1 Unterbrochene Flitterwochen
(Coruscant, Touristenviertel der höchsten Klasse)
Langsam kam Kristyna Rynes wieder zu sich. Schnelle Schritte und verzweifelte, laute Rufe hallten durch den dunstigen Nebel bis zu ihr, als kämen sie von weit, weit her.
Etwas war geschehen.
Die Unsicherheit, mit der sie in diesem Augenblick aus tiefer Dunkelheit erwachte, enthielt die Gewissheit, dass etwas schlimmes geschehen sein musste.
»Miss Rynes!«, schrie eine tiefe Stimme, immer wieder und wieder. »Miss Kristadme!«
Kristyna, dachte sie. Ich heiße Kristyna! Und ich bin eine Mrs, keine Miss! Kristadme war ich früher. Heute bin ich Rebellin.
»Miss Kristadme!«
Blinzelnd drehte sie den Kopf zur Seite und erkannte mit mäßiger Verblüffung, dass sie auf dem Boden lag. Das Bild vor ihren Augen verschwamm und drehte sich, doch irgendwoher wusste sie, wo sie sich befand: Auf dem Vorhof des Apartments, das Leo und sie sich über die Flitterwochen gemietet hatten, das Appartement auf Coruscant, der Stadt ihrer Träume. Sie war allen Anscheins nach ohnmächtig gewesen. Aber wieso? Was war passiert?
Sie sah jemanden auf sich zu laufen. Es war Geelo, ihr Pilot, ihr Beschützer, wenn es hart auf hart kam, ihr treuer Diener, der ihr förmlich aus der Hand fraß. Geelo Agins, Spion und Info-Dealer der Rebellion gegen Tyrion, der beste Freund von Leo. Er war es, der nach ihr rief. Der Nebel hatte sich noch immer nicht gelichtet und verschluckte das Nachtleben von Coruscant. Es war immernoch Nacht. Das war das einzige, an das sie sich noch erinnern konnte; es war Nacht gewesen, eine neblige Nacht.
Die Lichter des Nachtverkehrs schummerten geisterhaft durch die Nebelwand zu ihr herüber.
War dieser Nebel eigentlich echt? Oder war alles so verschwommen, weil sie auf dem Boden lag, und nicht mehr wusste, wieso? Aus welchem Grund sollte sie draußen vor ihrer Suite im 265. Stock liegen, nachts, und wieso sollte Geelo auf sie zulaufen? Wieso wusste sie nicht mehr, was passiert war?
»Miss! Miss, ist alles in Ordnung?!«
Ganz bestimmt war gar nichts in Ordnung. Da war sich Kristyna ziemlich sicher. Wenn sie nachts auf dem Vorhof aufwachte und nicht wusste, was in den letzten Stunden passiert war, konnte das nur bedeuten, dass gar nichts in Ordnung war.
Geelo war jetzt bei ihr und half ihr, sich aufzurichten. Sie schwankte; sie fühlte sich, als sei sie soeben von einer Tequilaparty nach Hause gekommen, was in den letzten Tagen häufiger vorgekommen war, aber... ihr Gefühl sagte ihr, dass etwas ganz und gar nicht lustiges geschehen war.
»Bei allem, was mir lieb ist!« hauchte Geelo Agins, während er sie mit seinen starken Armen stützte und über den Vorhof führte, und seine Stimme überschlug sich fast vor Erleichterung. »Welch ein Glück...! Ich dachte schon, ich wäre der letzte Zeuge...! Miss Rynes,... sie glauben nicht, was eine Angst ich um sie hatte...! Ich dachte schon, sie wären tot!«
Seine Worte ergaben irgendwie überhaupt keinen Sinn. Wieso tot? Was sollte das alles bedeuten,... der letzte Zeuge?
Er führte sie in das Wohnzimmer, welches direkt an den Vorhof angrenzte, ihr Lieblingszimmer, voll mit Spiegeln, exquisiten Möbeln und der neuesten Holo-TV Anlage. Kristyna hob den Blick, und was sie sah, verscheuchte die Nebel aus ihren Gedanken. Das Zimmer war aufs übelste verwüstet worden. Spiegelscherben lagen auf dem Boden, Möbel waren zerschossen, Bilder von den Wänden gerissen. Zwei Roboter löschten die brennenden Wandvorhänge.
»Was...?!«, brachte sie nur entsetzt heraus, »Geelo... Was ist hier passiert?«
»Die Typen aus dem Club... sie sind wiedergekommen«, berichtete Geelo mit brüchiger Stimme. »Die angeblichen Tyrion-Gegner, die sich uns anschließen wollten... wissen sie noch? Das hatten die von Anfang an geplant, da bin ich mit sicher... Sie waren nur hinter Leo her...«
»Leo?« Kristyna riss entsetzt die Augen auf. Stück für Stück kehrten schwache Erinnerungsfetzen zu ihr zurück. Die Typen im Club,... ja, natürlich; die Wette... der Sith! Und dann der Überfall, mitten in der Nacht... Der Kampf... und das Handgelenk, mit dem mystischen Tattoo... Aus dem ganzen Wirrwarr, der ihren Kopf erfüllte, zeichnete sich allerdings nur eine Sorge groß ab: »Die haben Leo?!«
Verzweifelt blickte sie Geelo an. Plötzlich fiel ihr alles wieder ein. Die Bilder des vergangenen Abends waren wieder klar vor ihr.
»Geelo, das ist... furchtbar! Weißt du, was das bedeuten könnte...?! Diese Leute hatten nichts mit Tyrion zu tun, sie waren weder Gegner noch Fürsprecher; das waren Darksider...« Kristyna unterbrach sich selbst, weil ihr die Worte im Hals stecken blieben. Sie musste etwas tun. Irgend etwas. Sie durfte nicht zulassen, dass ihr Mann in den Händen von Sith-Anhängern war!
»Bring mich von hier weg«, sagte sie schließlich schaudernd zu Geelo. »Wer immer das war, bekommt es jetzt mit mir zu tun.«
»Aber... Wo wollen sie hin?!«, rief Geelo, als sie stürmisch an ihm vorbei eilte.
Kristyna Rynes antwortete ihm nicht, weil sie es selbst nicht wusste. Das alles war im Moment viel zu viel für sie; sie verlor den Überblick. Sie durchquerte hastig die verwüstete Wohnung, fand einen Mantel, den sie über ihren ärmellosen, schwarzen Overall zog, und strich sich die goldblonden Haare aus dem Gesicht. Wo wollte sie hin? Was konnte sie jetzt tun?! Sie kannte nicht die Namen der Entführer, wusste nicht, wo sie nach Leo suchen musste; sie wusste garnichts. Sie brauchte Hilfe. Professionelle Hilfe. Von Leuten, denen sie vertrauen konnte...
