3. Blutroter Himmel


Das Fest war langweilig. Eigentlich war jedes Fest langweilig. Ich versteckte mein Gähnen hinter meinem Fächer und sah zu, wie Hofdamen mit Politikern und Militärs tanzten. Ich hatte mich in eine ruhige Ecke verkrochen.

Nach anderthalb Jahren bei Hofe waren die ganzen Verpflichtungen, die ich früher wunderbar gefunden hatte, nichts mehr als eine erdrückende Last.
Vor allem Verpflichtung Nummer Eins: Gebier deinem Vergewaltiger ein Kind.

Ich verschwand auf der Toilette und kramte meine Schmerztabletten heraus. Schnell eine rein.
Ich blinzelte in das gedämpfte Licht und seufzte erleichtert. Langsam schlich ich zurück auf das Fest, wo die Tanzmusik aufgehört hatte. Anstatt dessen füllten Gespräche den Raum mit einer penetranten Lautstärke.

Palpatine wurde von Speichelleckkern und Bittstellern belagert. Dieses Schauspiel von Lüge und Schleimerei machte mich krank.
Ich entschuldigte mich bei einer anderen Hofdame mit Kopfschmerzen und entfloh in die kühle Luft des nächtlichen Gartens.

Ich ließ mich auf einer Bank nieder und atmete solange tief durch bis das Gefühl, daß ich mich übergeben müsse, abgeklungen war. Ich wanderte hinüber zu einigen nachtblühenden Blumen, Sternsinger genannt.

Sie waren wunderschön, blau und weiß, und nicht falsch. Ich stand still neben ihnen und wünschte mir, ich hätte so ein einfaches Leben wie diese Blumen. Aber ich weinte nicht. Es waren nicht mehr genug Tränen übrig.

An den leiser werdenden Geräuschen merkte ich, daß das Fest seinem Ende zuging.
Ich wartete lange genug, um sicher zu sein, daß ich niemandem mehr begegnen würde, dann ging ich hinein. Ich wußte, daß ich keinen Schlaf heute Nacht finden würde und so beschloß ich, mir aus der Bibliothek ein Buch zu holen und mein ganzes miserables Dasein zwischen dessen Seiten zu vergessen.

Die Bibliothek war der einzige Raum im Palast, der mir noch etwas Trost spenden konnte. Um diese Zeit war niemand mehr hier. Normalerweise.
Nachdem ich mir ein sehr dickes Buch mit einem klassischen Naboo-Epos ausgesucht und mich auf den Weg zum Ausgang gemacht hatte, bemerkte ich, daß in einer Ecke des großen Raumes noch Licht brannte.

Neugier treib mich hin. Auf einem der zahlreichen Tischchen lag ein Haufen Papiere ausgebreitet. Eines stach mir besonders ins Auge. Es war Pergament, gelb von Alter und sehr dick. Ich legte mein Buch beiseite und hob das Pergament an.

Es fühlte sich schwer an. Darauf waren mir völlig unbekannte Schriftzeichen. Sie waren mit brauner Tinte geschrieben. So dachte ich zumindest bis ich den eigenartigen kupfernen Geruch wahrnahm. Es roch nach...Blut!

Mit einem Schauder mußte ich mich zusammenreißen, um das widerliche Ding nicht auf der Stelle fallen zu lassen. Ich legte es zitternd zurück auf den Tisch.

Das Blatt daneben war hingegen sehr neu und mit geometrischen Mustern, Zahlen und mir nichtssagenden Wörtern bedeckt. Bei näherer Betrachtung stellten sich die geometrischen Formen als eine Sternenkonstellation heraus.

Ich runzelte meine Stirn und konnte gerade noch einen Blick auf ein weiteres Blatt werfen, das mit Zahlen, die für mich wie ein Gencode aussahen, beschrieben war, bevor mich eine Stimme aus meiner Versunkenheit riß.

"Etwas von Interesse gefunden?"
Ich fuhr herum und blickte direkt in Palpatines gelbe Augen. Mit Schrecken wurde mir bewußt, daß ich keine Ahnung hatte, wie lange er mich beobachtet hatte.
"Das Buch hier, Euer Majestät!"
Ich hielt das Epos wie einen Schutzschild vor mich und hoffte, daß ich damit ablenken konnte.

Palpatine schenkte dem Buch keinerlei Beachtung.
"Du solltest um diese Uhrzeit nicht mehr durch den Palast laufen, dir könnte etwas geschehen."
Ich zitterte am ganzen Leibe bei dieser offensichtlichen Drohung, drehte mich um und floh. Sein Lachen verfolgte mich länger als ich es für möglich hielt.

Keuchend in meinen Gemächern angekommen, verriegelte ich die Tür. Ich fand weder Muße zu lesen noch zu schlafen. Dafür kam ich nicht von den Bildern der Papiere los. Ich wünschte mir, ich könnte mir darauf einen Reim machen, aber keiner meiner Gedankengänge führte zu einem Ziel.

Mit dem Gefühl drohenden Unheils schlief ich schließlich in den frühen Morgenstunden ein.

***

Ich träumte.

Ich träumte, ich watete durch einen Fluß von Blut und Tränen. Ich war weder erschreckt noch entsetzt. Ich ging immer weiter bis ich die Mündung des Flußes sehen konnte.
Ich ging hin.

Ein kleines Mädchen kniete und hielt ein kleines Kaninchen auf ihrem Schoß fest.
Das Kaninchen war tot und aus seinem Bauch lief immer noch Blut, obwohl es sicher schon lange nicht mehr lebte.

