Disclaimer: Laietha ist meins, der Rest gehört Tolkien und ich verdiene
keinen Pfennig mit meiner Schreiberei...auch keine Cents ;-)
Kapitel 11 - Endlich Frieden
****
Laietha machte sich am nächsten Tag gleich nach dem Aufstehen auf die Suche nach ihrem Bruder. Nur, wo sollte sie anfangen? Eine Weile lang irrte sie durch die Gänge des fremden Palastes. Einer der Bediensteten war so freundlich, ihr zu sagen, daß er sich vielleicht in seinen Gemächern befand. Sie bedankte sich und der Mann lief geschäftig davon. Dann fiel Laietha auf, daß sie nicht wußte, wo Aragorns Gemächer waren. Sie seufzte. Plötzlich legten sich ihr zwei Hände um die Hüften und sie wirbelte herum. Boromir stand lachend hinter ihr. "Hast du dich verlaufen?" Laietha nickte zögerlich. "Ich fürchte schon. Ich bin auf der Suche nach meinem Bruder." Boromir nahm sie bei der Hand. "Ich auch. Komm, wir werden ihn schon finden. Er ist bestimmt in seinem Arbeitszimmer."
Boromir sollte recht behalten. Vorsichtig klopfte Laietha und streckte ihren Kopf zur Tür rein. Zu ihrer Überraschung war Aragorn nicht alleine, sondern in ein Gespräch mit Faramir vertieft. Laietha kam hinein. "Störe ich, Majestät?" fragte sie mit einem Grinsen und die Männer schenkten ihr ein Lächeln. Sie baten sie herein und Boromir folgte ihr. Aragorn erhob sich aus seinem Stuhl. "Es ist gut, daß du kommst, Boromir. Wir haben gerade über dich gesprochen und ich wollte schon nach dir schicken lassen." Der Krieger hob skeptisch eine Braue. Das Gesicht seines Freundes sah ernst aus und Faramir machte den Eindruck, als wäre er sehr nachdenklich. "Ist etwas nicht in Ordnung?" fragte Boromir irritiert. Aragorn schüttelte den Kopf. "Oh nein. Es ist nur Folgendes - ich wollte Faramir zum Fürsten von Ithilien ernennen, aber heute vormittag kam er zu mir und..." "Ich bitte um Vergebung, mein König," fiel ihm der junge Mann ins Wort und er trat zu seinem Bruder. "Ich bin der Meinung, daß du den Posten eher verdient hättest als ich. Schließlich bist du der Ältere von uns beiden und hättest ein Anrecht darauf. Du wärst der nächste Statthalter von Gondor gewesen und da ist es ja nur recht und billig, daß dir diese Aufgabe gebührt." Aragorn nickte bedächtig. "Ja, ich möchte dich nicht übervorteilen. Als ich die Entscheidung, Faramir zu meinem Fürsten zu machen traf, dachten wir...viele Dinge haben sich gestern geändert."
Faramir beobachtete Laietha, die keine Anstalten machte, den Raum zu verlassen. Zwar war sie zum Fenster gelaufen und blickte über die Stadt, aber er konnte auch sehen, daß sie sich nichts von der Unterhaltung entgehen ließ. Er mußte schmunzeln. Sein Bruder hatte sich eine Braut mit hellem Köpfchen ausgesucht.
Boromir lachte erleichtert. "Wenn das alles ist, was euch Kopfzerbrechen bereitet!" Er ging zu Aragorn und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Deine Wahl war weise, als du meinen Bruder batest. Ja, ich bin der Ältere und ich hätte unseren Vater abgelöst, aber ich bin ein einfacher Soldat." Faramir wollte protestieren, aber Boromir brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. "Faramir ist sehr klug und bei weitem überlegter als ich. Er hat es sich redlich verdient, den Titel zu tragen." Dann blickte er zu Laietha hinüber und Aragorn lächelte verstehend. "Aber was ist mit all den Mühen, die du..." Boromir lachte seinen Bruder an. "Hab keine Sorge, Faramir. Ich bin reichlich entlohnt worden."
****
Faramir und Laietha verstanden sich prächtig miteinander und Boromir sah es gerne, daß sein jüngerer Bruder ihr die Stadt zeigte. Er selbst hatte sich ein wenig zurückgezogen, um seine Rückkehr zu begreifen. Die Stadt sah furchtbar aus - obwohl man ihm versicherte, daß alles noch schlimmer ausgesehen hatte. Es war ihm kein rechter Trost. Wer hätte gedacht, daß die festen Mauern der Stadt jemals fallen würden? Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen. Und sein Vater war tot - dem Wahnsinn verfallen hatte er versucht, seinen Bruder mit ins Grab zu reißen und die Zitadelle der Sterne war seiner Brandstifterei zum Opfer gefallen. Nichts war wie früher in seiner geliebten Stadt. Vielleicht bin ich diesmal zu lange fort gewesen. Vielleicht gehöre ich nicht mehr hier her, dachte er sich.
