Emsige Elben die vor ihm hin und her eilten und ihn schon mal zurück scheuchten ließen Haldirs Blick unweigerlich unsicher werden. Hie und da sah er einem der Elben hinter her, doch schnell richtete sich sein Blick wieder auf die große, zweiteilige Flügeltür vor sich. Sie schien so endlos groß und er so unendlich klein. Wieder musste er einen Schritt zurück weichen, als die Tür einen Spalt weit aufging und eine Elbin daraus hinaus stürmte. Doch ehe Haldir einen Blick ins Innere erhaschen konnte, klappte die Tür wieder zu. Aber er hatte das Stöhnen und Wimmern daraus vernommen und nun wurde er immer kribbeliger. Zur Unsicherheit kam nun erst noch Sorge hinzu, dann als er einen spitzen Schrei aus dem Innern des Raumes vernahm auch Angst. Er verkrampfte seine Finger in einen Zipfel seiner Tunika und biss sich fest auf die Unterlippe. Was ging da drin bloß vor? Warum musste ein Elb solche Schmerzen erdulden, dass er sogar schrie?! Fragen die sich Haldir nicht selber beantworten konnte und das machte ihm zu schaffen. Unruhig begann er von einem auf den anderen Fuß zu treten. Wieder schrie im Innern des Zimmers jemand gepeinigt auf. Diesmal schien es gar nicht mehr enden zu wollen. Erschrocken knallte Haldir an die Wand hinter sich. Er hielt den Atem an und sah zu, wie zwei Elbinen an ihm vorbei ins Zimmer eilten. Schnell war er wieder völlig allein auf dem langen Korridor, der mit einem Mal dunkel und bedrohlich wirkte. Haldir begann unweigerlich zu zittern und er umarmte sich selber, während langsam aber unaufhaltsam salzige Tränen ihren Weg über seine Wangen bahnten. Bei jedem erneuten Schrei den er hörte, zuckte der Elb erneut zusammen bis alles mit einem Mal einer gespenstigen Ruhe wich. Nun liefen die Tränen bereits ungehindert und als die Tür endlich wieder auf ging und sich diesmal nicht sofort wieder schloss, konnte Haldir es kaum fassen.

Mit bedächtigen Schritten kam Celeborn auf ihn zu. Sein Gesicht ernst und blass, doch als er Haldir erblickte, erschien ein warmes Lächeln auf seinen Lippen.

Haldir blickte ihn aus großen, verschleierten Augen an. "Was...ist?", piepste er unsicher.

Celeborn trat nun vor ihn und beugte sich zu ihm hinab. Sicher umfasste er die Hüften des Elben und hob ihn hoch. "Alles in Ordnung......komm schauen!!"

Schniefend klammerte sich Haldir an seinen Vater, der den kleinen, gerade mal 16Jahre alten Elbenjungen tröstend an sich drückte. "Wirklich...wirklich alles in Ordnung Ada? Warum...warum......"

"Hey, hey, nicht mehr weinen kleiner Mann. Sie doch.....! Deiner Mutter geht es gut!" Celeborn trat mit Haldir auf dem Arm ans Bett seiner Gemahlin, die erschöpft zu den beiden hochsah. Ein paar Haarsträhnen klebten noch an ihrer Stirn, doch sie lächelte. "Hallo Spätzchen....", flüsterte sie, heiser wohl noch durch das Schreien.

Haldir blickte sie besorgt an. "Geht's dir gut?", wollte er wissen und streckte den Hals, da er kaum etwas sehen konnte. Sein Vater tat ihm den Gefallen und trat näher ans Bett. Vorsichtig setzte er ihn dann neben Galadriel auf die Bettdecke und nachdem seine Mutter Haldir über die verweinten Wangen gestreichelt hatte, packte den kleinen Elben die Neugierde und er kniete sich auf, um über seine Mutter zur anderen Seite zu blicken. Erst zeiget sein Gesichtchen Erstaunen, dann begann Haldir zu strahlen. Er quietschte leise und streckte eine Hand nach den beiden winzig kleine, völlig identisch scheinenden Elbenbabys aus, die in eine Decke gewickelt an Galadriels Seite schliefen.

Die Herrin des Waldes lächelte glücklich, auch wenn sie völlig ausgelaugt und erschöpft von der Geburt der Zwillinge war. Auch Celeborn beugte sich nun über seine Frau und betrachtete die beiden neuen Wesen mit einem andächtigen Lächeln. "Das sind deine beiden neuen, kleinen Brüder Haldir. Pass gut auf sie auf, ja?"

Haldir nickte übereifrig. "Sie sind sooo klein!", meinte er ehrfürchtig, was seinen Eltern leises Lachen entlockte. "Das warst du auch einmal!", erklärte ihm Galadriel. "Auch du warst einmal so klein Wie Rumil und Orophin!"

Sofort flog Haldirs Kopf herum und er blickte seine Mutter fragend an. "Rumil? Und Orophin? Wer ist wer? Sie sehen beide völlig gleich aus....woran soll ich sie denn unterscheiden?" Schon wollte Haldir der Mut verlassen, doch Celeborn setzte sich neben ihn auf den Bettrand und deutete auf eins der Baby. "Das ist Rumil! Er ist ein paar Minuten vor Orophin zu Welt gekommen und der Größere von beiden. Orophin ist etwas kleiner, aber auch er wird einmal ein großer, starker Elb, wenn du gut auf ihn acht gibst! Tust du das für uns?"

