Teil 4

Was nun?

Nachdem die Krankentransporte mit den noch immer bewusstlosen Menschen davon gefahren waren und die Polizei mit der Befragung fertig war, versammelten sich die fünf Mädchen beim Karussell. Der Vergnügungspark würde bis auf weiteres geschlossen bleiben, also hatten sie massig Zeit.

Jede hatte eine Dose Cola in der Hand und schweigend tranken sie auf ihren ersten Kampf und ihren ersten Sieg. Kleine Lady hatte Luna P von der Bank aufgelesen, auf der sie ihn liegen gelassen hatte und spielte den Gedanken, mit ihm nach Pluto zu rufen, nur um zu erfahren, wie ihre Eltern ihr Verschwinden aufgenommen hatten. Aber dann ließ sie den Gedanken wieder fallen und trank den Rest ihrer Cola aus. Plötzlich knurrte ihr Magen.

"Wie mir scheint, hast du Hunger", lachte VesVes. "Ich könnte auch einen Bissen vertragen. Du hast nicht zufällig irgendwelche königlichen Schätze mitgebracht, mit denen wir einkaufen gehen können, oder?"

An so etwas prosaisches wie Geld hatte Kleine Lady wirklich nicht gedacht. Sie wurde rot und schüttelte den Kopf.

"He, keine Sorge", meinte JunJun. "Wir haben ein bisschen Geld. Das wird für dich auch noch reichen."

"Wir müssen uns überlegen, wo die Prinzessin schlafen soll", sagte PallaPalla.

"Bitte, macht euch um mich nicht so viele Gedanken", sagte Kleine Lady. "Hier in Tokio bin ich keine Prinzessin, sondern ein ganz normales Mädchen. Ihr könnt mich Chibi Usa nennen. "

"War das nicht der Name, den du früher getragen hast?"

Kleine Lady nickte. Sie wünschte sich sehr, den vieren eine Freundin zu sein.

"Klingt echt lustig. Fast so gut wie PallaPalla", sagte das blauhaarige Mädchen. "Also bist du ab jetzt Chibi Usa."

"Ob Prinzessin oder nicht", sagte VesVes, "sie braucht ein Bett und wir alle brauchen etwas zu Essen."

"Ich gehe einkaufen", erbot sich CereCere.

"Kann ich mit gehen?", fragte Chibi Usa. Sie wollte wissen, ob sich die Stadt sehr verändert hatte.

"Klar doch", sagte JunJun. "In der Zwischenzeit knobeln wir aus, wo wir ein fünftes Bett unterbringen."

Chibi Usa und CereCere klapperten ein paar Supermärkte in der Umgebung ab. CereCere hatte eine Nase für Sonderangebote und sie versicherte ChibiUsa, dass sie die Köchin der Gruppe sei. "Ich bin zwar nicht so gut wie Makoto, aber ich gebe mir immer Mühe."

Bei Makotos Namen zuckte Chibi Usa zusammen. "Weißt du warum die Senshi nicht eingegriffen haben?", fragte sie CereCere.

Diese zuckte die Achseln. "Nein, sicher ist nur, dass sie seit der Sache mit Galaxia nicht mehr in Erscheinung getreten sind."

"Welche Galaxia?"

"Ach ja, du bist damals ja nicht mehr dabei gewesen. Das war so......" CereCere erzählte ihr die Geschichte, soweit sie in den Medien verbreitet worden war. "Anfangs gab es Gerüchte, dass die Senshi ihren Sieg nicht überlebt haben..."

"Das kann nicht sein", sagte Chibi Usa rasch. "In der Zukunft sind sie alle am Leben."

"Was ist mit uns?", fragte CereCere. "Hast du auch eine zukünftige CereCere in Tokio zur Wächterin?"

Chibi Usa schüttelte beklommen den Kopf. "Nein, jedenfalls kann ich mich nicht dran erinnern, dass jemals jemand von den Asteroidsenshi gesprochen hat."

