Nun muss Severus erst mal wieder ein bisschen leiden. Ich weiss nicht. Das tut er bei mir immer. Ob das was zu bedeuten hat? Hm.
***********************
VII.
Severus sah das Gesicht mit dem rosa Bartnetz sich bewegen. Nein, der Mund bewegte sich, verdammt. Was wollte Albus? Warum war er hier? Hatte er was gesagt? Und wieso sollte ihn das überhaupt interessieren? Ach verdammt.
Er presste seine Lippen noch fester aufeinander und wandte seinen Kopf mit einem Ruck ab von dem Bild, das sich ihm in der Küche geboten hätte. Die wasserblauen alten Augen, die von manchen als weise bezeichnet worden waren, sahen ihn an. Auf eine Weise, die Snape überhaupt nicht vertragen konnte. "Was?", bellte er, und ließ seine Augen gerade lange genug aufblitzen, um zu zeigen, dass er nicht zu feige war, den Blick der alten Eule auszuhalten. Dann sah er auf die Hose hinunter, die er gerade stopfte. Verdammt, er hatte sich schon wieder gestochen. Gottergeben führte er den blutenden Daumen zum Mund.
Die blauen Augen zwinkerten und Severus hatte ein komisches Gefühl. Das hatte jetzt gar nicht nach Mitleid ausgesehen, eher nach ... Quatsch. Er sah schon weiße Mäuse. Kein Wunder, bei dem wenigen Schlaf, den er in der letzten Nacht gehabt hatte. Und der Menge Rum, mit der er sich über den plötzlichen Abschied Harrys hinweg getröstet hatte.
Abschied war gut. Severus' Lippen pressten sich noch ein wenig fester aufeinander und seine Zähne gaben knirschende Geräusche von sich. Sein Zahnarzt würde sich freuen. Der Junge war abgehauen, als seien 1000 Teufel hinter ihm her. Mit nacktem Hintern, ohne die verdammte Hose, auf die er so – sonderbar - reagiert hatte. So idiotisch. Snape schnaubte. Er konnte es einfach nicht verstehen.
War das die Jugend von heute? Gab einem den besten Sex des Lebens und verschwand dann, nur weil man sie auf ihre Blöße hinwies. Er hatte lange über diese Frage nachgedacht. Was heisst, nachgedacht, er hatte sich selber beschimpft, dass er sich wider besseres Wissen eingelassen hatte auf so etwas. Er wusste doch, wer sich einließ, auf irgendwen, auf irgendwas, konnte verletzt werden. Und er hatte lange zuvor beschlossen, dazu niemand wieder die Gelegenheit zu geben. Niemals.
Aber der Traum. Der Traum von Harry war so schön gewesen, so überirdisch wunderbar. Snape schnaubte wieder. Überirdisch, allerdings. Wahrscheinlich war es ein Ausblick auf seinen baldigen Tod gewesen, danach würde er vielleicht so glücklich sein wie im Traum, vorher sicher nicht. Der verdammte Bengel hatte ihn beinahe so weit gehabt, wieder an eine Zukunft zu glauben, an einen Sinn, an irgendwas und alles. Und nun saß er in einem schwärzeren tieferen Loch als vorher. Geschah ihm gerade recht. Er war ein alter Narr.
Seine Augen hatten ihren eigenen Willen und schweiften wieder ab, weg von dem alten Gesicht vor ihm, auf der Suche nach dem jungen Gesicht, dem schönen, dem – verdammt. Gott sei dank war er so schlau gewesen, sich so hinzusetzen, dass seine Augen Ideen haben konnten, wie sie wollten, sie würden den Jungen in der Küche nicht zu Gesicht kriegen. Er verzog den Mund. Was war er doch für ein vernünftiger Mann. Zu spät natürlich Wie immer.
