Noch mal einen herzlichen Dank an die wenigen Reviewer, vor allem
Andrea!!!! Fühlt Euch geknuddelt! *g*
Und - in Kapitel 9 gibt's mal wieder Sex - wer mit wem??? Na, ratet mal!! *g*
Kapitel 8
Aithiels Entscheidung
Die Schmerzen waren nicht groß genug, um die Qual zu übertünchen, die Haldirs Worte in ihr ausgelöst hatten. Aithiel ließ ihren Kopf zur Seite sinken, damit er nicht sah, wie ihr die Tränen aus den Augen stürzten. Nun hatte sie auch noch di letzte Person verloren, der sie uneingeschränkt vertraut hatte Die Vorstellung von Aithlions starrem Körper, der in ein Erdloch gesenkt wurde, entlockte ihr ein leises Wimmern.
Haldir begann, ihre Hand zu streicheln und sie hätte sich ihm fast entzogen, wenn sie nicht so schwach gewesen wäre. Seine Nähe war wohltuend , wie sie bemerkte, auch wenn sie sich in diesem Moment fühlte, als sei sie dieser kleinen Zärtlichkeit nichtwürdig. Sie hatte Aithlion nicht helfen können, weil sie sich eher darum gekümmert hatte, dass den Galadhrim nichts geschah. Deswegen war sie nicht an seiner Seite gewesen, als er getroffen wurde.
Sie sank in einen unruhigen Schlaf, aus dem sie immer wieder kurz unter die Oberfläche ihres Bewusstseins driftete, doch nicht erwachte. Die Schmerzen peinigten sie und vor alle ihr Kopf schien nicht mehr Teil ihres Körpers zu sein, so schwer lag er im Kissen, verbunden in weiches Leinen. Sie erinnerte sich, dass ein Ork sich von hinten an sie herangeschlichen und sie niedergeschlagen haben musste.
Obwohl sie nicht fähig war, ihre Augen zu öffnen oder sich zu bewegen, erlebte sie doch ganz genau, was um sie herum geschah. Sie hörte die Gespräche der Heiler mit, die darüber rätselten, ob ihre Schulter jemals wieder voll bewegungsfähig sein würde. Sie spürte, wenn man ihren Kopf hob, um ihr etwas Nahrung einzuflößen. Und sie merkte, dass Haldir nicht wiederkam.
Rumil tauchte in regelmäßigen Abständen neben ihrem Bett auf, brachte ihr süß duftende Wiesenblumen mit und erzählte Geschichten, so als wäre er sich ganz sicher, dass sie ihn hören konnte. Auch ihre Männer kamen, einer nach dem anderen, wohl verschüchtert von dem ungewohnten Bild, dass sie bot. Über jeden Besuch freute sie sich, wurde ihr dadurch bewusst, dass die Orkreiter noch immer bereit waren sich für sie einzusetzen.
In ihrem seltsamen, schwebenden Zustand machte sie sich Gedanken darüber, was nun geschehen würde. Aithliopns letzte Bitte an sie wäre wohl gewesen, die Orkreiter weiterhin zusammenzuhalten und in den Krieg gegen Mordor zu führen. Insgeheim stimmte sie dieser Meinung zu, wie sie s immer getan hatte. Doch es war ihre mitfühlende Seite, die etwas Anderes vorschlug.
Einige Tage waren vergangen, in denen sie es nicht geschafft hatte, wieder vollends zu Bewusstsein zu kommen. Die Angst, sie können vielleicht ewig in ihrem Zustand bleiben, ängstigte sie, doch auf der anderen Seite war sie froh - sie musste keine schmerzhaften Entscheidungen treffen.
Eines Nachts, als Aithiel den warmen Wind durch den Raum wehen hörte, spürte sie plötzlich, dass sie nicht alleine war. Ihr Lager senkte sich ein wenig, als jemand darauf Platz nahm und dann legte sich eine kühle, weiche Hand auf ihre Stirn. In Aithiels Kopf blitzten Bilder auf, gegen die sie sich zunächst zu wehren versuchte, weil sie so furchtbar waren. Die eindrucksvolle Gestalt ihres Vaters, von dem sie niemals geglaubt hätte, dass ihm etwas passieren konnte. Sie sah ihn, wie er gewesen war, als er ihr als kleines Mädchen etwas vorgesungen hatte und dann als der Krieger, als der er die Orkreiter geführt hatte, verbissen, streng, aber immer gerecht und stolz. Und sie sah seine Leiche, die in seinen zerfetzten Mantel gerollt und am Fuß einer Erle begraben wurde. Dann wechselte das Bild in ihrem Kopf, erzählten nun den Hergang der Schlacht gegen die Orks, zeigten ihrem geistigen Auge erneut, wie Aithlion getroffen vom Pferd fiel.
Aithiel schluchzte leise und hob sofort eine Hand, um die Tränen abzuwischen, die über ihre Wagen liefen. Ihr Vater hatte ihr stets geraten, ihre wahren Gefühle im Verborgenen zu halten und sich damit niemandem auszuliefern. Dann wurde sie sich dessen bewusst, was sie tat und schlug die Augen auf.
Galadriel saß neben ihr auf dem Bett und blickte voller Mitgefühl auf sie hinunter. Langsam zog sie ihre Hand von Aithiels Stirn, so als bereite es ihr große Mühe und sagte dann leise:
"Es ist schön, Euch wach zu sehen. Eure Männer machen sich große Sorgen um Euch."
