Hilferuf
Anmerkung: Danke für das erste Review!!! *mächtig freu*
Zehn Minuten später stand Nype Kenobi in der Trainingshalle. Er lehnte entspannt an einem Trainingsgerüst und wartete darauf, dass Philac endlich durch die Tür kam. Aber er kam nicht. Die elfte Minute verstrich, und der Herausforderer war nicht da. Na sowas hatte Nype gern.
Die Trainingshalle war eine der größten Räumlichkeiten des Jedi-Tempels. Sie erstreckte sich über fast 200 Meter Durchmesser; eine runde, monströse Halle aus Stein. Es gab beinahe keine Minute, in der die Trainingshalle unbesetzt war, selbst nachts nicht, denn immer gab es jemanden, der hier sein Können unter Beweis stellte und seine Jedikräfte trainierte. Nype war in letzter Zeit ungewöhnlich oft hier gewesen. Früher hatte er sich nie groß fürs Training begeistert und hatte es nur getan, wenn es unbedingt erforderlich war. Aber jetzt war es anderes. Er musste trainieren. Jeder Jedi musste trainieren. Denn die Feinde waren zu dieser Zeit stärker als je zuvor. Und nach der traumatischen Vernichtung des Planeten Balmorras war die schreckliche Vermutung aufgekommen, dass die Jedi zu schwach waren, um die Bedrohung abzuwenden. Um das Gegenteil zu beweisen, war Einsatz nötig.
Nype seufzte und spielte mit den Fingern um sein Lichtschwert. Ungefähr ein Dutzend andere Jedis befanden sich außer ihm hier, alle waren im Gegensatz zu ihm beschäftigt und warfen ihm deswegen teilweise verwunderte Blicke zu. Als sich Nype ein wenig umsah, entdeckte er sogar J-Lee Rynes, die Tochter seines ehemaligen Meisters Anex Rynes, und Dan Deevkyp. Dass diese beiden jungen Jedi-Schüler so spät noch hier waren, ließ Nype vermuten, dass auch sie unter Strafe standen. Die beiden übten sich im Nahkampf und schienen sich dabei nie richtig einig zu sein. Angenervt fluchend gab J-Lee Dan einfach eine Ohrfeige, als dieser ihr nach einer sehr missglückten Attacke aus einem Salto heraus auf den Fuß trat. Grinsend schaute Nype den beiden zu. Sie waren nicht viel älter als Jayn: 15 und 16 Jahre. Vor garnicht so langer Zeit hatten Jayn und Nype die beiden in der Jediakademie auf Ann'chari aufgegabelt, und seitdem waren die vier Partner. Aber damit war die Elitegruppe der Jediritter noch nicht komplett. Eine Person fehlte noch: Mandy Rynes, die Schwester von Anex Rynes und damit die Tante von J- Lee. Sie war, das vermutete Nype, nach Yoda und Philac Kasnar sicherlich die drittmächtigste Person im Jedi-Tempel. Obwohl sie nichtmehr ganz die jüngste war mit beinahe 50 Jahren, war sie in allen nur möglichen Dingen sogar fitter als Nype. Sie war eine wahre Meisterin, wenn es darum ging, Killerjoiden platt zu machen, und ihr Lichtschwert-Stil war, so wie der der ganzen Rynes-Familie, einfach unverbesserlich. Außerdem war sie eine geborene Friedensstifterin, ob das nun für verfeindete Planetensysteme galt oder für kleine Streitereien in den Reihen der Jedi. Mandy war einfach genial. Aber Nype sah sich umsonst nach ihr um, um sie zu begrüßen. Wahrscheinlich hatte sie heute schon genug getan und konnte sich in diesem Moment ausruhen.
»Nype!« Endlich hatte J-Lee Rynes ihn ebenfalls gesehen. Das Mädchen mit den grüngrauen Augen und den dunkelblonden, langen Haaren ließ Dan bei seinem nächsten Angriff ins Leere taumeln und kam auf Nype zugerannt. »Nype! Hey- da seit ihr ja wieder! Wie war eure Reise?!«
Sie kam über das ganze Gesicht strahlend vor ihm an und es war fast erschreckend, wie sehr ihr Auftreten Nype an Anex Rynes erinnerte.
»Ich hörte, ihr habt wieder großen Mist gebaut.«
»Klar«, lachte Nype, »was hast du denn anderes erwartet? Deswegen bin ich ja hier«
»Ihr müsst auch zur Strafe trainieren?« J-Lee runzelte die Stirn, während sie sich die Haare aus dem Gesicht strich. »Ich dachte, sowas tun sie nur mir und Dan an. Wir müssen aber zum Glück nurnoch 20 Minuten hier bleiben.«
Wie auf Kommando kam auch Dan Deevkyp bei ihnen an. Er war ein ziemlich großer, braunhaariger Junge mit großen, blauen Augen, der schon seit Ewigkeiten mit J-Lee befreundet war. Er war außer Puste, anscheinend hatte ihn das Training mit der zwar viel kleineren, aber eindeutig gewitzteren J- Lee ziemlich fertig gemacht. Außerdem sah er müde aus. Nype vermutete, dass J-Lee und er schon viele Stunden hier verbrachten und noch immer zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen waren, das sie vorzeitig von ihrer Strafe befreien konnte.
»Hi Nype«, sagte er hechelnd. »Kommt ihr auch mal wieder zum Training?« In diesem Moment öffnete sich endlich die Tür und eine große Gestalt trat ein: Philac Kasnar, wie immer in seinen Mantel gehüllt, aufrecht gehend, als hätte er einen Besen verschluckt, jedoch mit einem Blick, als würde er gleich einschlafen. J-Lee und Dan blickten verdutzt zu ihm hin.
»Was macht der Saftsack denn hier?«, fragte Dan mit gerümpfter Nase.
Und J-Lee ergänzte: »Seit wann kommt dieser Angeber mal zum Training?«
»Der Typ hat mich herausgefordert«, antwortete Nype belustigt.
»Ach«, grinste J-Lee überrascht. »Das ist also eure Strafe! Ich verstehe! Na dann viel Spaß.«
»Den macht ihr doch locker fertig«, sagte Dan überzeugt nickend. »Gegen euch hat der keine Chance.«
Nype lächelte nur, vermied es jedoch, zu nicken oder etwas darauf zu erwidern. Selbstsicherheit war oft etwas, das ihn in Bedrängnis bringen konnte. Aber natürlich war Nypes Risikolust größer als alle Bedenken. Selbstbewusst ging er Philac entgegen, der, als er seinen Gegner entdeckte, wieder seinen niedermachenden Blick aufsetzte.
»Bereit für eine Niederlage?«, fragte der Jedi-Meister fies grinsend.
»Ihr unterschätzt mich«, erwiderte Nype daraufhin kühl. »Anex hat mir viel beigebracht. Und in den letzten Jahren habe ich mich noch extrem verbessert. Ihr solltet vorsichtig sein, Philac.«
»Wenn ihr mit dem Lichtschwert so gut umgehen könnt wie mit Worten, dann will ich euch das gerne glauben.«
Unter den gespannten Blicken von Dan und J-Lee gingen die beiden weiter in den Trainingsraum hinein, bis zu einer großen, freien Fläche, wo sie stehen blieben. Fast alle, die hier trainierten, hatten nun bemerkt, dass ein Ratsmitglied anwesend war. Sie stellten verblüfft ihre Übungen ein und kamen neugierig näher.
»Noch habt ihr die Chance, euch zurückzuziehen«, funkelte Philac ungewohnt kampflustig, während er seinen Mantel abstreifte.
»Das hättet ihr wohl gerne«, entgegnete Nype grinsend. »Wohl Angst, dass ich euch den Meistertitel klaue, was?«
»Ganz im Gegenteil«. Philac tat cool, aber Nype spürte, dass seine Provokationen ihren Dienst taten. Philac hatte heimlich schon lange auf diesen Moment gewartet- eine Gelegenheit, ihren Wettstreit nicht nur in Wortgefechten zu bestreiten. Nype hatte Philac in den beinahe acht Jahren, die er schon als Jedi fungierte, noch nie kämpfen sehen. Er kannte den Meister nur als starre, ermüdende Figur, die im Rat neben Yoda saß und ihn anschnauzte. Aber er war sich sicher, dass Philac nicht viel besser war als er. Immerhin war Nype auch haarscharf daran, ein Meister zu sein. Ein Sieg über Philac würde ihm diesen Titel wahrscheinlich noch näher bringen.
