Kapitel 15
Leben
Haldir schlug blinzelnd die Augen auf. Die Sonne schien ihm ins Gesicht und er glaubte, nun endgültig in das Licht von Mandos Hallen zu blicken, doch dann durchdrang ein grauenhafter Schmerz seinen Körper und er begriff, dass er lebte.
Mit einem Keuchen versuchte er sich aufzusetzen, doch er scheiterte, weil seine Glieder einfach nicht seinem Willen gehorchen wollten. Dazu spürte er um seinen Oberkörper ein Band, das ihn unnachgiebig an seine Liegestatt fesselte.
Dass er auf einer Bahre ruhte, die hinter einem Pferd hergezogen wurde, bemerkte er, als ein Wiehern erklang und sich seine Welt mit einem harten Ruck aufhörte zu bewegen.
Rufe wurden laut, die von Entsetzen zeugten. Er erspähte aus dem Augenwinkel rasche Bewegungen, dann schob sich ein Schatten vor die Sonne und er benötigte einige Momente, um Rumil zu erkennen, der mit einem Dolch in der Hand über ihm stand.
„Haldir?", fragt sein Bruder unsicher. „Bist Du das?"
„Tu das Ding weg", murmelte er undeutlich. „Ich bin kein Untoter, Dummkopf."
„Du bist es tatsächlich." Rumil versuchte sich den Anschien zu geben, als führten sie gerade eine ihrer üblichen Streitereien in den Baumwipfeln von Lorien, doch seine Stimme schwankte bedenklich. Mit einem Ruck steckte er den Dolch in die Scheide an seinem Gürtel zurück und unmittelbar darauf begann sein Unterlippe zu zittern. Um sich abzulenken, löste er die Schnur um Haldirs Brust, die wohl dazu bestimmt war, dass seine Leiche nicht von der Bahre rutschte und kniete sich neben ihn. „Wie fühlst Du Dich?"
Haldir versuchte, eine angemessene Beschreibung für seinen Zustand zu finden, doch es gelang ihm schwerlich. Sein Körper war taub bis auf die Stellen, an denen sich die Verwundungen befanden. Wenn es ihm gelang, den Kopf zu heben, sah er, dass eine Decke über ihn gebreitet worden war, weshalb ihm der Blick auf die Wunden verwehrt blieb.
„Leg mich bitte auf die Seite", bat Haldir krächzend, da sein Rücken brannte wie Feuer. Erstaunt und verärgert über die eigene Schwäche biss er sich auf die Lippen, als sein Bruder der Bitte nachkam. Sofort konnte er ein wenig freier atmen, doch an dem Schmerz merkte er, dass die Verletzung wieder aufgeplatzt sein musste. Rumil fluchte und presste sofort ein Tuch gegen den Blutfluss.
„Ich verstehe nicht, wie Du das überleben konntest", murmelte der Jüngere. „Ich könnte schwören, dass Du tot auf der Mauer lagst. Wir all haben das gedacht. Du hast Stunden nicht geatmet und jetzt liegst Du hier und beleidigst mich schon wieder. Was ist geschehen?"
„Du würdest es nicht glauben, wenn ich es Dir sagen würde." Haldir legt den Kopf auf die mit Decken bespannte Bahre und sah sich um. Er erkannte die vertrauten Gesichter der Orkreiter, ebenso vom Dreck der Schlacht besudelt wie die wenigen seiner eigenen Männer, die ihn noch immer anstarrten, als sei er ein Geist. Vielleicht war er genau das. Doch der Atem, der seine Lungen füllte, fühlte sich sehr real an, auch wenn sein Körper und vor allem seine Beine noch nicht aus der Totenstarre erwacht zu sein schienen. Mit erheblicher Anstrengung versuchte er sie zu bewegen, doch es gelang ihm nicht. „Wo ist Aithiel? Ist ihr etwas geschehen?" Der Gedanken kam ihm plötzlich, weil er sie nicht sah. Oder vielleicht war sie doch bei der Gruppe und wollte nicht bei ihm sein.
„Du warst tot", entgegnete Rumil und klang wirklich verzweifelt. „Sie ist fort. Nach Düsterwald gegangen, um ihrem Schicksal zu begegnen."
„Ich muss zu ihr, Rumil", flüsterte Haldir, gefangen zwischen seiner namenlosen Enttäuschung und der Hoffnung, die ihn allein bei der Nennung ihres Namens durchflutete. „Ich habe ihre Mutter gesehen und sie hat mir die Möglichkeit gegeben, noch einmal zurückzukehren."