"Wie lange war ich bewusstlos?" Aithiels Stimme schien ihr nicht zu mehr gehören und als sie versuchte, sich aufzusetzen, scheiterte sie kläglich an ihren zitternden Gliedmaßen. Frustriert ließ sie ihren Kopf ins Kissen zurückfallen und erinnerte sich erst nach einem stechenden Schmerz daran, dass der Verband nicht umsonst ihren Hinterkopf umspannte.
"Eine Woche jetzt. Um die Unterbringung Eurer Männer und die Versorgung Eurer Verwundeten und Toten haben wir uns gekümmert."
"Wie kommt es, dass wir überhaupt überlebt haben?", fragte Aithiel leise.
Galadriel senkte den goldenen Kopf ein wenig und lächelte.
"Mein Ehemann ritt Euch mit einigen Kriegern nach, um nach dem Rechten zu sehen. Er kam gerade noch rechtzeitig, um in den Kampf eingreifen zu können." Ihre Augen verdunkelten sich. "Ich habe die Gefahr für Eure Männer unterschätzt, sonst hätte ich viel früher dafür gesorgt, dass sie in Sicherheit gebracht werden."
"Nun ist es wohl zu spät", gab Aithiel zurück und verzichtete darauf, der Herrin irgendeinen Vorwurf über ihr bisheriges Schweigen zu machen. Galadriel ging auf ihre Weise mit der ihr auferlegten Verantwortung um und sie hatte nicht das Recht, das zu kritisieren. "Ich habe eine Entscheidung getroffen."
"Das dachte ich mir." Galadriel musterte sie und erhob sich schließlich. "Doch überstürzt erst einmal nichts. Erholt Euch, überdenkt alles. Und wenn Ihr dann entschlossen seid, wendet Euch an mich." Ihr geheimnisvolles Lächeln ließ erahnen, dass sie wieder mehr wusste, als sie zu sagen bereit war. "Es wird sich alles für Euch fügen, glaubt mir." Sie wandte sich zum Gehen. Eine Hand am Vorhang, drehte sie sich noch einmal um. "Haldir hat über den Tod Eurer Mutter mit Euch gesprochen?"
"Er hat Andeutungen gemacht, aber nicht Genaues gesagt."
"Das dachte ich mir", murmelt Galadriel und schwebte davon. Der Vorhang fiel hinter ihr und Sekunden später war Aithiel erneut eingeschlafen.
***
"Ihr solltet Euch wirklich noch schonen", sagte Rumil, als er den Vorhang beiseite schob und Aithiel dabei ertappte, wie sie versuchte, auf die Beine zu kommen. Sie warf als Antwort mit der Rechten ihr Kissen in sein Gesicht, das er lächelnd auffing.
"Wenn mir das heute noch einmal jemand sagt, springe ich von der Plattform!", drohte sie und tastete frustriert nach dem steifen Verband, der ihr Knie und Oberschenkel bedeckte. Die Keule des Orks hatte den Knochen nicht gebrochen, aber Muskeln und Sehnen verletzt. "Ich liege jetzt schon so lange nutzlos herum, langsam werde ich verrückt."
Die letzten zwei Tage hatte sie an die Decke gestarrt und sich überlegt, was sie tun konnte, um die nagenden Zweifel zu bekämpfen, die sie immer wieder überfielen. Dann hatte sie beschlossen, dass es Zeit war, das Bett zu verlassen und weiterzumachen, ganz gleich, wies in ihr aussah. Die Toten würden nicht zurückkehren und ihre Verpflichtung galt den Lebenden.
"Falls Ihr überhaupt soweit kommt!", gab Rumil zu bedenken und zwinkerte ihr zu. "Ohne Hose."
Aithiel realisierte, dass sie außer einem halblangen Nachthemd nichts am Leib trug und besaß genug Anstand, um zu erröten.
"Ich komme mit dem Verband nicht in die Hose", verteidigte sie sich und wickelte sich in ihre Bettdecke. "Was führt Euch her?"
"Eure Unterhaltung. Ich dachte, ich könnte Euch für einige Stunden aus diesem Zimmer befreien."
"Ohne Hose?", erkundigte sich Aithiel spitzbübisch und fand sich einige Sekunden später auf Rumils Armen wieder, auf die er sie sehr vorsichtig gehoben hatte.
"Noch könnte Ihr Euch gehen diesen Ausflug entscheiden!", beschied er ihr lächelnd. Aithiel sah in seine unglaublich blauen Augen und fand es schade, dass sie überhaupt kein Flattern in ihrem Magen auszulösen vermochten. Im nächsten Moment schalt sie sich eine gefühlskalte Närrin. Ihr Vater und ihr Liebhaber starben und alles, woran sie dachte, war, dass sie sich nicht in einen wunderschönen Mann verlieben konnte, weil ihr sein verstockter Bruder nicht aus dem Kopf ging.
Sie fluchte leise und Rumil, der sie unter den verdutzten Blicken der Heiler aus dem Zimmer in den hellen Sonnenschin trug, sah sie mit gespieltem Erstaunen an.
"Eine so schöne Frau sollte solche Worte nicht einmal kennen." Er brachte sie zu den Wurzeln eines der Mallornbäume, in dessen Schatten bereits eine Decke lag und setzte sie vorsichtig darauf ab. Aithiel lehnte vorsichtig den Kopf an das sonnenwarme Holz und sog tief die frische Luft ein, sein Kompliment ignorierend.