»Hey Leute!«, hörten sie Dan wie einen Moderator quer durch die Halle rufen. »Der Fight des Tages steht uns bevor! Nype der Rächer gegen Philac Kasnu!« Gebrabbel und Schritte folgten, und Nype genoss die angeheizte Stimmung um sich herum. Er wusste, jeder hier stand auf seiner Seite. Niemand im Tempel konnte Philac leiden. Nype der Rächer. Oh ja, langsam begann ihm diese Bezeichnung sehr zu gefallen.
Philac verfolgte das Geschehen um ihn herum mit einem überlegenen Lächeln auf den Lippen. »Seit ihr bereit, oder braucht ihr noch etwas mehr Publikum?«, fragte er schließlich und umklammerte das Lichtschwert in seinem Gürtel.
»Jederzeit bereit«, sagte Nype und verbeugte sich fachmännisch vor Philac, wobei er einen Schritt zurück ging. »Ich überlasse euch den ersten Angriff, alter Herr. So wie sich das gehört.«
»Alter Herr also.« Brummend machte sich Philac angriffsbereit und aktivierte seine Waffe. «Ihr habt viel Selbstvertrauen, das muss ich euch lassen.«
»Zeig es ihm, Nype!«, kam die Stimme von J-Lee erheitert zu ihnen herüber.
Erwartungsvoll grinsend wartete Nype auf Philacs erste Angriffsbewegung. Als zusätzliche Provokation hatte er noch nicht einmal sein Lichtschwert gezogen und stand ganz lässig da, als stünde er an einer Bar und erwartete einen Drink. »Na was ist?«, fragte er ungeduldig, als Philac die Stirn runzelte. »Wird das noch was oder muss ich bis morgen warten?«
»Ich habe nur kurz überlegt,« sagte Philac, »dass es besser für euch wäre, das Lichtschwert zu ziehen. Ich möchte euch wirklich ungern verletzen, Nype. Dashier sind keine Trainingschwerter, falls ihr es vergessen habt.«
Nype schüttelte nur lächelnd den Kopf und sagte schulterzuckend: »Ihr unterschätzt mich schonwieder, Philac. Das ist echt enttäuschend.«
Endlich machte Philac die erste Ausfallbewegung. Sie kam schnell und tückisch, doch Nype reagierte genauso schnell, zog in einer Drehung das Lichtschwert, aktivierte es und fing Philacs grünliche Klinge mit seiner blauen ab. Im schimmernden Lichtschein der Laserklingen flackerten die Gesichter der Kontrahenten auf. Erst jetzt wurde so richtig klar, wie unterschiedlich die zwei Jedis waren, die sich da gegenüberstanden. Philac Kasnar, erfahrenes Mitglied des Rates, 53 Jahre alt, dunkelhäutig, glatzköpfig und mindestens 1 Meter 90 groß, gegen Nype Kenobi, der höchstens 1.75 maß , 25 Jahre alt, mit Sonnenbrille und dunkelblau gestylten Stachelhaaren. Beide waren sie erfahrene Kämpfer, beide hatten sie schon Heldentaten vollbracht, aber sie hatten noch nie ihre Kräfte gemessen. Für J-Lee und Dan war dieser Kampf Unterhaltung vom Feinsten.
»Nicht übel«, hauchte Philac durch die gekreuzten Klingen zu Nype. »Ihr seid schneller, als ich erwartet habe.«
Es ging weiter. Die Klingen trennten sich, kreuzten sich dann immerwieder, blitzschnell hintereinander. Die beiden Jedi bewegten sich wie Tänzer, ihre Waffen spielten in völliger Perfektion. Es sah fabelhaft aus. Schon die ersten Sekunden waren allerfeinste Jedi-Kampfkunst. Die Beobachter staunten.
»Das ist ja irre«, bemerkte Dan Deevkyp wie erstarrt zu J-Lee. »Da kann ich noch lange trainieren. Bis ich sowas kann, friert bestimmt die Abinus-Sonne ein!«
»Das glaub' ich dir sogar«, kicherte J-Lee.
Nype parierte einen weiteren Schlag, der allerdings so heftig kam, dass er das Lichtschwert nicht sofort für einen Gegenangriff wegziehen konnte. Ein Raunen durchfuhr die Zuschauer, als ein erneutes Kräftemessen begann. Die Laser knisterten, und Nype spürte, wie Philac ihn zurückdrängen wollte, doch so einfach war das nicht. Nype Kenobi war wirklich alles andere als ein Schwächling. Doch dann kam ihm eine andere, gute Idee. Mit einem kräftigen Ruck zwang er Philacs Klinge nach unten, dann sprang er nach oben, verband sich mit der Macht und wirbelte mit einem Salto über Philac hinweg.
»Nein, dumme Idee!«, hörte er J-Lee rufen.
Und im nächsten Augenblick erkannte er auch, wieso. Er hatte nicht einmal mit den Füßen den Boden berührt, als er Philac herumwirbeln sah, und weil er sich auf dessen Lichtschwert konzentrierte, sah er den fiesen Hieb mit dem Ellbogen nicht kommen. Philac traf ihn mit solcher Wucht, dass Nype zu Boden geworfen wurde und sein Lichtschwert über den Boden schlitterte.
»Shit!«, rief Dan aus dem Hintergrund.
Aber Nype verlor nicht den Überblick. Sofort rollte er sich herum und trat vom Boden aus nach Philac. Der Reflex kam genau richtig, denn Philac hatte ihn angreifen wollen und so traf Nypes Tritt die Hand mit dem Lichtschwert. Er nutzte den Moment, in dem Philac dadurch abgelenkt war, um sich weiter zu rollen und dann mit dem Rücken zu Philac aufzustehen.
»Aufpassen!«, rief J-Lee.
Nype hatte die Lage allerdings schon bestens durchgeplant. Er wusste, dass Philac schnell war und ihm in den Rücken fallen würde, noch ehe er wieder richtig stand. So war es auch. Schon spürte er Philac in seinem Nacken, ein Arm schlang sich um seine Brust, um ihn wieder niederzuwerfen. Nype mobilisierte seine Kraft, stemmte sich gegen Philac, packte dessen Arm und nutzte unerwartet die Hebelwirkung. Philac wurde über Nypes Rücken katapultiert und landete ziemlich unsanft rücklings auf dem Boden.
Damit war der Ausgleich erzielt. Die Zuschauer jubelten begeistert.
»Na, wie findet ihr das?«, fragte Nype und bot Philac überlegen lächelnd die Hand an. Der zögerte, ergriff sie aber schließlich und ließ sich von Nype wieder hochziehen.
»In der Tat nicht übel«, knirschte er. »Aber das macht euch noch nicht zum Meister. Die Aufwärmphase ist jetzt vorbei.«
Philac klopfte sich die Hose ab und rief dann mit der Macht sein Lichtschwert wieder in seine rechte Hand zurück. »Ich muss euch noch meine kleinen Tricks zeigen.«
»Na dann mal los.» Auch Nype ließ das Lichtschwert auf sich zu fliegen, ließ es aufflammen und machte sich wieder kampfbereit.
J-Lee ertappte sich dabei, wie sie auf den Fingernägeln herumkaute. Eine schlechte Angewohnheit, stellte sie fest, die sich immer dann einschaltete, wenn es spannend wurde.
Das erneute Gefecht mit Philac war bereits nach wenigen Sekunden ungeheuer anstrengend. Nype schaffte es mit einer komplizierten Drehbewegung, aus der Defensive zu gelangen, und Philac musste sich ducken, um dem Gegenschlag zu entgehen. Der nächste wurde schon wieder problemlos abgeblockt. Für ein paar Momente war der Kampf wieder neutral. Angriffe und Verteidigung folgten unmittelbar aufeinander, keiner geriet in Vor- oder Nachteil. Fiebernd suchte Nype nach einer Möglichkeit, in Philacs Verteidigung eine Lücke zu finden, aber es war vergeblich. Wenn Philac eine Schwäche hatte, dann lag die sicher nicht in dieser Variante des Kampfes. Plötzlich wurden Philacs Schläge immer härter und offensiver. Nype musste ein paar Mal ausweichen, weil er nicht parieren konnte, und er merkte, wie wenig er jetzt noch zum Angriff kam... Er wurde schonwieder in die Verteidigung gezwungen!
Verärgert legte Nype mehr Kraft in seine Hiebe, doch das brachte nichts. Philac drängte jetzt auf ihn ein, er achtete darauf, dass Nype nichts anderes tun konnte, als sich defensiv zu verhalten. Der Kampf war noch immer auf hohem Niveau, auf sehr hohem, und manche von Philacs Angriffen waren in den Augen der Beobachter schier unmöglich abzuwehren, aber Nype schaffte es trotzdem... Es war schwer zu sagen, wer von ihnen besser war. Es kam darauf an, wer zuerst eine Schwäche des anderen finden würde. Und wie es aussah, würde das Philac sein.