"Asteroidsenshi, das klingt gut", meinte CereCere mit halbem Lächeln. "Offenbar haben wir keine lange Kariere vor uns ..."

"Das darfst du nicht sagen!", rief Chibi Usa. "Ich werde nicht zulassen, dass euch etwas passiert."

"Ich dachte eigentlich, das sei unser Job", lächelte CereCere. "Keine Bange, wir Amazonen, halt, jetzt sind wir ja Asteroidsenshi, haben noch nie gern nach den Regeln gespielt. Auch nicht nach den Regeln der Zeit und des Schicksals..."

"Zeit ist nichts Starres", erklärte ChibiUsa. "Wenn ich davon nicht überzeugt wäre, wäre ich nicht hier um..."

"Um was?", fragte CereCere. "Du hast uns noch nicht erzählt, was dich eigentlich nach Tokio geführt hat."

"Es ist wegen...", begann Chibi Usa. Plötzlich hielt sie inne und starrte auf ein älteres Ehepaar, das sich beim Gemüse über die Artischocken beugte. "Du", flüsterte Chibi Usa CereCere zu, "da sind meine Großeltern. Ich muss sie rasch was fragen, bitte warte."

Sie überließ CereCere den Einkaufswagen und trat zu den beiden hin. Das Ehepaar Tsukino erkannte sie nicht wieder, als sie sich höflich verneigte und nach dem Befinden ihrer Tochter Usagi erkundigte.

"Bist du eine Freundin von Usagi?", fragte Kenji.

"Ja, so kann man sagen. Leider war ich lange Zeit im Ausland und habe daher den Kontakt verloren."

"Das ist aber schade", meinte Ikoko. "Usagi hat nämlich geheiratet. Sie und ihr Mann sind derzeit auf Hochzeitsreise in Europa."

Eine Welle der Erleichterung durchflutete Chibi Usa. Für kurze Zeit hatte sie sich ernsthaft gefragt, ob ihre Mutter nach dem Kampf mit Galaxia vielleicht einfach ihre Sailorkräfte verloren hatte.

"Wissen sie etwas über Usagis Freundinnen, Makoto, Minako, Rei und Ami?", fragte sie noch.

"Soviel wir wissen, studieren sie alle im Ausland. Rei ist in den USA, Ami in Deutschland, Makoto in Frankreich und Minako in England. Aber in ein paar Monaten kommen sie wieder zurück", erklärte Kenji.

"Vielen Dank für die Auskunft", sagte Chibi Usa und verbeugte sich nochmals ehe sie zu CereCere zurück lief.

"Jetzt weiß ich, warum die Senshi nicht gekommen sind." Flüsternd wiederholte sie, was sie von den Tsukinos erfahren hatte.

"Den Göttern sei dank", seufzte CereCere. "Offenbar genießen sie ihr normales Leben in vollen Zügen. Also hängt es jetzt an uns, Tokio zu beschützen."

"Sieht ganz so aus", stimmte ihr Chibi Usa zu.

Nachdenklich gingen sie mit ihren Einkäufen zum Rummelplatz zurück. CereCere gelang es wirklich aus den billigen Zutaten ein schmackhaftes Currygericht zu zaubern. Beim Essen erzählten sie den andern von den Reisen der Senshi.

"Wir schaffen das auch allein", meinte JunJun.

"Ganz sicher sogar. CereCere, du bist die sensitivste und außerdem hast du dein Blumenorakel. Du bist zuständig für das Übernatürliche. PallaPalla, du bist zwar manchmal nicht bei der Sache, aber sonst hattest du immer die besten Noten. Außerdem kannst du als einzige von uns gut mit dem Computer umgehen. Du kriegst Amis Job. JunJun, du bist die stärkste, du wirst unsere Prinzessin eskortieren und alle Bösewichte vermöbeln, die ihr zu nahe kommen."

"Und was ist dein Job, VesVes?", fragte Chibi Usa leicht amüsiert, wie die rothaarige alle anderen einteilte, ohne erst lange zu fragen.