»Geelo«, sagte sie schließlich und drehte sich entschlossen zu ihm um. »Pack mir ein paar Sachen zusammen. Wir fliegen zum Rat der Jedi.«
Geelo erbleichte bei diesen Worten. »Der Rat der Jedi?! Miss, sind sie verrückt geworden?! Haben sie vergessen, dass sie und Master Leo sich in letzter Zeit nicht unbedingt gesetzlich verhalten haben?! Sie sind Rebellin, Miss Rynes! Ich glaube nicht, dass die Jedi sonderlich billigen, was sie schon alles gegen die Tyrion-Herrschaft unternommen haben... «
»Hey,«, unterbrach ihn Kristyna. »Du vergisst wohl mal wieder, was der Name Rynes bedeutet, Geelo. Leo ist fast selbst ein Jedi. Seine Mutter ist eine Jedi-Meisterin! Und außerdem bin ich selbst früher mit einigen Jedis befreundet gewesen. Wahrscheinlich wissen die noch nicht einmal, dass Leo und ich jetzt Rebellen sind. Und außerdem weißt du doch gar nicht mit Sicherheit, ob die Jedi etwas gegen Tyrion-Rebellen haben.«
»Aber wenn es so ist... was ist dann mit mir...?«
»Ich werde ein gutes Wort für dich einlegen. Aber versuche bitte, nicht zu auffällig den Dealer raushängen zu lassen, ja?«
»Warum müssen es unbedingt die Jedi sein?!«, wehrte sich Geelo hartnäckig. »Es gibt doch noch andere Wege...«
»Aber dieser ist der beste!» knurrte Kristyna. »Wenn du zu feige für die Jedis bist, dann bleib hier, ich suche mir einen neuen Piloten, wenn es nötig ist! Es geht um Darksider, da kann niemand aus der Rebellion helfen so wie sonst, verstehst du denn nicht? Anscheinend raffst du einfach nicht, was es heißt, wenn jemand wie Leo den Sith in die Hände fällt! Aber ich weiß es. Und ich würde ihn wirklich gerne lebend wiedersehen.«
Ihre Stimme zitterte, denn was sie so kühl dahersagte, schmerzte sie zutiefst. Nicht umsonst hatte sie Leo geheiratet- die Bindung zu ihm war stärker als alles andere, und der Gedanke, ihn nicht um sich zu haben, machte sie zu einem kleinen, hilflosen Wesen. Alle Stärke, die er ihr gelehrt hatte, bedeutete nichts, ohne ihn.
Geelo sagte nichts, weil ihr Blick ihn zum Schweigen zwang.
»Lass uns in einer Stunde aufbrechen«, sagte sie.
* * *
(Zur gleichen Zeit,
im Zentrum der Stadt Coruscant,
neuer Jedi-Tempel)
»Ist die Rebellion gegen Tyrion nun eine Bedrohung für die Republik oder nicht?«
Nype "Kenobi", wie er sich vorzugsweise selbst nach seinem Idol alter Zeiten bezeichnete, stellte sich gerade hin und atmete tief ein, bevor er die Antwort auf Philac Kasnars Frage formulierte. Er musste das so gut wie möglich hinkriegen. Wenn es gut lief, kamen Jayn und er vielleicht ohne Strafe davon, weil sie trotz der unerlaubten Reise die Mission ordentlich erfüllt hatten... Diese Hoffnung war allerdings so unwahrscheinlich, dass sich Nype gleichzeitig schon gute Ausreden und Einwände für den Notfall einfallen ließ.
»Nun ja,«, begann der Jedi, während sein junger Schüler Jayn ihn besorgt von der Seite herauf ansah. »Nach dem, was wir auf Tyrion herausgefunden haben,... handelt es sich bei der Regierung um eine ganz üble Diktatur. Es ist doch ganz logisch, dass sich da Gegengruppen bilden.«
»Wäre ja schön, wenn die Tyrion-Rebellen nur eine simple Gegengruppe wären, wie ihr es nennt,«, sagte Philac. »Aber die Aktionen, die sich diese Gruppe leistet, verstößt gegen die Gesetze.«
»Ja«, gab Nype höflich lächelnd zu, »Das mag sein. Aber unserer Ansicht nach stellen die Rebellen trotzdem keine Gefahr dar. Sie versuchen lediglich, für das Wohl ihres Planeten einzutreten. Dafür muss man ab und zu eben die Regeln brechen.«
Philac Kasnar lächelte geringschätzend zurück.
»Nun, und das entspricht natürlich voll und ganz eurer Art, Probleme zu lösen.«
»Immerhin hatte ich oft genug Erfolg,« konterte Nype. »Aber- so leid mir das tut- ich hatte nicht vor, mich mit euch anzulegen, Philac. Nicht heute."
Philac Kasnars Augen wurden zu funkelnden Schlitzen. Doch der ältere und erfahrenere Jedi erwiderte darauf nichts mehr. Er würde noch die Chance bekommen, Nype Kenobi zu zeigen, dass Schlagfertigkeit und ein geklauter Name nicht das einzige war, was einen guten Jedi ausmachte.
»Wir sollten nicht gegen die Rebellen vorgehen,« fuhr Nype sehr professionell fort, und jetzt ließ er seinen Blick durch die Reihe der Ratsmitglieder schweifen, um ein noch besseres Bild abzugeben. »Sie kämpfen für die Gerechtigkeit und sollten nicht wie Verbrecher behandelt werden. Viel eher würde ich vorschlagen, die Diktatur auf Tyrion in Frage zu stellen. Die Republik sollte dieses System nicht länger akzeptieren. Jayn und ich haben uns auf Tyrion davon überzeugt, dass diese Rebellen keineswegs feindselige Leute sind. Dieses Mal versteckt sich der böse Kern in der Sache, nicht in den Leuten, die gegen die Sache kämpfen.«
»Gut gesagt, Nype«, lobte Meister Yoda. »Ihr werdet noch ein richtig guter Redner. Aus welcher alten Schrift habt ihr diesen letzten Satz geklaut? So weit ich mich erinnern kann, waren das die Zitate von Sky, in den Aufzeichnungen der alten Eilees-Yun-Zeiten.«
Philac Kasnar lächelte schadenfroh und erwartete, dass Nype vor Scham im Boden versank und dort für immer verschwand.
»Na ja,«, sagte Nype jedoch nur grinsend und gab es auf, arrogant zu wirken. »Tja Meister Yoda... aber immerhin hab' ich mir die Mühe gemacht und diese Worte aus den Archiven ausgegraben.«
»Ja, immerhin«, brummte Yoda recht wenig überzeugt.
»Und außerdem...!«
»Nein, es reicht,« unterbrach ihn Yoda. »Ich habe genug, Nype. Ich kann es nicht ausstehen, wenn ihr wie ein Jedi-Meister zu reden versucht, ohne einer zu sein. Philac?" Die kleine, grüne Kreatur gab der Person, die neben ihm saß, einen Wink, fortzufahren. Philac, dem Yodas letzte Worte sehr gefallen hatten, nahm es mit einem Nicken an und bedachte Nype mit einem seiner herablassendsten Blicke.