Philac schraubte sein Tempo runter, bewusst, um dann, ein paar Sekunden später, mit einem energischen Angriff zu überraschen. Nype wollte nicht darauf hereinfallen, weil es vorauszusehen war, aber dieser Falle konnte er garnicht entgehen- das konnte niemand, es war unmöglich. Eine tückische Drehbewegung des Lichtschwertes, und Philac hatte Nype erneut entwaffnet. Schon kam der nächste Schlag und Nype musste zu Seite ausweichen, wobei er nach seiner Waffe Ausschau hielt, um sie wieder zu bekommen... Er sah sie, hatte aber keine Zeit, nach ihr zu rufen, weil Philac schon wieder da war, um ihn zu attackieren- das Lichtschwert sauste knapp an Nypes Gesicht vorbei. Er brauchte sein Lichtschwert! Wieder duckte er sich, wich aus, alles innerhalb von Sekundenbruchteilen, er tauchte unter der Laserklinge hinweg und wich nach hinten, noch immer hochkonzentriert. Doch dann täuschte Philac einen Angriff auf seinen Kopf vor, wandelte die Bewegung dann unerwartet nach unten ab und Nype hatte keine andere Wahl als zu stolpern, um der Klinge zu entgehen. Kaum hatte er den Boden berührt, rollte er sich wieder weg und streckte die Hand in Richtung seines Lichtschwertes aus. In dem Moment, als es in Nypes Handfläche flog, tauchte Philacs Klinge über ihm auf und verharrte knappe zwei Millimeter vor seiner Brust. Der Kampf war vorbei. Ein Feind hätte ihn in diesem Moment getötet.
»Ihr seid tot, Nype«, sagte Philac außer Atem, doch auf seinem Gesicht lag ein breites Grinsen. »Ihr solltet nie auf diese Weise mit einem Sith kämpfen. Die haben ihr Lichtschwert bekanntlich nicht ganz so gut im Griff wie ich.«
Nype gab sich damit ab, wenn es ihm auch sehr schwer fiel. Nun gut. Philac hatte verdient gewonnen, das musste er zugeben. Woran lag das? War er wirklich so schlecht? Philac deaktivierte seine Waffe und nun war er es, der Nype seine Hand hinhielt.
»Ich muss mich entschuldigen«, sagte er in einem ernsten Ton. »Das war außerordentlich gut... das hätte ich nicht erwartet.«
Diese Worte erstaunten Nype doch schon ein wenig. Philac hatte ihn besiegt. Eigentlich hätte er jetzt dumme Sprüche und Gehässigkeit erwartet. Stattdessen lobte Philac ihn?
»Erstaunlich, eure Offensive«, fuhr Philac fort. »Das ist erstklassig. Die einzige Schwäche, die euch verwundbar macht, ist...«
»Die Defensive«, sagte Nype grummelnd und ergriff Philacs Hand. »Ja, ich weiß.«
»Dagegen kann man etwas tun«, sagte Philac, in einem Ton, mit dem er noch nie mit Nype gesprochen hatte: Richtig... freundschaftlich. »Wenn ihr in die Defensive gedrängt werdet, gibt es eine sehr gute Möglichkeit, zu entkommen.«
»Und welche wäre das?«
»Eine gefährliche Methode, zurückzuweichen,«, erklärte Philac. »Ihr dreht euch weg und lasst dann sofort einen Machtstoß los. Allerdings ist das sehr schwer und sehr riskant, weil euch beim Wegdrehen jederzeit ein Lichtschwert aufschlitzen könnte.«
»Na ja«, sagte Nype. »Aber das Risiko muss man anscheinend eingehen, wenn man nicht so enden will wie ich gerade eben.«
»Das ist wahr«
Nype schwieg und musterte Philac Kasnar abschätzend. Tatsächlich. Auf dem Gesicht des Meisters lag keine Gehässigkeit, keine Überheblichkeit, nur ein Lächeln. Es war unglaublich. Das war der erste vernünftige Dialog, den die beiden je geführt hatten! Es war ja schon fast erschreckend. Nach unendlichen zwei Sekunden räusperte sich Philac endlich, setzte seinen alten Blick auf und sagte: »Aber trotzdem habt ihr verloren. Ein Meister hätte gegen mich gewinnen müssen.«
Nype klopfte Philac auf die Schulter und lachte. »So gefallt ihr mir gleich besser. Ich hatte schon befürchtet, ihr wärt ein erträglicher Mensch geworden.«
In diesem Augenblick ging die Tür zum Trainingsraum ein weiteres Mal auf, und eine Stimme hallte ihnen laut und aufgeregt entgegen: »Meister! Meister, wir bekommen Besuch!«
Nype drehte sich um und sah Jayn, der hektisch auf ihn zugerannt kam. Hinter ihm erschien Meister Yoda, mit seinem Krückstock fuchtelnd und laut schreiend: »Junger Travon! Hiergeblieben!« Es sah lustig aus, wie die kleine Kreatur den jungen Jedi-Schüler einzuholen versuchte.
»Jayn? Was machst du hier?!« J-Lee hatte sich von ihrer Verblüffung was Nypes Niederlage betraf erholt und kam Jayn entgegen, kurz bevor dieser bei Nype stehen blieb. »Ich dachte, du musst meditieren!«
Jayn atmete schnell und blickte zwischen J-Lee, Dan, Nype und Philac hin und her. Auf seiner Zunge brannte natürlich sofort die Frage, wie der Kampf zwischen Philac und seinem Meister ausgegangen war. »Das muss ich auch«, sagte er aber schließlich, mit einem Kopfnicken zu dem aufgebrachten Meister Yoda deutend, der hinter ihm her durch die Halle geschlurft kam. »Aber ich hab es unterbrochen.«
»Wieso?«, fragte Nype verwirrt.
»Ich habe etwas gespürt!«, berichtete Jayn strahlend. »Jemand ist beim Tempel angekommen! Ihr werdet es nicht glauben: Es ist Kristadme!«
»Kristadme?« Nype hob beide Augenbrauen. »Von der hab ich ja seit der Hochzeit nichts mehr gehört. Was sollte denn Kristadme hier wollen?«
Jayn machte den Mund auf, um zu antworten, als Meister Yoda ihn mit seinem Stock in den Rücken stieß. »Unverschämtheit!«, zischte der kleine Obermeister erzürnt. »Was denkst du dir, einfach so abzuhauen?!«
»Ähh... sorry, Meister Yoda«, lächelte Jayn entschuldigend, »aber habt ihr es nicht auch gespürt? Kristadme kommt, und sie bringt... Gefahr!«
Yoda runzelte nur abwertend die Stirn. »Nein, Jayn. Ich habe nichts dergleichen gespürt.« Die weisen Augen blickten zu Philac hoch. »Ihr etwa, Meister Kasnar?«
Philac schüttelte den Kopf.
»Da siehst du es!«, zischte Yoda. »Dein Sinn für die Macht scheint durcheinander zu sein, junger Jedi!«
»Aber nicht doch!«, rief Jayn zornig. »Ich bin mir ganz sicher! Vielleicht irrt ihr euch! Vielleicht habe eben nur ich es gespürt!«
Philac ließ sich ein leises Lachen vernehmen. »Nein, Jayn«, sagte er. »Das würde bedeuten, dass du machtsensitiver wärst als ich und Meister Yoda. Du irrst dich.«
»Tu ich nicht!«, beharrte Jayn stur. »Wetten wir um 5000 Credits, dass Kristadme jeden Augenblick in den Tempel spaziert!« Jayn hob erwartungsvoll die Augenbrauen, aber darauf wollte sich weder Philac noch Yoda einlassen. Sie schwiegen und behielten ihren abweisenden Blick.
»Du kommst sofort wieder mit mir nach oben in den Meditationsraum!«, befahl Yoda mit funkelnden Augen und stieß Jayn erneut mit dem Stock an. »Ich lege noch eine Stunde drauf!«
»Aber Meister Yoda!«, wehrte sich Jayn, während er von Yoda am Ärmel in Richtung Ausgang gezogen wurde. »Ich habe Recht! Glaubt mir!« Hilfesuchend blickte er zu Nype. »Meister! Sagt ihm, dass ich Recht habe!«
Doch bevor Döllli-Wan etwas sagen konnte, war Yoda mit Jayn durch die Tür verschwunden.