"Severus", hörte er jetzt eine Stimme. Sie musste wohl aus dem Mund vor ihm kommen, dem der hinter dem weißen Bart fast verborgen war. Was Albus wohl für Lippen hatte? Papieren? Wächsern? Severus gab sich einen Ruck. Was interessierte es ihn? Die letzte Nacht musste ihn wohl endgültig über die dünne Linie geschubst haben, die ihn von dem trennte, was man allgemein "nicht ganz normal" nannte. Also ehrlich. Albus! Der war mindestens 100.
Severus wusste genau, warum er an Albus' Lippen dachte. Ablenkung. Alles, um nicht an jene anderen Lippen zu denken, jene rosigen, jungen, wunderbaren ...
"Was ist, Albus?", fragte er barsch. Er warf sein Haar zurück, obwohl er es in einem Zopf trug, und nur wenige Strähnen frei in sein Gesicht fielen und zurückzuwerfen waren. Es war sein Freiheitszeichen, verdammt noch mal, das Zeichen, dass er sich nicht unterkriegen lassen würde. Würde. Genau.
Der weiße Bart öffnete sich, und Severus bezwang sich, seinen Blick nicht abzuwenden, wie er es eigentlich wollte. In seinem angegriffenen Zustand würde er sogar in braunen Zahnstummeln Anziehendes sehen, oder zumindest Anspielungsreiches. Nein.
Die blauen Augen leuchteten. "Was ist? Das frage ich dich, Severus. Du bist nicht du selbst heute." Severus schnaubte. "Und was soll das wieder bedeuten, Albus? Wieso glaubst du, dass du weisst, wer ich bin? Da wüsstest du mehr als ich". Severus konnte nicht verhindern, dass das bitter klang. Sollte es. Er konnte es nicht ändern. Die blauen Augen zwinkerten. Die schwarzen Augen starrten. Nicht mal Albus konnte es wagen, dagegen anzugehen.
"Und nicht nur du, Severus, auch der junge Harry". Soviel zu seiner Menschenkenntnis. Seine Augen mussten ihre Kraft verloren haben, oder Albus war jetzt vollständig durchgeknallt. Gut, er war älter als Gott, aber seit wann gab ihm das das Recht, in seinem Leben herumzustöbern und den Staub aufzuwirbeln? Gut. Albus hatte das schon immer getan. Und er hatte es sich gefallen lassen. Gemosert, aber es sich gefallen lassen. Was hatte der alte Trottel sonst vom Leben? Und er hatte ja keinen Staub gehabt, nicht mehr, seit damals, seit er sich vor 15 Jahren hier zur Ruhe gesetzt hatte. Aber nun. Nun hatte er Staub aufgewirbelt, er selber, von Körperteilen die lange unbenutzt geblieben waren. Das war jedoch noch nicht das Schlimmste. Der Körper war die eine Sache. Seine – Gefühle – eine andere. Auch wenn er sich über die nicht klar war. Aber nun auch noch Albus, der sich einmischte – es war zuviel für einen Weisen.
Gegen seinen Willen drehte er sich um, um zur Küche hinüber zu sehen. Harry war auch nicht der Alte? Bildete sich Albus ein, ihn auch schon zu kennen, nach einem Tag? Er sah doch ganz normal aus, für einen verteufelt attraktiven Jungen, der sich nackt auf ihn geschmissen, wunderbar gevögelt und dann ohne ein Wort verlassen hatte. Hagrid war bei ihm und sah in diesem Moment zu ihm und Albus hinüber. Snape presste seine Lippen aufeinander, noch fester. Es war eine Falle. Natürlich. Albus und Hagrid. Wieder mal darauf aus, die Welt zu retten. Oder ihn, in dem Fall. Blöde, sich in alles einmischende – Freunde.
Er sah wieder den alten Mann an, um dessen Augen sich unzählige Falten gebildet hatten. "Sehr gut, Albus, du hast es noch immer drauf." Auch den unschuldigen Blick. "Was denn, Severus?" Diese Frage würdigte er nicht mal einer Antwort. Der alte Mann hatte ihn dazu gebracht, ohne Worte einzugestehen, dass etwas war. Und dass es mit Harry zu tun hatte. Er hätte ihr nächtliches Zusammensein genauso gut in die Zeitung setzen können, in die "Seemanns Freude".