Boromir schlenderte in den Palastgarten. Hier sah alles wie früher aus. Die Blumen blühten und ein kleiner Springbrunnen plätscherte vor sich hin. Boromir atmete tief durch. Es tat gut, etwas Vertrautes zu finden. Auf einer Bank sah er eine kleine Gestalt sitzen und nach einigen Augenblicken erkannte er Frodo. Sein Herz blieb für einen Moment stehen. Bis jetzt hatte er sich mit dem Hobbit noch nicht auseinandersetzen müssen, aber die Schuldgefühle begannen sich zu regen und Boromir hatte das Bedürfnis, davonzulaufen. Er machte auf dem Absatz kehrt und wollte sich fortschleichen.
"Boromir!" Er hielt inne und drehte sich langsam um. Frodos Gesicht zeigte noch immer die Spuren, die seine Reise an ihm hinterlassen hatten. Seine Schuldgefühle verdoppelten sich. Der Arme - er hatte ein schweres Los zu tragen gehabt und Boromir, der sein Freund hätte sein und ihm die Last erleichtern hätte sollen, hatte es ihm noch schwerer gemacht. "Komm zu mir, mein Freund."
Boromir tat, wie man ihm geheißen hatte, auch wenn seine Beine bleischwer schienen. Auf Frodos Gesicht war keine Spur von Groll. "Setz dich, mein Freund." Daß er ihn seinen Freund nannte... Boromir senkte schuldbewußt den Kopf. "Hör zu, Frodo, es...was geschehen ist...es tut mir leid. Wenn es etwas gibt, wie ich es wieder gutmachen kann..." Er kam sich so dumm vor - selbst seine Entschuldigung klang in seinen Ohren nach Lüge und Verrat, aber der Hobbit lächelte milde. "Wir haben beide für unsere Fehler bezahlt, Boromir," sagte er und bevor der Krieger etwas erwidern konnte, streckte Frodo ihm seine Hand entgegen. Es fehlte der Ringfinger. Boromir sog scharf den Atem ein und langsam begann er zu verstehen. "Ich weiß besser als jeder andere, welch schreckliche Macht der Ring hat. Nun, da ich deine Stadt gesehen habe, kann ich dein Verlangen, das alles zu schützen verstehen."
Boromir wagte noch immer nicht, ihm in die Augen zu sehen. "Fast hätte ich durch meine Dummheit das alles zerstört, Frodo. Schlimmer noch - ich habe dich verraten, wollte dich töten. Nichts kann das entschulden!" Frodo nickte langsam. "Es ist schwer, sich selbst zu vergeben. Auch ich habe Fehler gemacht. Fast hätte ich meinen besten Freund nicht mehr erkannt, aber er hat nie Groll gegen mich gehegt. Versuch dir zu verzeihen, Boromir. Meine Vergebung hast du." Damit stand er auf und ging gebeugt zurück zum Palast. Boromir saß noch lange stumm im Garten.
Lachen wurde hinter ihm laut - er kannte es genau, denn es waren Faramir und Laietha, die da scherzend in den Garten kamen. Die junge Frau küßte ihn auf die Wange und als er ihre leuchtenden Augen sah, war auch sein Herz um einiges leichter. "Faramir sagte, heute sei Markttag! Willst du uns nicht begleiten?"
****
Einige Wochen waren seit Aragorns Krönung vergangen und schließlich traf auch Herr Elrond in Gondor ein. Boromir hielt um Laiethas Hand an. Zwar war der Elbenherr zunächst nicht angetan von dieser Bitte, aber das Zureden von Elladan und Aragorn erweichte schließlich sein Gemüt und er stimmte zu.
Als der Tag der Hochzeit vor der Tür stand, war Boromir aufgeregter als vor seinem ersten Kampf. Faramir lachte, denn noch nie hatte er seinen Bruder so erpicht darauf gesehen, daß seine Kleidung ordentlich war. "Was meinst du, Faramir?" fragte Boromir mit einem hilfesuchendem Blick. Denethors jüngerer Sohn grinste. "Bruder, nach allem was du mir erzählt hast, hat sie dich schon von Kopf bis Fuß verdreckt, zerlumpt, verschwitzt und halbtot gesehen! Du wirst ihr gefallen!" Boromir lief zum vierten Mal innerhalb weniger Minuten zum Spiegel, als sich die Tür öffnete und einer der Bediensteten hineintrat. "Mein Herr, man erwartet euch." Boromir atmete tief durch und Faramir schlug ihm aufmunternd auf die Schulter. Dann trat er hinaus in den warmen Sommernachmittag.
