So, das hier ist das letzte Kapitel – es folgt noch ein kurzer Epilog, aber ich möchte mich an dieser Stelle schon einmal bei allen bedanken, die so lieb reviewt und mich unterstützt haben!
Also, Heitzenedera, Faelivrin, Tolka, Winnowill, Zoysite und Shelley - *verbeug*! Ich hoffe, Euch bald wiederzulesen!
Eure Demetra
Kapitel 19
Am Ende
Jede Minute, die verging, dehnte sich für Haldir zur Unendlichkeit. Die Wegstrecke, die Rumil und er ohne größere Pausen und Probleme zurücklegten, schien kaum zu schrumpfen, da sie lange Zeit eine Landschaft durchritten, die sich kaum veränderte. Sie wählten den Weg östlich des Anduin und sahen schon bald die dunkle Masse des Düsterwalds weiter im Osten. Dol Guldor ließen sie am dritten Reisetag hinter sich, einen schartigen Gipfel, der mit seiner Spitze das Schwarz die Baumspitzen des verfluchten Waldes durchstieß.
Sie sprachen nicht viel miteinander, nur das Nötigste. Bis Rumil eines Mittags sein Schweigen brach. Seit Tagen war der Himmel über ihnen zugezogen und die träge, graue Wolkenmasse hing gefährlich nah über ihren Köpfen.
„Hast Du Dir überlegt, wie es weitergehen wird?", erkundigte er sich und warf seinem Bruder einen skeptischen Blick zu.
„Wenn ich sie finde-." Haldir stutzte. Obwohl er es sich verboten hatte, seine Gedanken in diese Richtung treiben zu lassen, hatte er tatsächlich nicht weiter als bis zu dem Punkt gedacht, an dem er Aithiel wiedersehen würde. Die eine Sache, die er noch zu erledigen hatte. Was danach kommen würde – Gelirions Vorhersage ließ ihn mit nicht Gutem rechnen. Aber er würde sich selbst beweisen, dass es zwangsläufig nicht so kommen musste, wie es der Heiler prophezeit hatte.
„Ja, ich meine – den Bund eingehen, Kinder kriegen, ein Baumhaus bauen und bis an das Ende Eurer Tage glücklich leben! Wenn sie Dir nicht einen Fußtritt versetzt."
„Wenn sie überhaupt noch lebt", murmelte Haldir düster und musterte den Horizont, dessen Bild sich seit Tagen nicht verändert hatte. „Ich habe Thranduil einmal getroffen und er hat nicht den Eindruck gemacht, sonderlich umgänglich zu sein.
„Schwarzseher!", gab Rumil zu gut gelaunt zurück, um glaubhaft zu machen, dass er sich nicht mit denselben Befürchtungen herumschlug.
Sie setzten ihren Weg fort, jeder von ihnen in seine ganz eigenen Gedanken versunken. Die Tage verstrichen und das Wetter wurde schlechter. Eisig Böen schlugen über die Ebene und erst kleine Schauer fielen vom Himmel.
Haldir glaubte nicht an böse Omen, doch dieses schien eines zu sein. Galadriel hatte ihn nicht gehen lassen wollen, nur warum? Vielleicht konnte sie es sich im Moment wirklich nicht leisten, ihre Krieger an deren persönliche Geschäfte zu verlieren. Möglicherweise versuchte sie ihn aber vor etwas zu beschützen und je weitere sich Haldir dem Düsterwald näherte, desto größer wurde seine Gewissheit, dass sich nicht alles zum Besten wenden würde.
Sie überquerten die alte Waldstrasse und erwogen zunächst, sie zu benutzen, um tiefer in den Wald vorzudringen, doch Rumil gab zu bedenken, dass sie im Inneren des Waldes auf Probleme treffen konnten, deren Geringstes wohl Thranduils Wachen sein würden. Die Geschichten über riesige Spinnen und marodierende Orkhorden, die der König trotz all seines Bemühens nicht aus seinem Reich hatte vertreiben können, waren auch in Lorien nicht unbekannt.
Also zogen sie weiter nach Norden und als sie ungefähr auf der Höhe von Thranduils Stadt waren, bogen sie in den Wald ein. Es dämmerte bereits und die grauen Schemen des Tages verwandelten sich in den undurchdringlichen Vorhang der Nacht. Innerhalb von Minuten war es stockdunkel und nur ihren scharfen Augen war es zu verdanken, dass sie sich orientieren konnten.