Das Mädchen hatte sein Haupt gesenkt und durch den Schleier braunen Haares konnte ich ihr Gesicht nicht sehen. Aber ich sah, wie Tränen an ihr herunterliefen, wirklich an ihrem ganzen Körper, wo sie sich mit dem Blut vermischten und zu dem Fluß wurden, den ich hinaufgegangen war.

Es war so still und ich wollte das Mädchen ansprechen und trösten, doch da...hörte ich ein schreckliches Kreischen über mir und sah hoch.

Der Drache maß mindestens zwanzig Meter von der Schnauze bis zur Schwanzspitze und er kreischte. Dann stieß er wie ein Raubvogel auf das kleine Mädchen herunter und riß sie in die Höhe.

Das Kaninchen fiel auf den Boden, während der Drachen das kleine Kind mit einem einzigen Biß auffraß.
Ich konnte mich nicht rühren, ich konnte nicht schreien.
Der Drache wurde immer größer und plötzlich waren seine monströsen gelben Augen auf mich gerichtet.

Und ich konnte mich nicht bewegen...

***

Die Tage waren schnell vergangen nach diesem Traum, dessen Ende mir durch Weckerklingeln erspart worden war.

So verdammt schnell. Es waren nur noch zwei Tage bis mein nächtlicher Besucher wiederkehren würde. Ich war bereits wieder mit allen Nerven am Ende und Vira hatte, nachdem sie den Vormittag mit dem erfolglosen Versuch verbracht hatte, mich aufzumuntern, schließlich aufgegeben und hatte mich meiner schlechten Laune überlassen.

Danach verbrachte ich die Zeit bis zum frühen Abend damit, zu lesen und mich zu gruseln. Palpatine mochte das Leid, das er mir antat und er hatte mir verboten, meine Augen während seines Mißbrauchs meines Körpers zu schließen, damit er meinen Schmerz in ihnen sehen konnte.

Ich haßte ihn und meine Überlegungen, ihn zu erdolchen, endeten immer mit Resignation. Obwohl er so alt war und aussah als würde er gleich auseinanderbrechen und sich immer mehr auf seinen Gehstock verließ, besaß er noch viel Kraft wie ich am eigenen Leib erfahren hatte und es wäre ihm mit Sicherheit ein Leichtes, mir beide Handgelenke zu brechen, sollte ich etwas derartiges versuchen.

Ich seufzte und legte mein Buch fort. Palpatine war ein Sadist. Und ich konnte nichts tun, um ihn abzuhalten, wiederzukommen.
Ich lief wie ein eingesperrtes Tier durch die Wohnung und warf dann und wann Blicke voller Abscheu auf meine Schlafzimmertür.

Ich war mehr als überrascht als es gegen 1800 an meiner Tür klopfte. Ich nahm an, es wäre Vira, die mich zu einem Spaziergang überreden wollte und öffnete die Eingangstür ohne vorher durch den Spion zu sehen.

Es war Palpatine.
"Guten Abend, Arina."
Mein Wiederstand war schon längst auf Sparflamme und so öffnete ich ihm einfach die Tür.

"Guten Abend, Euer Majestät. Ich fürchte, Ihr seid etwas zu früh."
Ich dachte, er hätte sich vielleicht im Termin getäuscht.
"Oh nein, ich komme genau richtig."

Er sah aus, als ob er kurz vor einem großen Sieg stünde.
Ich ließ mich von ihm roh am Arm packen und in mein verhaßtes Schlafzimmer ziehen. Er warf mich auf mein Bett.

Von hier aus sah ich, daß das Abendlicht von Coruscant sich verändert hatte. Das milde Orange war zu einem rot übergegangen, das ich in all meinen Jahren auf Coruscant noch nie gesehen hatte. Rot, nein röter als normales rot, blutrot!

Der Himmel war blutrot! Meine Augen hefteten sich auf das Schauspiel dort draußen, während Kleider raschelten und ich das verhaßte Gewicht auf mir spürte.
Etwas Dunkles schwebte wie eine Wolke über meinen Kopf und machte mich schwindelig, zeigte mir Dinge, die ich nie gesehen hatte und fütterte meinem Körper Gefühle ein, die ich nicht verstand.

Mein Kopf schwamm und um mich drehte sich alles. Nur das Rot blieb mir konstant im Blickfeld. Stunden vergingen bevor ich ohnmächtig wurde von alle dem.

***

Es war früher Morgen, als ich erwachte. Mein Kopf fühlte sich merkwürdig an. So als ob jemand einen feinen Draht hineingestochen und für eine Weile meine Gedanken lahm gelegt hätte.

Ich bewegte mich und mein Fuß stieß gegen etwas ekelhaft warmes. Es war sein Bein. Palpatine war immer noch da! Normalerweise verließ er mich immer, nachdem er meinen Körper benutzt hatte. Diesmal schien er zu müde gewesen zu sein.

Irgendwie nicht ungewöhnlich, denn was gestern abend geschehen war, hatte mehrere Stunden gedauert. Ich stahl mich leise in die Dusche und ließ das Wasser den morgendlichen Schreck fortwaschen.

Bei der Rückkehr in mein Schlafzimmer, war das Bett leer und der Imperator fort. Ich war froh, daß ich mich nicht weiter mit ihm befassen mußte. Es wunderte mich nicht sehr, daß er an den errechneten Terminen nicht vor meiner Tür erschien.