6. Kapitel: Misserfolg

Und diese Gelegenheit bekam Helena schon am nächsten Morgen. Katie war schon zu den Gewächshäusern gegangen, sie hatten Kräuterkunde bei Professor Sprout. Helena hatte einen Teil ihrer Unterlagen für den Unterricht im Gemeinschaftsraum liegen lassen und wollte sie noch schnell holen.

Als sie nun über den Gang hinüber zu den Gewächshäusern lief, bemerkte sie plötzlich einen der Weasley-Zwillinge mit einigem Abstand vor ihr. Er wollte auch gerade in den Unterricht.

Helena fragte sich, ob es Fred war. Sie rief einfach: "Fred!?"

Er drehte sich um und sie stellte fest, dass sie recht gehabt hatte - es war Fred. Erst sah er kurz fragend drein, dann erkannte er aber Helena und sein Gesicht versteinerte sich wieder.

Trotzdem ging sie auf ihn zu.

"Würdest du mir kurz zuhören?", fragte sie. "Bitte."

Fred verzog spöttisch das Gesicht, blieb aber stehen. "Was?"

"Ich möchte wissen, warum du mich so behandelst, als würdest du mich hassen? Was hab ich dir getan?" Helena hatte es gleich auf den Punkt gebracht. Was sollte sie lange drum herum reden?

Fred verdrehte die Augen. "Du hältst dich wohl für sehr wichtig, was? Entweder, du weißt, dass ich dich hasse, dann musst du auch den Grund kennen. Oder es ist eben nicht der Fall, dann hör auf, mir die Zeit zu stehlen."

"Ich weiß es, ich will aber von *dir* den Grund wissen. Wir kennen uns doch noch gar nicht, warum sollte ich dir was Böses wollen? Oder was denkst du denn bitte?"

Seine kühle, harte Miene machte Helena rasend.

Fred schnaubte. "Die kann man echt nicht helfen! Warum rede ich eigentlich mit dir?" Daraufhin drehte er sich um und ging davon.

Helena blieb verwirrt und wütend zurück. Seine Worte klangen noch in ihrem Kopf wie das Echo seiner Schritte auf dem Gang. Sie seufzte. Und was nun?

Plötzlich stand jemand hinter ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. Helena schrak zusammen und drehte den Kopf.

Es war George. Wie aus dem Nichts war er plötzlich da.

"Tut mir Leid.", sagte er. "Ich hab alles mit angehört." Er sah auch nicht glücklicher aus als Helena.

Sie lächelte kurz. "Du kannst nichts dafür, er ist ja nur dein Bruder."

"Mein Zwillingsbruder.", unterstrich George. "Ich kenn ihn eigentlich in- und auswendig."

"Menschen verändern sich manchmal, ohne dass jemand etwas davon merkt.", meinte Helena.

Er ließ den Kopf hängen. "Nicht Fred - nicht ohne, dass ich es bemerkt hätte."

"Er bedeutet dir viel, was?", fragte sie. Eigentlich kannte sie die Antwort darauf schon. George musste seinen Zwillingsbruder sehr lieben. Er tat ihr Leid, er schien vollkommen zwischen den Stühlen zu stehen. Helena konnte das gut nachvollziehen. Und sie fand es trotzdem nett von ihm, dass er nicht für Fred Partei ergriff.

"Ich weiß, dass er im Unrecht ist.", sagte George plötzlich leise. "Es scheint jedenfalls so. Doch solang ich nicht weiß, was los ist..."

"Das kann ich gut verstehen. Und es tut mir auch Leid, dass du so zwischen uns stehst. Aber ich bin froh, dass du mir auch eine Chance gibst."

Er hob den Kopf und sah sie an. "Ich mag dich. Auch wenn wir uns noch nicht lange kennen. Und das wird sicher auch Fred nicht ändern können."

Helena lächelte wieder. "Danke, das ist gut zu wissen."

"Freunde?", meinte George und hielt ihr die Hand hin.

"Freunde!", bestätigte Helena und legte ihre Hand in seine.

Es war besiegelt.

Helena hätte heulen können vor Freude. Eigentlich hatte sie großes Glück gehabt. An dieser Schule fand sie wahre Freunde. Und sie fühlte sich wohl. Nun wusste sie, warum Hogwarts so einen guten Ruf hatte.

Plötzlich fiel ihr der Unterricht wieder ein. "Professor Sprout!", rief sie.

George sah sie an. "Oh, Mist!"

Und sie liefen los. Die Kräuterkunde-Stunde hatten sie total vergessen. So kamen sie natürlich mit einiger Verspätung, aber Professor Sprout akzeptierte ihre Entschuldigung, dass Helena noch mal in den Turm gemusst hatte.

Dafür stellte Katie ihr sofort die Frage, ob was passiert war. Und als George sich zu Fred und Lee durchquetschte, wollte der Bruder auch sofort wissen, wo er gewesen war.

"Ich habe von deinem neusten Auftritt gehört.", antwortete George nur.

Fred schwieg.