Haldir war vor einigen Jahrzehnten in Galadriel Auftrag einmal im Düsterwald gewesen und stellte fest, dass sich nicht viel am Gesicht des Waldes geändert hatte. Unter den Hufen der Pferde raschelte ein dicker Teppich von Laub, der aussah, als wäre er in dem Moment vor Tausenden Jahren, in dem das Böse im Wald Einzug gehalten hatte, von den Bäumen gefallen und seitdem nicht gewichen. Über ihren Köpfen verflochten sich die geschwärzten, von Flechten bedeckten Äste der Buchen zu einem wilden Dickicht.
„Unfreundlicher Ort", sagte Rumil, der sich argwöhnisch umsah und bei jedem kleinsten Geräusch nach seinem Schwert tastete. „Wenn man davon ausgeht, dass die Bewohner genau so freundlich sind wie ihre Heimat, dann mache ich mir ernsthafte Sorgen."
Die Bemerkung entlockte Haldir nur ein schwaches Lächeln. Seine Nerven waren bis zum Äußersten gespannt.
„Der Schein kann trüben", versuchte er seinen Bruder und vor allem sich selbst zu beruhigen. „Wer von uns beiden ist der Schwarzseher?"
Rumil lachte leise und entspannte sich wieder ein wenig.
Sie ritten einige Stunden durch die Wildnis, begleitet von den Geräuschen des Waldes, die ein wenig Normalität versprachen. Es begann zu regnen, als der Morgen über dem Wald graute und da die Feuchtigkeit nicht bis zum Boden fallen konnte, begann das Wasser die Bäume hinunterzulaufen. Das stetige leise Rinnen zehrte an Haldirs Geduld und es war fast eine Offenbarung für ihn, als sich vor ihnen plötzlich die Gestalten von einigen Reitern aus den Schatten lösten.
Die Krieger waren in Grün – und Brauntönen gekleidet und allesamt schwer bewaffnet. Als sie erkannten, wer sich ihnen näherte, rief einer von ihnen:
„Gebt Euch zu erkennen!"
„Wir sind Haldir und Rumil von Lorien!", gab Haldir zurück und überlegte dann, wie er sein Anliegen ausdrücken sollte. Rumil war schneller.
„Wir haben eine Nachricht für den König!", sagte der Elb und schien sich nicht daran zu stören, die Fremden anzulügen. Haldir war dankbar, dass der Bruder für ihn sprach, denn er selbst konnte vor Nervosität kaum einen klaren Gedanken fassen. „Es ist wichtig!"
„Der König ist auf einem Feldzug", kam umgehend die Antwort. „Aber Ihr könnt dem obersten Berater Euer Gesuch vortragen!"
Das war mehr als erwartet und so folgten die Brüder die Waldelben weiter durch den Wald.
***
Man führt sie in einen unterirdischen Saal, der offensichtlich dem König dazu diente, seine Besucher zu empfangen. Die Tür schloss sich mit einem dumpfen Schlag endgültig hinten, doch zwei Wächter verblieben bei ihnen. Haldir spürte, wie sich ihre Blicke in seinen Rücken bohrten und richtete sich unbewusst auf. Rumil neben ihm ging es ähnlich.
Eine kleine Weile verging, bis sich schließlich in einer Ecke des Saales eine Tür öffnete und ein Elb hereintrat, ein ungewöhnlich großgewachsener, schlanker Mann mit dunkelbraunem Haar. Er war offensichtlich ungehalten über die späte Störung oder vielleicht auch über die Art des Besuches, denn zwischen seinen Brauen zeigte sich eine steile Falte und seine Stimme war so kühl wie seine grauen Augen, als er sich erkundigte:
„Mir war nicht bewusst, dass der König zurzeit Nachrichten aus Lothlorien zu erwarten hatte." Sein Blick wandere kurz zu dem Thron, so als erwäge er, dort Platz zu nehmen, dann jedoch stellte er sich lediglich auf die Stufen vor dem Sitz. Der Mann war Haldir auf einen schlag unsympathisch. „Ich bin Belegren. Alles, was den König betrifft, müsst Ihr mit mir klären, wenn Ihr nicht die Geduld habt, bis zu seiner Rückkehr zu warten."