»Wie es scheint habt ihr euch also doch recht ordentlich um die Ermittlungen gekümmert,« sagte er übertrieben erstaunt. »Nur hätte ich da eine Frage: Wie lange wart ihr denn genau auf Tyrion, um all dies herauszufinden?«
Dies war die Frage, die Nype das Genick brechen sollte.
»Na ja...«, begann Nype, und gab seinem Schüler Jayn einen zornigen Stoß, als er bemerkte, dass dieser hinter seinem Rücken Grimassen schnitt und den Gesichtsausdruck von Philac Kasnar ins Lächerliche zog. »Wir waren... genau drei Tage dort.«
»Ach?«, lachte Philac triumphierend.
Doch Nype scherte sich nicht darum; Jayn ließ es sich nicht nehmen, die Augen zu verdrehen und einen sterbenden Eopie zu imitieren.
»Drei ganze Tage von... lasst mich überlegen... von knappen vierzehn Tagen, die euch zugeteilt wurden«, knurrte Philac.
»Ähh...«, sagte Nype unachtsam, denn er musste über Jayn lachen, der mit dem nachgestellten Gesichtsausdruck von Philac aussah wie ein verkrüppelter Irrer. »Ähm, ja.«
»Laut meiner Informationen verbrachtet ihr die restliche Zeit auf Mon-Gazza um... Jayns Mutter zu besuchen, obwohl eure Aufgabe darin bestand, die Geschehnisse auf Tyrion zu beobachten! Und wie es aussieht haltet ihr das auch für völlig in Ordnung?!«
»Ähm... ja, ich denke schon.«
Philacs Kopf lief rot an und er zog einen dermaßen lächerlichen Schmollmund, dass Jayn beim Versuch, das nachzumachen, laut grunzte, um sein Lachen zu unterdrücken.
»Junger Travon!«, donnerte Philac, sodass Jayn zusammenzuckte. »Etwas mehr Disziplin gegenüber des Rates wäre dir wirklich anzuraten!«
Jayn senkte den Kopf, und nuschelte ein »Sorry, Meister Kasnu«, das allerdings in einem weiteren Lacher unterging.
»Meister Kasnar«, verbesserte Philac zischend.
»Ja, Meister Kasnu«, sagte Jayn, ohne die geringste Spur von Respekt.
Als jetzt auch Nype, Meister Yoda und manch andere Ratsmitglieder leise zu lachen begannen, wollte Philac am liebsten im Boden versinken- was sollte das?! Machten die sich etwa alle über ihn lustig?!
»Stop!», rief plötzlich Meister Yoda, der sich allerdings vorher selbst aus Lachkrämpfen befreien musste. »Benehmen wir uns wie Meister, meine Freunde! Über so makabere Späße sollten wir uns nicht amüsieren... Philac?«
Der verstörte Philac wandte sich zu Yoda, mit fragendem Blick. »Ja, Meister?«
Ehe eine Antwort kam, fing Yoda wieder an zu lachen. Er blickte Philac an, kicherte, und lachte dann laut und herzlich und steckte erneut den ganzen Jedi-Rat damit an. »Meister Kasnu!«, prustete er zwischendrin immerwieder, »Meister Kasnu!«
Philac begann zu glauben, er sei von einem Haufen Bekloppter umgeben. Er wusste nicht, was an dem Wort Kasnu so amüsant sein sollte. Und überhaupt- seit wann benahm sich der Jedi-Rat, als hätten sie nicht mehr alle Tassen im Schrank?! Das konnte der arme, ernste Philac nun wirklich nicht verstehen. Nype Kenobi, entzückt darüber, dass der sonst so starre Jedi-Rat endlich auch mal auf den Spaß eingegangen war, entdeckte das Dilemma des älteren Jedi, ging auf ihn zu und stupste ihn gehässig grinsend in die Seite. »Kasnu ist eine tyrionische Ausdrucksweise«, klärte er ihn auf. »Es bedeutet so viel wie...» Er hielt absichtlich inne und betrachtete Philac nachdenklich. »Ach nein, ich sage es euch lieber nicht. Es ist so schön, euch leiden zu sehen.«
»Was bedeutet es?!«, knurrte Philac, nah daran, aufzuspringen und irgend jemandem an die Gurgel zu gehen. Am liebsten der Person, die gerade vor ihm stand.
»Na gut, wenn ihr es unbedingt wollt... Kasnu bedeutet: Überdimensionaler Eiterpickel. Außerordentlich passend, findet ihr nicht? Entschuldigt uns, Meister Kasnu. Mein Schüler und ich werden uns jetzt in unser Quartier zurückziehen.«
Das gewaltige Donnerwetter erahnend, welches sich im nachhinein anbahnen würde, flüchteten Nype und Jayn so schnell wie möglich aus dem Rat.
* * *
Respektlos. Jayn Travon war einfach unerhört respektlos geworden. Nype war erstaunt, dass ein Schüler so schnell die Eigenschaften des Lehrers übernehmen konnte. Er hatte immer geglaubt, er wäre die einzige Person, die so töricht war, vor dem Rat der Jedi herumzualbern und Meister Yoda und Philac Kasnar zu verspotten. Aber Jayn war genauso. Wenn nicht schlimmer.
»Habt ihr Philacs Gesicht gesehen?!«, lachte Jayn und packte den Rest seines Gepäcks aus. Als Nype und er vor wenigen Stunden wieder hier auf Coruscant angekommen waren, hatten sie keine Zeit gehabt; der Rat hatte sie trotz der nächtlichen Stunde gleich zu sich gerufen. Nun war es schon verdammt spät und das Morgengrauen war höchstens noch drei Stunden von ihnen entfernt. »Der alte Spießer wär ja beinahe ausgeflippt! Sowas nenn' ich Erfolg auf der ganzen Linie!«
»Gut gemacht, Jayn«, antwortete Nype. »Respekt. Hätte ich nicht besser hinkriegen können.«
Der gerade 25 Jahre alte Nype setzte sich auf sein Bett und beobachtete Jayn, wie er die Reiseutensilien von dem Koffer zurück in die Schränke verfrachtete. Jayn war vor zwei Tagen 14 geworden, er war ein dunkelblonder, schmächtiger Junge, der aber im letzen Jahr glücklicherweise einen gehörigen Schub gemacht hatte und jetzt nur noch einen Kopf kleiner war als Nype. Er war in die Pubertät gekommen und Nype glaubte, den Anflug des Stimmbruches bei ihm zu vernehmen, und auch andere Dinge, die das Erwachsenwerden ankündigten, zeigten sich langsam bei Jayn. Ungestüm war er schon immer gewesen, abenteuerlustig erst recht, aber jetzt kam auchnoch Respektlosigkeit hinzu, eine Eigenschaft, die Jayn wahrhaftig noch nicht immer besessen hatte. Und sie kam eindeutig von Nype. Ob es nun gut oder schlecht war, dass diese Eigenschaft von ihm auf seinen Schüler übergesprungen war, wusste Nype noch nicht. Das würde sich schon noch herausstellen.