"Ich leite das ganze natürlich. Ich bin die Anführerin und achte darauf, dass sie ihre Jobs richtig machen."

"Ha ha!" machte PallaPalla. "Das ist wohl kaum ein Job, oder?"

"Natürlich ist das einer", fauchte VesVes "und zwar der wichtigste von allen. Also sobald wir mit dem Abwasch fertig sind, machen wir uns daran, etwas über das Tenkakelding herauszufinden, verstanden?" "Ich will auch etwas tun", sagte Chibi Usa.

"Dann übe mit JunJun. Sie ist zwar nicht mehr in Topform, aber sie kann dir beibringen, wie man richtig fällt und so. Nach deiner Vorstellung von heute werde ich fast krank wenn ich daran denke, was dir alles hätte zustoßen könne, als du wie ein Mehlsack gegen das Zelt geknallt bist."

"Oh...!", Chibi Usa schluckte. Körperliche Ertüchtigung stand nicht auf dem Stundenplan einer königlichen Prinzessin. Und so wie JunJun sie musterte, kam einiges auf sie zu. "Eigentlich war es kein schlechter Auftritt", stand PallaPalla ihr bei. "Der Sprung vom Karussell sah recht gut aus." "Recht gut ist für eine Prinzessin nicht gut genug", JunJun umrundete die ChibiUsa. "Offenbar fordert das Leben in diesem Kristallpalast keine Muskeln." "Äh... ja ... eigentlich nicht", gab Chibi Usa zu. Sie wurde bei der Musterung knallrot und wäre am liebsten im Erdboden versunken. "Dann wird es Zeit, dass du dich schlafen legst. Morgen wird ein harter Tag." VesVes Tonfall glich exakt jenem, mit dem Sailormars Neo Queen Serenity mitunter bedachte, wenn die Senshi und die Familie unter sich waren. "Du schläfst bei PallaPalla. Ich habe mir ein Lager bei JunJun und CereCere gemacht." Als ChibiUsa protestieren wollte, schnitt ihr VesVes energisch das Wort ab. "Keine Widerrede.Wir haben gelost und es ist entschieden." Gehorsam trat Chibi Usa den Weg zum zweiten Wohnwagen an.

"Halt, warte noch!" JunJun fischte etwas aus ihrem Mantel. Es war die Glocke mit dem herzförmigen Griff. "Ich habe sie für dich aufgehoben." Chibi Usa schluckte und nahm sie entgegen. Der Schmerz stieg wieder hoch, aber energisch wischte sie die Tränen aus dem Gesicht.

"Was ist los?", fragte CereCere. "Weinst du wegen deinen Eltern? Ist in der Zukunft irgend etwas passiert? Du hast uns immer noch nicht gesagt, warum du hier bist." Bei den freundlichen Worten ihrer neuen Freundin brach der Damm und Chibi Usa begann von neuem zu schluchzen. "Pegasus", brachte sie endlich nach einigen Minuten heraus.

"Pegasus? Du meinst der Pegasus mit den Flügeln und dem Goldenen Kristall im Horn?", JunJun und die anderen umringten sie neugierig. "Was ist mit ihm?" "Tot!", würgte Chibi Usa hervor.

"Nein!" PallaPalla war ganz blass geworden. "Er ist doch so süß! Wie ist das passiert?"

"Dumme Frage", knurrte JunJun "auch geflügelte Traumeinhörner leben nicht ewig. Tausend Jahre sind eben Tausend Jahre." Chibi Usa kämpfte gegen ihren Kummer und die Tränen versiegten allmählich. "Es ist nicht in der Zukunft passiert. Oder besser gesagt nicht in der Zukunft wo es schon Kristalltokio gibt. Es wird von heute an in drei Wochen passieren." "Woher weißt du das?", wunderte sich VesVes.

Da erzählte ihnen Chibi Usa von dem Grabstein und von den Informationen aus dem Archiv. "Pegasus war immer ein besonderer Freund. Ich will nicht, dass er in vier Tagen stirbt und dann für alle Zeit vergessen ist."