"Ihr habt wirklich die besten Ideen, Rumil", lobte sie ihn und blinzelte gegen das Licht zu ihm hinüber. Er hatte die langen Beine ausgestreckt und lehnte auf seinem Ellbogen. Sie konnte sich vorstellen, dass er einen beträchtlichen Erfolg bei Frauen haben musste. Bei seinen Berichten über seine Besuche bei den Menschen hatte er diesen Punkt ausgelassen, aber es war nicht zu vermuten, dass sein Äußeres ihm in irgendeiner Weise geschadet hatte. "Dafür habt Ihr eine Belohnung verdient." Sie fand es wunderbar, sich über Dinge zu unterhalten, die im absoluten Kontrast zu ihren sorgenvollen Gedanken standen. Es entspannte sie und ließ sie fast vergessen, was ihr in den nächsten Tagen und Woche bevorstand. "Nur kann ich Euch leider nichts schenken, weil ich nichts dabeihabe."
Sie merkte, dass sie zu weit gegangen war, als er sich mit interessiert funkelnden Augen vorbeugte.
"Oh, ich wüsste da etwas, für das ihr nur Euch selbst braucht!"
"Rumil, ich -."
"Störe ich?" Haldir stand plötzlich vor ihnen und Aithiel antwortete, ohne mit der Wimper zu zucken:
"Ein wenig." Danach hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Ihre Enttäuschung, dass er sie fast zwei Wochen nicht besucht hatte, hatte all ihren Ausdruck in diesen harschen Worte gefunden. Doch Haldirs Gesicht blieb unbewegt und dann verschwand er so schnell, wie er aufgetaucht war.
"So, nachdem wir unseren missmutigen Besucher losgeworden sind -", begann Rumil, doch sein Blick war nunmehr fragend. Er forschte für eine Weile in ihrem Gesicht. Aithiel hielt es nicht mehr aus. Sowenig sie sich über ihre Gefühle für Haldir sicher war, sie war sich doch bewusst, dass sie seinem Bruder eine ehrliche Antwort schuldete.
"Ich habe Dich wirklich gern, aber -."
"Aber ich bin nur ein guter Freund für Dich?" Er presste in gespieltem Schmerz die Hand auf sein Herz, und obwohl er lächelte, wusste sie, dass sie ihn ein getroffen hatte. "Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz schon von menschlichen Frauen gehört habe. Du bist die erste Elbin, die so rücksichtslos meine Gefühle in den Staub trampelt."
"Ach, Rumil." Aithiel fühlte sich ebenso erleichtert wie schuldig. "Es tut mir wirklich leid."
Er hob die Schultern und ihm gelang es nun vollkommen, seine Enttäuschung hinter einem fröhlichen Gesicht zu verbergen.
"Wenn Du es auf den großen Schweiger abgesehen hast, kann ich nichts dagegen tun. Ich kann Dir nur sagen, dass das nicht gut gehen würde. Glaube mir, ich tue das das nicht, weil ich ihn ausstechen will."
Rumils eindringliche Worte machten Aithiel nachdenklich. Sie glaubte ihm, dass er niemals absichtlich seinem Bruder schaden würde, indem er von ihm abriet. Im Gegenteil, sie ahnte, da sich die beiden unterschiedlichen Männer sehr liebten und wenn Rumil sie warnte, dann musste es etwas wirklich Schwerwiegendes geben, das gegen eine Beziehung mit Haldir sprach. Beziehung? Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu verscheuen. Es war absoluter Unsinn, überhaupt so weit zu denken.
"Du hast eine lebhafte Phantasie", wich sie aus und ärgerte sich trotzdem darüber, Haldir so grob abgewiesen zu haben.
***
Die Orkreiter versammelten sich in Galadriels Talan, zusammengerufen von einem Boten, den Galadriel am frühen Morgen zu ihnen geschickt hatte. Sie tauschten verwirrte Blicke, doch als sie sahen, dass Aithiel anwesend war, die neben der Herrin des Lichts saß, benahmen sie sich sehr höflich und drängten ihre Fragen zurück.
Aithiel war stolz auf die Männer. Alle waren in feine Gewänder gekleidet, auch wenn sie in den Jahren ihres gemeinsamen Ritts oftmals betont hatten, dass diese zu den wenigen Dingen gehörten, die sie nicht vermissten. Friedlich ließen sich die Krieger auf den Sitzkissen nieder und Aithiel fiel wieder einmal auf, wie natürlich die Männer in Lorien wirkten und wie sehr sie der Wald an ihre Heimat erinnern musste.
Gegen die Nervosität trank Aithiel einen Schluck Wein aus ihrem Pokal und verschluckte sich fast, als sie Haldir erblickte. Er lehnte im Eingang, die Arme vor der breiten Brust verschränkt. Auch er trug eine edle, blaue Tunika mit Silberstickereien, die an jedem anderen Mann nicht so gewirkt hätten wie an ihm. Seine blonden, fast silbernen Haare waren wie stets zu ordentlichen Zöpfen geflochten und der Ausdruck hochmütiger Langeweile lag auf seinen Zügen. Er blickte überall hin, nur nicht zu ihr.
Der letzte Orkreiter huschte mit einem entschuldigenden Blick auf seinen Platz, dann schloss Galadriels Leibwache die Türen und verdrängten Haldir von seinem Platz. Er stellte sich an die Wand, direkt gegenüber von Aithiel und schien wohl alles tun zu wollen, um sie aus dem Konzept zu bringen.
Galadriel ergriff das Wort und kaum dass sie sprach, hingen alle Männer fasziniert an ihren Lippen. Keiner von ihnen war während ihres Aufenthaltes im Wald der Herrin begegnet und verharrten nun in Ehrfurcht.