Als Antwort legte ihm Rumil zunächst einmal die Hand auf die Stirn, um zu prüfen, ob er Fieber hatte. Haldir entzog ihm unwillig seinen Kopf, obwohl ihn dabei Schwindel und Übelkeit überfielen. Sein Bruder glaubte ihm nicht. Er lachte leise und bitter. Er glaubte ja nicht einmal selbst an das, was er erlebt hatte, doch dass es wahr sein musste, fühlte er tief in seinem Inneren.
Er hatte seine Seele verpfändet für die Rückkehr in eine Welt, die ihm plötzlich viel zu laut und zu bösartig erschien. Der Frieden, den er im Zusammensein mit Aithiels Mutter empfunden hatte, war vergangen und er wusste, dass er etwas Derartiges niemals wieder empfinden würde.
Rumil schien seine Worte ein wenig sacken gelassen zu haben, denn dann erkundigte er sich:
„Du hast Mandos Hallen gesehen?"
„Ich bin nicht hineingegangen." Haldir spürte, wie sich sein Sichtfeld einengte und sein Geist begann, sich wieder dem Schlaf zuzuneigen. Daher verdoppelte er seine Anstrengung, seine Gedanken und Erfahrungen in klare Worte zu fassen. Rumil musste einfach erkennen, wie wichtig es ihm war, seine Vorhaben umzusetzen, bevor ihn der Tod ereilte. Er hatte keinen Zweifel daran, dass Aithiels Mutter die Lähmung seiner Glieder aufgrund der schweren Verletzung seines Rückens gemeint hatte, als sie davon sprach, dass sein Leben nie wieder dasselbe sein würde. Doch er würde kämpfen, bis er wieder auf seinen Beinen stand und zu Aithiel gehen konnte. „Ich bin wiedergekehrt und weiß, dass ich den Weg in die Hallen nun niemals mehr finden werde. Ich konnte nicht von dieser Welt verschwinden und in die nächste übergehen und damit riskieren, dass ich Euch, meine Brüder und auch Aithiel in Valinor nicht wiedersehen könnte. Ich muss mich bei Euch allen entschuldigen."
„Das ist wirklich nicht die Zeit für irgendwelche Entschuldigungen", wehrte Rumil ab und ergriff Haldirs unverletzte Hand. Obwohl er die Finger des Bruders nur undeutlich spürte, gab ihm diese Geste Hoffnung und er drückte leicht zu. Rumil grinste schief und mit merkwürdig feuchten Augen. „Wir haben Dich schneller auf den Beinen, als Du denkst. Und jetzt ruh Dich aus."
Nicht anderes tat Haldir lieber und so schloss er die Augen, zog sein Bewusstsein in seinen wie versteinert daliegenden Körper zurück und glitt in einen unruhigen Schlaf hinüber.
***
Dass er nach Lorien zurückgekehrt war, bemerkte er bei seinem nächsten Erwachen, als ihm der Duft von Geißblatt und Wiesenblumen in die Nase stieg. Er öffnete langsam die Lidern und fand sich in seinem Talan wieder. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht, als er all die vertrauten Gegenstände wiedersah, seine Waffen und die wenigen Ziergegenstände, die ihm Rumil von seinen Reisen mitgebracht hatte.
An seinem Tisch stand mit dem Rücken zu ihm Gelirion und ordnete die diversen Tiegel, die vor ihm standen. Obwohl Haldir kein Geräusch gemacht hatte, sagte der Heiler:
„Ah, Ihr seid wach!" Der hochgewachsene Mann, der ebenso alt war wie Galadriel und der Haldir schon verarztet hatte, als er als Kind von einem Baum gefallen war, lächelte, als er sich umwandte. „Euer Bruder macht mich wahnsinnig, wenn er mich noch einmal fragt, wann Ihr das Bewusstsein wiedererlangt!"
„Ja,. Er kann manchmal sehr anstrengend sein", bestätigte Haldir, der sich noch immer sehr schwach fühlte. Ein paar Sonnenstrahlen drangen vorwitzig durch das Fenster und warfen verspielte Muster auf die Bettdecke. Doch an diesem tag konnte Haldir nichts Schönes daran finden, im Gegenteil, das vertraute Licht war ihm viel zu grell und er schloss die Augen, um sich für einen kurzen Moment in die Dunkelheit seines Geistes zurückzuziehen. „Wie viel Zeit ist vergangen?"
