@all: Danke für die vergangenen und kommenden Reviews!
Mal eine Frage an alle Leser – Happy End oder nicht? Schreibt mir Eure Meinung, denn das nächste Kapitel bringt die Entscheidung!
Kapitel 18
Die letzte Gewissheit
„Alles in Ordnung?" Aithiel schreckte hoch. Sie hatte Rhiwen nicht eintreten hören, da sich ihre Tante stets lautlos bewegte und immer überall zu sein schien. Seit der Enthüllung ihrer Verwandtschaft waren drei Tage vergangen. Man hatte Aithiel ein eigenes Gemach zugeteilt, nicht groß, aber liebevoll eingerichtet, was wohl Rhiwen zu verdanken war. Ein Porträt von Laeriel stand auf einer Kommode und Aithiels Blick wanderte oft zu dem Bild. Sie fragte sich, warum sie nicht vorher erkannt hatte, wie ähnlich sich ihr Mutter und deren Schwester sahen. Aber sie hatte auch viel zu sehr mit sich selbst zu tun gehabt, um ihr Verblendung zu erkennen.
Mit raschelnden Gewändern ließ sich Rhiwen neben ihr auf dem Sofa nieder.
„Ja, es ist alles in Ordnung." Automatisch legte Aithiel die Hand auf ihren flachen Bauch. Wann immer sich jemand nach ihrem Befinden erkundigte, musste sie automatisch daran denken, dass sie ihr Leben nun mit einem Kind teilte. Ein zweites Herz unter ihrem Herzen. Der Gedanken war zu verrückt, um ihn akzeptieren zu können. „Ich denke nur nach." Sie rang sich ein Lächeln ab. „Wie immer."
„Weißt Du eigentlich, wer der Vater ist?" Rhiwen vergeudete keine Zeit mit vorsichtigem Vortasten. „Versteh mich nicht falsch, es ist zuallererst Dein Kind. Aber wenn Du es weißt-."
„Ich weiß es nicht", musste Aithiel zugeben. „Die Empfängnis hab ich nicht einmal gespürt. Ich dachte sowieso nicht, dass so etwas passieren könnte. Ich hatte vorgesorgt. Kräuter."
„Du wünschst Dir, dass es Haldirs Kind ist, nicht wahr?" Rhiwens Blick war verständnisvoll, doch ihre Fragen waren klar und ohne falsches Mitleid. „Wir werden es erfahren, wenn es zur Welt kommt. Bis dahin musst Du Dich auf etwas anderes konzentrieren." Sie machte eine allumfassende Geste. „Dies ist Deine Heimat. Du bist Thranduils Enkelin, auch wenn er sich jetzt noch stur stellt." Tatsächlich hatte der König sich seit der Szene im Thronsaal nicht mehr gezeigt. Es hieß, dass er sich in seine Gemächer zurückgezogen hatte und von niemandem gestört werden wollte. „Das tut er öfters. Du wirst Dich daran gewöhnen. Eigentlich hat er ein weiches Herz."
„Ich habe viel Gegenteiliges gehört."
Rhiwen faltete die Hände.
„Er war immer ein harter Mann. Ihm ist es zu verdanken, dass der Düsterwald zu großen Teilen ein sichrer Ort geworden ist, auch wenn es noch immer gefährlich ist, allein zu reisen. Als Soldat und König hat er sein ganzes Leben lang gekämpft und oft die vernachlässigt, die ihm am nächsten standen." Sie seufzte. „Aber die Zeiten ändern sich so wie das Gesicht des Waldes. Er hat Verluste erlitten. Laeriel ging fort und obwohl er erst jetzt Gewissheit hat, wusste er stets, dass sie nicht mehr am Leben war. Dann verjagte er seinen besten Freund und sein Enkelkind, weil er nicht zugeben konnte, dass er Fehler gemacht hatte."
Wider Willen tat er Aithiel leid. Sie hatte keinen Grund anzunehmen, dass Rhiwen etwas beschönigte, weshalb sie leise fragte:
„Denkst Du, er wird mit mir reden wollen?"