"Hm... ihr könnt doch noch träumen in der Zukunft, oder?", fragte JunJun vorsichtig.

"Natürlich können sie das", sagte PallaPalla ohne Chibi Usa zu Wort kommen zu lassen. "Als Helios bei Königin Nehellenia gefangen war, hatten die Menschen trotzdem schöne Träume, wo hätte sich Pegasus sonst verstecken können? Er erschafft die schönen Träume ja nicht, er behütet sie und bewacht den Goldenen Kristall." "Klingt vernünftig. Warum schüttelst du nicht einfach die Glocke und wir warten ab, was passiert? Vielleicht kommt er ja daher geflogen?", schlug VesVes vor.

"Keine gute Idee", sagte CereCere. "Wir haben jetzt einen Feind zu bekämpfen und irgendwie habe ich das Gefühl, als ob er und das Verschwinden von Pegasus zusammenhängen. Es wird für die Prinzessin auf jeden Fall nicht ungefährlich sein, wenn sie die Glocke läutet."

"Bist du dir sicher?", fragte PallaPalla skeptisch. CereCere zuckte die Schultern. "Es ist ein Gefühl. Ihr könnt es ja probieren, wenn ihr mir nicht glaubt."

"Ich glaube dir", sagte ChibiUsa und schluckt die letzten Tränen hinunter. "So gern ich gleich nach Pegasus suchen würde, wenn der neue Feind damit zu tun hat, brauche ich Zeit, mich darauf vorzubereiten." "Genau", sagte PallaPalla. "Ich würde das mit Wochen auch nicht so genau nehmen. Immerhin ist es im Traumreich passiert, nicht? Wie soll also ein Steinmetz aus der Wirklichkeit das genau Datum von etwas wissen, das im Traumreich geschieht? Ich nehme an, er hatte eine Traum, der ihn veranlasste, den Grabstein zu machen. Aber Träume sind nicht unbedingt Spiegelbilder der Wirklichkeit, manchmal zeigen sie Dinge, die geschehen könnten, nicht Dinge, die wirklich geschehen sind." Chibi Usa fasste wieder Hoffnung. "Ja, das stimmt .... Allerdings werde ich erst sicher sein, wenn ich Helios oder Pegasus gesund und heil vor mir sehe."

"Wir werden dir dabei helfen", versprach VesVes. "Kommt, wir gehen jetzt alle schlafen, dann können wir gleich beim Morgengrauen los legen." CereCere unterdrückte ein Lachen. "Erinnert ihr euch noch an unsere Zeit beim Zirkus? Wir lagen oft den ganzen Tag auf den Massagebetten und ließen uns verwöhnen. Jetzt wollen wir freiwillig im Morgengrauen aufstehen, um zu trainieren."

"Wir haben uns eben verändert", sagte PallaPalla. "Jetzt sind wir nicht mehr die Amazonen, jetzt sind wir die Asteroid Senshi." "Und wir haben endlich wieder eine Aufgabe", fügte VesVes hinzu.

"Und einen Menschen, für den sich alles lohnt." Bei JunJuns Worten drehten sich alle zu ChibiUsa um, die inzwischen schon fast beim Wohnwagen angekommen war. "Auch ohne weißes Kleid ist sie eine Prinzessin, unsere Silver Lady", sagte CereCere. "Wir müssen gut auf sie aufpassen." Dann kam ihr das Gespräch über die Zukunft der Asteroid Senshi in den Sinn und leise fügte sie hinzu. "Und auf uns auch ..." ------------------------------------------- Im Garten des Kristallpalastes stand Sailorjupiter und runzelte die Stirn, als ihr einer der Diener berichtete, aus welcher Richtung Kleine Lady in den Palast gestürmt war.

"Du bist dir ganz sicher, es war von Westen?", fragte sie. Die Lieblingsplätze der Prinzessin lagen nämlich eher im Südteil des Parks.