„Zwei Wochen sind vergangen, seit Ihr das letzte Mal wach wart." Gelirion trat zu Haldir und lupfte ohne mit der Wimper zu zucken die Decke. Haldir verspürte einen Hauch von Panik, nackt und wehrlos vor einem anderen Mann zu liegen, doch zu seiner Ereleichterung hatte man ihm zumindest einen Lendenschutz gelassen. Er folgte den tastenden Händen des Heilers mit dem Blick, als sie über die rote Narbe glitten, an der das Schwert in seinen Bauch gedrungen war. „Das ist sehr gut verheilt. In einige Wochen wird man auch die Narbe nicht mehr sehen."
„Und was ist mit meinem Rücken?", fragte Haldir vorsichtig und versuchte gleichzeitig, seine Beine zu bewegen. Als er damit scheiterte und den Blick des Heilers sah, erstarrte er innerlich.
„Da sieht es etwas schlechter aus", gab Gelirion nach einem Moment des Zögerns zu. „Das Schwert hat Eure Wirbelsäule durchtrennt. Ihr müsstet es bemerkt haben."
„Ja, ich hatte plötzlich keine Kontrolle mehr über meinen Körper!" Bei der Erinnerung an die Schlacht erschauerte Haldir und sah noch einmal vor seinem geistigen Auge die Gesichter der Toten, roch das Blut und den Regen. „Wie lange wird es dauern, bis alles verheilt ist?"
Gelirion verzog das Gesicht.
„Das kann ich Euch nicht genau sagen. Vielleicht fügen sich die Knochen und Nerven wieder problemlos zusammen und dann kann es innerhalb einer Woche geschehen. Falls allerdings-." Er zögerte und schien nach Worten zu ringen. „Es stecken höchstwahrscheinlich Bruchstücke von der Waffe in Eurem Rücken. Dazu kommen noch viele Knochensplitter."
„Dann wäre es also möglich, dass ich auf Dauer die Beine nicht mehr bewegen kann?" Haldir fragte sich, warum ihn die Wahrheit, die der Heilerin ihm auf schonende Weise zu vermitteln suchte, nicht schockierte. Er hatte es wohl von Anfang an gespürt und ihm war klar, dass er, wenn er such schon vom Tod nicht hatte aufhalten lassen, auch mit dieser Situation umgehen konnte. Sein Leben war nun kürzer als das aller anderen Elben und er war fest entschlossen, jeden Tag zu nutzen.
Gelirion musterte Haldir für einen Moment prüfend, dann zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich mit einem leisen Seufzer.
„Ihr hättet tot sein müssen, Hauptmann. Ich habe bisher nur noch einen anderen Elben gesehen, der sich von einer derart schlimmen Verletzung wieder erholt hat." Obwohl Haldir nicht nachfragte, fuhr er fort: „In jener Schlacht, in der der Ring von der Hand des dunklen Herrschers geschnitten wurde, ging in den Reihen von Elben und Menschen ein junger Elb namens Gawren, von Trauer und Schmerz verblendet. Am Tag zuvor war seine Gefährtin tödlich verwundet worden und er wusste, dass sie bei dem Angriff auf ihr Dorf ihren neugeborenen Sohn, den er noch niemals gesehen hatte, versteckt hatte. Keiner, der an der Suche nach ihm teilnahm, hatte ihn bis zum Beginn der Schlacht finden können und als der Elb unter der Lanze eines Orks fiel, war es sein größter und innigster Wunsch, seinen Sohn zu finden. Er kam also an die Tür von Mandos Hallen, doch er weigerte sich hineinzugehen. Zuerst wollt er seinen Sohn sehen und ihm ein wahrhaftiges Leben ermöglichen, da er fürchtete, ihn im Jenseits nicht wiederzufinden. Das dürfte Euch bekannt vorkommen, nicht wahr?"
„Das ist es." Haldir starrte an die Decke, ahnend, dass der Heiler ihm noch nicht alles erzählt hatte. „Früher zweifelte ich an der Existenz der hallen, doch ich war dort und traf eine Frau, die vor langer Zeit fortgegangen war. Und ja, ich verweigerte den Eintritt. Sie warnte mich, dass mein Leben sich verändern würde. Und das ist es jetzt, mein Leben." Er wies mit einer Hand schwach auf seinen paralysierten Körper, nicht selbstmitleidig, sondern ruhig und sachlich.