„Ganz sicher, wenn es an der Zeit ist." Ihre Tante nahm spontan Aithiels Hand und drückte sie. „Lass uns von etwas anderem reden. Ich glaube, Du bist inzwischen wieder ruhig genug, um noch etwas zu erfahren." Sie lächelte melancholisch. „Als Laeriel ihrem Gemahl zugeführt wurde, waren wir alle wie erstarrt. Während der Zeremonie sah ich in die Gesichter der Anwesenden und ihre Fassungslosigkeit, dass mein Vater sein Vorhaben wahr gemacht hatte. Ein Gesicht werde ich niemals vergessen. Dieser Mann trug sein Herz so offen zur Schau, dass ich mich fragte, warum niemand außer mir bemerkte, wie sehr er meine Schwester liebte."
„Mein Vater?", wisperte Aithiel. „Sag es mir bitte, wer war er? Ich muss es wissen."
„Du kennst ihn." Rhiwen drückte Aithiels Hand fest. „Du hast ihn Dein ganzes Leben lang gekannt."
Aithiel begriff erst, was ihre Tante ihr offenbart hatte, als ihr die Tränen über das Gesicht zu laufen begannen. Bewegungslos saß sie da und starrte aus dem Fenster. Sie erinnerte sich an einen Abend, an dem sie mit den Orkreitern am Lagerfeuer gesessen hatte, nach einem Kampf, den sie mit knapper Mühe überlebt hatten. Als Aithiel die Wunden der Männer versorgte, war irgendwann Berion zu ihr getreten und hatte sie beiseite genommen. Er war nie ein Mann der vielen Worte gewesen, doch was er an jenem Abend zu ihr gesagt hatte, klang noch in ihren Ohren. Es war, als stände er in diesem Moment neben ihr, dreckig und erschöpft, aber mit jenem sanften Lächeln, das sie so selten gesehen und daher doppelt geliebt hatte.
‚Was immer auch geschieht. Ich bin Dein Vater und ich liebe Dich.'
Sie hatte verstanden, was er ihr sagen wollte und es gleichzeitig doch nicht. Erst jetzt bekam sein Versprechen einen Sinn.
„Galadriel hat es gewusst." Der Gedanken überkam Aithiel als nächstes. Sie wischte sich das Gesicht ab und bemerkte, dass auch Rhiwen sichtlich gerührt war. Zitternd atmete sie aus und ein. „Sie hat mich zu meinem Vater zurückgeschickt. Kein Wunder, dass Thranduil so reagierte. Ich frage mich nur, warum Berion mir nie gesagt hat, wer meine Mutter war."
Rhiwen hob die Schultern.
„Auch wenn er es sicher wusste, kann ich nur raten. Vermutlich wollte er Dich vor Deiner Vergangenheit beschützen und Dich an sich binden. Wenn Du es gewusst hättest – vielleicht wärst Du mit einer anderen Einstellung aufgewachsen und hättest Dich nach Düsterwald zu Deiner Familie zurückgesehnt, anstatt mit ihm durch Blut und Schlamm zu kriechen."
„Vielleicht wäre ich aber auch einfach seine Tochter gewesen, die erkannt hätte, wem Ihre wahre Treue gehört", sagte Aithiel und obwohl sie so glücklich war wie selten zuvor, fühlte sie sich doch zur selben Zeit betrogen. Betrogen um viele Jahre, die mit Zweifel und Fragen über ihre Familie angefüllt gewesen waren.
„Ich lasse Dich jetzt allein!" Rhiwen erhob sich langsam und ihre Hand glitt aus der Aithiels. „Bei dieser Frage kann ich Dir nicht helfen, das musst Du mit Dir selbst ausmachen und mit der Erinnerung."
Wenig später fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
***
Eine Wache folgte Aithiel, als sie in Thranduils Garten ging, um ein wenig spazieren zu gehen und die unfassbaren Tatsachen zu überdenken, die sich ihr in den letzten Tagen offenbart hatten. Es gab keine Frage mehr, die es für sie noch zu klären gab außer vielleicht der, wer der Vater ihres Kindes war. Doch ob nun Aithlion oder Haldir, sie beide waren tot und ihr nach Valinor vorausgegangen. Sie selbst war am Leben und würde es nicht zulassen, dass ihr Kind neben dem Vater auch die Mutter verlieren würde. Aithiel wusste, dass sie vor Kummer beinahe aus dem Leben gegangen wäre, doch das war nun Vergangenheit.