Aragorn bedachte seine Schwester mit einem bewundernden Blick. Nervös zupfte sie an ihrem Kleid herum. "Es ist zu eng, Dunai. Es wird bestimmt mittendrin reißen!" Am liebsten wollte sie sich in ihre Hosen und ihr Hemd werfen und davonlaufen. Aragorn legte ihr die Hände auf die Schultern. "Du siehst bezaubernd aus, Laietha." Lächelnd strich er ihr eine der wilden Locken aus dem Gesicht. Sie lief aufgeregt zum Fenster und spähte hinaus. All die Menschen, die sich vor dem Palast versammelt hatten...ihr wurde ganz schwindelig. Schnell lief sie zurück ins Zimmer und strich über ihr Kleid. Es war zu eng! Aragorn zwang sie, sich auf einen Stuhl zu setzen. Er sah ihr tief in die Augen. "Bist du dir sicher, daß du das tun willst, Aiwe? Ich meine, das ist ein großer Schritt..." Sie errötete und legte ihm die Hand auf die Lippen. "Wenn es heute eins gibt über das ich mir im Klaren bin, dann ist es, daß ich ihn heiraten will. Ich liebe ihn von ganzem Herzen." Aragorn küßte sie auf die Stirn. "Dann hab keine Angst. Ich werde die ganze Zeit bei dir sein. Du wirst wunderbar sein, Laietha." Sie fiel ihm in den Arm und er drückte sie fest an sich.
Es klopfte an der Tür und Elrond trat ein. Mit einem Lächeln streckte er seiner Tochter die Hand entgegen. "Es wird wohl Zeit, daß ich dich in seine Obhut übergebe, nicht wahr?" Laietha lachte und nahm seine Hand. Dann verließen sie den Raum, gefolgt von einem mehr als stolzem König.
****
Boromir drehte sich um, als er ihre Schritte in der großen Zitadelle hörte und hielt den Atem an. Da kam sie - in einem Kleid aus weißer Seide, die roten Haare hochgesteckt, mit einem Kranz aus weißen Blumen im Haar und so schön, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. In diesem Augenblick konnte er sein Glück kaum fassen. An ihrer Seite liefen Herr Elrond und Aragorn, beide stolz, mit ernsten Gesichtern. Es war ihm, als träumte er das alles nur und er fürchtete, jede Sekunde aufwachen zu müssen, aber als seine Augen vor Anstrengung zu tränen begannen, wußte er, daß dies die Wirklichkeit war.
Laiethas Herz schlug ihr fast bis zum Hals. Dort vorne am Altar stand Boromir - aufrecht und stolz in seiner Paradeuniform. An seiner Seite hing sein Lieblingsschwert und seine Stiefel waren so poliert, daß sich die Sonne in ihnen spiegelte. Sie fürchtete zu stolpern und der Länge nach hinzufallen, weil ihre Knie sich plötzlich in warme Butter verwandelt zu haben schienen. Dann spürte sie den festen Griff ihres Vaters an ihrem Arm und wußte, daß sie nie fallen würde, solange er an ihrer Seite war. Endlich kamen sie an Boromirs Seite an und die Zeremonie begann.
Faramir lächelte glücklich, als er seinen großen Bruder beobachtete, wie er seinen Treueschwur ablegte. Er sprach mit feierlicher Stimme und wandte seine Augen keinen Augenblick von seiner Braut. Die Hobbits rutschen aufgeregt auf ihren Plätzen hin und her, denn das war nun das zweite große Ereignis in Folge, dem sie beiwohnen durften. Davon würden sie noch ihren Kindern und Enkeln erzählen.
Selbst Elrohir konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als seine sonst so kecke Schwester mit fast brüchiger Stimme ihrem zukünftigen Mann die Treue schwor.
Laietha verstummte und der Priester weihte sie einander. Boromir ergriff ihre Hand und strich ihr beruhigend mit dem Daumen über den Handrücken. Sie sahen sich tief in die Augen und er zog sie zärtlich an sie heran. Nun waren sie Mann und Frau. Laietha begann zu strahlen und er legte seine Hand an ihren Hinterkopf. Ihre Herzen schlugen im Gleichklang und indem sich ihre Lippen trafen, brach in der Zitadelle ein lauter Jubel los. Als sie sich voneinander lösten, fielen ihre Blicke auf die Gratulanten, die sich an ihrer Seite eingefunden hatten.