Die meisten Jedi hatten sich jetzt wieder ihren Übungen zugewandt. Nur Dan, J-Lee und Nype standen untätig da und blickten noch ein paar Momente nachdenklich in Richtung Tür.
»Meint ihr, er hat Recht?«, fragte J-Lee schließlich.
»Natürlich hat er Recht!«, zischte Dan sie an. »Hast du es schon vergessen? Jayn hat sich noch nie geirrt. Er kann Dinge spüren, die andere nicht wahrnehmen. Wieso sollte er nicht auch sensitiver als Meister Yoda sein?«
J-Lee runzelte die Stirn und schwieg. Auch Nype sagte nichts, obwohl er Dans Meinung durchaus beipflichtete. Jayn war etwas besonderes, und vielleicht war er ja wirklich der Auserwählte. Er glaubte seinem Schüler.
* * *
Also ereignete sich in dieser Nacht noch etwas, das die Aufmerksamkeit von Jayn und Nype erforderte.
Meister Yoda musste zulassen, dass Jayn wieder seine Strafe unterbrach, als durch die großen Scheiben des Meditationsraumes eindeutig zu sehen war, wie ein kleines Shuttle auf einer Landeplattform vor dem Tempel landete. Jayn sah es, stieß einen überlegenen Jubelschrei aus und stürmte dann wieder hinunter in Richtung Trainingsräume. Er benutzte die Fahrstühle, rempelte andere Jedis an und sprang über Treppengeländer, um schneller da zu sein. Als er die Trainingsetage des Tempels erreichte, kamen ihm die anderen schon entgegen.
»Jayn!«, rief Dan vergnügt. »Da bist du ja wieder! Du hattest Recht, stimmt's?!«
»Stimmt!«, sagte Jayn strahlend. «Kristadme ist gerade auf Plattform 4 gelandet!«
»Ich wusste es!«, freute sich Dan.
»Kommt, wir sagen ihr Hallo!« Jayn packte Nype am Arm und zerrte ihn im Eiltempo hinter sich her. Nype wollte zuerst widersprechen, doch dann machte er mit und winkte Dan und J-Lee zu, ihnen zu folgen. Von Kristadme, der 20 Jahre jungen, feurigen und sündhaft schönen Ex-Zofe von Königin Pharos, hatte er seit ihrer Hochzeit vor etwa einem Monat nichts mehr gehört. Irgendwie interessierte es ihn trotz all der Peinlichkeiten, die sie ihm schon beschert hatte, sehr dafür, wie sie sich so als Ehefrau machte. Jayn ging es da anscheinend genauso, was verständlich war, denn der Kleine warf schon einen Blick auf Kristadme, seit er sie das erste Mal gesehen hatte. Er hatte mal zu Nype gesagt, wäre der Altersunterschied zwischen ihm und Kristadme nicht so groß, würde er sie auf der Stelle heiraten. Aber dieses Thema hatte sich sowieso erübrigt, weil Kristadme vor einigen Wochen den Sohn von Mandy geheiratet hatte: Leo Rynes. Eigentlich hieß Kristadme seitdem auch wieder Kristyna, aber daran konnte sich keiner so richtig gewöhnen.
Die vier Jedi kamen auf der Plattform an, als das schnittige, schwarze Shuttle gerade seine Rampe ausfuhr. Staunend blieb Jayn, der bis hierhin vorausgeeilt war, stehen, und legte seine Hand schützend vor das Gesicht, denn sie befanden sich im Freien und der Wind pfiff in dieser Nacht stark durch diesen Teil der Stadt. Der Anblick des Shuttles verschlug ihm und den anderen die Sprache. Irgendwie passte das, was sie jetzt sahen, nicht zu dem Bild von Kristadme, das sie noch von der Hochzeit in ihren Köpfen hatten. Es war schwarz, finster, mit einem... Rebellenwappen auf den Heckflügeln. Nype und Jayn hatten diese Art von Schiffen erst bei ihrer letzten Mission zu Gesicht bekommen: Ein Shuttle der Tyrion-Rebellion.
»Was...?«, begann Jayn verdutzt, aber er stoppte sich selbst. Kristadme war schon immer eine unberechenbare Person gewesen. Woher sollte er denn wissen, was sie noch so alles auf Lager hatte, um die Welt in Erstaunen zu versetzen?
So standen sie nur da und starrten das Shuttle an, bis schließlich eine Person auf der Rampe erschien. Es war ein Mann in mittleren Jahren, von kräftiger Statur und der Ausstrahlung eines Bodyguards. Ihm folgte eine Gestalt, die jedes Mal, wenn sie irgendwo auftauchte, wirre Gedanken stiftete. Silbrig schimmernde, blonde Haare, nach hinten zusammengesteckt zu einem kunstvollen Zopf, tiefblaue Augen, und ein Körper, der gelungener nicht hätte sein können. Unter einem Mantel verbarg sich ein schwarzer Overall. Sie lief über die Rampe wie eine Diva über den roten Teppich, und obwohl sie den Kopf gesenkt hielt und ungewöhnlich bedrückt wirkte, strahlte sie Sex-Appeal aus, das für ein ganzes Stadtviertel reichte.
»Läuft die eigentlich den ganzen Tag in solchen Sachen rum?«, fragte J-Lee erstaunt den Kopf zur Seite neigend. »Is ja Wahnsinn.«
»Sie ist der Wahnsinn«, nickte Jayn.
Nebeneinander kamen der Mann und Kristyna Rynes auf die Jedi zu.
»Meinst du, sie umarmt mich?«, flüsterte Jayn mit zitternder Stimme Dan zu.
»Was?!«
»Na ja, immerhin kennt sie mich schon seit vier Jahren,...«
Ein Prusten von J-Lee holte die Jungs aus ihren Tagträumen. »Ihr seid vielleicht Witzfiguren!«, amüsierte sie sich. »Davon könnt ihr echt lange träumen.«
Die letzten Meter begann die junge, blonde Schönheit über die Plattform zu rennen, beinahe zu stolpern, und erst jetzt konnte man ihre Angst deutlich erkennen.
»Was hat sie denn plötzlich?«, fragte sich Dan.
Nype durchfuhr es wie ein Blitzschlag.
Etwas ist geschehen!
Bilder eines Kampfes blitzten in seinen Gedanken auf. Angst und Hass, Schüsse, Explosionen... in dieser Nacht, vor wenigen Stunden, war etwas schreckliches geschehen.
Und dann stürzte Kristyna Rynes auf ihn zu, krallte ihre Fingernägel in seine Schultern und blickte ihn aus verzweifelt glitzernden Augen an.
»Nype!«, hauchte sie. »Du musst mir helfen!«
Er war so verdutzt über diesen stürmischen Empfang, dass er einen Schritt zurück ging, bevor er Worte finden konnte. »Was... was ist passiert?«, fragte er. In diesem Moment kam auch der Mann heran, doch er sagte nichts und hielt sich fast ängstlich hinter Kristyna auf, die sich noch immer an Nype klammerte. Dan und Jayn klappten eifersüchtig die Münder auf.
»Es...«, begann Kristyna kopfschüttelnd, als könne sie noch immer nicht glauben, was sie nun erzählen musste, und ließ Nype los. »Es ist heute Nacht passiert... sie sind einfach über uns hergefallen... haben alles zerstört... und Leo... ich glaube, sie haben Leo entführt!«
»Was?!«, entfuhr es Jayn und er sprach damit aus, was Nype dachte.
»Es waren nur ein halbes Dutzend,...« fuhr sie schluchzend fort, »...aber sie waren anders,... wir konnten nichts gegen sie ausrichten, nichtmal Leo und Geelo konnten es...«
»Hör zu!«, unterbrach sie Nype und nun war er es, der sie bei den Schultern packte und ansah. »Komm erst einmal mit in den Tempel, dort kannst du es mir besser erklären.«
Und Erklärungen waren nötig. Nype konnte sich unter alldem bis jetzt nur wenig vorstellen. Leo Rynes war entführt worden?! Wenn das wahr war, stellte es ein ziemlich großes Problem dar! Wer war zu soetwas fähig? Leo war immerhin der Sohn von Mandy Rynes! Normalsterbliche hatten es in der Regel schwer, wenn sie sich mit Leo und Kristyna anlegten, denn diese beiden waren ein höllisch gutes Gespann, und ein halbes Dutzend Männer stellten normaler Weise wirklich kein Problem dar... Was also steckte dahinter?!
Kristyna und ihr Begleiter folgten den Jedi schweigend ins Innere des Tempels.