"Die Orkreiter waren stets vom Schicksal begünstigt, da Treue und Wille sie als Gruppe zusammenhielten. Doch nun wandelt sich das Gefüge dieser Welt und ein Krieg droht heraufzuziehen, dem wir nichts entgegensetzen können außer jenen Tugenden, die die Orkreiter auszeichnen. Sie haben Verluste erlitten und nun müssen einige neue Entscheidungen getroffen werden."
Galadriel schwieg und ihre Fingerspitzen berührten kurz Aithiels verkrampfte Hand. Neue Zuversicht durchflutete sie, als sie den Faden aufnahm und weitersprach:
"Ich danke Euch für Eure Treue meinem Vater und auch mir gegenüber. Ihr seid mir ebenso gefolgt wie ihm, in jeden Kampf, ohne jeden Zweifel. Wenn ich jetzt meine letzte Entscheidung als Eure Anführerin treffe, hoffe ich noch einmal darauf, dass ihr sie akzeptiert." Sie atmete tief durch und stellte sich das skeptische Gesicht vor, das Aithlion in diesem Moment ziehen würde. Sein Lächeln nicht mehr zu sehen zwischen den grimmigen Gesichtern der Männer, die zwar ihre Gefährten, nicht aber ihre Freuden gewesen waren, war wohl das Schlimmste. Sie kämpfte um ihre Fassung, doch ihr Stolz half ihr zu gewinnen. "Wir sind nur noch dreißig von einstmals zweihundert. All die Toten, die wir in den vergangenen Jahren begraben mussten, starben weitab von ihrer Heimat, nur gebunden durch ihre Treue zu meinem Vater. Aber auch er ist gegangen und nun blickten wir einer ungewissen Zukunft entgegen und wich will nicht verantworten, dass auch der Rest von Euch sein Leben verliert, ohne dass ihr die Möglichkeit hattet, Eure Familien wiederzusehen. Ich werde mich Thranduil ausliefern und als Bedingung dafür Eure freie Rückkehr in den Düsterwald fordern."
Sie beendete die Rede, die sie in den vergangenen Stunden mehrmals geübt hatte und suchte dann in den Gesichtern der Männer nach Antworten. Was sie fand, war Erstaunen und Respekt und obwohl ihr Herz vor Angst zitterte und sie das Gefühl hatte, sich mit ihrer Entscheidung ins Ungewisse zu begeben, freute sie das. Galadriel hob wieder an zu reden und ersparte ihr die Last weiterer Worte.
"Für den Fall, dass Thranduil das Angebot ablehnt, steht es jedem Mann frei, für sich zu entscheiden, was er tun will. Ihr könnt hier in Lorien eine neue Heimat finden oder auch als unsere geschätzten Freunde Eurer Wege gehen." Gemurmel setzte ein, doch nicht einer der Orkreiter erhob laut Einspruch gegen Aithiels Entscheidung oder Galadriels Angebot. Mit einem Aufatmen ließ Aithiel die Schultern sinken und massierte nachdenklich mit ihrer freien Hand ihre noch immer leicht steife Schulter. Ihre Verletzungen waren innerhalb der letzten Wochen gut verheilt und sie plante, am nächsten Tag wieder mit dem Kampftraining zu beginnen. Zum Glück war ihr Schwertarm nicht verletzt worden. "Als erste Probe für den Ausgang von Aithiels Entscheidung wird Ihre Begegnung mit dem Prinzen von Düsterwaldgelten. Er wird Lorien in den nächsten Tagen erreichen."
Aithiel bemühte sich, sich die Überraschung nicht anmerken zu lassen, die die Krieger abrupt verstummen ließ. Sie spürte die Beunruhigung der Männer. Erneut hatte Galadriels geheimes Wissen sie schockiert. Auch wenn Legolas Thranduilion noch ein junger Mann war, dem der Ruf vorauseilte, dass er nur die guten Eigenschaften seines jähzornigen Vaters geerbt hatte, so war er noch immer der Kronprinz und vertrat die Interessen des Königs. Wenn er Aithiel verurteilte, dann würde es ihr bei seinem Vater ähnlich ergehen.
Sie wagte es, einen verstohlenen Blick zu Haldir zu werfen. Es interessierte sie, wie er auf die Neuigkeit reagierte. So, wie er sie in den letzten Tagen gemieden hatte, konnte sie sich nur vorstellen, dass es ihn freute, dass sie ging. Die Momente, in denen sie sich nähergekommen waren, zogen durch ihre Gedanken. Noch immer hatte er ihr nicht die Wahrheit gesagt, so als würde er es als nicht wichtig erachten, was sie empfand.
Ihre aufschäumende Wut verlosch abrupt wie ein Feuer, über das man Wasser gegossen hatte, als sie in seinen Augen seine Bestürzung erkannte. Er schien nicht glauben zu können, was in den vergangenen Minuten besprochen worden war und als Galadriels Männer die Tür wieder öffneten, war er der Erste, der aus dem Raum stürmte.
Verwundert sah Aithiel ihm nach. Was immer er auch tat, sie konnte ihn nicht verstehen. An jenem Morgen vor ihrem Talan, an dem sein Blick sie berührt hatte wie jenes Streicheln an ihrem Krankenbett, hatte sie gefühlt, dass er gerne in ihrer Nähe war. Mehr noch, dass er sie begehrte.
Doch er machte seit der Schlacht keine Anstalten, sich ihr wieder zu nähern und das machte sie verrückt. Sie musste wissen, was in Haldir vorging. Sie wusste nicht, warum es ihr derart wichtig war, aber bevor sie Lorien verließ, wollte sie ihren Frieden mit dem Hauptmann schließen.