"Ich wußte gar nicht, daß er so lachen kann," sagte Pippin mit einem Blick auf Boromir und in der Tat befürchteten die Hobbits, daß das Gesicht ihres Freundes zerbersten müßte vor lauter Strahlen. Er sah gar nicht mehr wie der besorgte ernste Mann aus, den sie auf ihrer Reise so oft gesehen hatten, sondern rundum glücklich.
Das Volk Gondors jubelte ihnen zu, als sie vor die Zitadelle traten. Laietha drückte seine Hand fest, aber inzwischen war nichts mehr von Furcht oder Aufregung in ihrer Miene. Sie sahen sich freudestrahlend an. Mit lauten Stimmen forderten die Menschen einen Kuß. Boromir drehte sich zu ihr und legte ihr den Arm um die Hüfte, sie dicht an sich heranziehend. Er glaubte, in ihren Augen versinken zu müssen. Laietha legte ihm die Hand auf die Wange. "Warum zögerst du noch? Wir sind verheiratet - du mußt dich nicht mehr vor meinen Brüdern fürchten."
"Ein Kuß! Ein Kuß!" johlte die Menge wie aus einer Stimme. Boromir schüttelte den Kopf und lachte. Dann fanden sich ihre Lippen und die Menschenmassen applaudierten und riefen ihnen Glückwünsche zu. Aragorn sah mit einem breiten Lächeln zu. Er glaubte schon, daß sich die zwei nie mehr voneinander lösen würden, aber schließlich wandten sie sich doch wieder dem Volk zu und machten sich auf den Weg zum Palast.
Es hatte Stunden gedauert, bis sie den Festsaal erreicht hatten und das Brautpaar sah erschöpft aber glücklich aus. Die Hochzeitsgesellschaft geleitete sie an ihren Platz an der Tafel, neben dem König.
Das Essen wurde aufgetragen und die Feierlichkeiten begannen. Faramir und Eowyn saßen nebeneinander und sahen zu den Brautleuten hinüber, die den Tanz eröffneten. Faramir griff nach ihrer Hand und sie sahen sich lange an. Er lächelte. Vielleicht würde er auch einmal so glücklich sein, wie sein Bruder heute. Eowyn erwiderte seinen Blick und er drückte ihre Hand.
****
Die Feier war weit vorangeschritten und heimlich hatte es das Brautpaar geschafft, sich aus dem großen Saal zu stehlen. Boromir nahm sie bei der Hand und führte sie durch die langen Gänge. Neugierig sah sie ihn an. "Wo willst du mit mir hin?" Er schenkte ihr ein Lächeln. "Dir etwas zeigen. Komm." Sie kicherte, ein wenig beschwipst vom Wein, und ließ sich weiterführen. Er hatte ihr in den vergangenen Wochen viel gezeigt und dennoch fühlte sie sich noch ein wenig fremd in diesem großen Gebäude. Leise öffnete Boromir eine Tür und zog sie mit sich hinein. Es war ein dunkler Raum mit einer schmalen Wendeltreppe dahinter. Ihre Augen brauchten einen Moment, um sich an das Licht zu gewöhnen. "Willst du mir endlich sagen, wo du mit mir hin willst?" grinste sie. Er drückte sie sanft gegen die Wand und verschloß ihre Lippen mit einem zärtlichen Kuß. "Nicht so ungeduldig, meine liebste Frau." Sie lachten beide über den ungewohnten Gedanken, daß sie nun verheiratet waren. Liebevoll nahm er sie an die Hand und zog sie die Treppen hoch.
Nach einigen Minuten waren sie endlich an einer verschlossenen Tür angekommen und Laietha rang nach Atem. "Ich hoffe, es war die Mühe wert," keuchte sie und Boromir lächelte als er die Tür öffnete. Wind blies ihnen entgegen und er führte sie hinaus ins Abendrot. Laietha hielt den Atem an. Der Ausblick war unglaublich. Sie konnte über das ganze Land sehen und am Horizont versank die Sonne. Sie standen auf dem höchsten Turm der Stadt, die von den letzten Strahlen der Sonne in glühendem Licht erstrahlte. Boromir legte den Arm um sie und zeigte auf einen Punkt in weiter Ferne. "Siehst du das Meer, Laietha?" Sie strengte ihre Augen an und konnte unendlich weit entfernt einen dunklen Streifen am Horizont ausmachen. Sie nickte langsam und ließ sich in seine Umarmung sinken. Sie sahen so lange in diese Richtung, bis die Sonne untergegangen war, froh, ihr Glück in diesem Moment mit niemandem teilen zu müssen.
Ein Windstoß fegte ihr den Brautkranz aus dem Haar. Er segelte über die Stadt und Laietha wünschte sich im Stillen, daß er demjenigen, der ihn fand, genausoviel Glück bringen mochte, wie sie in diesem Augenblick empfand.