Anmerkung: Danke für das erste Review!!! *mächtig freu*
Zehn Minuten später stand Nype Kenobi in der Trainingshalle. Er lehnte entspannt an einem Trainingsgerüst und wartete darauf, dass Philac endlich durch die Tür kam. Aber er kam nicht. Die elfte Minute verstrich, und der Herausforderer war nicht da. Na sowas hatte Nype gern.
Die Trainingshalle war eine der größten Räumlichkeiten des Jedi-Tempels. Sie erstreckte sich über fast 200 Meter Durchmesser; eine runde, monströse Halle aus Stein. Es gab beinahe keine Minute, in der die Trainingshalle unbesetzt war, selbst nachts nicht, denn immer gab es jemanden, der hier sein Können unter Beweis stellte und seine Jedikräfte trainierte. Nype war in letzter Zeit ungewöhnlich oft hier gewesen. Früher hatte er sich nie groß fürs Training begeistert und hatte es nur getan, wenn es unbedingt erforderlich war. Aber jetzt war es anderes. Er musste trainieren. Jeder Jedi musste trainieren. Denn die Feinde waren zu dieser Zeit stärker als je zuvor. Und nach der traumatischen Vernichtung des Planeten Balmorras war die schreckliche Vermutung aufgekommen, dass die Jedi zu schwach waren, um die Bedrohung abzuwenden. Um das Gegenteil zu beweisen, war Einsatz nötig.
Nype seufzte und spielte mit den Fingern um sein Lichtschwert. Ungefähr ein Dutzend andere Jedis befanden sich außer ihm hier, alle waren im Gegensatz zu ihm beschäftigt und warfen ihm deswegen teilweise verwunderte Blicke zu. Als sich Nype ein wenig umsah, entdeckte er sogar J-Lee Rynes, die Tochter seines ehemaligen Meisters Anex Rynes, und Dan Deevkyp. Dass diese beiden jungen Jedi-Schüler so spät noch hier waren, ließ Nype vermuten, dass auch sie unter Strafe standen. Die beiden übten sich im Nahkampf und schienen sich dabei nie richtig einig zu sein. Angenervt fluchend gab J-Lee Dan einfach eine Ohrfeige, als dieser ihr nach einer sehr missglückten Attacke aus einem Salto heraus auf den Fuß trat. Grinsend schaute Nype den beiden zu. Sie waren nicht viel älter als Jayn: 15 und 16 Jahre. Vor garnicht so langer Zeit hatten Jayn und Nype die beiden in der Jediakademie auf Ann'chari aufgegabelt, und seitdem waren die vier Partner. Aber damit war die Elitegruppe der Jediritter noch nicht komplett. Eine Person fehlte noch: Mandy Rynes, die Schwester von Anex Rynes und damit die Tante von J- Lee. Sie war, das vermutete Nype, nach Yoda und Philac Kasnar sicherlich die drittmächtigste Person im Jedi-Tempel. Obwohl sie nichtmehr ganz die jüngste war mit beinahe 50 Jahren, war sie in allen nur möglichen Dingen sogar fitter als Nype. Sie war eine wahre Meisterin, wenn es darum ging, Killerjoiden platt zu machen, und ihr Lichtschwert-Stil war, so wie der der ganzen Rynes-Familie, einfach unverbesserlich. Außerdem war sie eine geborene Friedensstifterin, ob das nun für verfeindete Planetensysteme galt oder für kleine Streitereien in den Reihen der Jedi. Mandy war einfach genial. Aber Nype sah sich umsonst nach ihr um, um sie zu begrüßen. Wahrscheinlich hatte sie heute schon genug getan und konnte sich in diesem Moment ausruhen.
»Nype!« Endlich hatte J-Lee Rynes ihn ebenfalls gesehen. Das Mädchen mit den grüngrauen Augen und den dunkelblonden, langen Haaren ließ Dan bei seinem nächsten Angriff ins Leere taumeln und kam auf Nype zugerannt. »Nype! Hey- da seit ihr ja wieder! Wie war eure Reise?!«
Sie kam über das ganze Gesicht strahlend vor ihm an und es war fast erschreckend, wie sehr ihr Auftreten Nype an Anex Rynes erinnerte.
»Ich hörte, ihr habt wieder großen Mist gebaut.«
»Klar«, lachte Nype, »was hast du denn anderes erwartet? Deswegen bin ich ja hier«
»Ihr müsst auch zur Strafe trainieren?« J-Lee runzelte die Stirn, während sie sich die Haare aus dem Gesicht strich. »Ich dachte, sowas tun sie nur mir und Dan an. Wir müssen aber zum Glück nurnoch 20 Minuten hier bleiben.«
Wie auf Kommando kam auch Dan Deevkyp bei ihnen an. Er war ein ziemlich großer, braunhaariger Junge mit großen, blauen Augen, der schon seit Ewigkeiten mit J-Lee befreundet war. Er war außer Puste, anscheinend hatte ihn das Training mit der zwar viel kleineren, aber eindeutig gewitzteren J- Lee ziemlich fertig gemacht. Außerdem sah er müde aus. Nype vermutete, dass J-Lee und er schon viele Stunden hier verbrachten und noch immer zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen waren, das sie vorzeitig von ihrer Strafe befreien konnte.
»Hi Nype«, sagte er hechelnd. »Kommt ihr auch mal wieder zum Training?« In diesem Moment öffnete sich endlich die Tür und eine große Gestalt trat ein: Philac Kasnar, wie immer in seinen Mantel gehüllt, aufrecht gehend, als hätte er einen Besen verschluckt, jedoch mit einem Blick, als würde er gleich einschlafen. J-Lee und Dan blickten verdutzt zu ihm hin.
»Was macht der Saftsack denn hier?«, fragte Dan mit gerümpfter Nase.
Und J-Lee ergänzte: »Seit wann kommt dieser Angeber mal zum Training?«
»Der Typ hat mich herausgefordert«, antwortete Nype belustigt.
»Ach«, grinste J-Lee überrascht. »Das ist also eure Strafe! Ich verstehe! Na dann viel Spaß.«
»Den macht ihr doch locker fertig«, sagte Dan überzeugt nickend. »Gegen euch hat der keine Chance.«
Nype lächelte nur, vermied es jedoch, zu nicken oder etwas darauf zu erwidern. Selbstsicherheit war oft etwas, das ihn in Bedrängnis bringen konnte. Aber natürlich war Nypes Risikolust größer als alle Bedenken. Selbstbewusst ging er Philac entgegen, der, als er seinen Gegner entdeckte, wieder seinen niedermachenden Blick aufsetzte.
»Bereit für eine Niederlage?«, fragte der Jedi-Meister fies grinsend.
»Ihr unterschätzt mich«, erwiderte Nype daraufhin kühl. »Anex hat mir viel beigebracht. Und in den letzten Jahren habe ich mich noch extrem verbessert. Ihr solltet vorsichtig sein, Philac.«
»Wenn ihr mit dem Lichtschwert so gut umgehen könnt wie mit Worten, dann will ich euch das gerne glauben.«
Unter den gespannten Blicken von Dan und J-Lee gingen die beiden weiter in den Trainingsraum hinein, bis zu einer großen, freien Fläche, wo sie stehen blieben. Fast alle, die hier trainierten, hatten nun bemerkt, dass ein Ratsmitglied anwesend war. Sie stellten verblüfft ihre Übungen ein und kamen neugierig näher.
»Noch habt ihr die Chance, euch zurückzuziehen«, funkelte Philac ungewohnt kampflustig, während er seinen Mantel abstreifte.
»Das hättet ihr wohl gerne«, entgegnete Nype grinsend. »Wohl Angst, dass ich euch den Meistertitel klaue, was?«
»Ganz im Gegenteil«. Philac tat cool, aber Nype spürte, dass seine Provokationen ihren Dienst taten. Philac hatte heimlich schon lange auf diesen Moment gewartet- eine Gelegenheit, ihren Wettstreit nicht nur in Wortgefechten zu bestreiten. Nype hatte Philac in den beinahe acht Jahren, die er schon als Jedi fungierte, noch nie kämpfen sehen. Er kannte den Meister nur als starre, ermüdende Figur, die im Rat neben Yoda saß und ihn anschnauzte. Aber er war sich sicher, dass Philac nicht viel besser war als er. Immerhin war Nype auch haarscharf daran, ein Meister zu sein. Ein Sieg über Philac würde ihm diesen Titel wahrscheinlich noch näher bringen.