Aithiel erhob sich und humpelte aus dem Talan, ohne sich von Galadriel oder ihren Männern davon abhalten zu lassen.
Und - in Kapitel 9 gibt's mal wieder Sex - wer mit wem??? Na, ratet mal!! *g*
Kapitel 8
Aithiels Entscheidung
Die Schmerzen waren nicht groß genug, um die Qual zu übertünchen, die Haldirs Worte in ihr ausgelöst hatten. Aithiel ließ ihren Kopf zur Seite sinken, damit er nicht sah, wie ihr die Tränen aus den Augen stürzten. Nun hatte sie auch noch di letzte Person verloren, der sie uneingeschränkt vertraut hatte Die Vorstellung von Aithlions starrem Körper, der in ein Erdloch gesenkt wurde, entlockte ihr ein leises Wimmern.
Haldir begann, ihre Hand zu streicheln und sie hätte sich ihm fast entzogen, wenn sie nicht so schwach gewesen wäre. Seine Nähe war wohltuend , wie sie bemerkte, auch wenn sie sich in diesem Moment fühlte, als sei sie dieser kleinen Zärtlichkeit nichtwürdig. Sie hatte Aithlion nicht helfen können, weil sie sich eher darum gekümmert hatte, dass den Galadhrim nichts geschah. Deswegen war sie nicht an seiner Seite gewesen, als er getroffen wurde.
Sie sank in einen unruhigen Schlaf, aus dem sie immer wieder kurz unter die Oberfläche ihres Bewusstseins driftete, doch nicht erwachte. Die Schmerzen peinigten sie und vor alle ihr Kopf schien nicht mehr Teil ihres Körpers zu sein, so schwer lag er im Kissen, verbunden in weiches Leinen. Sie erinnerte sich, dass ein Ork sich von hinten an sie herangeschlichen und sie niedergeschlagen haben musste.
Obwohl sie nicht fähig war, ihre Augen zu öffnen oder sich zu bewegen, erlebte sie doch ganz genau, was um sie herum geschah. Sie hörte die Gespräche der Heiler mit, die darüber rätselten, ob ihre Schulter jemals wieder voll bewegungsfähig sein würde. Sie spürte, wenn man ihren Kopf hob, um ihr etwas Nahrung einzuflößen. Und sie merkte, dass Haldir nicht wiederkam.
Rumil tauchte in regelmäßigen Abständen neben ihrem Bett auf, brachte ihr süß duftende Wiesenblumen mit und erzählte Geschichten, so als wäre er sich ganz sicher, dass sie ihn hören konnte. Auch ihre Männer kamen, einer nach dem anderen, wohl verschüchtert von dem ungewohnten Bild, dass sie bot. Über jeden Besuch freute sie sich, wurde ihr dadurch bewusst, dass die Orkreiter noch immer bereit waren sich für sie einzusetzen.
In ihrem seltsamen, schwebenden Zustand machte sie sich Gedanken darüber, was nun geschehen würde. Aithliopns letzte Bitte an sie wäre wohl gewesen, die Orkreiter weiterhin zusammenzuhalten und in den Krieg gegen Mordor zu führen. Insgeheim stimmte sie dieser Meinung zu, wie sie s immer getan hatte. Doch es war ihre mitfühlende Seite, die etwas Anderes vorschlug.
Einige Tage waren vergangen, in denen sie es nicht geschafft hatte, wieder vollends zu Bewusstsein zu kommen. Die Angst, sie können vielleicht ewig in ihrem Zustand bleiben, ängstigte sie, doch auf der anderen Seite war sie froh - sie musste keine schmerzhaften Entscheidungen treffen.
Eines Nachts, als Aithiel den warmen Wind durch den Raum wehen hörte, spürte sie plötzlich, dass sie nicht alleine war. Ihr Lager senkte sich ein wenig, als jemand darauf Platz nahm und dann legte sich eine kühle, weiche Hand auf ihre Stirn. In Aithiels Kopf blitzten Bilder auf, gegen die sie sich zunächst zu wehren versuchte, weil sie so furchtbar waren. Die eindrucksvolle Gestalt ihres Vaters, von dem sie niemals geglaubt hätte, dass ihm etwas passieren konnte. Sie sah ihn, wie er gewesen war, als er ihr als kleines Mädchen etwas vorgesungen hatte und dann als der Krieger, als der er die Orkreiter geführt hatte, verbissen, streng, aber immer gerecht und stolz. Und sie sah seine Leiche, die in seinen zerfetzten Mantel gerollt und am Fuß einer Erle begraben wurde. Dann wechselte das Bild in ihrem Kopf, erzählten nun den Hergang der Schlacht gegen die Orks, zeigten ihrem geistigen Auge erneut, wie Aithlion getroffen vom Pferd fiel.
Aithiel schluchzte leise und hob sofort eine Hand, um die Tränen abzuwischen, die über ihre Wagen liefen. Ihr Vater hatte ihr stets geraten, ihre wahren Gefühle im Verborgenen zu halten und sich damit niemandem auszuliefern. Dann wurde sie sich dessen bewusst, was sie tat und schlug die Augen auf.
Galadriel saß neben ihr auf dem Bett und blickte voller Mitgefühl auf sie hinunter. Langsam zog sie ihre Hand von Aithiels Stirn, so als bereite es ihr große Mühe und sagte dann leise:
"Es ist schön, Euch wach zu sehen. Eure Männer machen sich große Sorgen um Euch."
