Kapitel 11

Verluste

Haldir merkte, dass etwas nicht stimmte, als er kurz nach Mittag zu seinem Fleet zurückkehrte. Unruhe hatte sich in Lorien verbreitet und als er von einer der Brücken zum Erdboden blickte, sah er, wie aus den Ställen die Pferde der Orkreiter herausgeführt wurden.

Schreck ergriff ihn und er vergaß seine Pläne, um nachzusehen, was vorgefallen war.  Mit großen Schritten eilte er die nächste Treppe hinunter und lief Legolas und Rumil in die Arme, an deren ernten Gesichtern er die Geschehnisse ablesen konnte.

            „Eine solche Gemeinheit ist mir selten begegnet", sagte Legolas kalt und Haldir begriff. Seine Lügen hatte ein jähes Ende gefunden und nun sah er sich den Konsequenzen gegenüber. Es war seltsam, wie ruhig er sich fühlte. „Ihr habt es ihr die ganze Zeit nicht gesagt."

            „Ich konnte es nicht", sagte Haldir ehrlich. Er wollte seine Schweigen ein Ende machen und frei heraus erzählen. „Ich hätte es am Anfang tun können, doch irgendwann war es zu spät."

            „Zu spät?" Legolas musterte ihn prüfend, dann wurde sein Gesicht ein wenig weicher. Er verstand, doch er war nicht bereit zu verzeihen. „Ihr habt etwas für sie übrig, das weiß ich. Doch das hat Euch wohl nicht davon abhalten zu können, sie dennoch zu verletzen", stellte der Prinz aus dem Düsterwald treffend fest und verschränkte die Arme. „Der Schaden ist angerichtet, auf die eine oder andere Weise. Wenn ihr etwas geschehen sollte, dann habt Ihr in mir einen Feind gefunden, wie Ihr keinen zweiten kennt."

Mit diesem Worten wandte sich Legolas ab und ging davon. Haldir wusste nicht, was während Aithiels Gespräch mit dem Prinzen geschehen war, aber erahnte, dass jenes Funkeln in Legolas Augen zumindest für die Orkreiter etwas Gutes zu bedeuten hatte.

Rumil blieb bei ihm stehen und es war die Anklage in seinem Blick, die Haldir ebenso tief traf wie der Gedanke, Aithiel verloren zu haben.

            „Warum hast Du nicht auf mich gehört?", fragte sein Bruder kummervoll. „Eure Beziehung war von Anfang an zum Scheitern verurteilt und allein Dein Egoismus hat dafür gesorgt, dass Ihr beide nun noch mehr leiden müsst. Das hat sie nicht verdient."

            „Was weißt Du von unserer Beziehung?", fuhr Haldir Rumil an, obwohl er wusste, wie Recht dieser doch hatte. Doch dass seine Fehler und vor allem seine Gefühle nun auf solche Art ins Licht gezerrt wurden, störte ihn.

Rumil lachte bitter, in einer Art, die Haldir noch niemals zuvor bemerkt hatte. Schlagartig wurde ihm klar, dass er nicht nur Aithiels Gefühle in schamloser Weise verraten hatte. Er hätte nicht auf Rumils Worte über seine Empfindungen für Aithiel, sondern auf seine eigene Intuition hören sollen.

            „Ich bin kein Dummkopf, Bruder. Sie hat die Nacht bei Dir verbracht und ihr leuchtete trotz ihrer Sorgen heute Morgen das Glück aus den Augen." Haldir senkte den Kopf und ersparte sich jeden Kommentars. Ihm war klar, dass Rumil Recht hatte. Aithiel war glücklich bei ihm gewesen und er hatte es zugelassen, dass sie in der Zeit ihrer größten Not nur noch einen weiteren Schlag erleben musste. „Ich werde sie begleiten", eröffnete ihm Rumil ruhig und erst jetzt bemerkte Haldir, dass sein Bruder für einen langen Ritt gekleidet war. „Die Herrin hat mich gebeten, Aithiel zu unterstützen und ich begrüße diese Bitte sehr. Lorien ist mir wieder einmal zu klein geworden."

Haldir starrte ihn fassungslos an.

            „Du willst gehen? Wie kannst Du das tun, gerade jetzt, wenn die Zeichen auf Krieg stehen? Wie kannst Du derart pflichtvergessen sein?"

