4. Verlust und Gewinn


Als meine Regel nicht einsetzte, war ich mir ziemlich gewiss, schwanger zu sein.
Schließlich machte ich mich auf den Weg zu Dr. Ramen. Ich wollte den andern Frauen eine weitere Untersuchung ersparen.

Während ich durch die langen Korridore ging, fühlte ich einen argen Zwiespalt in mir.
Ich wußte nicht, was ich tun sollte, wenn Dr. Ramen meinen Verdacht bestätigte. Wäre jemand anders der Vater gewesen, hätte ich mir diese Gedanken sicher nicht gemacht.

Was für ein Kind würde es sein? Ein Dämon? Unsinn, schalt ich mich selber. Ein Kind konnte kein Dämon sein. Palpatines Vaterschaft würde das Kind nicht automatisch schlecht machen, nur weil er ein schlechter Mensch war. Ich riß mich zusammen, aber die Zweifel blieben.

Dr. Ramen war mehr als erstaunt, mich zu sehen.
"Lady Devey, seid Ihr krank?" Er sah mich mit hochgezogener Augenbraue an, denn normalerweise wurde ich nicht so einfach krank.

"Nein, es ist etwas anderes. Ich glaube..."
Ich schluckte hart . "Ich glaube, ich bin schwanger."
Ich sah die Zweifel deutlich auf seinem Gesicht, aber er wies mich an, mich freizumachen und untersuchte mich dann.

"Nun?" fragte ich ihn als er fertig war und ich mich bereits wieder angezogen hatte.
"Ihr seid tatsächlich schwanger. In der sechsten Woche," meinte er mit wachsender Aufregung.

Ich rechnete zurück. Es würde perfekt auf die Nacht mit dem blutroten Himmel passen. Ich hatte mich nicht geirrt.
Merkwürdigerweise freute sich ein Teil von mir. Nicht, weil ich hoffte, bald heimzukönnen oder die anderen zu befreien, sondern weil ich neues Leben in mir trug. Das verwirrte mich sehr.

"Würdet Ihr bitte mitkommen?" riß mich Dr. Ramens Stimme aus meinen Gedanken.
Ich nickte und lief ihm hinterher zum Thronsaal.
Nach einem Gespräch mit einem für seine Verhältnisse viel zu teuer bekleideten Mann, bei dem es sich um Palpatines Privatsekretär handelte, dürften wir eintreten.

Palpatine schien nicht überrascht, uns zu sehen. Ich warf ihm einen Blick voller Abscheu zu, aber entweder bemerkte er es nicht oder er fand es amüsant.

"Euer Majestät." Ramen verbeugte sich und ich machte einen leichten Knicks.
"Ich habe gute Nachrichten für Euch. Lady Devey ist guter Hoffnung." Er strahlte Palpatine so an, daß ich mich fragte, ob er wirklich wissen konnte, was im Damenflügel vorsichging.

Palpatine nickte zufrieden. "Meine Glückwünsche, Arina."

Seine Stimme tropfte nur so vor Hohn und ich hätte ihm am liebsten eine patzige Antwort gegeben. Ich war klug genug, es nicht zu tun.
"Danke, Euer Majestät. Ich beglückwünsche Euch auch."

Mir wurde fast schlecht, während ich sprach. Ich konnte nicht sagen, ob die Schwangerschaft oder die Worte aus meinem Munde dafür verantwortlich waren.
Palpatine wies mich daraufhin an, zu allen Vorsorgeuntersuchungen zu gehen und auf mich aufzupassen.

Es war klar, daß ich bezahlen würde, sollte diese Schwangerschaft schief laufen.

Mit einem vollen Kopf wanderte ich zurück in meine Gemächer und legte mich auf das Sofa. Ich würde dieses Kind bekommen, ja, und ich würde es beschützen.
Das war das letzte, woran ich denken konnte, bevor ich eindöste.

***

Vira ließ den Löffel mit lautem Klirren auf ihren Teller fallen.
"Du bist was?" fragte sie ungläubig.
"Schwanger," antwortete ich ruhig.

"Du bekommst wirklich ein Kind?"
"Kuck nicht so als würde mir gleich der Bauch aufplatzen und was Ekliges rauskriechen."
Vira holte erstmal tief Luft. "Es ist nur so, daß ich daran schon gar nicht mehr geglaubt habe."

"Wer hat das schon?" Ich schenkte mir eine weitere Tasse Tee ein und verrührte den Zucker.
"Was hat er gesagt?" erkundigte sich Vira.
Ich schilderte ihr kurz unser Zusammentreffen.

"Wird es ein Junge oder ein Mädchen?"
An diese Frage hatte ich noch gar nicht gedacht. Meine Gedanken waren eher voll von der Frage gewesen, ob es ein normales Kind werden würde.
"Ich weiß es noch nicht. Er will sicher einen Sohn."
"Du klingst nicht so, als ob du an einen glauben würdest," meinte Vira und sah mich mit ihren durchdringenden grauen Augen an.

"Kann sein. Ich hoffe einfach nur darauf, daß es ihm gut geht."
"Und das es normal ist," bemerkte Vira.
"Das auch, ja."

Später ging ich in Gedanken versunken in mein Bad und öffnete das kleine Schränkchen. Ich hatte die Pillendose schon in der Hand als mir klar wurde, daß ich keine dieser Tabletten mehr nehmen durfte.
Angewidert von mir selber schleuderte ich die Dose in den Mülleimer.

Ich würde sie sowieso nicht mehr brauchen.

