Mit einem vollkommen entschlossenen Gesichtsausdruck, wie ihn in dem Alter nur ein Elb haben konnte, marschierte Haldir schnurstracks aus Caras Galadhon hinaus. Er war wild entschlossen nicht mehr umzukehren und nicht zurück zu blicken. Doch dann, mit jedem Meter den er weiter ging, nahm dieser Entschluss ab und die Schritte des Elben wurden zaghafter. Der Wald um ihn herum schien sich verändert zu haben. War zuvor im goldenen Wald selbst bei Nacht noch alles hell und freundlich, so wurden die Bäume nun immer dunkler. Die Schatten wurden länger und die Geräusche der Waldbewohner nahm so stark an Lautstärke zu, dass Haldir sich die Ohren zu halten musste und sich ängstlich zusammenkauerte. Als unvermittelt irgend ein Tier an ihm vorbei aus dem Dickicht preschte, schrie Haldir erschrocken auf und lief los. Er sah trotz seiner Elbenaugen kaum wohin ihn seine Füsse trugen, blind hastete er durch das Gebüsch, spürte wie ihm kleine Zweige ins Gesicht schlugen und ein kleiner Dorn eine Schramme in seine Wange riss. Schliesslich fiel der kleine Elbenjunge hin, eine Baumwurzel hatte seine Flucht gestoppt! Zitternd und wimmernd zog sich Haldir zusammen und krabbelte zum nächst besten Baumstamm und kauerte sich dort zwischen die grossen Wurzeln. Sein Herzschlag verlangsamte sich allmählich wieder und auch sein Atem wurde ruhiger. Nur das Zittern konnte er nicht abstellen. Kein Wunder, denn nun war es bitterkalt wie ihm schien. Er war nassgeschwitzt durch seine kopflose Flucht und nun erschien das kleinste Lüftlein wie eisiger Wind. Bibbernd und den Tränen nah zog Haldir seinen Stoffhasen aus dem kleinen Beutel und drückte ihn an sich, lies sich von dem vertrauten Duft, der an dem Spielzeug hing etwas beruhigen. Doch auch wenn der Hase etwas Vertrautheit mit sich brachte, so konnte er doch nicht das Heulen, Knurren, Quieken und Fiepen der Wildtiere, so wie das Rauschen und Stöhnen der Bäume von Haldirs empfindlichen Ohren fern halten. Bei jedem erneuten Geräusch schreckte Haldir zusammen bis irgendwann wirklich die ersten dicken Tränen seine fest zusammen gekniffenen Augen verliessen. Irgendwie war einfach nicht so gelaufen wie es hätte laufen sollen. Wütend über sich selbst zog Haldir sein laufendes Näschen hoch und versuchte sich dazu zu zwingen mit dem Weinen aufzuhören. Er war doch kein kleines Kind mehr! In seinem Alter durften Elben doch nicht mehr weinen! Doch so sehr er sich das auch einzureden versuchte, die Tränen versiegten nicht. Schliesslich vergrub er sein Gesicht zwischen den Knien. Von überall her hatte er das Gefühl würden die Tiere auf ihn zu kommen. Grosse Tiere! Böse Tiere! Tiere die ihn bestimmt fressen wollten! Die nur darauf gewartet hatten, dass ein kleiner Elb nachts draussen alleine herum lief. Schliesslich stampfte genau vor ihm etwas auf und Haldir schrie panisch auf und versuchte etwas zu erkennen. Doch alles was er sah waren drei riesige, unförmige Schatten die direkt vor ihm standen und stampften und schnaubten, ihm warmen Atem ins Gesicht bliesen. Wieder begann Haldir zu weinen. Diesmal wirklich nur aus Angst und klammerte sich verzweifelt an sein Stofftier. "Nicht!", wimmerte er. "Geht weg! Bitte fresst mich nicht!" Einer der Schatten bewegte sich und dann löste sich ein Teil des Schattens und kam auf Haldir zu. Die blauen Augen wurden immer grösser, versuchten irgend etwas anderes ausser Schemen zu erkennen. Mit einem Mal ging ein Licht direkt vor ihm an und er blickte in das besorgte Gesicht Celeborn. Weinen warf sich Haldir seinem Vater in die Arme, der seinen Kleinen sofort fest an sich drückte. "Haldir...was machst du nur für Sachen?!", lächelte er sanft und reichte die angezündete Fackel an einen seiner Begleiter, der sich nun im Licht als Cedriel, einen von Haldirs älteren Brüder, heraus stellte. Nach wie vor Schluchzend klammerte sich Haldir an seinen Vater und sniefte und hustete kaum verständlich wie leid es ihm tat und dass er jede Strafe akzeptieren würde, die man ihm auferlegte, wenn er nur wieder nach Hause durfte. Unweigerlich drückte Celeborn den kleinen Elben fester an sich und strich ihm beruhigend über den blonden, zerzausten Haarschopf. "Pschh, pschhhht.ist schon gut Haldir..alles in Ordnung! Niemand wird dich bestrafen! Wir reiten jetzt nach Hause und dann musst du erst einmal zu deiner Mutter. Die macht sich nämlich grosse Sorgen um dich."