            „Ich glaube nicht, dass ich derjenige von uns bin, der seine Pflicht vergessen hat. Du hast Dich als Vorsteher unserer Familie abscheulich verhalten und jetzt nehme ich es mir ebenfalls heraus, meine Familie ebenfalls für ein Zeitlang zu vergessen." Rumils Ton war eisig geworden und er griff seinen Bogen fester. „Mit Orophins Heirat, bei der er sicher nach Bruchtal ziehen wird, bist Du der letzte Sohn unserer Mutter hier in diesem Wald. Du hast Lorien und Galadriel immer an erste Stelle gesetzt. Jetzt hast Du  Deinen Willen."

Mit diesen bitteren Worten drehte sich Rumil auf dem Absatz um und verschwand zwischen den Bäumen. Wie vor den Kopf geschlagen blieb Haldir stehen, er konnte noch immer nicht glauben, was er gerade gehört hatte.

Ihm war bewusst, dass Rumil wegen Aithiel wütend auf ihn war und er diesen Zorn verdiente. Doch er hätte niemals gedacht, dass ihm sein Bruder genommen werden würde. Sie hatten sich schon oft gestritten, doch niemals so heftig oder wegen einer Frau. Aufgrund eines unverzeihlichen Fehlers hatte er Rumil verloren und wusste nicht, ob er ihn jemals wiedersehen würde. Das Leben der Orkreiter war gefahrvoll und es konnte gut möglich sein, dass Rumil getötet wurde.

Dieser Gedanken riss ihn aus der Erstarrung und er eilte mit großen Schritten in Richtung des Lagers der Orkreiter. Dort herrschte Aufbruchsstimmung. Die Männer überprüften ihre Waffen, schnallten den Pferden ihr Gepäck auf oder saßen bereits im Sattel. Auch Rumil war unter ihnen und schien alles zu sehen, nur nicht seinen Bruder. Aithiel hatte von Galadriel ein neues Pferd bekommen, dem sie gerade gedankenverloren die Mähe kraulte, als sie Haldir entgegensah.

Sofort verhärtete sich ihr Blick und als er vor ihr stehen blieb, sagte sie ohne jedes erkennbares Gefühl:

            „Was gibt es, Hauptmann?"

Haldir schluckte seinen Stolz herunter.

            „Ich bitte Euch, nehmt Rumil nicht mit." Ihm gelang es kaum, die Bitte über die Lippen zu bringen und die Entschuldigung, die sich ihm bei Aithiels Anblick aufdrängte, blieb auf der Strecke. Ihre Augen verdunkelten sich ein weiteres Mal, obwohl sie ahnen musste, was in ihm vorging. Es verspürte den Impuls, sich vor sie zu knien und um Verzeihung zu bitten, doch sie wandte den Kopf ab und bestieg ihr Pferd.

            „Ich würde so etwas ausgleichende Gerechtigkeit nennen", sagte sie und stieß einen grellen Pfiff aus. Ihre Männer saßen ebenfalls auf und der Zug der Orkreiter setzte sich in Bewegung. Das Letzte, was Haldir von ihnen sah, war Rumils blonder Haarschopf, der neben Aithiels rotem in der Sonne glänzte.

***

Die kommenden Tage vergingen für Haldir quälend langsam. Er  versuchte vrzweifelt, Rumil Fehlen nicht zu bemerken, doch wann immer er auf Wachen hoch in den Wipfel war, sah er nur in die gewohnten Gesichter, von denen ihm keines besonders zusagte. Er hatte Menond zu seinem Stellvertreter ernannt, doch der jüngere Mann hielt wohlweißlich Abstand von ihm. Ganz Lorien schien zu wissen, was vorgefallen war und darauf zu warten, dass er von sich asu begann, über die Geschehnisse zu reden. Doch er schwieg und beobachtet den Himmel und den Horizont in Richtung Mordors, über dem sich dunkle Wolken zusammenbrauten.

Wenn er nachts in seinem Bett lag, fühlte er sich allein. Die ersten Nächte hatte er noch Aithiel Geruch in den Kissen wahrgenommen und sie fortgeschleudert, damit er etwas Ruhe finden konnte. Irgendwann war der flüchtige Geruch verflogen, doch die Erinnerung an ihren weichen Körper und den warmen Blick ihrer Augen blieb. Hin und wieder, wenn er morgens erwachte, tastete seine Hand in verräterische Art und Weise nach dem Platz neben ihm. Wenn er dann die Augen endgültig öffnete, schalt er sich einen sentimentalen Idioten und erhob sich mit dem dringenden Bedürfnis, seinen Talan so schnell wie möglich zu verlassen.