„Ich fürchte, Ihr irrt Euch. Es ist nicht der Körper, der den Preis zahlt", murmelte Gelirion. „Aber hört weiter zu. Gawren kehrte zurück und ich war es, der ihm im Schlamm des Schlachtfeldes fand. Er erholte sich recht schnell und tatsächlich gelang es ihm, mehrere Jahre waren vergangen, seinen Sohn zu finden –doch in dem Moment, in dem er dem Kleinen in die Augen blickte, erkannte er, dass er nicht aus Liebe gehandelt hatte, sondern allein aus dem Grund, diese eine Sache noch erledigen zu müssen. Sein Geist war stumpf geworden. Er lebte noch eine sehr lange Zeit, doch er wurde ein harter und kalter Mann, der unfähig war seinen Sohn zu lieben."
„Wenn Ihr mich davor warnen wollt, dass mir dasselbe geschehen könnte, so tröstet Euch", versicherte Haldir. Er fühlte noch, Schmerz und Hoffnung, Enttäuschung und Sehnsucht.
„Es ist nicht vom einen Tag zum anderen geschehen." Gelirion erhob sich wieder und wirkt plötzlich schwerfällig, so als ruhe auf seinen Schultern eine besonders schwere Last. „Auch wenn Ihr es mir jetzt vielleicht nicht glauben wollt, rate ich Euch, das, was Ihr noch tun wolltet, schnell zu tun. Denn sonst werdet Ihr denen, denen Eure Aufgabe gilt, nur noch mehr Schmerz bereiten."
Er legte Haldir kurz eine Hand auf die Schulter, dann trat er zurück an den Tisch und packte seine Tasche. Sekunden später hatte er den Talan verlassen und Haldir blieb zurück, um blicklos an die Decke zu starren.
***
„He, würdest Du mir einmal erklären, was Du da machst?" Rumil kam gerade noch rechtzeitig in den Talan gelaufen, um zu verhindern, dass Haldir von seinem Lager fiel, an dessen Rand er sich auf den Ellbogen vorgekämpft hatte. Mit sanfter Gewalt wollte er den Bruder auf die Decken zurückdrücken, doch Haldir stieß ihn fort.
„Wo hast Du so lange gesteckt? Hilf mir lieber, mich richtig hinzusetzen!"
Rumil zog ein zweifelndes Gesicht, doch dann kam er der Bitte nach und er schob Haldirs Beine über den Rand des Lagers. Dann stabilisierte er seinen Oberkörper und zum ersten Mal seit zwei Tagen konnte Haldir mit den Füßen den Boden berühren. Dass er nichts fühlte, erschreckte ihn ein wenig, doch als er Rumils stolzen Blick bemerkte, erkannte auch er den Fortschritt. Denn bei all seinen bisherigen Versuchen war sein Körper bisher immer zusammengesackt.
„Es tut mir leid, dass ich nicht früher gekommen bin, aber der verfluchte Heiler hat mich nicht zu Dir gelassen – einer seiner Männer stand die ganze Zeit vor Deiner Tür, der eher nach einer Wache aussah als nach einem Heilkundigen."
„Es ist Galadriels Wache", sagte Haldir matt. Er hatte genug Zeit gehabt, um die Gestalt vor dem Eingang des Talans zu beobachten. Den Mann hatte er mehrere Male gesehen – er gehörte zu den engsten Vertrauten der Herrin und man begegnete ihm selten im Tageslicht. „Warum er Dich allerdings nicht zu mir gelassen hat, ist mir ein Rätsel."
„Ich könnte mir schon vorstellen, warum", druckste Rumil herum und schien sich plötzlich sehr für die Spitzen seiner Schuhe zu interessieren. „Sie haben Angst vor Dir."
„Angst?" Haldir runzelte die Stirn, doch der Ärger, der in ihm empor kochte, legte sich rasch wieder. „Warum? Ich bin derselbe wie vorher!"
„Du bist aus Mandos Hallen zurückgekehrt. Das passiert nicht oft, um es besser sagen niemals! Galadriel hat sich seit Tagen nicht mehr gezeigt. Es heißt, dass sie seit Tagen in den Spiegel blickt und doch keine Antwort zu finden scheint."