Aber was Nype am meisten am Anblick Jayns erfreute, war, dass er endlich richtig glücklich aussah. Er sprühte von Freude und Lust am Leben, wie neugeboren. Diese Tatsache verschaffte Nype ein gutes Gewissen. Egal, welche Strafe ihn und Jayn erwartete; es hatte sich gelohnt, nach den drei Tagen auf Tyrion nach Mon-Gazza zu reisen und Jayns Mutter zu besuchen, die dort noch immer Minenarbeiterin war. Der Jedi-Rat konnte nicht von einem 14- jähigen Jungen verlangen, über Jahre hinweg als Jedi-Schüler zu rackern, ohne seine Mutter zu sehen, die einzige Verwandte. Seit Nype Jayn als Schüler genommen hatte, waren zwei Jahre vergangen, und seitdem hatte Jayn darauf gebrannt, seine Mutter Trine Travon wiederzusehen und ihr all seine Erlebnisse zu schildern. Es war einfach nötig gewesen, also hatte Nype es getan. Und es war die richtige Entscheidung gewesen, denn Jayn so glücklich zu sehen, war etwas gutes, in dunklen Zeiten wie diesen.
»Meister«, begann Jayn nachdenklich, während er den Talisman, den ihm seine Mutter vor wenigen Tagen geschenkt hatte, auf einen Tisch neben den Schrank legte. »Was muss ich eigentlich für eine Strafe erwarten?«
Nype grinste und stand von seinem Bett auf. »Na ja,.. ich schätze, unserer beider Karten haben sich noch verschlechtert, wegen der Showeinlage vorhin... acht Tage unerlaubter Aufenthalt auf Mon-Gazza und jetzt noch Meister Kasnu... oh je, das gibt Ärger...«
»Aber Meister Yoda hat doch selbst darüber gelacht!« Verärgert seufzend verschränkte Jayn die Arme. »Wenn er es lustig fand, braucht er uns doch garnicht dafür bestrafen!«
»Du verstehst das nicht«, sagte Nype. »Es geht nicht darum, ob Yoda es lustig fand oder nicht. Es verstößt gegen den Kodex, ein Ratsmitglied so zu beleidigen. Und was gegen den Kodex verstößt, wird bestraft.«
»Ich hasse den Kodex«, meckerte Jayn.
»DAS KANN ICH MIR VORSTELLEN«, dröhnte eine Lautsprecherstimme in den Raum. Es war die Stimme von Philac Kasnar, in ihrer beider Ohren wie ein unangenehmer Klingelton.
»Oh, Philac«, lächelte Nype. »Anscheinend habt ihr unsere Strafe jetzt endlich festgelegt.«
»JA, DAS HABE ICH!«, sagte Philac, so überheblich und schleimig wie immer. »EHER GESAGT, MEISTER YODA HAT ES ENTSCHIEDEN«
Gelangweilt ließ sich Nype wieder auf das Bett fallen. »Jetzt rück schon damit raus, Kasnu«
An dem Knurrgeräusch, das der Lautsprecher nun von sich gab, konnte man sehr gut erraten, welchen Gesichtsausdruck Philac gerade aufsetzte. Nach einem professionellen Räuspern fuhr die Stimme schließlich fort.
»NUN... ICH BEGINNE MIT DIR, JAYN«
Jayn setzte sich auf einen Stuhl und biss sich gespannt auf die Unterlippe. Was würde ihn erwarten? Die Hallen putzen? Lichtschwerter polieren? In der Küche helfen?!
»DU WIRST UNTER MEISTER YODAS BEOBACHTUNG 12 STUNDEN AM STÜCK MEDITIEREN UND ÜBER DEIN VERHALTEN NACHDENKEN. IN EIN PAAR MINUTEN HAST DU BEI YODA ZU ERSCHEINEN.«
»Was?!!!« Jayn sprang auf und schrie den Lautsprecher an. »Ihr seit wohl nicht mehr ganz dicht! 12 Stunden?! Das ist Folter! Und jetzt gleich?! Es ist mitten in der Nacht! Wahrscheinlich schlafe ich in der ersten Stunde gleich ein! Das könnt ihr nicht tun!«
»ICH MACHE AUCH GERNE 24 STUNDEN DRAUS!«
Der scharfe Ton signalisierte Jayn, dass Philac das ernst meinte, also gab er auf.
»UND NUN ZU EUCH, NYPE...«
Man hörte den Genuss, mit dem Philac eine Strafe für seinen "Erzfeind" Nype Kenobi verhing, und Nype verengte gespannt die Augen, denn in Philacs Stimme lag noch etwas anderes: Gehässige Vorfreude.
»MEISTER YODA HIELT ES FÜR DAS BESTE, EUCH NICHT DIREKT ZU BESTRAFEN«, verkündete Philac feierlich. »DAFÜR KAM ER AUF EINE ANDERE, GLORREICHE IDEE.«
Das konnte nur etwas schlimmes bedeuten.
»IHR WERDET IN 10 MINUTEN IN DER TRAININGSHALLE ERSCHEINEN. ZU EINEM KLEINEN ZWEIKAMPF.«
»Bitte was?!« Jayn blickte gleichermaßen verwirrt und erheitert zu Nype hoch. »Ein Zweikampf?! Zwischen euch und Philac?!«
»Das ist nicht euer Ernst!« Auch Nype musste nach einer Sekunde Verblüffung lachen.
»OH DOCH. VOLLER ERNST. IN 10 MINUTEN IN DER TRAININGSHALLE. MIT LICHTSCHWERT UND DER GEWISSHEIT, GEGEN EINEN WAHREN MEISTER ZU VERLIEREN.«
Für ein paar Momente schwieg Nype, doch dann spürte er, wie das Kribbeln der Herausforderung in ihm hochstieg. Er gegen Philac? Das dürfte wirklich interessant werden. Er erhob sich und freute sich schon jetzt darauf, Philac vor sich auf dem Boden zu sehen. Er verdrängte, dass es mindestens zwei Uhr nachts war und er sich eigentlich endlich mal ausruhen müsste. So eine Gelegenheit, Philac zu zeigen, wo es lang ging, bekam er vielleicht nie wieder.
»OK«, sagte er. »Philac?«
»JA, MEISTER KENOBI?«
»Das war ein Fehler«
»DAS WERDEN WIR ERST NOCH SEHEN.«
Nype drehte sich zu Jayn um, der noch immer grinsend dasaß, und zwinkerte ihm über die Sonnenbrille hinweg zu, bevor er in Richtung Tür ging.
»Zeigt dem Kasnu, was ihr drauf habt, Meister!«, rief Jayn ihm noch nach.