„Es geht auch weniger um eine Angelegenheit aus Lorien, sondern vielmehr um ein ersuchen in eigener Sache. Verzeiht, wenn wir uns den Wächtern gegenüber missverständlich geäußert haben, aber im Endeffekt war es keine Sache, die sie zu entscheiden hatte", entgegnete Haldir und bemühte sich seiner üblichen Arroganz, die tatsächlich bei Belegren zu wirken schien. Dessen Augen verzogen sich zu schmalen Schlitzen.
„Nun, lasst mich hören, was Ihr zu sagen habt, dann kann ich ja entscheiden, wessen Angelegenheit Euer Ersuchen ist."
„Ich kam her, um Erkundigungen über eine Frau einzuholen, die vor einiger Zeit hierher aufbrach. Ihr Name ist Aithiel." Belegren zuckte sichtlich zusammen und Haldir bohrte sofort weiter nach: „Wenn es möglich wäre, sie zu sprechen, würdet Ihr mir einen großen Gefallen tun."
„Aithiel." Der Berater sprach den Namen aus, als handele sich dabei um ein gefährliche Krankheit, doch er fing sich sofort wieder, als er seine kleine Entgleisung bemerkte. „Das ist richtig, sie ist Gast im Haus des Königs und wohlauf." Haldir war, als nähme man ihm eine ungeheure Last von den Schultern. Rumil neben ihm gestattete sich ein breites Lächeln und zwinkerte ihm aufmunternd zu. „Wenn ich fragen darf, was ist Euer Anliegen an sie? Ihr müsst verstehen, die Frau ist eine Renegatin, die zurzeit nur durch die Protektion ihrer Tante und des Königs das Recht besitzt, im Palast zu verweilen."
Haldir verspürte den dringenden Impuls, dem Mann in Gesicht zu schlagen, doch er zügelte sich. Es wurmte ihn, sich vor Belegren rechtfertigen zu müssen, aber ihm blieb nichts anderes übrig, denn es lag im Ermessen dieses Mannes, wie es ihm ergehen würde.
„Nicht liegt mir ferner, als Euch Probleme zu bereiten. Es ist wirklich eine äußerst intime Angelegenheit."
Belegren legte seine Stirn in weitere Falten. Ihm war anzusehen, dass es in ihm arbeitete. Doch bevor er sich äußern konnte, flog die große Tür mit einem derartigen Schwung auf, dass die beiden Wachen nur noch beiseite springen konnten.
Eine kleine Frau mit braunem Haar rauschte in den Raum, in Begleitung von einem Dutzend Bewaffneten, die allesamt nicht aussahen, als würden sie Spaß verstehen. Haldir stutzte, da ihm die Züge der Elbin bekannt vorkamen, doch es wollte ihm einfach nicht einfallen, wo er sie schon einmal gesehen hatte.
Die Frauerstarrte kurz, als sie ihn sah und ließ den Blick über seine lorische Uniform wandern.
„Prinzessin Rhiwen", sagte Belegren lauernd. „Was ist passiert?"
„Das wisst Ihr ganz genau!", fauchte die Elbin und schien weiterreden zu wollen, doch dann wandte sie sich an die Besucher. „Wer seid Ihr?"
„Haldir und Rumil von Lorien."
Sie erstarrte und ihr wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht.
„Das kann nicht sein. Ihr seid tot! Zumindest denkt Aithiel das!"
„Ihr kennt sie? Wo ist sie?", platze Haldir nun seinerseits heraus und Rhiwen legte die zitternde Hand auf den Knauf ihres Schwertes, das sie umgegürtet trug.
„Das ist die Frage, die mich herbrachte!" Sie durchbohrte Belegren mit einem Blick und hielt ein Stück verknittertes Pergament hoch. „Wenn Ihr das nächste Mal eine Nachricht mit meiner Unterschrift herstellen lasst, dann sorgt dafür, dass Eure Dienerin sich nicht erwischen lässt, wenn sie sie entsorgen will. Und dass sie nicht so leicht mit der Sprach herausrückt." Sie winkte die Männer heran. „Belegren, ich verhafte Euch wegen Verschwörung gegen ein Mitlied der königlichen Familie!"