„Sicher nicht wegen mir. Sie wird sich Gedanken über den Lauf des Krieges machen!" Was gemunkelt wurde, ließ ihn völlig kalt. Das einzige, was zählte, war, Aithiel zu finden. „Ich hoffe, man hält mich hier nicht auf Dauer fest."
„Wenn Dich die Leute sehen, dann werden sich sicher alle Zweifel zerstreuen. Ich dachte mir, dass ich Dich morgen früh hier raus bringe. Wenn dann einmal die Sonne auf Dich scheint und Du Dich benimmst wie immer, werden sie Dich nicht für einen wandelnden Untoten halten!", scherzte Rumil lächelnd. Haldir winkte ab.
„Mich interessiert nicht, was sie über mich denken. Hilf mir lieber dabei, wieder gehen zu lernen. Und schicke bitte so schnell wie möglich einen Boten in den Düsterwald. Sobald wie möglich wird ich selbst hinreisen."
Rumil verschränkte die Hände im Schoß, das Gesicht plötzlich sehr ernst.
„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Thranduil ist als ein ziemlich cholerischer Mann bekannt und Aithiel hat sicher eine Menge Probleme mit ihm – wenn er nicht kurzen Prozess gemacht hatte." In seinem Tonfall klang schmerzliche Hoffnung mit, die er nicht verbergen konnte. Haldir hatte gewusst, dass sein Bruder viel für Aithiel empfand, wahrscheinlich ebensoviel wie er selbst. Früher war er ein wenig eifersüchtig gewesen, weil sie Rumil stets mit großer Freundlichkeit und Güte begegnet war. „Wenn nun auch noch ein Bote aus Lorien im Düsterwald auftaucht, um in Deinem Namen um Aithiels Leben zu flehen, steht sie in einer ziemlich schwachen Position da. Es könnte so aussehen, als könne sie nicht durch die Argumente bestehen. Und das, was Thranduil am meisten hasst, ist Schwäche. Nein, das muss sie ganz allein durchstehen."
„Ich will ja auch nicht den König erreichen, sondern Aithiel. Sie muss wissen, dass ich bereue, was ich getan habe." Haldir benötigte einige Momente, um das, was er soeben gesagt hatte, selbst begreifen zu können und die Erkenntnis traf ihn tief. Hatte er wirklich ernsthaft keinen Gedanke daran verschwendet, ihr zu helfen, sondern nur daran gedacht, wie er sein Anliegen loswerden konnte?
Gelirions Worte hallten in seinem Kopf wieder, als er die Stirn in die Hände stützte und nach Luft rang. Obwohl er dem Heiler im ersten Moment nicht geglaubt hatte, konnte er nicht leugnen, dass seine Empfindungen in vielen Bereichen abgeklungen waren. Zwar freute er sich darüber, dass Rumil bei ihm war und empfand Zorn über den Zustand seines Körpers, doch vermochte es der goldene Wald nicht mehr, ihn zu locken.
Er beschwor das Bild von Aithiel aus seinem Gedächtnis und musste wider Willen lächeln. Da war sie noch, seine tiefe Zuneigung zu ihr, jenes Gefühl, das sie ihn ihm zu wecken vermocht hatte. Die Geborgenheit und Ruhe an ihrer Seite schienen auch jetzt noch auf ihn zu wirken, obwohl sie fort war, und er beruhigte sich langsam. Solange er sich noch an seinen Gefühle für Aithiel erinnern konnte, würde ihm nicht das geschehen, was der Heiler angekündigt hatte.
„Was ist los mit Dir? Hast Du Schmerzen?"
Haldir blickte auf und brachte das erste von Herzen stammende Lächeln zustande, seit er ins Leben zurückgekehrt war. Er fragte sich, ob Rumil von den Erzählungen Gelirions wusste und ihn deswegen so scharf beobachtete, wie er es in diesem Moment aus seinen blauen Augen tat.
„Nein, es ist alles in Ordnung. Versprich mir bitte, dass Du mir helfen wirst, zu ihr zu gelangen. Ganz gleich, wie schwierig es auch werden wird."
„Ich verspreche es", schwor Rumil und Haldir hatte für einen Moment das Gefühl, dass seinem Bruder bei diesem Versprechen das Herz zu brechen schien. Er überging es nachzufragen, da er den Bruder nicht mit dessen Empfindungen konfrontieren wollte. Stattdessen sagte er: „Würdest Du mir ganz hoch helfen? Jede Reise beginnt schließlich mit nur einem kleinen Schritt, egal wie schwer er auch sein kann."