"Wie lange war ich bewusstlos?" Aithiels Stimme schien ihr nicht zu mehr gehören und als sie versuchte, sich aufzusetzen, scheiterte sie kläglich an ihren zitternden Gliedmaßen. Frustriert ließ sie ihren Kopf ins Kissen zurückfallen und erinnerte sich erst nach einem stechenden Schmerz daran, dass der Verband nicht umsonst ihren Hinterkopf umspannte.
"Eine Woche jetzt. Um die Unterbringung Eurer Männer und die Versorgung Eurer Verwundeten und Toten haben wir uns gekümmert."
"Wie kommt es, dass wir überhaupt überlebt haben?", fragte Aithiel leise.
Galadriel senkte den goldenen Kopf ein wenig und lächelte.
"Mein Ehemann ritt Euch mit einigen Kriegern nach, um nach dem Rechten zu sehen. Er kam gerade noch rechtzeitig, um in den Kampf eingreifen zu können." Ihre Augen verdunkelten sich. "Ich habe die Gefahr für Eure Männer unterschätzt, sonst hätte ich viel früher dafür gesorgt, dass sie in Sicherheit gebracht werden."
"Nun ist es wohl zu spät", gab Aithiel zurück und verzichtete darauf, der Herrin irgendeinen Vorwurf über ihr bisheriges Schweigen zu machen. Galadriel ging auf ihre Weise mit der ihr auferlegten Verantwortung um und sie hatte nicht das Recht, das zu kritisieren. "Ich habe eine Entscheidung getroffen."
"Das dachte ich mir." Galadriel musterte sie und erhob sich schließlich. "Doch überstürzt erst einmal nichts. Erholt Euch, überdenkt alles. Und wenn Ihr dann entschlossen seid, wendet Euch an mich." Ihr geheimnisvolles Lächeln ließ erahnen, dass sie wieder mehr wusste, als sie zu sagen bereit war. "Es wird sich alles für Euch fügen, glaubt mir." Sie wandte sich zum Gehen. Eine Hand am Vorhang, drehte sie sich noch einmal um. "Haldir hat über den Tod Eurer Mutter mit Euch gesprochen?"
"Er hat Andeutungen gemacht, aber nicht Genaues gesagt."
"Das dachte ich mir", murmelt Galadriel und schwebte davon. Der Vorhang fiel hinter ihr und Sekunden später war Aithiel erneut eingeschlafen.
***
"Ihr solltet Euch wirklich noch schonen", sagte Rumil, als er den Vorhang beiseite schob und Aithiel dabei ertappte, wie sie versuchte, auf die Beine zu kommen. Sie warf als Antwort mit der Rechten ihr Kissen in sein Gesicht, das er lächelnd auffing.
"Wenn mir das heute noch einmal jemand sagt, springe ich von der Plattform!", drohte sie und tastete frustriert nach dem steifen Verband, der ihr Knie und Oberschenkel bedeckte. Die Keule des Orks hatte den Knochen nicht gebrochen, aber Muskeln und Sehnen verletzt. "Ich liege jetzt schon so lange nutzlos herum, langsam werde ich verrückt."
Die letzten zwei Tage hatte sie an die Decke gestarrt und sich überlegt, was sie tun konnte, um die nagenden Zweifel zu bekämpfen, die sie immer wieder überfielen. Dann hatte sie beschlossen, dass es Zeit war, das Bett zu verlassen und weiterzumachen, ganz gleich, wies in ihr aussah. Die Toten würden nicht zurückkehren und ihre Verpflichtung galt den Lebenden.
"Falls Ihr überhaupt soweit kommt!", gab Rumil zu bedenken und zwinkerte ihr zu. "Ohne Hose."
Aithiel realisierte, dass sie außer einem halblangen Nachthemd nichts am Leib trug und besaß genug Anstand, um zu erröten.
"Ich komme mit dem Verband nicht in die Hose", verteidigte sie sich und wickelte sich in ihre Bettdecke. "Was führt Euch her?"
"Eure Unterhaltung. Ich dachte, ich könnte Euch für einige Stunden aus diesem Zimmer befreien."
"Ohne Hose?", erkundigte sich Aithiel spitzbübisch und fand sich einige Sekunden später auf Rumils Armen wieder, auf die er sie sehr vorsichtig gehoben hatte.
"Noch könnte Ihr Euch gehen diesen Ausflug entscheiden!", beschied er ihr lächelnd. Aithiel sah in seine unglaublich blauen Augen und fand es schade, dass sie überhaupt kein Flattern in ihrem Magen auszulösen vermochten. Im nächsten Moment schalt sie sich eine gefühlskalte Närrin. Ihr Vater und ihr Liebhaber starben und alles, woran sie dachte, war, dass sie sich nicht in einen wunderschönen Mann verlieben konnte, weil ihr sein verstockter Bruder nicht aus dem Kopf ging.
Sie fluchte leise und Rumil, der sie unter den verdutzten Blicken der Heiler aus dem Zimmer in den hellen Sonnenschin trug, sah sie mit gespieltem Erstaunen an.
"Eine so schöne Frau sollte solche Worte nicht einmal kennen." Er brachte sie zu den Wurzeln eines der Mallornbäume, in dessen Schatten bereits eine Decke lag und setzte sie vorsichtig darauf ab. Aithiel lehnte vorsichtig den Kopf an das sonnenwarme Holz und sog tief die frische Luft ein, sein Kompliment ignorierend.