»Hey Leute!«, hörten sie Dan wie einen Moderator quer durch die Halle rufen. »Der Fight des Tages steht uns bevor! Nype der Rächer gegen Philac Kasnu!« Gebrabbel und Schritte folgten, und Nype genoss die angeheizte Stimmung um sich herum. Er wusste, jeder hier stand auf seiner Seite. Niemand im Tempel konnte Philac leiden. Nype der Rächer. Oh ja, langsam begann ihm diese Bezeichnung sehr zu gefallen.
Philac verfolgte das Geschehen um ihn herum mit einem überlegenen Lächeln auf den Lippen. »Seit ihr bereit, oder braucht ihr noch etwas mehr Publikum?«, fragte er schließlich und umklammerte das Lichtschwert in seinem Gürtel.
»Jederzeit bereit«, sagte Nype und verbeugte sich fachmännisch vor Philac, wobei er einen Schritt zurück ging. »Ich überlasse euch den ersten Angriff, alter Herr. So wie sich das gehört.«
»Alter Herr also.« Brummend machte sich Philac angriffsbereit und aktivierte seine Waffe. «Ihr habt viel Selbstvertrauen, das muss ich euch lassen.«
»Zeig es ihm, Nype!«, kam die Stimme von J-Lee erheitert zu ihnen herüber.
Erwartungsvoll grinsend wartete Nype auf Philacs erste Angriffsbewegung. Als zusätzliche Provokation hatte er noch nicht einmal sein Lichtschwert gezogen und stand ganz lässig da, als stünde er an einer Bar und erwartete einen Drink. »Na was ist?«, fragte er ungeduldig, als Philac die Stirn runzelte. »Wird das noch was oder muss ich bis morgen warten?«
»Ich habe nur kurz überlegt,« sagte Philac, »dass es besser für euch wäre, das Lichtschwert zu ziehen. Ich möchte euch wirklich ungern verletzen, Nype. Dashier sind keine Trainingschwerter, falls ihr es vergessen habt.«
Nype schüttelte nur lächelnd den Kopf und sagte schulterzuckend: »Ihr unterschätzt mich schonwieder, Philac. Das ist echt enttäuschend.«
Endlich machte Philac die erste Ausfallbewegung. Sie kam schnell und tückisch, doch Nype reagierte genauso schnell, zog in einer Drehung das Lichtschwert, aktivierte es und fing Philacs grünliche Klinge mit seiner blauen ab. Im schimmernden Lichtschein der Laserklingen flackerten die Gesichter der Kontrahenten auf. Erst jetzt wurde so richtig klar, wie unterschiedlich die zwei Jedis waren, die sich da gegenüberstanden. Philac Kasnar, erfahrenes Mitglied des Rates, 53 Jahre alt, dunkelhäutig, glatzköpfig und mindestens 1 Meter 90 groß, gegen Nype Kenobi, der höchstens 1.75 maß , 25 Jahre alt, mit Sonnenbrille und dunkelblau gestylten Stachelhaaren. Beide waren sie erfahrene Kämpfer, beide hatten sie schon Heldentaten vollbracht, aber sie hatten noch nie ihre Kräfte gemessen. Für J-Lee und Dan war dieser Kampf Unterhaltung vom Feinsten.
»Nicht übel«, hauchte Philac durch die gekreuzten Klingen zu Nype. »Ihr seid schneller, als ich erwartet habe.«
Es ging weiter. Die Klingen trennten sich, kreuzten sich dann immerwieder, blitzschnell hintereinander. Die beiden Jedi bewegten sich wie Tänzer, ihre Waffen spielten in völliger Perfektion. Es sah fabelhaft aus. Schon die ersten Sekunden waren allerfeinste Jedi-Kampfkunst. Die Beobachter staunten.
»Das ist ja irre«, bemerkte Dan Deevkyp wie erstarrt zu J-Lee. »Da kann ich noch lange trainieren. Bis ich sowas kann, friert bestimmt die Abinus-Sonne ein!«
»Das glaub' ich dir sogar«, kicherte J-Lee.
Nype parierte einen weiteren Schlag, der allerdings so heftig kam, dass er das Lichtschwert nicht sofort für einen Gegenangriff wegziehen konnte. Ein Raunen durchfuhr die Zuschauer, als ein erneutes Kräftemessen begann. Die Laser knisterten, und Nype spürte, wie Philac ihn zurückdrängen wollte, doch so einfach war das nicht. Nype Kenobi war wirklich alles andere als ein Schwächling. Doch dann kam ihm eine andere, gute Idee. Mit einem kräftigen Ruck zwang er Philacs Klinge nach unten, dann sprang er nach oben, verband sich mit der Macht und wirbelte mit einem Salto über Philac hinweg.
»Nein, dumme Idee!«, hörte er J-Lee rufen.
Und im nächsten Augenblick erkannte er auch, wieso. Er hatte nicht einmal mit den Füßen den Boden berührt, als er Philac herumwirbeln sah, und weil er sich auf dessen Lichtschwert konzentrierte, sah er den fiesen Hieb mit dem Ellbogen nicht kommen. Philac traf ihn mit solcher Wucht, dass Nype zu Boden geworfen wurde und sein Lichtschwert über den Boden schlitterte.
»Shit!«, rief Dan aus dem Hintergrund.
Aber Nype verlor nicht den Überblick. Sofort rollte er sich herum und trat vom Boden aus nach Philac. Der Reflex kam genau richtig, denn Philac hatte ihn angreifen wollen und so traf Nypes Tritt die Hand mit dem Lichtschwert. Er nutzte den Moment, in dem Philac dadurch abgelenkt war, um sich weiter zu rollen und dann mit dem Rücken zu Philac aufzustehen.
»Aufpassen!«, rief J-Lee.
Nype hatte die Lage allerdings schon bestens durchgeplant. Er wusste, dass Philac schnell war und ihm in den Rücken fallen würde, noch ehe er wieder richtig stand. So war es auch. Schon spürte er Philac in seinem Nacken, ein Arm schlang sich um seine Brust, um ihn wieder niederzuwerfen. Nype mobilisierte seine Kraft, stemmte sich gegen Philac, packte dessen Arm und nutzte unerwartet die Hebelwirkung. Philac wurde über Nypes Rücken katapultiert und landete ziemlich unsanft rücklings auf dem Boden.
Damit war der Ausgleich erzielt. Die Zuschauer jubelten begeistert.
»Na, wie findet ihr das?«, fragte Nype und bot Philac überlegen lächelnd die Hand an. Der zögerte, ergriff sie aber schließlich und ließ sich von Nype wieder hochziehen.
»In der Tat nicht übel«, knirschte er. »Aber das macht euch noch nicht zum Meister. Die Aufwärmphase ist jetzt vorbei.«
Philac klopfte sich die Hose ab und rief dann mit der Macht sein Lichtschwert wieder in seine rechte Hand zurück. »Ich muss euch noch meine kleinen Tricks zeigen.«
»Na dann mal los.» Auch Nype ließ das Lichtschwert auf sich zu fliegen, ließ es aufflammen und machte sich wieder kampfbereit.
J-Lee ertappte sich dabei, wie sie auf den Fingernägeln herumkaute. Eine schlechte Angewohnheit, stellte sie fest, die sich immer dann einschaltete, wenn es spannend wurde.
Das erneute Gefecht mit Philac war bereits nach wenigen Sekunden ungeheuer anstrengend. Nype schaffte es mit einer komplizierten Drehbewegung, aus der Defensive zu gelangen, und Philac musste sich ducken, um dem Gegenschlag zu entgehen. Der nächste wurde schon wieder problemlos abgeblockt. Für ein paar Momente war der Kampf wieder neutral. Angriffe und Verteidigung folgten unmittelbar aufeinander, keiner geriet in Vor- oder Nachteil. Fiebernd suchte Nype nach einer Möglichkeit, in Philacs Verteidigung eine Lücke zu finden, aber es war vergeblich. Wenn Philac eine Schwäche hatte, dann lag die sicher nicht in dieser Variante des Kampfes. Plötzlich wurden Philacs Schläge immer härter und offensiver. Nype musste ein paar Mal ausweichen, weil er nicht parieren konnte, und er merkte, wie wenig er jetzt noch zum Angriff kam... Er wurde schonwieder in die Verteidigung gezwungen!
Verärgert legte Nype mehr Kraft in seine Hiebe, doch das brachte nichts. Philac drängte jetzt auf ihn ein, er achtete darauf, dass Nype nichts anderes tun konnte, als sich defensiv zu verhalten. Der Kampf war noch immer auf hohem Niveau, auf sehr hohem, und manche von Philacs Angriffen waren in den Augen der Beobachter schier unmöglich abzuwehren, aber Nype schaffte es trotzdem... Es war schwer zu sagen, wer von ihnen besser war. Es kam darauf an, wer zuerst eine Schwäche des anderen finden würde. Und wie es aussah, würde das Philac sein.