Wieder sniefte Haldir und hustete was das Zeug hielt, versuchte aber dennoch seinen Vater an zu blicken. "Aber.aber.sie.sie..sie braucht mich doch gar nicht.Sie.sie.sie hat doch die Zwillinge! Niemand braucht mich mehr!!" Erschüttert über die Gedanken seines kleinen Sohnes schüttelte Celeborn einen Augenblick stumm den Kopf, bevor er sich wieder fasste. "Nicht doch Haldir! Wir lieben dich doch genau so wie auch die Zwillinge und brauchen dich genau so doll wie sie!!"

"Aber...ihr.ihr habt gar keine Zeit mehr..ich bin doch nur..nur lästig!" Haldir begann nun vermehrt keuchend zu husten, was seinen Vater dazu veranlasste sich mit Haldir auf dem Arm wieder auf sein Pferd zu schwingen. Cedriel reichte ihm eine Decke, die Celeborn fürsorglich um Haldir wickelte. Der hatte sich langsam beruhigt und schnuffelte leise vor sich hin und hustete hie und da mal besorgniserregend. Es dauerte nicht lange bis die Elben Caras Galadhon wieder erreicht hatten. Haldir war mit seinen doch noch recht kurzen Beinen nicht sehr weit gekommen, da er teilweise fast im Kreis gerannt war. Dennoch war Celeborn erleichtert, als endlich die hellen Lichter vor ihnen auftauchten, denn Sorge um seinen Sohn taten sich in im breit. Zwar hiess es das Elben nicht krank wurden, was so weit ja auch nicht ganz falsch war. Doch die Menschen vergassen in ihren Erzählungen gerne die Tatsachen, dass auch Elben erst einmal ein derart starkes Immunsystem erst entwickeln mussten. Und Haldir war noch ein Kleinkind, vergleichbar mit einem fünfjährigen Menschenkind. Noch war seine Abwehr nicht die Beste und sehr gut hatte ihm wohl die kühle Luft in der Nacht nicht getan.

Kaum angekommen stieg Celeborn schnell von seinem Pferd und brachte Haldir in den Palast. Der Kleine brauchte nun schnellstens trockene Kleider und ein warmes bett, ebenso wie eine Tasse mit heissem Tee.

Haldir sah ziemlich kläglich aus, aber er klammerte sich mit all seiner verbleibenden Kraft an seinen Vater und hielt auch den Stoffhasen fest an sich gedrückt. "Tut mir leid ada. Dass...dass wollte ich nicht! Wirklich nicht! Jetzt hab ihr mich sicher erst recht nicht mehr lieb und...." Haldir zog immer wieder sein Näschen hoch, doch schon flossen wieder die ersten Tränen über seine heissen Wangen.

Als Celeborn mit Haldir auf dem Arm den Gang betrat auf dem sich die Gemächer der königlichen Familienmitglieder befanden, kam ihnen Galadriel entgegen.

In diesem Moment war sie einmal mehr nicht mehr die Herrin des Waldes. Keine Elbenkönigin, vor der alle ehrfurchtsvoll zurückwichen, sondern einfach nur eine besorgte Mutter, die ihrem Mann ihr Kind abnahm, dass sich noch immer weinend nun auch an seine Mutter kuschelte.

Galadriel nahm den völlig fertigen Jungelben mit in ihr Schlafgemach und legte ihn behutsam ins Bett. Allmählich beruhigte sich Haldir wieder und kuschelte sich nur noch leise wimmernd ins Kissen. Vorsichtig zog ihm seine Mutter die nassen Leggins und die feuchte Tunika aus.

Schweigend reichte ihr Celeborn ein Tuch, womit sie Haldir abtrocknete und anschliessend wurde der kleine in seinen Schlafanzug gesteckt und eine zusätzliche Decke über ihn gelegt.

Haldir war nun ganz still und schlief, wenn auch reichlich unruhig. Sein Wangen glühten und selbst im Schlaf zog er sein Näschen immer wieder hoch. Bald aber war sie dann doch völlig verstopft und Haldir musste durch den leicht geöffneten Mund atmen.

In dieser Nacht fanden seine Eltern keinen Schlaf mehr. Haldir schlief zwar, aber sehr unruhig und auch am nächsten Morgen fühlte er sich noch sehr heiss an, so dass Galadriel in erst einmal mit lauwarmem Wasser abwusch und ihn in einen frischen Pyjama stecke.

Danach zog sie ihm in Essigwasser getränkte Söckchen über und wickelte trockene Tücher um seine Beine. Nun hiess es erst mal abwarten ob das nun das Fieber senken würde, welches den Elbenprinzen heimgesucht hatte.