(Coruscant, Touristenviertel der höchsten Klasse)
Langsam kam Kristyna Rynes wieder zu sich. Schnelle Schritte und verzweifelte, laute Rufe hallten durch den dunstigen Nebel bis zu ihr, als kämen sie von weit, weit her.
Etwas war geschehen.
Die Unsicherheit, mit der sie in diesem Augenblick aus tiefer Dunkelheit erwachte, enthielt die Gewissheit, dass etwas schlimmes geschehen sein musste.
»Miss Rynes!«, schrie eine tiefe Stimme, immer wieder und wieder. »Miss Kristadme!«
Kristyna, dachte sie. Ich heiße Kristyna! Und ich bin eine Mrs, keine Miss! Kristadme war ich früher. Heute bin ich Rebellin.
»Miss Kristadme!«
Blinzelnd drehte sie den Kopf zur Seite und erkannte mit mäßiger Verblüffung, dass sie auf dem Boden lag. Das Bild vor ihren Augen verschwamm und drehte sich, doch irgendwoher wusste sie, wo sie sich befand: Auf dem Vorhof des Apartments, das Leo und sie sich über die Flitterwochen gemietet hatten, das Appartement auf Coruscant, der Stadt ihrer Träume. Sie war allen Anscheins nach ohnmächtig gewesen. Aber wieso? Was war passiert?
Sie sah jemanden auf sich zu laufen. Es war Geelo, ihr Pilot, ihr Beschützer, wenn es hart auf hart kam, ihr treuer Diener, der ihr förmlich aus der Hand fraß. Geelo Agins, Spion und Info-Dealer der Rebellion gegen Tyrion, der beste Freund von Leo. Er war es, der nach ihr rief. Der Nebel hatte sich noch immer nicht gelichtet und verschluckte das Nachtleben von Coruscant. Es war immernoch Nacht. Das war das einzige, an das sie sich noch erinnern konnte; es war Nacht gewesen, eine neblige Nacht.
Die Lichter des Nachtverkehrs schummerten geisterhaft durch die Nebelwand zu ihr herüber.
War dieser Nebel eigentlich echt? Oder war alles so verschwommen, weil sie auf dem Boden lag, und nicht mehr wusste, wieso? Aus welchem Grund sollte sie draußen vor ihrer Suite im 265. Stock liegen, nachts, und wieso sollte Geelo auf sie zulaufen? Wieso wusste sie nicht mehr, was passiert war?
»Miss! Miss, ist alles in Ordnung?!«
Ganz bestimmt war gar nichts in Ordnung. Da war sich Kristyna ziemlich sicher. Wenn sie nachts auf dem Vorhof aufwachte und nicht wusste, was in den letzten Stunden passiert war, konnte das nur bedeuten, dass gar nichts in Ordnung war.
Geelo war jetzt bei ihr und half ihr, sich aufzurichten. Sie schwankte; sie fühlte sich, als sei sie soeben von einer Tequilaparty nach Hause gekommen, was in den letzten Tagen häufiger vorgekommen war, aber... ihr Gefühl sagte ihr, dass etwas ganz und gar nicht lustiges geschehen war.
»Bei allem, was mir lieb ist!« hauchte Geelo Agins, während er sie mit seinen starken Armen stützte und über den Vorhof führte, und seine Stimme überschlug sich fast vor Erleichterung. »Welch ein Glück...! Ich dachte schon, ich wäre der letzte Zeuge...! Miss Rynes,... sie glauben nicht, was eine Angst ich um sie hatte...! Ich dachte schon, sie wären tot!«
Seine Worte ergaben irgendwie überhaupt keinen Sinn. Wieso tot? Was sollte das alles bedeuten,... der letzte Zeuge?
Er führte sie in das Wohnzimmer, welches direkt an den Vorhof angrenzte, ihr Lieblingszimmer, voll mit Spiegeln, exquisiten Möbeln und der neuesten Holo-TV Anlage. Kristyna hob den Blick, und was sie sah, verscheuchte die Nebel aus ihren Gedanken. Das Zimmer war aufs übelste verwüstet worden. Spiegelscherben lagen auf dem Boden, Möbel waren zerschossen, Bilder von den Wänden gerissen. Zwei Roboter löschten die brennenden Wandvorhänge.
»Was...?!«, brachte sie nur entsetzt heraus, »Geelo... Was ist hier passiert?«
»Die Typen aus dem Club... sie sind wiedergekommen«, berichtete Geelo mit brüchiger Stimme. »Die angeblichen Tyrion-Gegner, die sich uns anschließen wollten... wissen sie noch? Das hatten die von Anfang an geplant, da bin ich mit sicher... Sie waren nur hinter Leo her...«
»Leo?« Kristyna riss entsetzt die Augen auf. Stück für Stück kehrten schwache Erinnerungsfetzen zu ihr zurück. Die Typen im Club,... ja, natürlich; die Wette... der Sith! Und dann der Überfall, mitten in der Nacht... Der Kampf... und das Handgelenk, mit dem mystischen Tattoo... Aus dem ganzen Wirrwarr, der ihren Kopf erfüllte, zeichnete sich allerdings nur eine Sorge groß ab: »Die haben Leo?!«
Verzweifelt blickte sie Geelo an. Plötzlich fiel ihr alles wieder ein. Die Bilder des vergangenen Abends waren wieder klar vor ihr.
»Geelo, das ist... furchtbar! Weißt du, was das bedeuten könnte...?! Diese Leute hatten nichts mit Tyrion zu tun, sie waren weder Gegner noch Fürsprecher; das waren Darksider...« Kristyna unterbrach sich selbst, weil ihr die Worte im Hals stecken blieben. Sie musste etwas tun. Irgend etwas. Sie durfte nicht zulassen, dass ihr Mann in den Händen von Sith-Anhängern war!
»Bring mich von hier weg«, sagte sie schließlich schaudernd zu Geelo. »Wer immer das war, bekommt es jetzt mit mir zu tun.«
»Aber... Wo wollen sie hin?!«, rief Geelo, als sie stürmisch an ihm vorbei eilte.
Kristyna Rynes antwortete ihm nicht, weil sie es selbst nicht wusste. Das alles war im Moment viel zu viel für sie; sie verlor den Überblick. Sie durchquerte hastig die verwüstete Wohnung, fand einen Mantel, den sie über ihren ärmellosen, schwarzen Overall zog, und strich sich die goldblonden Haare aus dem Gesicht. Wo wollte sie hin? Was konnte sie jetzt tun?! Sie kannte nicht die Namen der Entführer, wusste nicht, wo sie nach Leo suchen musste; sie wusste garnichts. Sie brauchte Hilfe. Professionelle Hilfe. Von Leuten, denen sie vertrauen konnte...