Sie wählte den Weg zu den wild wuchernden Wiesen in der Nähe des Waldrands, um die sich niemand zu kümmern schien und die ihr lieber waren als der gepflegte innere Teil des Gartens, in dem die Blumen in Reih und Glied standen. Auf den Wiesen blühte wilder Mohn neben Rittersporn und hohen Gräsern, bunte Tupfen vor der schwarzen Kulisse der Bäume, die sich nach allen Seiten bis zum Horizont erstreckten.
Sie ließ ihre Hand über die Spitzes der Gräser gleiten und genoss das leichte Kitzeln, das die Berührung hervorrief, so, wie sie es in ihrer Kindheit getan hatte. Dies war ihre Heimat. Sie meinte jede Pflanze, jedes erschreckt davonhuschende Tier wiederzuerkennen und fühlte sich zutiefst verbunden mit der Erde, auf der sie stand.
Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht und verdrängte die Enttäuschung und den Schmerz, den sie empfunden hatte.
„Seid Ihr des Wahnsinns, so weit an den Wald heranzugehen?", erkundigte sich eine wütende Stimme hinter ihr und Aithiel fuhr herum. Hinter ihr stand Thranduil und wieder einmal sah er aus, als wolle er vor Zorn schier platzen. „Ich erwarte, dass Ihr meinen Männern Bescheid sagt, wenn Ihr Euch in dieses Gebiet bewegt. Es ist zu gefährlich hier!"
„Macht Ihr Euch Sorgen um mich oder Euren Urenkel?", erkundigte sich Aithiel ruhig und nahm ihm damit den Wind aus den Segeln. Der König – ihr Großvater, korrigierte sie sich -, bohrte seinen Blick in sie erreichte aber damit nicht mehr als ein Lächeln. Mit einem gemurmelten Fluch wies er seine Männer an, einige Schritte zurückzufallen.
„Geht ein paar Schritte mit mir. Das ist keine Bitte."
Aithiel entschloss sich, den rüden Manieren Thranduils keine Beachtung zu schenken und folgte seiner Bitte. Die Soldaten irritierten sie, doch sie begriff, dass sie vermutlich nicht oft die Gelegenheit bekommen würde, mit dem König sprechen zu können.
„Sagt, was Ihr mir sagen wollt", forderte sie ihn auf und hoffte, dass ihre direkte Art ihn nicht beleidigen würde. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie seine Stirn, auf das Anschwellen seiner Zornesader wartend, doch nichts geschah. Stattdessen wirkte Thranduil plötzlich sehr nachdenklich und schien über seine nächsten Worte lange nachdenken zu müssen.
„Eure Anwesenheit in meiner Stadt ist problematisch. Es gibt wohl keinen Zweifel daran, dass Ihr meine Enkelin seid. Immerhin seid Ihr Eurer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten." In seinen Mundwinkeln zuckte es kurz, einziges Zeichen seiner inneren Bewegung. „Doch die Tatsache, dass Ihr noch immer unter dem Bann steht, mit dem ich Berion und auch Euch belegte, bleibt bestehen. Wenn ich ihn jetzt aufhebe, wird jeder denken, dass ich dies tue, weil Ihr Mitglied meiner Familie seid."
„Mit „jeder" meint Ihr Eure obersten Berater, nicht wahr?", erkundigte sich Aithiel und sah, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. Thranduil blieb abrupt stehen und befahl seinen Männern nach einem kurzen Zögern, sich zurückzuziehen. Einer der Wachen schien zu zögern, was den zornigen Funken in Thranduils grause Augen zurückkehren ließ. Erst als sie allein waren, setzte Aithiel hinzu: „Rhiwen hat seinen Namen erwähnt. Belegren scheint über große Macht zu verfügen."
„Zuviel Macht", grummelte Thranduil und stapfte einige Mohnblüten nieder. „Ich war lange fort und als ich zurückkehrte, hatte er schon viele auf seine Seite gezogen, auch einige der Weisen und Alten. Er wird es nicht riskieren, in nächster Zeit etwas von sich aus zu unternehmen. Doch wenn er sich provoziert fühlt, wie zum Beispiel durch die Lösung des Bannes-. Ich weiß nicht, was dann geschehen würde."
„Ich verstehe", sagte Aithiel und die Leichtigkeit, die sie noch vor wenigen Momenten empfunden hatte, verschwand. „Eigentlich sollte ich wütend sein, aber ich glaube, dass es Euch nicht um Eure Macht geht, sondern vornehmlich um Eure Familie."
