Draußen versammelte sich die verstörte Dienerschaft und Kleine Lady hörte sie munkeln, sie vermuteten, dass sie aufgrund der Abwesenheit ihrer Mutter verstört war. "Sollen sie das ruhig glauben", murmelte sie und suchte in ihrem Nachtkästchen nach einem Taschentuch. Dabei stießen ihre Finger an eine kleine Schatulle, deren Existenz sie beinahe vergessen hatte. Halbblind vor Tränen putzte sie sich erst einmal die Nase, dann zog sie die goldene Schatulle hervor, blies den Staub fort und klappte sie auf. Twinkle Yell, die Glocke mit dem herzförmigen Griff lag auf blauem Samt darin, daneben glänzten ihre Verwandlungsbrosche und der kleine Zeitschlüssel, den sie früher immer um den Hals getragen hatte. Nach ihrer Rückkehr hatte sie alles hier drin verstaut, da sie im Kristallpalast keine Verwendung dafür hatte.

Sie hob die glänzende Glocke heraus und hielt sie hoch wie sie es damals als Chibimoon immer getan hatte. Doch sie fand nicht den Mut, sie zu läuten. Zu groß war die Angst, dass die Glocke stumm bleiben würde. Die Brosche passte überhaupt nicht zum Grün des Pullovers, trotzdem steckte sie das Schmückstück an, zur Erinnerung an alte Tage. Dann zog der kleine Schlüssel ihre Blicke auf sich. Pluto hatte ihn nie zurück verlangt .... Ob er noch funktionierte? Sie nahm ihn und erinnerte sich an die Worte, die sie dazu sprechen musste. Die Zeit war niemals starr, sie konnte verändert werden. Ihr kam ein ungeheuerlicher Gedanke.

Fünf Jahre, Usagi musste mittlerweile einundzwanzig sein. Wahrscheinlich war sie schon mit Mamoru verheiratet und der kalte Schlaf stand kurz bevor. Aber soviel sie aus den Geschichtsbüchern wusste, fand dieses Ereignis im Winter statt, also lange nach Helios Tod. Wenn sie nur etwa so weit zurück ging, dass sie ein paar Tage vor seinem Tod ankam, dann hatte sie wohl Zeit genug, ihn zu retten und sicher nach Kristalltokyo zurückzukehren.

Die Idee gefiel ihr immer besser. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und begann hastig einige Briefe zu schreiben. Einen an ihre Eltern, einen an ihre Großeltern und den dritten an Hotaru. Zwei der Briefe legte sie auf ihr Bett neben die geöffnete Schatulle. Ihre Eltern wussten, was darin gelegen hatte und würden sich ihren Reim drauf machen. Mit Hotarus Brief in der Hand huschte sie über den Flur ins Zimmer der Sailorkriegerin. "Ich werde noch mehr deiner Sachen brauchen, Hotaru. Bitte sei mir nicht böse", murmelte sie und lehnte den Brief an Hotarus Kopfkissen. Dann nahm sie sich noch eine Hose und einen Pullover aus dem Schrank, beides trug Hotaru relativ selten, da die schwarze Farbe trotz der blauen Muster sie an ihre dunkle Zeit erinnerte. Wieder in ihrem eigenen Zimmer stopfte sie die Kleider und Wäsche in den größten Rucksack, den sie finden konnte. Geld war kein Problem, da sie Luna P mitnehmen würde, die sie mit durch ihre Magie mit den nötigen Yen versorgen würde. Etwas Wäsche, Waschzeug und zuletzt doch eines der knitterfreien weißen Kleider (man kann nie wissen...), mehr brauchte sie nicht. Inzwischen war es fast Mittag, aber Kleine Lady wollte nicht warten, bis jemand mit einem Tablet vor ihrer Zimmertüre auftauchte. Da alle mehr oder weniger beschäftigt waren, flocht sie rasch ihren Zopf noch einmal frisch und schlich sich dann hinaus in den Garten zu Helios Grab. Luna P schwebte gehorsam hinter ihr her. "Den Krach werden sie bestimmt hören", seuftze sie, "aber dann wird es zu spät sein, mich aufzuhalten. Hoffentlich schafft es der Strahl durch die Kirstallwände." Ein hastiger Blick ringsum zeigte ihr, dass sie allein und unbeobachtet war. Sie holte tief Luft, schulterten den Rucksack und klemmte sich Luna P unter den freien Arm. Als nächstes hob sie den kleinen Schlüssel in die Luft und rief: "Wächter der Zeit, ich rufe dich bei deinem Namen! Vater der Zeit, Chronos, leite mich und führe mich auf dem Weg des Lichts! Zurück in die Vergangenheit!" Dabei konzentrierte sie sich auf das Datum, so wie Pluto es sie gelehrt hatte. "Bitte, bitte..." dachte sie und es funktionierte tatsächlich. Der breite rosa leuchtende Strahl erschien und sie fühlte, wie sie leich wurde und hinauf schwebte. Unbehelligt durchdrang der Strahl die Kristallwände und ehe sie sich versah, stand sie vor dem Zeittor. Wie erwartet war Pluto nirgendwo zu sehen. Sie war ja mit den äußeren Senshi unterwegs, um wieder einmal die Grenzen des Sonnensystems nach möglichen Eindringlingen abzusuchen. Als sich Kleine Lady dem Tor näherte und dabei den Schlüssel nach vorn ausstreckte, schwangen die schweren Torflügel lautlos auf. Vor ihr lag der in Nebel gehüllte Korridor der Zeit. Zur gleichen Zeit dort, wo einst Elysion gewesen war...