»Geelo«, sagte sie schließlich und drehte sich entschlossen zu ihm um. »Pack mir ein paar Sachen zusammen. Wir fliegen zum Rat der Jedi.«
Geelo erbleichte bei diesen Worten. »Der Rat der Jedi?! Miss, sind sie verrückt geworden?! Haben sie vergessen, dass sie und Master Leo sich in letzter Zeit nicht unbedingt gesetzlich verhalten haben?! Sie sind Rebellin, Miss Rynes! Ich glaube nicht, dass die Jedi sonderlich billigen, was sie schon alles gegen die Tyrion-Herrschaft unternommen haben... «
»Hey,«, unterbrach ihn Kristyna. »Du vergisst wohl mal wieder, was der Name Rynes bedeutet, Geelo. Leo ist fast selbst ein Jedi. Seine Mutter ist eine Jedi-Meisterin! Und außerdem bin ich selbst früher mit einigen Jedis befreundet gewesen. Wahrscheinlich wissen die noch nicht einmal, dass Leo und ich jetzt Rebellen sind. Und außerdem weißt du doch gar nicht mit Sicherheit, ob die Jedi etwas gegen Tyrion-Rebellen haben.«
»Aber wenn es so ist... was ist dann mit mir...?«
»Ich werde ein gutes Wort für dich einlegen. Aber versuche bitte, nicht zu auffällig den Dealer raushängen zu lassen, ja?«
»Warum müssen es unbedingt die Jedi sein?!«, wehrte sich Geelo hartnäckig. »Es gibt doch noch andere Wege...«
»Aber dieser ist der beste!» knurrte Kristyna. »Wenn du zu feige für die Jedis bist, dann bleib hier, ich suche mir einen neuen Piloten, wenn es nötig ist! Es geht um Darksider, da kann niemand aus der Rebellion helfen so wie sonst, verstehst du denn nicht? Anscheinend raffst du einfach nicht, was es heißt, wenn jemand wie Leo den Sith in die Hände fällt! Aber ich weiß es. Und ich würde ihn wirklich gerne lebend wiedersehen.«
Ihre Stimme zitterte, denn was sie so kühl dahersagte, schmerzte sie zutiefst. Nicht umsonst hatte sie Leo geheiratet- die Bindung zu ihm war stärker als alles andere, und der Gedanke, ihn nicht um sich zu haben, machte sie zu einem kleinen, hilflosen Wesen. Alle Stärke, die er ihr gelehrt hatte, bedeutete nichts, ohne ihn.
Geelo sagte nichts, weil ihr Blick ihn zum Schweigen zwang.
»Lass uns in einer Stunde aufbrechen«, sagte sie.
* * *
(Zur gleichen Zeit,
im Zentrum der Stadt Coruscant,
neuer Jedi-Tempel)
»Ist die Rebellion gegen Tyrion nun eine Bedrohung für die Republik oder nicht?«
Nype "Kenobi", wie er sich vorzugsweise selbst nach seinem Idol alter Zeiten bezeichnete, stellte sich gerade hin und atmete tief ein, bevor er die Antwort auf Philac Kasnars Frage formulierte. Er musste das so gut wie möglich hinkriegen. Wenn es gut lief, kamen Jayn und er vielleicht ohne Strafe davon, weil sie trotz der unerlaubten Reise die Mission ordentlich erfüllt hatten... Diese Hoffnung war allerdings so unwahrscheinlich, dass sich Nype gleichzeitig schon gute Ausreden und Einwände für den Notfall einfallen ließ.
»Nun ja,«, begann der Jedi, während sein junger Schüler Jayn ihn besorgt von der Seite herauf ansah. »Nach dem, was wir auf Tyrion herausgefunden haben,... handelt es sich bei der Regierung um eine ganz üble Diktatur. Es ist doch ganz logisch, dass sich da Gegengruppen bilden.«
»Wäre ja schön, wenn die Tyrion-Rebellen nur eine simple Gegengruppe wären, wie ihr es nennt,«, sagte Philac. »Aber die Aktionen, die sich diese Gruppe leistet, verstößt gegen die Gesetze.«
»Ja«, gab Nype höflich lächelnd zu, »Das mag sein. Aber unserer Ansicht nach stellen die Rebellen trotzdem keine Gefahr dar. Sie versuchen lediglich, für das Wohl ihres Planeten einzutreten. Dafür muss man ab und zu eben die Regeln brechen.«
Philac Kasnar lächelte geringschätzend zurück.
»Nun, und das entspricht natürlich voll und ganz eurer Art, Probleme zu lösen.«
»Immerhin hatte ich oft genug Erfolg,« konterte Nype. »Aber- so leid mir das tut- ich hatte nicht vor, mich mit euch anzulegen, Philac. Nicht heute."
Philac Kasnars Augen wurden zu funkelnden Schlitzen. Doch der ältere und erfahrenere Jedi erwiderte darauf nichts mehr. Er würde noch die Chance bekommen, Nype Kenobi zu zeigen, dass Schlagfertigkeit und ein geklauter Name nicht das einzige war, was einen guten Jedi ausmachte.
»Wir sollten nicht gegen die Rebellen vorgehen,« fuhr Nype sehr professionell fort, und jetzt ließ er seinen Blick durch die Reihe der Ratsmitglieder schweifen, um ein noch besseres Bild abzugeben. »Sie kämpfen für die Gerechtigkeit und sollten nicht wie Verbrecher behandelt werden. Viel eher würde ich vorschlagen, die Diktatur auf Tyrion in Frage zu stellen. Die Republik sollte dieses System nicht länger akzeptieren. Jayn und ich haben uns auf Tyrion davon überzeugt, dass diese Rebellen keineswegs feindselige Leute sind. Dieses Mal versteckt sich der böse Kern in der Sache, nicht in den Leuten, die gegen die Sache kämpfen.«
»Gut gesagt, Nype«, lobte Meister Yoda. »Ihr werdet noch ein richtig guter Redner. Aus welcher alten Schrift habt ihr diesen letzten Satz geklaut? So weit ich mich erinnern kann, waren das die Zitate von Sky, in den Aufzeichnungen der alten Eilees-Yun-Zeiten.«
Philac Kasnar lächelte schadenfroh und erwartete, dass Nype vor Scham im Boden versank und dort für immer verschwand.
»Na ja,«, sagte Nype jedoch nur grinsend und gab es auf, arrogant zu wirken. »Tja Meister Yoda... aber immerhin hab' ich mir die Mühe gemacht und diese Worte aus den Archiven ausgegraben.«
»Ja, immerhin«, brummte Yoda recht wenig überzeugt.
»Und außerdem...!«
»Nein, es reicht,« unterbrach ihn Yoda. »Ich habe genug, Nype. Ich kann es nicht ausstehen, wenn ihr wie ein Jedi-Meister zu reden versucht, ohne einer zu sein. Philac?" Die kleine, grüne Kreatur gab der Person, die neben ihm saß, einen Wink, fortzufahren. Philac, dem Yodas letzte Worte sehr gefallen hatten, nahm es mit einem Nicken an und bedachte Nype mit einem seiner herablassendsten Blicke.