Thranduil fühlte sich sichtlich unwohl, weil er auf Verständnis traf anstatt auf Vorwürfe. Die kräftigen Arme hinter dem Rücken verschränkt, warf er ihr einen langen Blick zu, den sie nicht recht zu deuten wusste.
„Berions Mutter hatte auch rotes Haar", sagte er unvermittelt. Aithiel wusste nicht, was sie auf seinen Einwurf antworten sollte, doch der König sprach weiter. „Und noch dazu wart Ihr ihm viel zu ähnlich, als dass ich es nicht erkannt hätte."
„Was wollt Ihr mir damit sagen?", erkundigte sich Aithiel, obwohl sie eine Ahnung befiel, denn das Gesicht Thranduil wirkte plötzlich bekümmert. „Dass er auch Mitglied Eurer Familie war?"
„Unserer Familie, ja." Seine Augen hefteten sich auf einen Punkt jenseits des Waldes, den nur er sehen konnte. „Und ich habe es schon einmal geschafft, sie auseinander zu reißen."
Mit diesen Worten drehte er sich auf dem Absatz um und ging davon. Aithiel sah ihrem Großvater hinterher. Er war ein harter Mann, doch sie hatte einen Blick hinter seine Maske werfen können. Thranduil würde sie nicht fortschicken, zumindest noch nicht. Dafür schien ihn sein Gewissen viel zu sehr zu plagen, auch wenn er es scheinbar nicht zugeben konnte oder wollte.
Lächelnd machte sie sich auf den Rückweg. Endlich schien es, als würde alles endlich in Ordnung kommen.
***
In den nächsten Tagen durchstreifte Aithiel ungehindert den Palast. Der Wachposten, der ihr immer in einigem Abstand folgte, war sicher nicht von Thranduil geschickt worden, weshalb sie es immer wieder darauf anlegte, ihm für einige Momente zu entwischen. Sie genoss das kleine Spiel, doch sie erzählte niemandem davon, nicht einmal Rhiwen. Es würde ihre Tante unnötig beunruhigen und vielleicht würde man ihr dann die Spaziergänge verbieten.
Eines Morgens, der Nebel zog sich durch die efeuüberwucherten Bäume und schien alles Leben ersticken zu wollen, hörte sie von einigen Unruhen im Norden des Waldes und es dauerte nur wenige Stunden, bis Thranduil mit einem kleinen Heer seinen Palast verließ, um der Bedrohung entgegenzuwirken.
Aithiel und Rhiwen standen am Fenster von Rhiwens Gemächern und sahen hinter zu den Männern und Frauen, die auf ihren wendigen Pferden fortzogen.
„Das ist kein gutes Zeichen", sagte Thranduils Tochter bekümmert. „Je öfter er fortgeht, desto leichter wird Belegren es haben, hinter seinem Rücken zu intrigieren."
„Besteht Gefahr für uns?" Diese Frage hatte Aithiel sich oft genug gestellt seit ihrem Gespräch mit dem König.
„Er würde niemals öffentlich etwas gegen uns unternehmen. Belegren ist eher ein Meister der Heimlichkeit als des Angriffs. Nichtsdestotrotz ist Vorsicht geraten." Sie blickte Aithiel ruhig an, doch in ihren Augen flackerte Sorge. „Ich hab Deine Waffen in Dein Gemach schicken lassen. Wenn Du versprichst, es mit dem Training nicht zu übertreiben, dann ist sicher nichts dagegen einzuwenden, dass Du sie mit Dir führst." Wie um die Worte ihrer Tante zu bestätigen, spürte Aithiel plötzlich ein leichtes, angenehmes Flattern unterhalb ihrer Magengrube. Ihre Hand fuhr zu ihrem Bauch und verharrte über der Stelle.
Rhiwen warf ihr einen alarmierten Blick zu, doch als sie Aithiel lächeln sah, entspannte sie sich sichtbar.
Viel später, nachdem Aithiel in die unterirdische Übungshalle gegangen war und einige Zielübungen mit dem Bogen gemacht hatte, überkam sie das Gefühl noch einmal und ein weiteres Mal, als sie nachts im Bett lag und keinen Schlaf finden konnte. Den Kopf in die weichen Kissen gelehnt, starrte sie an die Decke, an der unheimliche Schatten spielten und dachte an die Welt, in die ihr Kind hineingeboren würde, so weit und unsicher, dass sie eigentlich kaum wagen konnte zu hoffen.