In einem grau und schwarz erstarrten Wald suchten drei verängstigte Irrlichter in einem hohlen Baumstamm Schutz.

*Wird er uns hier finden?* sandte das blaue Licht, das einmal Fischauge gewesen war, seine Gedankenfrage aus.

*Wenn er das tut, sind wir geliefert*, kam es vom gelben Licht, einstmals Tigerauge, zurück.

*Vielleicht wäre es klüger den Wald zu verlassen*, meinte das rosa Licht, welches damals Falkenauge geheißen hatte.

*Wir können nirgendwo hin*, Fischauge blinkte depremiert. *Wenn Pegasus noch hier wäre, würde er uns beschüzten. Er hat uns verwandelt und ohne seine Magie, von der es hier immer noch einen Rest gibt, werden wir wieder zu Tieren. Wollt ihr das?*

*Natürlich nicht!*, flackerte Falkenauge, *andererseits bin ich lieber ein lebendes Tier als ein totes Irrlicht.*

*Du has leicht reden!*, Tigerauge funkelte verärgert, *wir beide können als Tiere vielleicht überleben, aber hast du irgendwo einen Bach gesehen, indem es noch lebende Fische gibt? Hier ist alles tot!*

*Reg dich nicht auf!*, seufzte die Gedankenstimme Fischauges. *Warum geht ihr beide nicht einfach ohne mich?*

*Haben wir das nicht schon hundertmal durchgekaut?*, jetzt klang Falkenauge wütend, *wir gehören zusammen, wir sind ein Team und keiner lässt den anderen im Stich.*

*Psst!* zischte Tigerauge. *Hört ihr das?*

Sie lauschten angestrengt. Draußen im toten Wald raschelte und knackste es im dürren Laub, das den Boden bedeckte und die verrotteten Äste brachen unter schweren Tritten. Ein Schnauben und Grollen war zu hören, und es klang, als wältzte sich ein riesiger Körper auf dem Bauch durch das verdorrte Unterholz.

*Gleich hat er uns!*, bebte Fischauge.

*Keiner rührt sich!* kommandierte Falkenauge. Die drei Irrlichter wurden blass und blasser, beinahe unsichtbar vor lauter Anstrengung, ja nicht aufzufallen. Bewegungslos harrten sie ihrem Schicksal, das immer näher und näher kam....