»Wie es scheint habt ihr euch also doch recht ordentlich um die Ermittlungen gekümmert,« sagte er übertrieben erstaunt. »Nur hätte ich da eine Frage: Wie lange wart ihr denn genau auf Tyrion, um all dies herauszufinden?«
Dies war die Frage, die Nype das Genick brechen sollte.
»Na ja...«, begann Nype, und gab seinem Schüler Jayn einen zornigen Stoß, als er bemerkte, dass dieser hinter seinem Rücken Grimassen schnitt und den Gesichtsausdruck von Philac Kasnar ins Lächerliche zog. »Wir waren... genau drei Tage dort.«
»Ach?«, lachte Philac triumphierend.
Doch Nype scherte sich nicht darum; Jayn ließ es sich nicht nehmen, die Augen zu verdrehen und einen sterbenden Eopie zu imitieren.
»Drei ganze Tage von... lasst mich überlegen... von knappen vierzehn Tagen, die euch zugeteilt wurden«, knurrte Philac.
»Ähh...«, sagte Nype unachtsam, denn er musste über Jayn lachen, der mit dem nachgestellten Gesichtsausdruck von Philac aussah wie ein verkrüppelter Irrer. »Ähm, ja.«
»Laut meiner Informationen verbrachtet ihr die restliche Zeit auf Mon-Gazza um... Jayns Mutter zu besuchen, obwohl eure Aufgabe darin bestand, die Geschehnisse auf Tyrion zu beobachten! Und wie es aussieht haltet ihr das auch für völlig in Ordnung?!«
»Ähm... ja, ich denke schon.«
Philacs Kopf lief rot an und er zog einen dermaßen lächerlichen Schmollmund, dass Jayn beim Versuch, das nachzumachen, laut grunzte, um sein Lachen zu unterdrücken.
»Junger Travon!«, donnerte Philac, sodass Jayn zusammenzuckte. »Etwas mehr Disziplin gegenüber des Rates wäre dir wirklich anzuraten!«
Jayn senkte den Kopf, und nuschelte ein »Sorry, Meister Kasnu«, das allerdings in einem weiteren Lacher unterging.
»Meister Kasnar«, verbesserte Philac zischend.
»Ja, Meister Kasnu«, sagte Jayn, ohne die geringste Spur von Respekt.
Als jetzt auch Nype, Meister Yoda und manch andere Ratsmitglieder leise zu lachen begannen, wollte Philac am liebsten im Boden versinken- was sollte das?! Machten die sich etwa alle über ihn lustig?!
»Stop!», rief plötzlich Meister Yoda, der sich allerdings vorher selbst aus Lachkrämpfen befreien musste. »Benehmen wir uns wie Meister, meine Freunde! Über so makabere Späße sollten wir uns nicht amüsieren... Philac?«
Der verstörte Philac wandte sich zu Yoda, mit fragendem Blick. »Ja, Meister?«
Ehe eine Antwort kam, fing Yoda wieder an zu lachen. Er blickte Philac an, kicherte, und lachte dann laut und herzlich und steckte erneut den ganzen Jedi-Rat damit an. »Meister Kasnu!«, prustete er zwischendrin immerwieder, »Meister Kasnu!«
Philac begann zu glauben, er sei von einem Haufen Bekloppter umgeben. Er wusste nicht, was an dem Wort Kasnu so amüsant sein sollte. Und überhaupt- seit wann benahm sich der Jedi-Rat, als hätten sie nicht mehr alle Tassen im Schrank?! Das konnte der arme, ernste Philac nun wirklich nicht verstehen. Nype Kenobi, entzückt darüber, dass der sonst so starre Jedi-Rat endlich auch mal auf den Spaß eingegangen war, entdeckte das Dilemma des älteren Jedi, ging auf ihn zu und stupste ihn gehässig grinsend in die Seite. »Kasnu ist eine tyrionische Ausdrucksweise«, klärte er ihn auf. »Es bedeutet so viel wie...» Er hielt absichtlich inne und betrachtete Philac nachdenklich. »Ach nein, ich sage es euch lieber nicht. Es ist so schön, euch leiden zu sehen.«
»Was bedeutet es?!«, knurrte Philac, nah daran, aufzuspringen und irgend jemandem an die Gurgel zu gehen. Am liebsten der Person, die gerade vor ihm stand.
»Na gut, wenn ihr es unbedingt wollt... Kasnu bedeutet: Überdimensionaler Eiterpickel. Außerordentlich passend, findet ihr nicht? Entschuldigt uns, Meister Kasnu. Mein Schüler und ich werden uns jetzt in unser Quartier zurückziehen.«
Das gewaltige Donnerwetter erahnend, welches sich im nachhinein anbahnen würde, flüchteten Nype und Jayn so schnell wie möglich aus dem Rat.
* * *
Respektlos. Jayn Travon war einfach unerhört respektlos geworden. Nype war erstaunt, dass ein Schüler so schnell die Eigenschaften des Lehrers übernehmen konnte. Er hatte immer geglaubt, er wäre die einzige Person, die so töricht war, vor dem Rat der Jedi herumzualbern und Meister Yoda und Philac Kasnar zu verspotten. Aber Jayn war genauso. Wenn nicht schlimmer.
»Habt ihr Philacs Gesicht gesehen?!«, lachte Jayn und packte den Rest seines Gepäcks aus. Als Nype und er vor wenigen Stunden wieder hier auf Coruscant angekommen waren, hatten sie keine Zeit gehabt; der Rat hatte sie trotz der nächtlichen Stunde gleich zu sich gerufen. Nun war es schon verdammt spät und das Morgengrauen war höchstens noch drei Stunden von ihnen entfernt. »Der alte Spießer wär ja beinahe ausgeflippt! Sowas nenn' ich Erfolg auf der ganzen Linie!«
»Gut gemacht, Jayn«, antwortete Nype. »Respekt. Hätte ich nicht besser hinkriegen können.«
Der gerade 25 Jahre alte Nype setzte sich auf sein Bett und beobachtete Jayn, wie er die Reiseutensilien von dem Koffer zurück in die Schränke verfrachtete. Jayn war vor zwei Tagen 14 geworden, er war ein dunkelblonder, schmächtiger Junge, der aber im letzen Jahr glücklicherweise einen gehörigen Schub gemacht hatte und jetzt nur noch einen Kopf kleiner war als Nype. Er war in die Pubertät gekommen und Nype glaubte, den Anflug des Stimmbruches bei ihm zu vernehmen, und auch andere Dinge, die das Erwachsenwerden ankündigten, zeigten sich langsam bei Jayn. Ungestüm war er schon immer gewesen, abenteuerlustig erst recht, aber jetzt kam auchnoch Respektlosigkeit hinzu, eine Eigenschaft, die Jayn wahrhaftig noch nicht immer besessen hatte. Und sie kam eindeutig von Nype. Ob es nun gut oder schlecht war, dass diese Eigenschaft von ihm auf seinen Schüler übergesprungen war, wusste Nype noch nicht. Das würde sich schon noch herausstellen.