"Ganz sicher, Wächterin." In Kristalltokio trugen alle Senshi den Ehrentitel "Wächter der Stadt", seit sie den Palast vor der Zerstörung durch den Schwarzen Mond bewahrt hatten.

"Na gut. Ich werde dort nach Spuren suchen." Sie fuhr sich durch das lockige, braune Haar und seufzte. Der verwilderte Westteil des Parks war ziemlich groß. Kleine Lady konnte überall gewesen sein...

"Soll ich dir helfen?", fragte eine leise Stimme zu ihren Füßen.

"Diana?" Jupiter beugte sich zu der grauen Katze herab. Aus dem kleinen Kätzchen war eine erwachsene Katzendame geworden.

Die graue Katze sah sie kummervoll an. "Mutter meint, es täte mir gut, wenn ich etwas Sinnvolles zur Suche beitrage. Ich hätte bei Kleine Lady bleiben sollen, anstatt durch die Stadt zu streifen."

"Ach was", Jupiter strich ihr liebevoll über den Kopf und kraulte sie unterm Kinn. "Du hast ein Recht auf ein eigenes Leben. Hast du einen passablen Freier gefunden?"

Zwei rote Flecke erschienen auf Dianas Wangen und sie sah woanders hin. "Das ist doch jetzt nicht mehr wichtig..."

"Aha...." Mehr sagte Jupiter nicht. Diana wurde noch roter. Um von ihrer Verlegenheit abzulenken, fragte die Katze. "Wollen wir nun in den westlichen Park gehen oder nicht?"

Jupiter unterdrückte ein Lachen. "Gehen wir." Im Archiv saß Sailormerkur konzentriert vor dem Zentralcomputer des Königreiches und versuchte, auf jene Daten Zugriff zu erlangen, die Kleine Lady abgerufen hatte.

"Schon etwas gefunden?", fragte Sailorvenus und trat hinter sie. "Noch nicht", sagte Merkur mit grimmigem Unterton. "Kleine Lady ist viel geschickter als ich vermutet habe. Sie hat alle persönlichen Zugriffe gelöscht und ihre Dateien sind mit einem Kennwort gesichert, das ich noch nicht gefunden habe."

In diesem Augenblick piepste der Armbandkommunikator von Venus.

"Die Königin?", fragte Merkur. "Zum fünften Mal?" Venus zog eine Grimasse und zuckte die Achseln. Dann gab sie sich einen Ruck und klappte den runden Deckel hoch. Einen Augenblick sah sie erstaunt auf das Gesicht, welches auf dem kleinen Bildschirm erschienen war. Dann fasste sie sich und fragte: "Was ist los, Saturn?" Merkur sah von ihrer Tastatur hoch und trat neben Venus, um auch einen Blick auf das ernste Gesicht von Sailorsaturn zu werfen. Das kleine Mädchen hatte sich zu einer wunderschönen Frau entwickelt. Sorge lag in ihren großen, violetten Augen. Sie trug ihr Haar inzwischen so lang wie Mars, aber heute hatte sie es zu einem Knoten hochgesteckt, der wie eine Kopie von Plutos Frisur aussah. "Ich möchte nur fragen, ob es etwas Neues gibt." "Bei uns nicht", sagte Venus, "leider. Wie steht es bei euch? Irgendwelche Anzeichen von Feinden?"

"Nein, aber im Spiegel von Neptun sind seltsame Schatten aufgetaucht, die wir nirgendwo zuordnen können. Irgendwie scheinen sie den Bildern im Spiegel die Farben zu stehlen. Neptun hat beschlossen den Spiegel nicht mehr zu befragen, bis klar ist, was es mit diesen Schatten auf sich hat." "Oh..", sagte Venus. Sie hatten darauf vertraut, dass Neptun mit ihrem Spiegel vielleicht an Informationen gelangen konnte, die ihnen bisher verborgen geblieben waren. Aber so würden sie nur mit mühevoller Suche weiter kommen. "Ich mache mir große Sorgen um Chibi Usa", meinte Saturn und seufzte. Sie war eine der wenigen, die Kleine Lady noch mit diesem Namen ansprach. "Wenn ich nicht andauernd hier draußen patrouillieren müsste ..." "Mach dir keine Vorwürfe", sagte Merkur rasch. "Wir tun alle unsere Pflicht."