"Ihr habt wirklich die besten Ideen, Rumil", lobte sie ihn und blinzelte gegen das Licht zu ihm hinüber. Er hatte die langen Beine ausgestreckt und lehnte auf seinem Ellbogen. Sie konnte sich vorstellen, dass er einen beträchtlichen Erfolg bei Frauen haben musste. Bei seinen Berichten über seine Besuche bei den Menschen hatte er diesen Punkt ausgelassen, aber es war nicht zu vermuten, dass sein Äußeres ihm in irgendeiner Weise geschadet hatte. "Dafür habt Ihr eine Belohnung verdient." Sie fand es wunderbar, sich über Dinge zu unterhalten, die im absoluten Kontrast zu ihren sorgenvollen Gedanken standen. Es entspannte sie und ließ sie fast vergessen, was ihr in den nächsten Tagen und Woche bevorstand. "Nur kann ich Euch leider nichts schenken, weil ich nichts dabeihabe."
Sie merkte, dass sie zu weit gegangen war, als er sich mit interessiert funkelnden Augen vorbeugte.
"Oh, ich wüsste da etwas, für das ihr nur Euch selbst braucht!"
"Rumil, ich -."
"Störe ich?" Haldir stand plötzlich vor ihnen und Aithiel antwortete, ohne mit der Wimper zu zucken:
"Ein wenig." Danach hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Ihre Enttäuschung, dass er sie fast zwei Wochen nicht besucht hatte, hatte all ihren Ausdruck in diesen harschen Worte gefunden. Doch Haldirs Gesicht blieb unbewegt und dann verschwand er so schnell, wie er aufgetaucht war.
"So, nachdem wir unseren missmutigen Besucher losgeworden sind -", begann Rumil, doch sein Blick war nunmehr fragend. Er forschte für eine Weile in ihrem Gesicht. Aithiel hielt es nicht mehr aus. Sowenig sie sich über ihre Gefühle für Haldir sicher war, sie war sich doch bewusst, dass sie seinem Bruder eine ehrliche Antwort schuldete.
"Ich habe Dich wirklich gern, aber -."
"Aber ich bin nur ein guter Freund für Dich?" Er presste in gespieltem Schmerz die Hand auf sein Herz, und obwohl er lächelte, wusste sie, dass sie ihn ein getroffen hatte. "Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz schon von menschlichen Frauen gehört habe. Du bist die erste Elbin, die so rücksichtslos meine Gefühle in den Staub trampelt."
"Ach, Rumil." Aithiel fühlte sich ebenso erleichtert wie schuldig. "Es tut mir wirklich leid."
Er hob die Schultern und ihm gelang es nun vollkommen, seine Enttäuschung hinter einem fröhlichen Gesicht zu verbergen.
"Wenn Du es auf den großen Schweiger abgesehen hast, kann ich nichts dagegen tun. Ich kann Dir nur sagen, dass das nicht gut gehen würde. Glaube mir, ich tue das das nicht, weil ich ihn ausstechen will."
Rumils eindringliche Worte machten Aithiel nachdenklich. Sie glaubte ihm, dass er niemals absichtlich seinem Bruder schaden würde, indem er von ihm abriet. Im Gegenteil, sie ahnte, da sich die beiden unterschiedlichen Männer sehr liebten und wenn Rumil sie warnte, dann musste es etwas wirklich Schwerwiegendes geben, das gegen eine Beziehung mit Haldir sprach. Beziehung? Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu verscheuen. Es war absoluter Unsinn, überhaupt so weit zu denken.
"Du hast eine lebhafte Phantasie", wich sie aus und ärgerte sich trotzdem darüber, Haldir so grob abgewiesen zu haben.
***
Die Orkreiter versammelten sich in Galadriels Talan, zusammengerufen von einem Boten, den Galadriel am frühen Morgen zu ihnen geschickt hatte. Sie tauschten verwirrte Blicke, doch als sie sahen, dass Aithiel anwesend war, die neben der Herrin des Lichts saß, benahmen sie sich sehr höflich und drängten ihre Fragen zurück.
Aithiel war stolz auf die Männer. Alle waren in feine Gewänder gekleidet, auch wenn sie in den Jahren ihres gemeinsamen Ritts oftmals betont hatten, dass diese zu den wenigen Dingen gehörten, die sie nicht vermissten. Friedlich ließen sich die Krieger auf den Sitzkissen nieder und Aithiel fiel wieder einmal auf, wie natürlich die Männer in Lorien wirkten und wie sehr sie der Wald an ihre Heimat erinnern musste.
Gegen die Nervosität trank Aithiel einen Schluck Wein aus ihrem Pokal und verschluckte sich fast, als sie Haldir erblickte. Er lehnte im Eingang, die Arme vor der breiten Brust verschränkt. Auch er trug eine edle, blaue Tunika mit Silberstickereien, die an jedem anderen Mann nicht so gewirkt hätten wie an ihm. Seine blonden, fast silbernen Haare waren wie stets zu ordentlichen Zöpfen geflochten und der Ausdruck hochmütiger Langeweile lag auf seinen Zügen. Er blickte überall hin, nur nicht zu ihr.
Der letzte Orkreiter huschte mit einem entschuldigenden Blick auf seinen Platz, dann schloss Galadriels Leibwache die Türen und verdrängten Haldir von seinem Platz. Er stellte sich an die Wand, direkt gegenüber von Aithiel und schien wohl alles tun zu wollen, um sie aus dem Konzept zu bringen.
Galadriel ergriff das Wort und kaum dass sie sprach, hingen alle Männer fasziniert an ihren Lippen. Keiner von ihnen war während ihres Aufenthaltes im Wald der Herrin begegnet und verharrten nun in Ehrfurcht.
"Die Orkreiter waren stets vom Schicksal begünstigt, da Treue und Wille sie als Gruppe zusammenhielten. Doch nun wandelt sich das Gefüge dieser Welt und ein Krieg droht heraufzuziehen, dem wir nichts entgegensetzen können außer jenen Tugenden, die die Orkreiter auszeichnen. Sie haben Verluste erlitten und nun müssen einige neue Entscheidungen getroffen werden."