Aber was Nype am meisten am Anblick Jayns erfreute, war, dass er endlich richtig glücklich aussah. Er sprühte von Freude und Lust am Leben, wie neugeboren. Diese Tatsache verschaffte Nype ein gutes Gewissen. Egal, welche Strafe ihn und Jayn erwartete; es hatte sich gelohnt, nach den drei Tagen auf Tyrion nach Mon-Gazza zu reisen und Jayns Mutter zu besuchen, die dort noch immer Minenarbeiterin war. Der Jedi-Rat konnte nicht von einem 14- jähigen Jungen verlangen, über Jahre hinweg als Jedi-Schüler zu rackern, ohne seine Mutter zu sehen, die einzige Verwandte. Seit Nype Jayn als Schüler genommen hatte, waren zwei Jahre vergangen, und seitdem hatte Jayn darauf gebrannt, seine Mutter Trine Travon wiederzusehen und ihr all seine Erlebnisse zu schildern. Es war einfach nötig gewesen, also hatte Nype es getan. Und es war die richtige Entscheidung gewesen, denn Jayn so glücklich zu sehen, war etwas gutes, in dunklen Zeiten wie diesen.
»Meister«, begann Jayn nachdenklich, während er den Talisman, den ihm seine Mutter vor wenigen Tagen geschenkt hatte, auf einen Tisch neben den Schrank legte. »Was muss ich eigentlich für eine Strafe erwarten?«
Nype grinste und stand von seinem Bett auf. »Na ja,.. ich schätze, unserer beider Karten haben sich noch verschlechtert, wegen der Showeinlage vorhin... acht Tage unerlaubter Aufenthalt auf Mon-Gazza und jetzt noch Meister Kasnu... oh je, das gibt Ärger...«
»Aber Meister Yoda hat doch selbst darüber gelacht!« Verärgert seufzend verschränkte Jayn die Arme. »Wenn er es lustig fand, braucht er uns doch garnicht dafür bestrafen!«
»Du verstehst das nicht«, sagte Nype. »Es geht nicht darum, ob Yoda es lustig fand oder nicht. Es verstößt gegen den Kodex, ein Ratsmitglied so zu beleidigen. Und was gegen den Kodex verstößt, wird bestraft.«
»Ich hasse den Kodex«, meckerte Jayn.
»DAS KANN ICH MIR VORSTELLEN«, dröhnte eine Lautsprecherstimme in den Raum. Es war die Stimme von Philac Kasnar, in ihrer beider Ohren wie ein unangenehmer Klingelton.
»Oh, Philac«, lächelte Nype. »Anscheinend habt ihr unsere Strafe jetzt endlich festgelegt.«
»JA, DAS HABE ICH!«, sagte Philac, so überheblich und schleimig wie immer. »EHER GESAGT, MEISTER YODA HAT ES ENTSCHIEDEN«
Gelangweilt ließ sich Nype wieder auf das Bett fallen. »Jetzt rück schon damit raus, Kasnu«
An dem Knurrgeräusch, das der Lautsprecher nun von sich gab, konnte man sehr gut erraten, welchen Gesichtsausdruck Philac gerade aufsetzte. Nach einem professionellen Räuspern fuhr die Stimme schließlich fort.
»NUN... ICH BEGINNE MIT DIR, JAYN«
Jayn setzte sich auf einen Stuhl und biss sich gespannt auf die Unterlippe. Was würde ihn erwarten? Die Hallen putzen? Lichtschwerter polieren? In der Küche helfen?!
»DU WIRST UNTER MEISTER YODAS BEOBACHTUNG 12 STUNDEN AM STÜCK MEDITIEREN UND ÜBER DEIN VERHALTEN NACHDENKEN. IN EIN PAAR MINUTEN HAST DU BEI YODA ZU ERSCHEINEN.«
»Was?!!!« Jayn sprang auf und schrie den Lautsprecher an. »Ihr seit wohl nicht mehr ganz dicht! 12 Stunden?! Das ist Folter! Und jetzt gleich?! Es ist mitten in der Nacht! Wahrscheinlich schlafe ich in der ersten Stunde gleich ein! Das könnt ihr nicht tun!«
»ICH MACHE AUCH GERNE 24 STUNDEN DRAUS!«
Der scharfe Ton signalisierte Jayn, dass Philac das ernst meinte, also gab er auf.
»UND NUN ZU EUCH, NYPE...«
Man hörte den Genuss, mit dem Philac eine Strafe für seinen "Erzfeind" Nype Kenobi verhing, und Nype verengte gespannt die Augen, denn in Philacs Stimme lag noch etwas anderes: Gehässige Vorfreude.
»MEISTER YODA HIELT ES FÜR DAS BESTE, EUCH NICHT DIREKT ZU BESTRAFEN«, verkündete Philac feierlich. »DAFÜR KAM ER AUF EINE ANDERE, GLORREICHE IDEE.«
Das konnte nur etwas schlimmes bedeuten.
»IHR WERDET IN 10 MINUTEN IN DER TRAININGSHALLE ERSCHEINEN. ZU EINEM KLEINEN ZWEIKAMPF.«
»Bitte was?!« Jayn blickte gleichermaßen verwirrt und erheitert zu Nype hoch. »Ein Zweikampf?! Zwischen euch und Philac?!«
»Das ist nicht euer Ernst!« Auch Nype musste nach einer Sekunde Verblüffung lachen.
»OH DOCH. VOLLER ERNST. IN 10 MINUTEN IN DER TRAININGSHALLE. MIT LICHTSCHWERT UND DER GEWISSHEIT, GEGEN EINEN WAHREN MEISTER ZU VERLIEREN.«
Für ein paar Momente schwieg Nype, doch dann spürte er, wie das Kribbeln der Herausforderung in ihm hochstieg. Er gegen Philac? Das dürfte wirklich interessant werden. Er erhob sich und freute sich schon jetzt darauf, Philac vor sich auf dem Boden zu sehen. Er verdrängte, dass es mindestens zwei Uhr nachts war und er sich eigentlich endlich mal ausruhen müsste. So eine Gelegenheit, Philac zu zeigen, wo es lang ging, bekam er vielleicht nie wieder.
»OK«, sagte er. »Philac?«
»JA, MEISTER KENOBI?«
»Das war ein Fehler«
»DAS WERDEN WIR ERST NOCH SEHEN.«
Nype drehte sich zu Jayn um, der noch immer grinsend dasaß, und zwinkerte ihm über die Sonnenbrille hinweg zu, bevor er in Richtung Tür ging.
»Zeigt dem Kasnu, was ihr drauf habt, Meister!«, rief Jayn ihm noch nach.