Ende
Kapitel 11 - Endlich Frieden
****
Laietha machte sich am nächsten Tag gleich nach dem Aufstehen auf die Suche nach ihrem Bruder. Nur, wo sollte sie anfangen? Eine Weile lang irrte sie durch die Gänge des fremden Palastes. Einer der Bediensteten war so freundlich, ihr zu sagen, daß er sich vielleicht in seinen Gemächern befand. Sie bedankte sich und der Mann lief geschäftig davon. Dann fiel Laietha auf, daß sie nicht wußte, wo Aragorns Gemächer waren. Sie seufzte. Plötzlich legten sich ihr zwei Hände um die Hüften und sie wirbelte herum. Boromir stand lachend hinter ihr. "Hast du dich verlaufen?" Laietha nickte zögerlich. "Ich fürchte schon. Ich bin auf der Suche nach meinem Bruder." Boromir nahm sie bei der Hand. "Ich auch. Komm, wir werden ihn schon finden. Er ist bestimmt in seinem Arbeitszimmer."
Boromir sollte recht behalten. Vorsichtig klopfte Laietha und streckte ihren Kopf zur Tür rein. Zu ihrer Überraschung war Aragorn nicht alleine, sondern in ein Gespräch mit Faramir vertieft. Laietha kam hinein. "Störe ich, Majestät?" fragte sie mit einem Grinsen und die Männer schenkten ihr ein Lächeln. Sie baten sie herein und Boromir folgte ihr. Aragorn erhob sich aus seinem Stuhl. "Es ist gut, daß du kommst, Boromir. Wir haben gerade über dich gesprochen und ich wollte schon nach dir schicken lassen." Der Krieger hob skeptisch eine Braue. Das Gesicht seines Freundes sah ernst aus und Faramir machte den Eindruck, als wäre er sehr nachdenklich. "Ist etwas nicht in Ordnung?" fragte Boromir irritiert. Aragorn schüttelte den Kopf. "Oh nein. Es ist nur Folgendes - ich wollte Faramir zum Fürsten von Ithilien ernennen, aber heute vormittag kam er zu mir und..." "Ich bitte um Vergebung, mein König," fiel ihm der junge Mann ins Wort und er trat zu seinem Bruder. "Ich bin der Meinung, daß du den Posten eher verdient hättest als ich. Schließlich bist du der Ältere von uns beiden und hättest ein Anrecht darauf. Du wärst der nächste Statthalter von Gondor gewesen und da ist es ja nur recht und billig, daß dir diese Aufgabe gebührt." Aragorn nickte bedächtig. "Ja, ich möchte dich nicht übervorteilen. Als ich die Entscheidung, Faramir zu meinem Fürsten zu machen traf, dachten wir...viele Dinge haben sich gestern geändert."
Faramir beobachtete Laietha, die keine Anstalten machte, den Raum zu verlassen. Zwar war sie zum Fenster gelaufen und blickte über die Stadt, aber er konnte auch sehen, daß sie sich nichts von der Unterhaltung entgehen ließ. Er mußte schmunzeln. Sein Bruder hatte sich eine Braut mit hellem Köpfchen ausgesucht.
Boromir lachte erleichtert. "Wenn das alles ist, was euch Kopfzerbrechen bereitet!" Er ging zu Aragorn und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Deine Wahl war weise, als du meinen Bruder batest. Ja, ich bin der Ältere und ich hätte unseren Vater abgelöst, aber ich bin ein einfacher Soldat." Faramir wollte protestieren, aber Boromir brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. "Faramir ist sehr klug und bei weitem überlegter als ich. Er hat es sich redlich verdient, den Titel zu tragen." Dann blickte er zu Laietha hinüber und Aragorn lächelte verstehend. "Aber was ist mit all den Mühen, die du..." Boromir lachte seinen Bruder an. "Hab keine Sorge, Faramir. Ich bin reichlich entlohnt worden."
****
Faramir und Laietha verstanden sich prächtig miteinander und Boromir sah es gerne, daß sein jüngerer Bruder ihr die Stadt zeigte. Er selbst hatte sich ein wenig zurückgezogen, um seine Rückkehr zu begreifen. Die Stadt sah furchtbar aus - obwohl man ihm versicherte, daß alles noch schlimmer ausgesehen hatte. Es war ihm kein rechter Trost. Wer hätte gedacht, daß die festen Mauern der Stadt jemals fallen würden? Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen. Und sein Vater war tot - dem Wahnsinn verfallen hatte er versucht, seinen Bruder mit ins Grab zu reißen und die Zitadelle der Sterne war seiner Brandstifterei zum Opfer gefallen. Nichts war wie früher in seiner geliebten Stadt. Vielleicht bin ich diesmal zu lange fort gewesen. Vielleicht gehöre ich nicht mehr hier her, dachte er sich.