Tagsüber geschah wenig und die Häufung der Alltäglichkeiten konnte ihn etwas beruhigen. Bis er dann durch irgendetwas wieder daran erinnert wurde, welche unverzeihlichen Fehler er gemacht hatte.

Eine Woche nachdem Aithiel und Rumil abgereist waren, erklomm Orophin den Baum, auf dem Haldir saß, ein unsichreres Lächeln auf dem Gesicht.

            „Ich muss mit Dir reden!", sagte er und schien es nicht recht zu wagen, mit der Sprache herauszurücken. Haldir seufzte.

            „Wenn es um Deine bevorstehende Hochzeit geht, dann hat Rumil schon so etwas angedeutet", antwortete er und sah, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Über Orophins Gesicht huschte ein scheues Lächeln.

            „Miriel ist eine wunderbare Frau und ich sehne mich sehr nach ihr. Wir kennen uns nun schon sehr lange und haben in den letzten Wochen den Entschluss gefasst, den Bund einzugehen. Niemand kann wissen, was morgen geschieht und wir wollen jetzt Zeit miteinander verbringen, bevor es vielleicht zu spät sein könnte." Er senkte den Blick. „Ich habe Angst vor der Zukunft und vor dem Krieg. Dieses Mal könnte das Böse gewinnen."

            „Ich weiß", murmelte Haldir. Er kannte den Gedanken, den sein Bruder verfolgte. Auch er war sich in dem Moment, in dem er Aithiel vom Schlachtfeld geborgen hatte und ihm bewusst geworden war, dass er sie verlieren konnte, begriffen, wie viel sie ihm bedeutete. Er gönnte Orophin sein Glück, doch dass sich Rumils Äußerung, er würde das letzte Mitglied er Familie sein, das in Lorien verblieb, bewahrheitete, versetzte ihm einen Stich.

            „Ich hoffe, Du nimmst es mir nicht übel. Ich werde morgen abreisen. Meine Sachen sind gepackt."

            „Ich habe nicht das Recht, Dich aufzuhalten", sagte Haldir resigniert. „Ich hab es verspielt."

            „Hm", machte Orophin und lehnte sich an den Baumstamm. Er schien sich auf eine etwas längere Rede vorzubereiten, weswegen Haldir Platz nah. Er kannte den Gesichtausdruck seines Bruders und wartete geduldig. Und während sich Orophins Stirn wie stets krauste, erkannte Haldir, dass es die kleinen Dinge wie diese Eigenart war, die er am meisten vermissen würde, wenn seine Brüder fort waren. „Ich glaube, Du hast nur einen Teil der Schuld zu tragen?"

Haldir winkte ab.

            „Warum? Weil der Tod von Aithiels Mutter ein Unfall war? Nein, ich habe alles, was in den letzten Wochen geschehen ist, aus meinem freien Willen heraus getan und muss dafür die Verantwortung übernehmen."

            „Ich nehme einmal an, dass Galadriel von Anfang an gewusst hat, wer sie ist?" Orophin wartete Haldirs knappes Nicken ab, dann fuhr er fort. „Warum hat sie dann von Anfang an nicht gesagt? Warum hat sie Euch nicht zu sich gerufen und dann die Wahrheit erzählt? Oder es Dir befohlen?"

            „Ich glaube, ich weiß, worauf Du hinauswillst", sagte Haldir langsam, obwohl ihm der Gedanken nicht gefiel.

            „Sie kennt Dich sehr gut und ich glaube, sie konnte auch auch Aithiel lesen wie ein offenes Buch. Die Herrin weiß über alles Bescheid, was in diesem Wald geschieht. Sie hat gewusst, dass Eure Beziehung auf eine Katastrophe hinauslaufen würde und hat sich trotzdem nicht eingeschaltet. Denn obwohl sie sich viele Tage nicht hat blicken lassen, so wusste sie doch über alles Bescheid!"

            „Sie könnte es absichtlich getan haben, um mich über die Konsequenz meiner damaligen Tat belehren wollen!"

Orophin schüttelte unnachgiebig den Kopf.

            „Galadriel versucht nicht, das Vergangene zu korrigieren. Vielmehr bestimmt sie mit ihrem Handeln die Zukunft. Ich glaube, es sollte alles genauso geschehen, wie es ist. Du und Aithiel, Ihr wart zwei Spielbälle in einem Plan, in den Ihr keinen Einblick hattet."