Sie wartete gar nicht darauf, ob er protestierte. In dem Moment, in dem sich die wachen daran machten, den Berater zu verhaften, lief sie wieder aus dem Saal. Haldir folgte ihr beunruhigt und auch Rumil und drei Wächter liefen ihnen hinterher.
„Was ist mit Aithiel?", rief Haldir besorgt. Rhiwen dreht sich nicht einmal um, um ihm zu antworten.
„Er hat sie mit der falschen Nachricht in Orkgebiet gelockt, wohl, um sie loszuwerden. Noch ein Mitglied der königlichen Familie, das sich ihm entgegenstellen würde, konnte er nicht gebrauchen. Betet, dass wir nicht zu spät kommen!"
Haldir ließ die Nachricht sacken, als sie durch die langgestreckten, fackelbeschienen Gänge ans trübe Tageslicht hasteten. Aithiel als Nichte einer Prinzessin, Tochter einer Prinzessin. Thranduils Enkelin?
Wenig später erreichten sie die Ställe und sprangen in die Sättel ihrer Pferde. Ab diesem Punkt gab es kein bewusstes Denken mehr für ihn.
***
Sie jagten durch den strömenden Regen, ohne Rücksicht auf die Pferde, die auf dem glitschigen Boden oftmals ausglitt und sich erfolglos gegen die harte Zügelung zu wehren versuchten.
Haldir fühlte, wie das Blut in seinen Venen kochte und das war das Einzige, was ihn in diesem Moment bewegte. Er konnte die wahnsinnige Angst nicht zulassen, die sich deutlich in Rumil Gesicht abzeichnete und Haldir hasste sich dafür, diese Kontrolle zu besitzen.
Die Orks waren zu hören, bevor sie zu sehen waren. Ihr Triumphgebrüll stieg zum Himmel und ließ erahnen, was sie in diesem Moment taten. Haldir spürte, wie ein Knurren in seiner Kehle aufstieg und als er die ersten Gestalten zwischen den Bäumen auftauchen sah, gab es für ihn kein Halten mehr. Sein Bogen sang, als er einen Pfeil nach dem anderen aus seinem Köcher riss und sie auf die Orks und Warge abfeuerten, die von dem Angriff vollkommen überrascht wurden.
Als sein Köcher leer war, trieb er sein Pferd in die Reihen der Orks und schlug mit wilder Wut um sich. Er konnte Aithiel nicht sehen, was seine Wut nur noch steigerte. Rumil blieb an seiner Seite, zerstörte Körper links und rechts von seinem Pferd, mit derselben Präzision wie Haldir, nur sichtlich verzweifelt.
De anderen Krieger und auch Rhiwen, die ihr Schwert mit großer Geschicklichkeit führte, ritten seitlich an der Gruppe vorbei, um sie in die Zange nehmen zu können. Ein riesiger Warg stürzte sich auf Haldir und obwohl es ihm gelang, das Tier mit zwei Schwertstreichen tödlich zu verletzten, krallte es sich in der Brust von Haldirs Pferd, das mit einem schrillen Schrei zusammenbrach.
Er sprang ab, bevor er unter den fallenden Körper gezogen wurde und landete breitbeinig im Schlick. Die Orks sahen ihre Chance gekommen und griffen ihn zu dritt an, doch sie zogen sehr schnell den Kürzeren, weil Rumil zur Hilfe kam und vom Pferd aus zwei von ihnen erledigte.
Haldir wischte sich das Blut, das auf ihn gespritzt war, vom Gesicht und lief weiter in das Zentrum der Auseinandersetzung, in dem er Aithiel vermutete. Mit schlafwandlerischer Sicherheit wehrte er weitere Angriffe ab, spaltete Schädel und zerfetzte schwarze Orkleiber, bis zu dem Moment, in dem Stille eintrat, die Stille des Todes. Blut sickerte mischte sich mit Wasser in den Pfützen, durch die er ging.
Dann sah er sie. Sie saß an einem der schwarzen Bäume, die Augen geschlossen, die Arme vor dem Oberkörper verschränkt, die Beine angezogen, so als könne sie sich so gegen die Übergriffe der Orks schützen. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Gesicht totenbleich. Haldir bemerkte nicht, dass Rhiwen etwas rief oder gar Rumils Hand, die ihn zurückhalten wollte. Er machte sich los und stürzte zu ihr.