Severus nickte bedeutungsvoll in Richtung Küche. Albus Dumbledore folgte seinem Blick und lächelte. "Wirklich ein netter Anblick, dieser Harry", murmelte er, und Severus wusste genau, dass er das nur sagte, um ihn anzustacheln. Trotzdem wirkte es. Natürlich. Albus kannte ihn wirklich zu gut. Ein Knurren entrang sich seiner Kehle, und seine Augenbraue hob sich. Draco. Draco machte sich an Harry ran. Er schob seinen schlanken jungen Körper so nah an dem anderen Jungen vorbei, in die Küche, wo er sonst nie hinging, dass man schon ein Idiot sein musste, um nicht die Bedeutung zu verstehen. Severus war kein Idiot. Harry auch nicht. Severus knirschte mit den Zähnen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Plötzlich war der grüne Blick auf ihm, über die Schultern Dracos hinweg sah Harry ihn direkt an. Severus sah weg. Direkt in das verständnisvoll mitleidige Lächeln von Albus. Severus erhob sich mit einem Ruck. Die vergessene Hose fiel auf den Boden.
Severus rannte beinahe in sein Zimmer. Er musste allein sein, er wollte nichts mehr hören und sehen. Natürlich sah er trotzdem noch, wie Draco sich nach ihm umdrehte und ihm einen Blick zuwarf, der hämisch triumphierend wirkte. Der verdammte Bengel. Die verdammten Bengel! Draco. Harry. Er hätte es wissen müssen. Er hätte sich nicht darauf einlassen sollen. Was war schon an einem Bengel, das nicht an einem anderen ebenso war? Und wieso musste er unbedingt anfassen, was ihm geboten wurde. Auf eine recht unwiderstehliche Art und weise, und äußerst überraschend, aber trotzdem. Er hätte es nicht tun müssen, nicht darauf eingehen müssen. Träume! So ein Quatsch. Das hatte er nun davon. Er verkroch sich am hellichten Tag vor allen, weil er den Anblick dieses Bengels nicht ertrug. Er war wirklich eine traurige Gestalt.
Nein, nicht in sein Zimmer. Er musste jetzt was tun. Auch wenn ihn der Bügelraum an Dinge erinnerte, an die er nicht mehr denken wollte, es ging nicht an, dass er sich davon beeinflussen ließ. Er musste etwas tun, seine Pflichten erfüllen, und nichts lenkte ihn so gut ab wie Bügeln. Außerdem war da noch der Fernseher. Darin waren noch jede Menge Träume, und da waren sie auch gut aufgehoben.
Ja, das war gut! Beinahe zufrieden fuhr Severus mit dem Bügeleisen über eine besonders schwer zu bügelnde Hose von Albus. Irgendwas war mit den Sachen des alten Mannes, das übernatürlich war. Jedes einzelne Kleidungsstück von ihm schien ihn herauszufordern, und er kannte sie alle. Er wusste, dass es nicht üblich war, dass der Herbergsvater seinen Schutzbefohlenen auch die Wäsche machte, aber er tat es gern. Es beruhigte ihn. Außerdem konnte er dadurch ein wenig Geld extra verdienen, und das war nicht schlecht, so wenig Rente wie er bekam, von den wenigen Jahren auf See. Severus presste seine Lippen wieder fester aufeinander und fuhr eine besonders renitente Falte nach.
Es klopfte.
Severus' Hand ließ das Bügeleisen fallen. Es gab einen zischenden Laut und einen brenzligen Geruch. Severus fluchte. Nun, Albus war sehr gut im Flicken aufnähen. Wahrscheinlich würde er rosa nehmen. Oder blassgrün. Snape stellte das Bügeleisen richtig ab. Und sah auf die Tür. Die sich öffnete.
Déjà Vu.