Galadriel schwieg und ihre Fingerspitzen berührten kurz Aithiels verkrampfte Hand. Neue Zuversicht durchflutete sie, als sie den Faden aufnahm und weitersprach:
"Ich danke Euch für Eure Treue meinem Vater und auch mir gegenüber. Ihr seid mir ebenso gefolgt wie ihm, in jeden Kampf, ohne jeden Zweifel. Wenn ich jetzt meine letzte Entscheidung als Eure Anführerin treffe, hoffe ich noch einmal darauf, dass ihr sie akzeptiert." Sie atmete tief durch und stellte sich das skeptische Gesicht vor, das Aithlion in diesem Moment ziehen würde. Sein Lächeln nicht mehr zu sehen zwischen den grimmigen Gesichtern der Männer, die zwar ihre Gefährten, nicht aber ihre Freuden gewesen waren, war wohl das Schlimmste. Sie kämpfte um ihre Fassung, doch ihr Stolz half ihr zu gewinnen. "Wir sind nur noch dreißig von einstmals zweihundert. All die Toten, die wir in den vergangenen Jahren begraben mussten, starben weitab von ihrer Heimat, nur gebunden durch ihre Treue zu meinem Vater. Aber auch er ist gegangen und nun blickten wir einer ungewissen Zukunft entgegen und wich will nicht verantworten, dass auch der Rest von Euch sein Leben verliert, ohne dass ihr die Möglichkeit hattet, Eure Familien wiederzusehen. Ich werde mich Thranduil ausliefern und als Bedingung dafür Eure freie Rückkehr in den Düsterwald fordern."
Sie beendete die Rede, die sie in den vergangenen Stunden mehrmals geübt hatte und suchte dann in den Gesichtern der Männer nach Antworten. Was sie fand, war Erstaunen und Respekt und obwohl ihr Herz vor Angst zitterte und sie das Gefühl hatte, sich mit ihrer Entscheidung ins Ungewisse zu begeben, freute sie das. Galadriel hob wieder an zu reden und ersparte ihr die Last weiterer Worte.
"Für den Fall, dass Thranduil das Angebot ablehnt, steht es jedem Mann frei, für sich zu entscheiden, was er tun will. Ihr könnt hier in Lorien eine neue Heimat finden oder auch als unsere geschätzten Freunde Eurer Wege gehen." Gemurmel setzte ein, doch nicht einer der Orkreiter erhob laut Einspruch gegen Aithiels Entscheidung oder Galadriels Angebot. Mit einem Aufatmen ließ Aithiel die Schultern sinken und massierte nachdenklich mit ihrer freien Hand ihre noch immer leicht steife Schulter. Ihre Verletzungen waren innerhalb der letzten Wochen gut verheilt und sie plante, am nächsten Tag wieder mit dem Kampftraining zu beginnen. Zum Glück war ihr Schwertarm nicht verletzt worden. "Als erste Probe für den Ausgang von Aithiels Entscheidung wird Ihre Begegnung mit dem Prinzen von Düsterwaldgelten. Er wird Lorien in den nächsten Tagen erreichen."
Aithiel bemühte sich, sich die Überraschung nicht anmerken zu lassen, die die Krieger abrupt verstummen ließ. Sie spürte die Beunruhigung der Männer. Erneut hatte Galadriels geheimes Wissen sie schockiert. Auch wenn Legolas Thranduilion noch ein junger Mann war, dem der Ruf vorauseilte, dass er nur die guten Eigenschaften seines jähzornigen Vaters geerbt hatte, so war er noch immer der Kronprinz und vertrat die Interessen des Königs. Wenn er Aithiel verurteilte, dann würde es ihr bei seinem Vater ähnlich ergehen.
Sie wagte es, einen verstohlenen Blick zu Haldir zu werfen. Es interessierte sie, wie er auf die Neuigkeit reagierte. So, wie er sie in den letzten Tagen gemieden hatte, konnte sie sich nur vorstellen, dass es ihn freute, dass sie ging. Die Momente, in denen sie sich nähergekommen waren, zogen durch ihre Gedanken. Noch immer hatte er ihr nicht die Wahrheit gesagt, so als würde er es als nicht wichtig erachten, was sie empfand.
Ihre aufschäumende Wut verlosch abrupt wie ein Feuer, über das man Wasser gegossen hatte, als sie in seinen Augen seine Bestürzung erkannte. Er schien nicht glauben zu können, was in den vergangenen Minuten besprochen worden war und als Galadriels Männer die Tür wieder öffneten, war er der Erste, der aus dem Raum stürmte.
Verwundert sah Aithiel ihm nach. Was immer er auch tat, sie konnte ihn nicht verstehen. An jenem Morgen vor ihrem Talan, an dem sein Blick sie berührt hatte wie jenes Streicheln an ihrem Krankenbett, hatte sie gefühlt, dass er gerne in ihrer Nähe war. Mehr noch, dass er sie begehrte.
Doch er machte seit der Schlacht keine Anstalten, sich ihr wieder zu nähern und das machte sie verrückt. Sie musste wissen, was in Haldir vorging. Sie wusste nicht, warum es ihr derart wichtig war, aber bevor sie Lorien verließ, wollte sie ihren Frieden mit dem Hauptmann schließen.
Aithiel erhob sich und humpelte aus dem Talan, ohne sich von Galadriel oder ihren Männern davon abhalten zu lassen.