Als er neben Aithiel in die Knie sank und ihren schlaffen Körper zu sich zog, rutschten ihre Hände beiseite und offenbarten einen Dolch, der tief in ihren Brustkorb gestoßen worden war. Er fühlte nach ihren Puls, eine hoffnungslose Geste, und hätte fast aufgeschrieen, als er ein leises Flattern unter seinen Fingerspitzen spürte.
Ihr Kopf fiel an seine Schulter und er strich ihr durch das wirre, verklebte Haar, wischte einige Wassertropfen fort, die sich auf ihrer Haut gesammelt hatten.
„Aithiel", sagte er leise und erkannte seine eigene Stimme nicht wieder. Ihre Lider bewegten sich ein wenig, hoben sich schließlich und er blickte in ihre verschleierten Augen, die jeden Glanz der Lebendigkeit verloren hatten. Die Gewissheit überkam ihn mit grausamer Macht. Sie blickte ihn stumm an und schien ihn nicht wahrnehmen zu können, doch dann huschte ein kleines Lächeln über ihr Gesicht. Ein kleiner Blutfaden rann aus ihrem Mundwinkel, als sie vergeblich versuchte, etwas zu sagen. „Es tut mir so leid."
Sie hustete, öffnete erneut den Mund, um etwas zu sagen und dieses Mal gelang es ihr, obwohl er die grauenhafte Qual erkennen konnte, die es ihr bereitete.
„Willst Du mich holen?", flüsterte sie und er erkannte, dass sie dachte, er wäre aus Valinor gekommen, um sie zu holen. In diesem Moment ging ihm auf, dass alles umsonst gewesen war. Sie starb und sein Opfer, das er gebracht hatte, um sie noch einmal zu sehen, war wertlos. Das neue Leben, das man ihm gegeben hatte, war wertlos, wenn er es ohne sie leben musste. Tief in seinem Inneren erstarb alles, seine Hoffnung, seine Angst, sein maßloser Zorn. Zurück blieb nichts als Verzweiflung und sie, das wurde ihm klar, würde auch vergehen und nur Leere zurücklassen. Gelirion hatte Recht gehabt.
Er streichelte Aithiels Wange und zwang sich zu einem Lächeln, das Schwerste, was er in seinem Leben bislang getan hatte.
„Ich liebe Dich", sagte er leise und meinte es auch so. Doch in dem Moment, in dem er es ausgesprochen hatte, spürte er, wie auch diese Empfindung, die ihn zu zerreißen gedroht hatte, aus ihm wich.
Aithiel lächelte ihn an und ihr Blick klärte sich noch einmal auf, sagte all das, was ihr Mund nicht zu sagen vermochte. Dann ging ein kaum spürbarer Ruck durch ihren Körper und sie atmete tief aus. Langsam fiel ihr Kopf an seine Schulter und verharrte dort.
Eine lange Zeit geschah nichts. Haldir starrte auf die tote Frau in seinen Armen und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er den Schmerz fühlen konnte, doch auch diese Empfindung war aus ihm gewichen in dem Moment, in dem sie starb. Er war nichts mehr. Nur eine kalte Hülle wie Aithiel, doch mit dem Unterschied, dass er zu atmen vermochte.
Er blickte auf, sah, dass Rhiwen weinte und Rumil sich abgewandt hatte, den Kopf am Sattel seines Pferdes geborgen. Die anderen Elben starrten fassungslos auf Aithiels Körper hinunter, durch die Gewalt des Todes ergriffen.
„Rumil", sagte Haldir leise und der Bruder drehte sich langsam zu ihm um, Tränenspuren auf seinem Gesicht, vermischt mit dem Regen, der noch immer mit aller Gewalt auf sie herabprasselte. „Ich kann nicht weinen", sagte er und wusste, dass er nicht mehr zu sagen brauchte, damit Rumil ihn verstehen konnte.
Er ergriff seinen Dolch, zog ihn aus der Scheide an seinem Gürtel. Das kalte Metall lag für einige Momente ruhig in seiner Hand, trügerisch schön anzusehen und zu spüren.
Es war das Letzte, was Haldir fühlte.