"Dürfen wir dabei unsere Freunde vernachlässigen?", fragte Saturn und wischte eine Strähne aus der Stirn. "Ich wünsche mir, es gäbe etwas, was ich für Chibi Usa tun könnte." "Das tust du doch schon. Du beschützt die Welt vor den Eindringlingen außerhalb des Sonnensystems und sorgst somit dafür, dass ihr Zuhause sicher ist, wenn sie zurückkommt."

"Ist das genug? Pluto meint zwar, wir sollen nicht nach ihr suchen, aber..." Merkur und Venus wechselten einen Blick. "Wir haben auch schon daran gedacht, aber dürfen wir Plutos Warnung einfach so in den Wind schlagen?", fragte Merkur zweifelnd. "Was ist wenn sie recht hat und wir Chibi Usa den Weg nach Hause unmöglich machen?" Venus fügte hinzu: "Ich möchte nicht vor Usagi hin treten und ihr sagen müssen, dass Chibi Usa unsertwegen nicht wieder heim kann."

Ein paar Atemzüge lang sagte Saturn nichts. Dann stieß sie eine schweren Seufzer aus und sagte: "Ihr habt recht ... aber es ist so, so ..." "Unbefriedigend, ich weiß", sagte Venus. "Uns geht es gleich. Sobald wir die erste Spur haben, werden wir uns alle besser fühlen."

"Hoffentlich hast du recht." Saturn klang nicht sehr überzeugt. "Ich will euch nicht länger von eurer Suche abhalten. Viel Glück!" Der Kontakt brach ab. Venus klappte ihren Kommunikator zu und Merkur wandte sich wieder zu den Bildschirmen um. "Machen wir weiter", murmelte die dunkelhaarige Kriegerin, "dieser Code wird doch irgendwie zu knacken sein." Venus stand schweigend hinter ihr und sie vertieften sich beide wieder in die Suche. ---------------------------------------------------------------------------- ----------------------- Die Säulen des uralten Tempels ragten unbeschädigt in den bleigrauen Himmel. Schweigend flitzten die drei Irrlichter über die freie Ebene, die zwischen dem Kristallwald und dem Tempel lag. Es war nicht mehr sehr weit, dennoch standen ihre Chance nicht allzu gut, denn ER hatte sie entdeckt.

Krachend und splitternd barsten die Ästen der toten Bäume unter seinen Schritten. Das schwarzschuppige Ungetüm von einem Drachen pflügte auf seinen stämmigen Beinen durch den Waldrand, wobei es den Bauch fast am Boden schleifte. Rußig-rote Augen fixierten die Flüchtlinge. Drei bunte Funken im tristen Grau der Ebene, kaum zu übersehen. Der Reiter des Drachen beugte sich weit vor. Das dämmrige Zwielicht ließ wenig von ihm erkennen, außer dass er von eher kleiner, zierlicher Gestalt war und einen wehenden Umhang trug. "Sie glauben also wirklich, dass sie dort vor mir sicher sind? Dumme Tiere", murmelte er und klopfte dem Drachen an den Hals. "Wir werden sie schnappen, mein Guter, nicht wahr? Farben sind Leben und wir wollen sie alle für uns haben, für unsere Träume. Schade, dass wir den Tello verloren haben, er hätte uns jede Menge Farben von der anderen Seite beschaffen können. Aber immerhin haben wir nun einen Riss in der Grenze, der nicht ganz geschlossen ist, obwohl die dummen Menschen dort davon keine Ahnung haben. Wir lassen ihnen etwas Zeit zum Verschnaufen, und wenn sie es am Wenigsten erwarten, schlagen wir wieder zu. Dieses Mal wird uns niemand aufhalten können... Und jetzt mach, dass wir diese dummen Tiere noch erwischen!" Gehorsam setzte sich der Drache in Bewegung und brach durch die letzten Büsche. Hier, in der freien Ebene, konnte er seine Flügel voll entfalten . Er schwang sich in die Lüfte und flog hinter den Irrlichtern her. *Oje, Oje*, jammerte Fischauge und versuchte, noch einen Zahn zuzulegen.