Boromir schlenderte in den Palastgarten. Hier sah alles wie früher aus. Die Blumen blühten und ein kleiner Springbrunnen plätscherte vor sich hin. Boromir atmete tief durch. Es tat gut, etwas Vertrautes zu finden. Auf einer Bank sah er eine kleine Gestalt sitzen und nach einigen Augenblicken erkannte er Frodo. Sein Herz blieb für einen Moment stehen. Bis jetzt hatte er sich mit dem Hobbit noch nicht auseinandersetzen müssen, aber die Schuldgefühle begannen sich zu regen und Boromir hatte das Bedürfnis, davonzulaufen. Er machte auf dem Absatz kehrt und wollte sich fortschleichen.
"Boromir!" Er hielt inne und drehte sich langsam um. Frodos Gesicht zeigte noch immer die Spuren, die seine Reise an ihm hinterlassen hatten. Seine Schuldgefühle verdoppelten sich. Der Arme - er hatte ein schweres Los zu tragen gehabt und Boromir, der sein Freund hätte sein und ihm die Last erleichtern hätte sollen, hatte es ihm noch schwerer gemacht. "Komm zu mir, mein Freund."
Boromir tat, wie man ihm geheißen hatte, auch wenn seine Beine bleischwer schienen. Auf Frodos Gesicht war keine Spur von Groll. "Setz dich, mein Freund." Daß er ihn seinen Freund nannte... Boromir senkte schuldbewußt den Kopf. "Hör zu, Frodo, es...was geschehen ist...es tut mir leid. Wenn es etwas gibt, wie ich es wieder gutmachen kann..." Er kam sich so dumm vor - selbst seine Entschuldigung klang in seinen Ohren nach Lüge und Verrat, aber der Hobbit lächelte milde. "Wir haben beide für unsere Fehler bezahlt, Boromir," sagte er und bevor der Krieger etwas erwidern konnte, streckte Frodo ihm seine Hand entgegen. Es fehlte der Ringfinger. Boromir sog scharf den Atem ein und langsam begann er zu verstehen. "Ich weiß besser als jeder andere, welch schreckliche Macht der Ring hat. Nun, da ich deine Stadt gesehen habe, kann ich dein Verlangen, das alles zu schützen verstehen."
Boromir wagte noch immer nicht, ihm in die Augen zu sehen. "Fast hätte ich durch meine Dummheit das alles zerstört, Frodo. Schlimmer noch - ich habe dich verraten, wollte dich töten. Nichts kann das entschulden!" Frodo nickte langsam. "Es ist schwer, sich selbst zu vergeben. Auch ich habe Fehler gemacht. Fast hätte ich meinen besten Freund nicht mehr erkannt, aber er hat nie Groll gegen mich gehegt. Versuch dir zu verzeihen, Boromir. Meine Vergebung hast du." Damit stand er auf und ging gebeugt zurück zum Palast. Boromir saß noch lange stumm im Garten.
Lachen wurde hinter ihm laut - er kannte es genau, denn es waren Faramir und Laietha, die da scherzend in den Garten kamen. Die junge Frau küßte ihn auf die Wange und als er ihre leuchtenden Augen sah, war auch sein Herz um einiges leichter. "Faramir sagte, heute sei Markttag! Willst du uns nicht begleiten?"
****
Einige Wochen waren seit Aragorns Krönung vergangen und schließlich traf auch Herr Elrond in Gondor ein. Boromir hielt um Laiethas Hand an. Zwar war der Elbenherr zunächst nicht angetan von dieser Bitte, aber das Zureden von Elladan und Aragorn erweichte schließlich sein Gemüt und er stimmte zu.
Als der Tag der Hochzeit vor der Tür stand, war Boromir aufgeregter als vor seinem ersten Kampf. Faramir lachte, denn noch nie hatte er seinen Bruder so erpicht darauf gesehen, daß seine Kleidung ordentlich war. "Was meinst du, Faramir?" fragte Boromir mit einem hilfesuchendem Blick. Denethors jüngerer Sohn grinste. "Bruder, nach allem was du mir erzählt hast, hat sie dich schon von Kopf bis Fuß verdreckt, zerlumpt, verschwitzt und halbtot gesehen! Du wirst ihr gefallen!" Boromir lief zum vierten Mal innerhalb weniger Minuten zum Spiegel, als sich die Tür öffnete und einer der Bediensteten hineintrat. "Mein Herr, man erwartet euch." Boromir atmete tief durch und Faramir schlug ihm aufmunternd auf die Schulter. Dann trat er hinaus in den warmen Sommernachmittag.