"So wie Denaduil und Cedriel auf mich?!"

"Genau so", lächelte Celeborn und strich Haldir über den Rücken. Der junge Elb war gänzlich in die Betrachtung der beiden jüngsten Familienmitglieder versunken und merkte noch nicht einmal dass er herzhaft gähnte.

Galadriel nickte ihrem Mann schließlich zu, der Haldir wieder hoch hob. "Nun aber ab ins Bett junger Mann! Du hast bestimmt noch nichts geschlafen diese Nacht!", meinte Celeborn liebevoll tadelnd und Haldir blinzelte ihn nur wie zur Bestätigung müde an.

Celeborn brachte seinen nun nicht mehr jüngsten Spross in dessen Zimmer und legte den schon halb eingeschlafenen Haldir auf dessen Bett. Behutsam zog er ihn aus und steckte ihn in seinen Pyjama. Von all dem schien Haldir kaum was mit zu bekommen. Lediglich als Celeborn gehen wollte, krallte er sich an die Hand seines Vaters. Wortlos sah er ihn aus schimmernden Augen an, bis Celeborn die Hasenpuppe vom Boden hochhob und Haldir in den Arm legte. Erst jetzt lies der Junge los und kuschelte sich an seinen stoffigen Bettgefährten.

All zu lange schlief Haldir dann allerdings nicht in seinem Bett. Keine drei Stunden später tapste er auf nackten Füssen durch die nun dunklen Korridore hin zum Schlafgemach seiner Eltern. Lautlos schlich er sich hinein und erblickte seine Eltern schlafend im Bett, daneben eine große Wiege in der die Zwillinge friedlich schliefen. Ganz vorsichtig kletterte Haldir am Bettende unter die Decke und robbte dann nach oben zwischen seien Eltern. Zu dumm nur, dass der Kleine just in dem Moment niesen musste und egal wie leise er war, nun waren seine Eltern beide wach.

Celeborn hob die Decke an und sah darunter. "Liebling ich glaub da ist ein verwaister Elb auf der Suche nach Wärme zu uns gekrochen!", meinte er lächelnd und Haldir kroch gänzlich nach oben, bis sein Näschen mit der Nase seines Vaters zusammen stieß!

Haldir blinzelte seinen Vater an und zog ein mitleiderregendes Gesicht. "Will bei euch schlafen! Darf ich?! Darf ich?!"

Celeborn blickte hinüber zu Galadriel, die die Unterhaltung schweigend mitverfolgt hatte. Doch just in dem Moment als sie etwas sagen wollte, begann eines der Babys zu schreien, worauf sein Zwilling natürlich ebenfalls mit einstimmte. Sofort war die Elbenfrau bei den beiden und nahm sie hoch. Rumil reichte sie an ihren Mann weiter, der den kleinen Schreihals vorsichtig in den Arm nahm und leicht hin und her wiegte. Neugierig guckte Haldir ihm dabei und war erstaunt wie wenig es braucht, dass die Kleinen aufhörten zu schreien.

Allerdings erlebte Haldir auch, wie es wenig es brauchte, damit die beiden anfingen zu schreien. Sie schrieen immer und über all, sogar bei unpassenden Gelegenheiten und jedes Mal liessen seine Eltern Pflichten, Pflichten sein und kümmerten sich um die Baby. Es war schwer für Haldir sich vorzustellen, dass er auch einmal ein so unartiger Elb gewesen war.

Und was Haldir auch überhaupt nicht mehr gefiel, war dass er nun nicht mehr die Nummer ein zu sein schien. Galadriel gab sich zwar Mühe ihn so oft wie möglich bei der Babypflege dabei zu haben, doch hie und da war er einfach zu neugierig und störte sie bei der Arbeit, so dass sie ihn zum Spielen nach draussen oder auf sein Zimmer schickte. Das unabwendbare geschah und in Haldir wuchs ein neues Gefühl heran, dass die Liebe für seine beiden Brüderchen beinahe überwog: Eifersucht!!

Galadriel sah es zwar, wusste was in ihrem Sohn vorging und sie musste Celeborn nun recht geben, dass es ein Fehler gewesen war, nur 15 Jahre zu warten bis hin zu neuen Kindern. Der Abstand zwischen Haldir und seinen älteren Geschwistern war mehr als doppelt so gross, wie der zu den Zwillingen.

Aber Haldirs Eifersucht artete zum Glück nicht aus, immerhin war er ein Elb und Elben konnten sich beherrschen. Auch hasste er Rumil und Orophin nicht. Im Gegenteil. Die beiden waren zu süss, als dass man sie nicht mehr lieb haben konnte, aber Haldir begann daran zu zweifeln, dass seine Eltern ihn überhaupt noch haben wollten. Vielleicht musste er ihnen erst zeigen was sie verloren, wenn er nicht mehr da war.

In der folgenden Nacht setzte der kleine Haldir seinen Plan in die Tat um. Er packte seinen Stoffhasen, seinen Pyjama, so wie zwei Äpfel und ein paar Süssigkeiten in einen kleinen Lederbeute und schlich sich aus dem Palast. Sollten die doch zusehen wie sie ohne ihn klar kamen.