*Hör auf damit*, sandte ihm Falkenauge verärgert zu. *Wir werden es schaffen!*

*Dafür, dass er so fett und hässlich ist, ist er erstaunlich schnell*, sandte Tigerauge. *Das wird verdammt knapp.* *Dann hör auf zu schwatzen und flieg!*, gab Falkenauge zurück.

*Wenn er über uns ist, dann müssen wir ausschwärmen*, meinte Fischauge. Der Tempel schien zum Greifen nah, aber der Drache holte immer mehr auf. *Sind ... wir eigentlich immun gegen Drachenfeuer?*, fragte Tigerauge.

*Das hoffe ich*, Fischauge sah nach oben, der Drache war schon fast über ihnen. Er hoffte nur, dass ER ihre Gedanken nicht belauschen konnte. *Wenn ich jetzt rufe, schert ihr beiden aus!*

*Moment mal, seit wann gibst du das Kommando?*, protestierte Falkenauge.

*Dafür ist jetzt keine Zeit. Achtung...* *Und was machst du?*, fragte Tigerauge, doch da kam auch schon der Gedankenruf: *Jetzt!!!*

Falkenauge und Tigerauge zuckten unter dem befehlenden Ton zusammen und schossen gehorsam nach links und rechts davon. Fischauge blieb auf dem Kurs, für ein, zwei Meter, ehe die Gestalt auf dem Rücken des Drachen ein schwarzes Netz fallen ließ. Ein hastiger Ausweichversuch war vergeblich. Er wurde in den dunklen Maschen gefangen.

*Fischauge!!*, schrien Falkenauge und Tigerauge gleichzeitig. Sie zitterten unschlüssig auf der Stelle. Ihrem Freund konnten sie nicht helfen, aber einfach davon fliegen ... *Macht schon, dass ihr zum Tempel kommt!*, erreichte sie der schwächer werdende Gedankenruf Fischauges. *Ihr müsst Helios ein Denkmal setzen lassen, vergesst das nicht! Ahhhh!* Der gequälte Aufschrei war das letzte, das sie von Fischauge hörten. Hinter ihnen im Netz erlosch ein blauer Funke unter großen Schmerzen. Zurück blieb ein Fisch, der leblos in den Maschen hing und sämtliche Farben verloren hatte.... "Verflucht!", knurrte der Reiter und schüttelte den Fisch aus dem Netz, während die beiden Lichtfunken den Tempel erreichten. "Ich hätte ihnen nicht soviel Vorsprung geben dürfen. Ihnen nach!" Der Drache sah zum Tempel hinüber und zögerte. "Na los doch!" Der Reiter hieb im die Hacken in die Schuppen. "Irgendwann musste es ja sowieso sein, warum nicht jetzt?" Er ballte die Hände um das Netz und die Farben des Fisches und des blauen Irrlichts strömten auf ihn und den Drachen über. Beide erschauerten und starrten einige Atemzüge lang, blicklos vor sich hin, während ihre Gedanken durch einen berauschenden Tagtraum wirbelten. "Willst du das etwa aufgeben?", fragte der Reiter. Unter der Kapuze seines Umhanges rutschen ein paar blonde Strähnen heraus und widerwillig streifte er sie mit seiner kleinen Kinderhand wieder zurück. Der Drache schnaubte wiederwillig, dann klappte er die Flügel zusammen und stampfte entschlossen durch das welke Gras auf den Tempel zu. Ende des vierten Teils