Philac schraubte sein Tempo runter, bewusst, um dann, ein paar Sekunden später, mit einem energischen Angriff zu überraschen. Nype wollte nicht darauf hereinfallen, weil es vorauszusehen war, aber dieser Falle konnte er garnicht entgehen- das konnte niemand, es war unmöglich. Eine tückische Drehbewegung des Lichtschwertes, und Philac hatte Nype erneut entwaffnet. Schon kam der nächste Schlag und Nype musste zu Seite ausweichen, wobei er nach seiner Waffe Ausschau hielt, um sie wieder zu bekommen... Er sah sie, hatte aber keine Zeit, nach ihr zu rufen, weil Philac schon wieder da war, um ihn zu attackieren- das Lichtschwert sauste knapp an Nypes Gesicht vorbei. Er brauchte sein Lichtschwert! Wieder duckte er sich, wich aus, alles innerhalb von Sekundenbruchteilen, er tauchte unter der Laserklinge hinweg und wich nach hinten, noch immer hochkonzentriert. Doch dann täuschte Philac einen Angriff auf seinen Kopf vor, wandelte die Bewegung dann unerwartet nach unten ab und Nype hatte keine andere Wahl als zu stolpern, um der Klinge zu entgehen. Kaum hatte er den Boden berührt, rollte er sich wieder weg und streckte die Hand in Richtung seines Lichtschwertes aus. In dem Moment, als es in Nypes Handfläche flog, tauchte Philacs Klinge über ihm auf und verharrte knappe zwei Millimeter vor seiner Brust. Der Kampf war vorbei. Ein Feind hätte ihn in diesem Moment getötet.
»Ihr seid tot, Nype«, sagte Philac außer Atem, doch auf seinem Gesicht lag ein breites Grinsen. »Ihr solltet nie auf diese Weise mit einem Sith kämpfen. Die haben ihr Lichtschwert bekanntlich nicht ganz so gut im Griff wie ich.«
Nype gab sich damit ab, wenn es ihm auch sehr schwer fiel. Nun gut. Philac hatte verdient gewonnen, das musste er zugeben. Woran lag das? War er wirklich so schlecht? Philac deaktivierte seine Waffe und nun war er es, der Nype seine Hand hinhielt.
»Ich muss mich entschuldigen«, sagte er in einem ernsten Ton. »Das war außerordentlich gut... das hätte ich nicht erwartet.«
Diese Worte erstaunten Nype doch schon ein wenig. Philac hatte ihn besiegt. Eigentlich hätte er jetzt dumme Sprüche und Gehässigkeit erwartet. Stattdessen lobte Philac ihn?
»Erstaunlich, eure Offensive«, fuhr Philac fort. »Das ist erstklassig. Die einzige Schwäche, die euch verwundbar macht, ist...«
»Die Defensive«, sagte Nype grummelnd und ergriff Philacs Hand. »Ja, ich weiß.«
»Dagegen kann man etwas tun«, sagte Philac, in einem Ton, mit dem er noch nie mit Nype gesprochen hatte: Richtig... freundschaftlich. »Wenn ihr in die Defensive gedrängt werdet, gibt es eine sehr gute Möglichkeit, zu entkommen.«
»Und welche wäre das?«
»Eine gefährliche Methode, zurückzuweichen,«, erklärte Philac. »Ihr dreht euch weg und lasst dann sofort einen Machtstoß los. Allerdings ist das sehr schwer und sehr riskant, weil euch beim Wegdrehen jederzeit ein Lichtschwert aufschlitzen könnte.«
»Na ja«, sagte Nype. »Aber das Risiko muss man anscheinend eingehen, wenn man nicht so enden will wie ich gerade eben.«
»Das ist wahr«
Nype schwieg und musterte Philac Kasnar abschätzend. Tatsächlich. Auf dem Gesicht des Meisters lag keine Gehässigkeit, keine Überheblichkeit, nur ein Lächeln. Es war unglaublich. Das war der erste vernünftige Dialog, den die beiden je geführt hatten! Es war ja schon fast erschreckend. Nach unendlichen zwei Sekunden räusperte sich Philac endlich, setzte seinen alten Blick auf und sagte: »Aber trotzdem habt ihr verloren. Ein Meister hätte gegen mich gewinnen müssen.«
Nype klopfte Philac auf die Schulter und lachte. »So gefallt ihr mir gleich besser. Ich hatte schon befürchtet, ihr wärt ein erträglicher Mensch geworden.«
In diesem Augenblick ging die Tür zum Trainingsraum ein weiteres Mal auf, und eine Stimme hallte ihnen laut und aufgeregt entgegen: »Meister! Meister, wir bekommen Besuch!«
Nype drehte sich um und sah Jayn, der hektisch auf ihn zugerannt kam. Hinter ihm erschien Meister Yoda, mit seinem Krückstock fuchtelnd und laut schreiend: »Junger Travon! Hiergeblieben!« Es sah lustig aus, wie die kleine Kreatur den jungen Jedi-Schüler einzuholen versuchte.
»Jayn? Was machst du hier?!« J-Lee hatte sich von ihrer Verblüffung was Nypes Niederlage betraf erholt und kam Jayn entgegen, kurz bevor dieser bei Nype stehen blieb. »Ich dachte, du musst meditieren!«
Jayn atmete schnell und blickte zwischen J-Lee, Dan, Nype und Philac hin und her. Auf seiner Zunge brannte natürlich sofort die Frage, wie der Kampf zwischen Philac und seinem Meister ausgegangen war. »Das muss ich auch«, sagte er aber schließlich, mit einem Kopfnicken zu dem aufgebrachten Meister Yoda deutend, der hinter ihm her durch die Halle geschlurft kam. »Aber ich hab es unterbrochen.«
»Wieso?«, fragte Nype verwirrt.
»Ich habe etwas gespürt!«, berichtete Jayn strahlend. »Jemand ist beim Tempel angekommen! Ihr werdet es nicht glauben: Es ist Kristadme!«
»Kristadme?« Nype hob beide Augenbrauen. »Von der hab ich ja seit der Hochzeit nichts mehr gehört. Was sollte denn Kristadme hier wollen?«
Jayn machte den Mund auf, um zu antworten, als Meister Yoda ihn mit seinem Stock in den Rücken stieß. »Unverschämtheit!«, zischte der kleine Obermeister erzürnt. »Was denkst du dir, einfach so abzuhauen?!«
»Ähh... sorry, Meister Yoda«, lächelte Jayn entschuldigend, »aber habt ihr es nicht auch gespürt? Kristadme kommt, und sie bringt... Gefahr!«
Yoda runzelte nur abwertend die Stirn. »Nein, Jayn. Ich habe nichts dergleichen gespürt.« Die weisen Augen blickten zu Philac hoch. »Ihr etwa, Meister Kasnar?«
Philac schüttelte den Kopf.
»Da siehst du es!«, zischte Yoda. »Dein Sinn für die Macht scheint durcheinander zu sein, junger Jedi!«
»Aber nicht doch!«, rief Jayn zornig. »Ich bin mir ganz sicher! Vielleicht irrt ihr euch! Vielleicht habe eben nur ich es gespürt!«
Philac ließ sich ein leises Lachen vernehmen. »Nein, Jayn«, sagte er. »Das würde bedeuten, dass du machtsensitiver wärst als ich und Meister Yoda. Du irrst dich.«
»Tu ich nicht!«, beharrte Jayn stur. »Wetten wir um 5000 Credits, dass Kristadme jeden Augenblick in den Tempel spaziert!« Jayn hob erwartungsvoll die Augenbrauen, aber darauf wollte sich weder Philac noch Yoda einlassen. Sie schwiegen und behielten ihren abweisenden Blick.
»Du kommst sofort wieder mit mir nach oben in den Meditationsraum!«, befahl Yoda mit funkelnden Augen und stieß Jayn erneut mit dem Stock an. »Ich lege noch eine Stunde drauf!«
»Aber Meister Yoda!«, wehrte sich Jayn, während er von Yoda am Ärmel in Richtung Ausgang gezogen wurde. »Ich habe Recht! Glaubt mir!« Hilfesuchend blickte er zu Nype. »Meister! Sagt ihm, dass ich Recht habe!«
Doch bevor Döllli-Wan etwas sagen konnte, war Yoda mit Jayn durch die Tür verschwunden.