Haldir fehlten die Worte. Jedes von Orophins Argumenten klang völlig einleuchtend, und dennoch war er von bohrendem Zweifel geplagt. Was, wen sein Bruder sich irrte? Er wusste, dass er nun Gewissheit erlangen musste.

            „Ich danke Dir", sagte er leise und Orophin lächelte aufmunternd.

            „Glaube mir, es wird sich alles ergeben. Wir sehen uns morgen."

Er verschwand auf der nächsten Strickleiter und ließ einen sehr nachdenklichen Haldir zurück.

***

Am nächsten Morgen schloss Haldir seinen Bruder herzlich in die Arme und schenkte ihm einen neuen Bogen, an der er schon eine lange Zeit gearbeitet hatte. Mit wehem Herzen sah er Orophin und seinen drei Begleitern zu, wie sie über den Waldpfad davon ritten.

Menond, der neben ihm stand, da Orophin einer seiner besten Freunde gewesen war, schüttelte betrübt den Kopf.

            „Die Zeiten wandeln sich. Ich glaube, in Lorien gab es eine lange Zeit keine solchen Veränderungen mehr."

Haldir warf seinem Stellvertreter einen Seitenblick zu, doch dieser nickte ihm nur freundlich zu und ging seiner Wege. Zum ersten Mal seit Tagen hatte er ihn direkt angesprochen und Haldir vermutete, dass für Menond die Normalität langsam zurückkehrte und er ihm ein Zeichen geben wollte, ebenso zu verfahren.

Doch als Haldir in seinen Talan ging und dabei an den leeren Behausungen seiner Brüder vorbeiging, war an Normalität nicht zu denken.

Der Rest des Tages verrann langsam. Gemeinsam mit Menond und einigen seiner Männer patrouillierte er bis zum Einbruch der Nacht an den äußeren Grenzen. Einige Kundschafter trafen ein und berichteten von erneuten Ortaktivitäten in nächster Nähe und einigen beunruhigenden Entwicklungen in der Gegend um Isengart. Anscheinend befand sich dort eine Keimzelle der neuen Brut von Orks, die Mittelerde überfluteten.

Als Haldir sein Pferd in die Ställe führte, glänzten bereits die ersten Sterne am Firmament. Da er nichts zu tun hatte, rieb er das bronzen vor Schweiß glänzende Fell seines Hengstes trocken und kratzte dann sorgfältig die Hufe aus. Schnaubend stupste Baran die weiche Nase gegen seinen Arm, wie um sich zu bedanken. Gedankenverloren begann Haldir ihm die Nüstern zu streicheln und lächelte.

Er erinnerte sich nicht daran, wann er das das letzte Mal getan hatte. Ebenso wie er sich nicht daran erinnerte, wann er das letzte Mal mit seinen Brüdern gelacht hatte. Sein Leben war bis zu dem Zeitpunkt, an dem er Aithiel kennen gelernt hatte, auf seltsame Weise unausgefüllt gewesen. Und nun war sie fort und zum selben Zeitpunkt auch noch seine Brüder. Mit einem zynischen Seufzer ließ er Baran abrupt los und verließ den Stall. War er schon soweit gesunken, sich in der Gesellschaft eines Tieres geborgen zu fühlen?

Seine Schritte lenkten ihn von selbst zu Galadriels Talan. Die Wachen traten einen Schritt vor, als sie ihn nahen sahen, doch dieses Mal zogen sie ihre Waffen nicht.

            „Die Herrin erwartet Euch in ihrem Garten!", sagte einer von ihnen respektvoll. Haldir neigte den Kopf und wählte dann die Treppe, die zu dem geheimsten Ort von Lorien führte. Kein Elb würde ihn jemals freiwillig betreten, weswegen er auch nicht bewacht wurde. Dass die Herrin ihn erwarten würde, verwunderte Haldir inzwischen nicht mehr. Orophins Worte hatten einen tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen.

Geräuschlos ging er die letzten Stufen über eine Steintreppe hinab und betrat dann die kleine Lichtung. Es schien, als hätte sich der Wald wie eine schützende Blase über diesen besonderen Ort gestülpt. Kein Lichtschimmer drang von außen herein. Das einzige Strahlen kam von der hohen Schale, die auf einem steinernen Sockel in der Mitte der Lichtung stand – und von Galadriel, die Haldir ruhig entgegensah. Die Hände gefaltet, bot sie in ihrem weißen Kleid einen wundervollen Anblick. Ihr blondes Haar wehte leicht um ihren Kopf, obwohl kein Wind zu spüren war.