Weit nach Mitternacht schlief sie ein und erwachte am nächsten Morgen erschöpft und unruhig. Der Nebel des vergangenen Tages war einem leichten Regen gewichen, der aus tiefhängenden Wolken auf den Palast und die Stadt geschleudert wurde. Aithiel kleidete sich an, schnallte sich ihren Schwertgurt und den Köcher um, dann nahm sie ihren Bogen, den sie von Berion geschenkt bekommen hatte.
Auf ihrem Nachttisch lag ein Stück Pergament, auf dem in einer weichen Frauenhandschrift eine Ortsbeschreibung aufgeführt war, unterschrieben von Rhiwen. Anscheinend wollte sie mit ihr reden, ohne sich dabei zwischen Wänden zu befinden, die offensichtlich Ohren hatten.
Als sie den Palast verließ, setzte sich wie immer eine Gestalt auf ihre Spur, die sie soweit ignorierte, wie es eben ging. Sie schlug den auf der Nachricht beschriebenen Weg zwischen den Bäumen ein, überquerte die Felder, auf denen die Sommerblumen vom Regen niedergeschlagen worden waren. Die Feuchtigkeit durchnässte sehr bald ihre Kleidung und feuchte Strähnen ihres Haars fielen ihr ins Gesicht.
Sie ging eine längere Zeit und mit jedem Schritt hatte sie das Gefühl, tiefer in die Undurchdringlichkeit des Waldes zu geraten. Die Kronen der Buchen waren so weit zusammengerückt, dass kaum ein Lichtstrahl zwischen ihnen hindurchfiel und der Boden war bedeckt mit Laub, das faulig unter ihren Füßen hervorquetschte.
Der Regen war nur noch ein fernes Rauschen, ansonsten war es totenstill. Kein Tier regte sich im struppigen Unterholz. Aithiels Sinne schlugen Alarm, als sie begriff, dass Rhiwen niemals diesen Ort zum Treffpunkt gewählt hätte. Plötzlich hörte sie Geräusche und blieb abrupt stehen. Wie von selbst fuhren ihre Hände zu Bogen und Pfeil, dann fuhr sie herum. In der Ferne sah sie, wie ihr Wächter über den Pfad zurücklief, so als sei er von Monstern gehetzt.
Es war eine Falle und Aithiel tat das einzige, was ihr einfiel. Sie begann ebenfalls zu rennen, brach von dem Pfad aus, um kein leichtes Ziel abzugeben. Im Unterholz begann es zu knacken, um sie herum, überall. Es war, als hätte sie selbst das Signal gegeben zu all der Bewegung, die sie aus dem Augenwinkel ausmachen konnte, huschende Schatten, die glühende Blicke zu ihr sandten.
Plötzlich löste sich einer der Schemen aus dem Dunkel und sprang heran, landete auf vier Pfoten geschmeidig vor ihr. Es war ein riesiger Warg. Kleine Augen, aus denen kluge Bosheit sprach, funkelten sie an und ein massiver Kiefer klappte auf, als ein scharfer Befehl aus dem Dickicht ertönte und das Tier angriff.
Aithiel schoss den Pfeil ab, ohne zu zögern und traf es direkt in die Brust. Der Warg hielt in seiner Bewegung inne und schüttelte sich, so als könne er die kalte Eisenspitze loswerden, die ihn durchbohrt hatte, dann sank er zusammen. Aithiel blieb keine Zeit, um sich über den gelungenen Schuss zu freuen, da an der Stelle, an der das Tier zuerst erschienen war, drei weitere seinen Platz einnahmen. Hinter ihnen erschien eine Gruppe Orks, die sie schweigend musterten. Aithiel erinnerte sich an die Besorgnis ihres Großvaters, als sie sich alleine vom Palast entfernt hatte und erkannte, dass diese mehr als berechtigt gewesen waren.
Aus den Büschen um sie herum lösten sich weitere Orks mit ihren riesigen Reittieren, insgesamt zwanzig Gegner mit acht Wargen, denen der Geifer aus den Mäulern troff. Sie bewegten sich nicht, machten nach dem Tod des ersten Wolfes keine Anstalten, sie anzugreifen. Stattdessen begannen sie leise zu lachen und nackte Panik ergriff Aithiel.
Sie war umzingelt. Und allein.