Aragorn bedachte seine Schwester mit einem bewundernden Blick. Nervös zupfte sie an ihrem Kleid herum. "Es ist zu eng, Dunai. Es wird bestimmt mittendrin reißen!" Am liebsten wollte sie sich in ihre Hosen und ihr Hemd werfen und davonlaufen. Aragorn legte ihr die Hände auf die Schultern. "Du siehst bezaubernd aus, Laietha." Lächelnd strich er ihr eine der wilden Locken aus dem Gesicht. Sie lief aufgeregt zum Fenster und spähte hinaus. All die Menschen, die sich vor dem Palast versammelt hatten...ihr wurde ganz schwindelig. Schnell lief sie zurück ins Zimmer und strich über ihr Kleid. Es war zu eng! Aragorn zwang sie, sich auf einen Stuhl zu setzen. Er sah ihr tief in die Augen. "Bist du dir sicher, daß du das tun willst, Aiwe? Ich meine, das ist ein großer Schritt..." Sie errötete und legte ihm die Hand auf die Lippen. "Wenn es heute eins gibt über das ich mir im Klaren bin, dann ist es, daß ich ihn heiraten will. Ich liebe ihn von ganzem Herzen." Aragorn küßte sie auf die Stirn. "Dann hab keine Angst. Ich werde die ganze Zeit bei dir sein. Du wirst wunderbar sein, Laietha." Sie fiel ihm in den Arm und er drückte sie fest an sich.
Es klopfte an der Tür und Elrond trat ein. Mit einem Lächeln streckte er seiner Tochter die Hand entgegen. "Es wird wohl Zeit, daß ich dich in seine Obhut übergebe, nicht wahr?" Laietha lachte und nahm seine Hand. Dann verließen sie den Raum, gefolgt von einem mehr als stolzem König.
****
Boromir drehte sich um, als er ihre Schritte in der großen Zitadelle hörte und hielt den Atem an. Da kam sie - in einem Kleid aus weißer Seide, die roten Haare hochgesteckt, mit einem Kranz aus weißen Blumen im Haar und so schön, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. In diesem Augenblick konnte er sein Glück kaum fassen. An ihrer Seite liefen Herr Elrond und Aragorn, beide stolz, mit ernsten Gesichtern. Es war ihm, als träumte er das alles nur und er fürchtete, jede Sekunde aufwachen zu müssen, aber als seine Augen vor Anstrengung zu tränen begannen, wußte er, daß dies die Wirklichkeit war.
Laiethas Herz schlug ihr fast bis zum Hals. Dort vorne am Altar stand Boromir - aufrecht und stolz in seiner Paradeuniform. An seiner Seite hing sein Lieblingsschwert und seine Stiefel waren so poliert, daß sich die Sonne in ihnen spiegelte. Sie fürchtete zu stolpern und der Länge nach hinzufallen, weil ihre Knie sich plötzlich in warme Butter verwandelt zu haben schienen. Dann spürte sie den festen Griff ihres Vaters an ihrem Arm und wußte, daß sie nie fallen würde, solange er an ihrer Seite war. Endlich kamen sie an Boromirs Seite an und die Zeremonie begann.
Faramir lächelte glücklich, als er seinen großen Bruder beobachtete, wie er seinen Treueschwur ablegte. Er sprach mit feierlicher Stimme und wandte seine Augen keinen Augenblick von seiner Braut. Die Hobbits rutschen aufgeregt auf ihren Plätzen hin und her, denn das war nun das zweite große Ereignis in Folge, dem sie beiwohnen durften. Davon würden sie noch ihren Kindern und Enkeln erzählen.
Selbst Elrohir konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als seine sonst so kecke Schwester mit fast brüchiger Stimme ihrem zukünftigen Mann die Treue schwor.
Laietha verstummte und der Priester weihte sie einander. Boromir ergriff ihre Hand und strich ihr beruhigend mit dem Daumen über den Handrücken. Sie sahen sich tief in die Augen und er zog sie zärtlich an sie heran. Nun waren sie Mann und Frau. Laietha begann zu strahlen und er legte seine Hand an ihren Hinterkopf. Ihre Herzen schlugen im Gleichklang und indem sich ihre Lippen trafen, brach in der Zitadelle ein lauter Jubel los. Als sie sich voneinander lösten, fielen ihre Blicke auf die Gratulanten, die sich an ihrer Seite eingefunden hatten.