***

Am nächsten Morgen hatte ich Stadtgang, um Einkäufe zu erledigen und mich mit den Kinderkleidungsabteilungen diverser Kaufhäuser vertraut zu machen. Bei meiner Rückkehr war ich um die Erkenntnis reicher, daß modische Verrücktheiten auch vor Babymode nicht halt machten und daß ein schwarzer Umhang "a la Vader" nichts war, was ich meinem Kind kaufen geschweige denn anziehen würde.

Schon in der Eingangshalle war die Stimmung gedrückt. Ich eilte in unseren Flügel. Vor dem großen Gemeinschaftsraum standen Dr. Ramen, Leutnant Piett und die massige Gestalt Vaders.

Piett entdeckte mich und eilte auf mich zu. "Lady Devey, es tut mir leid," begrüßte er mich unglücklich.
"Was ist denn passiert?" Ich hatte Angst.

"Ein Leck in der Gasheizung," seufzte er. "Durch die Umbauarbeiten im fünften Stock wurde wohl der Gastank hier unten beschädigt sowie die automatische Verriegelung der Tür. Sie sind alle erstickt." Er schloß kurz die Augen.

Ich bedeckte meinen Mund mit einer zitternden Hand. "A...alle?"
"Bis auf Euch und Lady Isehi. Ihr wart fort und Lady Isehi sollte die Vorbereitungen für das Bankett heute abend überwachen."

Vader hatte sein Gespräch mit Dr. Ramen beendet. Er kam an uns vorbei.
"Leutnant, ich will, daß Sie diesen Vorfall untersuchen."
Er glaubte nicht an einen Unfall. Ich auch nicht.
"Natürlich, mein Lord."
Vader verließ den Flügel in langen Schritten.

"Entschuldigt mich bitte, Leutnant," sagte ich gepreßt.
Während ich mit wehenden Röcken zum Thronsaal rannte, dachte ich daran, daß es lächerlich war. Ich hatte keinen Beweis für meinen Verdacht.

Ich lief den verschreckten Assistenten beinah über den Haufen und platzte in den Thronsaal. Ich war wütend und ich würde es ihn spüren lassen.
Palpatine musterte mich mit milder Überraschung.
"Kann ich dir irgendwie behilflich sein?" Er legte ein Datapad beiseite.

"Ja. Und zwar indem Ihr mir sagt, warum sie sterben mußten!" fauchte ich ihn an.
"Aber, Arina, denk doch nach! Irgendwann hätten sie geredet." Er lächelte.
Ich wollte zu ihm stürmen und ihm dieses Lächeln aus seiner widerlichen Visage schlagen, aber ich hatte bereits genug Grenzen überschritten und wollte mein Glück nicht unnötig reizen.

"Sie hätten nie etwas gesagt, wenn Ihr sie hättet gehen lassen!"
"Ein unnötiges Risiko." Es klang als hätte er eine scharfe Kante rundgefeilt und nicht als ob er gerade eiskalt 27 Frauen qualvoll ersticken lassen hatte.
Mir brannten die Tränen in den Augen. "Dafür werdet Ihr bezahlen!"
"Du hast keinen Beweis und Vader auch nicht."

Ich fragte mich, wie Palpatine von Vaders Verdacht wissen konnte, aber ich sprach es nicht an. Er hatte meinen eigenen Gedanken ausgesprochen. Ich hatte keinen Beweis, ich hatte nur mein Gefühl.

"Eines Tages werdet Ihr bezahlen!"
Ich stürmte aus dem Thronsaal in meine Zimmerflucht.
Dann weinte ich endlich.

***

Zwei Stunden später fuhr ich in den vierten Stock und klopfte an Viras Wohnungstür.
"Wer ist da?" Ihre Stimme klang voller Tränen.
"Arina. Darf ich reinkommen?" Meine Stimme klang genauso.

Ich hörte das Rascheln von Stoff und das Klicken der Tür. Vira sah auch genauso verheult aus wie ich. Ohne Worte nahm ich sie in den Arm. Sie schlang ihre Arme um meinen Hals und so standen wir für eine Weile.

"Er war es, nicht wahr?" murmelte Vira in meine Schulter.
"Wer denn sonst?" Sie schluchzte. "Warum hat er sie alle getötet und mich am Leben gelassen?"

"Ich weiß es nicht..." Ich ließ sie los und wir setzten uns auf die Couch.
Vira wischte sich mit einem Taschentuch über ihr feuchtes Gesicht.
"Ich wünschte, er hätte mich auch umgebracht," sagte sie nach einer Weile.
Ich starrte sie fassungslos an.

"Warum soll ich leben und sie nicht." Es klang bitter.
"Weil ich dann ganz allein hier wäre und niemanden hätte," murmelte ich traurig.
Jetzt starrte sie.
Ich war aus der Tür bevor mich Viras Schrei noch erreichen konnte.

***

Vira hatte sich am nächsten Tag wieder gefaßt. Wir sprachen nicht noch einmal über das Thema Tod.

Drei Tage später waren wir auf der Gedenkfeier.
Soviele Menschen. Soviele Väter, Mütter, Brüder und Schwestern. Palpatines Anwesenheit und seine Beileidsworte machten mich krank. Wenn doch all diese Leute wüßten...

Piett hatte mir am frühen Morgen zugesteckt, daß die Frauen zwar erstickt waren, aber im Raum kein Gas und der Gastank völlig in Ordnung gewesen war. Auch in den Lungen der Verstorbenen waren keinerlei Gasspuren gefunden worden.
Ich fragte mich, wie sie ohne sichtbare oder feststellbare äußere Einflüsse hatten ersticken können.

Nachdem die Urnen ihren Anverwandten zur Beisetzung übergeben worden waren, verließen wir den Gedenksaal.
Mir war schlecht. Hinter jeder Ecke nur neues Leid.