Liebe des Todes
Kapitel 7
Am Abend saß Beatrice auf der Fensterbank ihres Schlafsaals. Die anderen waren noch unten im Gemeindschaftsraum und bereiteten sich für morgen für den Unterricht vor.
Sie fror in ihrem dünnen Nachthemd, doch hatte sie keine Lust, ins Bett zu gehen.
Es war ruhig. Ein leichter Wind wehte durchs Fenster und spielte mit ihrem offenen Haar. Der Halbmond stand über dem Verbotenen Wald, der schwarz und düster da lag. Das Wasser des Sees bewegte sich nur ab und zu, wenn der Kraken sich müde räkelte. Eine Eule schuhute und eine andere antwortete.
Beatrice schloss die Augen und genoss die Stille. Sie verschränkte die Hände im Schoß und lehnte sich an die Mauer.
Langsam begannen ihre Gedanken zu schweifen.
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Sie drehte sich. Sie wurde immer schneller und schneller und konnte nicht mehr aufhören. Schließlich verlor sie das Gleichgewicht und fiel hin. Gras kitzelte sie in der Nase und sie lachte.
Da erschien eine junge Frau auf der Terrasse. Sie hielt ein Baby auf dem Arm. Als sie ihre ältere Tochter auf dem Boden liegen sah, legte sie das Baby schnell auf den Tisch neben sich und lief zu ihr.
Sie lachte immer noch. Das Gras fühlte sich so komisch an. Sie schüttelte den Kopf, damit es sie im ganzen Gesicht kitzelte. Da kniete ihre Mutter neben ihr.
"Schatz? Geht es dir gut? Hast du dir weh getan?"
Sie hob den Kopf und lachte ihre Mutter mit ihrem Erdbeschmierten Gesicht an. Ihr neues, weißes Kleid war grün und einer ihrer Strümpfe hatte ein Loch.
Ihre Mutter seufzte erleichtert auf. Dann lachte sie ebenfalls. Schließlich sprang sie auf die Füße, packte ihre Tochter an den Händen und wirbelte sie herum. Nun drehten sie sich gemeinsam im Kreis. Die Gegend um sie herum verwischte und ihre Haare flogen. Dann ertönte das Schreien des Babys. Ihre Mutter lies sie vor Schreck los und sie beide fielen hin.
Lachend lief ihre Mutter zu dem Baby und verschwand mit ihm im Haus.
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Sie lag auf ihrem Bett. Das Matheheft geöffnet vor ihr. Sie runzelte angestrengt die Stirn. Warum musste sie auch zu dieser albernen Schule gehen?
Die Tür ging auf und ihre drei jährige Schwester kam herein.
"Hast du Püppi gesehen? Sie ist weg!"
Tränen kullerten ihr über die Wangen.
Sie stand auf und nahm ihre kleine Schwester in den Arm.
"Aber Moppeli! Deine Püppi liegt doch im Wohnzimmer im Schrank! Da hat Vati sie doch gestern hingelegt."
Langsam versiegten die Tränen und ihre Schwester ging schnell ins Wohnzimmer um ihre Puppe zu holen. Kurz darauf sprang sie wieder fröhlich durch die Wohnung.
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Langsam kam Beatrice wieder in die Wirklichkeit zurück. Im Schlafsaal war gleißendes Licht und gerade kamen die anderen Mädchen herein.
Sie rutsche von der Fensterbank herunter und ging zu ihrem Bett.
Als sie die Vorhänge zugezogen hatte, blieb sie noch eine Weile sitzen und hörte den Gesprächen der anderen zu.
"Scarlett, hast du die Hausaufgaben für Zauberkunst verstanden? Ich kann diesen Spruch zum Färben einfach noch nicht!"
"Aber, Kati! Der ist doch ganz einfach. Guck, du musst nur -"
"Ja ja, Scarlett, wie wissen's! Bitte zeig uns das morgen, ja? Ich will jetzt schlafen!"
"Immer mit der Ruhe, Chrissi, ich darf Kati doch mal zeigen, wie der Spruch geht!"
"Aber bitte nicht jetzt. Gute Nacht!"
"Gute Nacht!"
"Gute Nacht!"
"Gute Nacht!"
Dann war es ruhig. Beatrice ließ sich in ihr Kissen fallen und starrte an die Decke. Irgendwo im Schlafsaal summte eine Mücke. Dann hörte man einen leisen Schnarchton.
Beatrice lächelte versonnen. Dann ließ auch sie sich in das Reich der Träume sinken.