Haldir erinnerte sich, Aithiel und die Herrin miteinander verglichen zu haben und in diesem Moment erkannte er den Irrtum, den er damals begangen hatte. Galadriel war keine Frau, die sich ein Mann wünschen würde. Sie war zu machtvoll, zu kühl.

Sie schien seinen Gedanken erraten zu haben, denn langsam erschien ein Lächeln auf ihrem bleichen Gesicht.

            „Ich erkenne Eure Vorwürfe und Eure Fragen, mein Hauptmann!", sagte sie und winkte ihn zu sich. Mit einem Blick, als erblicke sie etwas, das sie sehr erstaunte, hob sie die Hand, als er vor ihr stand und ließ ihre Fingerspitzen über seine Wange gleiten. Die Berührung ließ ihn erschauern. „Ich verstehe Euch, aber Antworten kann ich Euch keine geben. Die Zeit befindet sich im Fluss und selbst ich kann nun nicht mehr klar sehen. Alle meine Entscheidungen, die ich bis zum heutigen Tag traf, kann ich verantworten, doch nach ihnen werdet Ihr mich wohl nicht mehr fragen wollen."

Er wollte es tatsächlich nicht, da er die Antwort schon erahnte. Es war, wie Orophin es gesagt hatte. Galadriel hatte gewusst, wie sich die Dinge entwickeln würden und hatte so gehandelt, wie sie gemeint hatte, dass es richtig war. Daran gab es nun nichts mehr zu rütteln.

            „Da ich weiß, wie unnütz Fragen nach der Zukunft sein werden, werde ich sie mir sparen", sagte Haldir und rückte ein Stück von der Herrin ab. Ihre Aura absoluten Wissens verwirrt ihn. „Gibt es einen anderen Grund, aus dem Ihr mich sprechen wollt?"

Galadriel nickte und wirkte plötzlich bekümmert, so als habe sie seine Frage nicht hören wollen.

            „Ich sprach mit Herrn Elrond vom Bruchtal. Auch dort in Imladris, dem Hort für viele Verzweifelte, hat man erkannt, dass man den Krieg nicht mehr umgehen kann. Wenn die Zeit gekommen ist, wird Elrond seine Krieger entsenden und ich habe ihm zugestimmt." Ihre Hand legte sich schwer auf den Rand der Schale, von der Haldir wusste, dass sie ihr als Auge in die Welt und in andere Sphären diente, die nicht den Gesetzen der Natur unterworfen waren. „Bevor ich Euch nun um einen Gefallen bitte, solltet Ihr erst sehen, was Euch geschehen kann."

In der Schale glitzerte ein wenig wasser und zog seinen Blick magisch an. Doch er widerstand und Galadriel, die sich schon abgewandt hatte, um einen silbernen Krug im nahen Brunnen zu füllen, verharrte.

            „Nein", sagte er mit fester Stimme. „Ich vertraue dem Schicksal, auch wenn ich es bisher nicht getan habe. Was immer mich erwarten sollte, ich bin bereit, es auf mich zu nehmen."

Ein kleiner Seufzer entfuhr Galadriel, eine Regung, die Haldir noch niemals bei ihr bemerkt hatte. Beunruhigt verbot er es sich dennoch, nachzufragen.

            „Nun gut", murmelte Galadriel und ihr unsteter Blick irrte an Haldir vorbei und fixierte etwas hinter seiner Schulter, das er nicht sehen konnte. „Die Gefährten haben sich getrennt. Nun zieht der Ring allein weiter, doch der Mann, der einmal ein König unter den Menschen sein wird, reitet einer großen Gefahr hinüber." Sie sah Haldir wieder an, die blauen Augen strahlend vor Schmerz und Sorge. „Eine Bergfestung, die Rohirrim nennen sie Helms Klamm. Dort werden sie auf ein riesiges Heer von Feinden treffen, das sie nicht allein besiegen können. Wenn Ihr es wollt, so führt Eure besten Männer dorthin."

            „Euer Wunsch allein genügt mir, um mich auf den Weg zu senden!", gab Haldir würdevoll zurück und verneigt sich dann vor der Herrin. Sie bedachte ihn mit einem  bedeutungsvollen Blick, als er ging, doch er achtete nicht darauf.

Es gab für ihn an dieser Entscheidung nicht zu bedauern, denn es gab nichts, das er verlieren konnte.