Die meisten Jedi hatten sich jetzt wieder ihren Übungen zugewandt. Nur Dan, J-Lee und Nype standen untätig da und blickten noch ein paar Momente nachdenklich in Richtung Tür.
»Meint ihr, er hat Recht?«, fragte J-Lee schließlich.
»Natürlich hat er Recht!«, zischte Dan sie an. »Hast du es schon vergessen? Jayn hat sich noch nie geirrt. Er kann Dinge spüren, die andere nicht wahrnehmen. Wieso sollte er nicht auch sensitiver als Meister Yoda sein?«
J-Lee runzelte die Stirn und schwieg. Auch Nype sagte nichts, obwohl er Dans Meinung durchaus beipflichtete. Jayn war etwas besonderes, und vielleicht war er ja wirklich der Auserwählte. Er glaubte seinem Schüler.
* * *
Also ereignete sich in dieser Nacht noch etwas, das die Aufmerksamkeit von Jayn und Nype erforderte.
Meister Yoda musste zulassen, dass Jayn wieder seine Strafe unterbrach, als durch die großen Scheiben des Meditationsraumes eindeutig zu sehen war, wie ein kleines Shuttle auf einer Landeplattform vor dem Tempel landete. Jayn sah es, stieß einen überlegenen Jubelschrei aus und stürmte dann wieder hinunter in Richtung Trainingsräume. Er benutzte die Fahrstühle, rempelte andere Jedis an und sprang über Treppengeländer, um schneller da zu sein. Als er die Trainingsetage des Tempels erreichte, kamen ihm die anderen schon entgegen.
»Jayn!«, rief Dan vergnügt. »Da bist du ja wieder! Du hattest Recht, stimmt's?!«
»Stimmt!«, sagte Jayn strahlend. «Kristadme ist gerade auf Plattform 4 gelandet!«
»Ich wusste es!«, freute sich Dan.
»Kommt, wir sagen ihr Hallo!« Jayn packte Nype am Arm und zerrte ihn im Eiltempo hinter sich her. Nype wollte zuerst widersprechen, doch dann machte er mit und winkte Dan und J-Lee zu, ihnen zu folgen. Von Kristadme, der 20 Jahre jungen, feurigen und sündhaft schönen Ex-Zofe von Königin Pharos, hatte er seit ihrer Hochzeit vor etwa einem Monat nichts mehr gehört. Irgendwie interessierte es ihn trotz all der Peinlichkeiten, die sie ihm schon beschert hatte, sehr dafür, wie sie sich so als Ehefrau machte. Jayn ging es da anscheinend genauso, was verständlich war, denn der Kleine warf schon einen Blick auf Kristadme, seit er sie das erste Mal gesehen hatte. Er hatte mal zu Nype gesagt, wäre der Altersunterschied zwischen ihm und Kristadme nicht so groß, würde er sie auf der Stelle heiraten. Aber dieses Thema hatte sich sowieso erübrigt, weil Kristadme vor einigen Wochen den Sohn von Mandy geheiratet hatte: Leo Rynes. Eigentlich hieß Kristadme seitdem auch wieder Kristyna, aber daran konnte sich keiner so richtig gewöhnen.
Die vier Jedi kamen auf der Plattform an, als das schnittige, schwarze Shuttle gerade seine Rampe ausfuhr. Staunend blieb Jayn, der bis hierhin vorausgeeilt war, stehen, und legte seine Hand schützend vor das Gesicht, denn sie befanden sich im Freien und der Wind pfiff in dieser Nacht stark durch diesen Teil der Stadt. Der Anblick des Shuttles verschlug ihm und den anderen die Sprache. Irgendwie passte das, was sie jetzt sahen, nicht zu dem Bild von Kristadme, das sie noch von der Hochzeit in ihren Köpfen hatten. Es war schwarz, finster, mit einem... Rebellenwappen auf den Heckflügeln. Nype und Jayn hatten diese Art von Schiffen erst bei ihrer letzten Mission zu Gesicht bekommen: Ein Shuttle der Tyrion-Rebellion.
»Was...?«, begann Jayn verdutzt, aber er stoppte sich selbst. Kristadme war schon immer eine unberechenbare Person gewesen. Woher sollte er denn wissen, was sie noch so alles auf Lager hatte, um die Welt in Erstaunen zu versetzen?
So standen sie nur da und starrten das Shuttle an, bis schließlich eine Person auf der Rampe erschien. Es war ein Mann in mittleren Jahren, von kräftiger Statur und der Ausstrahlung eines Bodyguards. Ihm folgte eine Gestalt, die jedes Mal, wenn sie irgendwo auftauchte, wirre Gedanken stiftete. Silbrig schimmernde, blonde Haare, nach hinten zusammengesteckt zu einem kunstvollen Zopf, tiefblaue Augen, und ein Körper, der gelungener nicht hätte sein können. Unter einem Mantel verbarg sich ein schwarzer Overall. Sie lief über die Rampe wie eine Diva über den roten Teppich, und obwohl sie den Kopf gesenkt hielt und ungewöhnlich bedrückt wirkte, strahlte sie Sex-Appeal aus, das für ein ganzes Stadtviertel reichte.
»Läuft die eigentlich den ganzen Tag in solchen Sachen rum?«, fragte J-Lee erstaunt den Kopf zur Seite neigend. »Is ja Wahnsinn.«
»Sie ist der Wahnsinn«, nickte Jayn.
Nebeneinander kamen der Mann und Kristyna Rynes auf die Jedi zu.
»Meinst du, sie umarmt mich?«, flüsterte Jayn mit zitternder Stimme Dan zu.
»Was?!«
»Na ja, immerhin kennt sie mich schon seit vier Jahren,...«
Ein Prusten von J-Lee holte die Jungs aus ihren Tagträumen. »Ihr seid vielleicht Witzfiguren!«, amüsierte sie sich. »Davon könnt ihr echt lange träumen.«
Die letzten Meter begann die junge, blonde Schönheit über die Plattform zu rennen, beinahe zu stolpern, und erst jetzt konnte man ihre Angst deutlich erkennen.
»Was hat sie denn plötzlich?«, fragte sich Dan.
Nype durchfuhr es wie ein Blitzschlag.
Etwas ist geschehen!
Bilder eines Kampfes blitzten in seinen Gedanken auf. Angst und Hass, Schüsse, Explosionen... in dieser Nacht, vor wenigen Stunden, war etwas schreckliches geschehen.
Und dann stürzte Kristyna Rynes auf ihn zu, krallte ihre Fingernägel in seine Schultern und blickte ihn aus verzweifelt glitzernden Augen an.
»Nype!«, hauchte sie. »Du musst mir helfen!«
Er war so verdutzt über diesen stürmischen Empfang, dass er einen Schritt zurück ging, bevor er Worte finden konnte. »Was... was ist passiert?«, fragte er. In diesem Moment kam auch der Mann heran, doch er sagte nichts und hielt sich fast ängstlich hinter Kristyna auf, die sich noch immer an Nype klammerte. Dan und Jayn klappten eifersüchtig die Münder auf.
»Es...«, begann Kristyna kopfschüttelnd, als könne sie noch immer nicht glauben, was sie nun erzählen musste, und ließ Nype los. »Es ist heute Nacht passiert... sie sind einfach über uns hergefallen... haben alles zerstört... und Leo... ich glaube, sie haben Leo entführt!«
»Was?!«, entfuhr es Jayn und er sprach damit aus, was Nype dachte.
»Es waren nur ein halbes Dutzend,...« fuhr sie schluchzend fort, »...aber sie waren anders,... wir konnten nichts gegen sie ausrichten, nichtmal Leo und Geelo konnten es...«
»Hör zu!«, unterbrach sie Nype und nun war er es, der sie bei den Schultern packte und ansah. »Komm erst einmal mit in den Tempel, dort kannst du es mir besser erklären.«
Und Erklärungen waren nötig. Nype konnte sich unter alldem bis jetzt nur wenig vorstellen. Leo Rynes war entführt worden?! Wenn das wahr war, stellte es ein ziemlich großes Problem dar! Wer war zu soetwas fähig? Leo war immerhin der Sohn von Mandy Rynes! Normalsterbliche hatten es in der Regel schwer, wenn sie sich mit Leo und Kristyna anlegten, denn diese beiden waren ein höllisch gutes Gespann, und ein halbes Dutzend Männer stellten normaler Weise wirklich kein Problem dar... Was also steckte dahinter?!
Kristyna und ihr Begleiter folgten den Jedi schweigend ins Innere des Tempels.
