Zwischenspiel: Die Hofdamen


Am nächsten Morgen stand nichts an und so wanderte ich in den großen Gemeinschaftsraum, um die anderen Hofdamen kennenzulernen.

Vira saß auf einer Fensterbank voller hellblauer Kissen und stickte.
Ich mochte mich auch täuschen, aber sie sah müde aus.
Ich setzte mich neben sie.

Vira blickte von ihrer Stickarbeit auf und sah mich an.
"Guten Morgen," wünschte ich fröhlich.
"Guten Morgen," antwortete sie in müdem Tonfall.
"Alles in Ordnung, Lady Isehi?" fragte ich nun doch etwas besorgt.

Sie rang sich ein Lächeln ab. "Nur etwas schlecht geschlafen. Ich hatte...Bauchschmerzen."
Und wieder störte mich, wie sie das Wort "Bauchschmerzen" betonte.
Ich nickte aber nur mitfühlend.

Dann sah ich mich etwas um. Einige Frauen saßen in Zwei- oder Dreiergrüppchen beisammen, redeten und waren mit Handarbeiten beschäftigt. Sie waren nicht viel älter als ich. Ich schätzte die ältesten auf ungefähr 25 Jahre.

Der Raum selbst war hell und die Vorhänge aus hellblauer Seide. Der Teppich war in hellblau und weiß gehalten. Eine Farbkombination, die sich im ganzen Raum wiederholte.

"Es ist schön hier," meinte ich.
"Ja," war Viras kurze Antwort und sie betrachtete kritisch ein Rosenblatt.
"Entschuldigt, ich wollte Euch nicht beim Sticken stören."
"Ist kein Problem, aber ich bin schon drei Jahre hier und dann ist das alles nicht mehr so toll wie in der ersten Woche."

"Schon so lange?"
Sie nickte.
Ich schwieg dann, damit sie ungestört an ihren Rosen arbeiten konnte.

Am Nachmittag nahm ich auch meinen Handarbeitsbeutel nach unten mit und strickte an dem Schal weiter, den ich meinem Vater zum Geburtstag schenken wollte.

Auch am Nachmittag schwieg Vira beharrlich und die anderen Hofdamen schienen mich nicht zu bemerken oder hatten kein Interesse an einem Gespräch.
Ich fühlte etwas Heimweh, aber als ich am Abend ins Bett ging, dachte ich, daß ich nicht zuviel erwarten sollte.

Und so setzte ich meine Hoffnungen in den nächsten Tag.

***

Aber auch am nächsten Vormittag waren die Damen schweigsam und mir verging die Lust, ein Gespräch in Gang zu bringen.

Gegen Mittag erschien ein Diener und überreichte mir auf einem Silbertablett eine Notiz.
Nach dem Lesen zog ich die Augenbrauen hoch.

"Eine medizinische Untersuchung?"
"Damit niemand hier etwas einschleppt," antwortete Vira. "Es ist ziemlich umständlich, eine Verbreitung zu vermeiden, wenn jemand hier die Grippe einschleppt."

"Aber hier gehen doch tagtäglich hunderte von Leuten aus und ein. Da könnte doch jeder was einschleppen." Ich war verwundert.
Vira zuckte nur mit den Schultern. "Anweisung vom Imperator. Ob es uns logisch erscheint oder nicht, spielt da keine Rolle."
"Natürlich, " seufzte ich.

Und so fand ich mich drei Stunden später beim palasteigenen Arzt, Dr. Ramen, ein, der mich untersuchte und mir mitteilte, daß alles in Ordnung sei.
Dann stellte er mir noch einige Fragen zu meiner Krankheitsgeschichte und machte sich dazu Notizen.
Das ganze dauerte nur eine halbe Stunde und immer noch verwundert verließ ich seine Praxis.

***

"Wars schlimm?" fragte mich Lady Isehi sobald ich wieder im Gemeinschaftsraum war.
"Nein. Alles ganz normal."
"Also wieso dann die Aufregung, Lady Devey?"
"Mehr Verwunderung als Aufregung. Der Imperator scheint wohl Angst vor Krankheiten zu haben."

Sie warf mir denselben mitleidsvollen Blick wie an meinem ersten Abend zu und sagte nichts weiter.
Langsam beschlich mich das Gefühl, das etwas nicht stimmte. Aber ich schüttelte es ab und dachte, daß ich wohl paranoid würde.