"Ich wußte gar nicht, daß er so lachen kann," sagte Pippin mit einem Blick auf Boromir und in der Tat befürchteten die Hobbits, daß das Gesicht ihres Freundes zerbersten müßte vor lauter Strahlen. Er sah gar nicht mehr wie der besorgte ernste Mann aus, den sie auf ihrer Reise so oft gesehen hatten, sondern rundum glücklich.
Das Volk Gondors jubelte ihnen zu, als sie vor die Zitadelle traten. Laietha drückte seine Hand fest, aber inzwischen war nichts mehr von Furcht oder Aufregung in ihrer Miene. Sie sahen sich freudestrahlend an. Mit lauten Stimmen forderten die Menschen einen Kuß. Boromir drehte sich zu ihr und legte ihr den Arm um die Hüfte, sie dicht an sich heranziehend. Er glaubte, in ihren Augen versinken zu müssen. Laietha legte ihm die Hand auf die Wange. "Warum zögerst du noch? Wir sind verheiratet - du mußt dich nicht mehr vor meinen Brüdern fürchten."
"Ein Kuß! Ein Kuß!" johlte die Menge wie aus einer Stimme. Boromir schüttelte den Kopf und lachte. Dann fanden sich ihre Lippen und die Menschenmassen applaudierten und riefen ihnen Glückwünsche zu. Aragorn sah mit einem breiten Lächeln zu. Er glaubte schon, daß sich die zwei nie mehr voneinander lösen würden, aber schließlich wandten sie sich doch wieder dem Volk zu und machten sich auf den Weg zum Palast.
Es hatte Stunden gedauert, bis sie den Festsaal erreicht hatten und das Brautpaar sah erschöpft aber glücklich aus. Die Hochzeitsgesellschaft geleitete sie an ihren Platz an der Tafel, neben dem König.
Das Essen wurde aufgetragen und die Feierlichkeiten begannen. Faramir und Eowyn saßen nebeneinander und sahen zu den Brautleuten hinüber, die den Tanz eröffneten. Faramir griff nach ihrer Hand und sie sahen sich lange an. Er lächelte. Vielleicht würde er auch einmal so glücklich sein, wie sein Bruder heute. Eowyn erwiderte seinen Blick und er drückte ihre Hand.
****
Die Feier war weit vorangeschritten und heimlich hatte es das Brautpaar geschafft, sich aus dem großen Saal zu stehlen. Boromir nahm sie bei der Hand und führte sie durch die langen Gänge. Neugierig sah sie ihn an. "Wo willst du mit mir hin?" Er schenkte ihr ein Lächeln. "Dir etwas zeigen. Komm." Sie kicherte, ein wenig beschwipst vom Wein, und ließ sich weiterführen. Er hatte ihr in den vergangenen Wochen viel gezeigt und dennoch fühlte sie sich noch ein wenig fremd in diesem großen Gebäude. Leise öffnete Boromir eine Tür und zog sie mit sich hinein. Es war ein dunkler Raum mit einer schmalen Wendeltreppe dahinter. Ihre Augen brauchten einen Moment, um sich an das Licht zu gewöhnen. "Willst du mir endlich sagen, wo du mit mir hin willst?" grinste sie. Er drückte sie sanft gegen die Wand und verschloß ihre Lippen mit einem zärtlichen Kuß. "Nicht so ungeduldig, meine liebste Frau." Sie lachten beide über den ungewohnten Gedanken, daß sie nun verheiratet waren. Liebevoll nahm er sie an die Hand und zog sie die Treppen hoch.
Nach einigen Minuten waren sie endlich an einer verschlossenen Tür angekommen und Laietha rang nach Atem. "Ich hoffe, es war die Mühe wert," keuchte sie und Boromir lächelte als er die Tür öffnete. Wind blies ihnen entgegen und er führte sie hinaus ins Abendrot. Laietha hielt den Atem an. Der Ausblick war unglaublich. Sie konnte über das ganze Land sehen und am Horizont versank die Sonne. Sie standen auf dem höchsten Turm der Stadt, die von den letzten Strahlen der Sonne in glühendem Licht erstrahlte. Boromir legte den Arm um sie und zeigte auf einen Punkt in weiter Ferne. "Siehst du das Meer, Laietha?" Sie strengte ihre Augen an und konnte unendlich weit entfernt einen dunklen Streifen am Horizont ausmachen. Sie nickte langsam und ließ sich in seine Umarmung sinken. Sie sahen so lange in diese Richtung, bis die Sonne untergegangen war, froh, ihr Glück in diesem Moment mit niemandem teilen zu müssen.
Ein Windstoß fegte ihr den Brautkranz aus dem Haar. Er segelte über die Stadt und Laietha wünschte sich im Stillen, daß er demjenigen, der ihn fand, genausoviel Glück bringen mochte, wie sie in diesem Augenblick empfand.
Ende
