15. Kapitel: Der Streit

Als Hermine am nächsten Tag von der Bibliothek auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum, in dem alle Schüler unter Aufsicht ihre Aufgaben erledigen konnten, war, kam sie an einem Raum vorbei, aus dem laute, ihr bekannte Stimmen drangen. Sie blieb stehen und lauschte. "Ich hab's von Anfang an gewusst!", rief jemand. "Ich-"

"Was denn, he? Nichts weißt du, sonst würdest du dich nicht so aufführen.", schrie eine andere Stimme zurück.

"Das geht schon seit fast dreißig Minuten so.", sagte plötzlich ein Dritter.

Hermine sah sich erschrocken um. Niemand war zu sehen.

"Hier bin ich.", kam es von rechts.

Sie sah eine ältere Frau mit grauem Haar in einem verschnörkelten Bilderrahmen winken.

"Ah." Hermine lächelte und fragte: "Um was geht es denn?"

Die Frau in dem Bild zuckte mit den Schultern. "Sie sprechen in Rätseln. Und um ehrlich zu sein, gehen sie mir langsam auf den Geist."

Hermine lauschte weiter.

"Ich hab keinen Bock mehr, dass du dich benimmst wie ein kleines Kind!", rief die zweite Stimme wieder.

"Hast du dich eigentlich mal gefragt, warum ich mich so verhalte?", erwiderte der andere.

"Warum, glaubst du, sind wir hier?", wollte der Zweite wissen.

"Du kamst mal wieder mit diesem `Wir müssen reden´-Scheiß.", entgegnete der Erste. "Früher-"

"Jaah, früher!", unterbrach der andere ihn.

"Du wärst zu mir gekommen, hättest gesagt, was dir nicht passt und wir hätten das geändert.", redete die erste Stimme einfach weiter.

"Früher hast du das auch noch getan. Fass dir mal an die eigene Nase.", meinte der Zweite nun schon etwas ruhiger.

Eine kurze Pause trat ein und Hermine überlegte schnell, ob sie gehen sollte, aber sie hörte keine Schritte und fragte die alte Dame nun leise: "Die Zwillinge?"

Die Frau zog die Augenbrauen hoch. "Mein liebes Kind, hast du eine Ahnung, wie viele Zwillinge es hier gibt?"

"Schon gut.", brummte Hermine und fand es ziemlich unhöflich von der alten Dame, schließlich gab es nur zwei Zwillingspärchen an der Schule, die Weasleys und die Partils.

"Weißt du, dass du echt komisch geworden bist?", hörte sie jetzt wieder den Zweiten in relativ ruhigem Ton.

"Das musst du ja gerade sagen!" Der andere war nicht ruhiger geworden. "Seit diese ... diese ... seit *sie* aufgetaucht ist, vergisst du alles um dich rum."

"Blödsinn! Das bildest du dir ein!", brüllte der Zweite zurück. "Wir haben die ganzen Ferien über genau das gemacht, was wir uns vorgenommen hatten und es war alles in bester Ordnung."

"Da war sie ja auch nicht da!", rief der Erste.

"Ich habe Helena aber nebenbei geschrieben, das weißt du genau.", entgegnete der andere. Nun war sich Hermine sicher, dass es sich um die Zwillinge handelte. Sie seufzte. Mal wieder ging es um Helena.

Die alte Frau im Bild schmunzelte. "Es geht um ein Mädchen?!"

Hermine seufzte erneut. "Sieht so aus."

"Weißt du was? Du hast bis morgen Zeit, dir zu überlegen, was dich wirklich stört. Dann kannst du es mir sagen. Und wenn nicht, dann schmeiß ganz schnell alle Pläne für die explodierenden Ostereier übern Haufen. Darauf habe ich dann nämlich keinen Bock mehr. Mit Kindern macht das nämlich keinen Spaß!", rief der Zweite wieder und Hermine war nun sicher, dass das George war.

Sie hörte Schritte auf die Tür zukommen.

"Tschüss!", rief sie der alten Dame im Bild leise zu und hastete schnell ein paar Stufen hoch. Sie schlug das Buch auf und tat so, als würde sie lesen, während sie langsam weiter die Treppe hinaufstieg.

Unten am Treppenende knallte die Tür zu und einer der Zwillinge rannte die Treppe hinunter.

Hermine drehte sich um. Da ging die Tür noch einmal auf und der andere Weasley kam heraus. Sie erkannte Fred. Er ließ den Kopf hängen. Hermine wartete, bis er fast neben ihr war.

"Hi Fred.", sagte sie freundlich.

Fred hob den Kopf und sah sie ein wenig erschrocken an. "Oh Hermine. Was machst du denn hier?"

"Bin auf dem Weg in den Aufenthaltsraum, war grad in der Bibliothek.", erklärte sie.

Er nickte. "Ah."

"Und was hast du in dem Raum da unten gemacht? War da noch jemand mit drin? Irgendwer ist eben nämlich die Treppe herunter gerannt.", erzählte sie, als wäre es eine der üblichen Situationen, in denen sie Fred antraf.

"Nicht so wichtig.", wehrte er ab. "Sorry, Hermine, ich muss los." Damit wollte er gehen.

"Okay.", sagte Hermine. Da fiel ihr aber noch etwas ein. "Ach, Fred?!"

Er war schon einige Stufen weiter nach oben gestiegen und blieb stehen.

"Kannst du mir bitte in den nächsten Tagen mal in Verwandlung helfen? Da bist du doch ganz gut drin und ich-" Sie sah ihn bittend an.

"Ähm - hör zu - also..." Fred pustete sich sein Pony aus der Stirn. Er war zwar sichtlich angefressen, aber er wusste, dass es unfair wäre, Hermine jetzt anzumaulen, wenn sie ihn nur um einen Gefallen bat. "Ich - ähm - werd sehen, ob ich Zeit finde. Wir haben jetzt Quidditchtraining und die kommenden zwei Tage auch. Aber ... ich werd sehen, was sich machen lässt."

"Danke.", sagte Hermine.

Fred lächelte ihr kurz zu und lief dann schnell die Treppen zum Gryffindor- Turm hoch.

Hermine aber nahm eine andere Treppe und ging langsam den Gang entlang zum Aufenthaltsraum.

Fred hatte wirklich nicht gut ausgesehen, ging es ihr durch den Kopf und zum ersten Mal tat er ihr richtig Leid. Sie hatte ihn auch nur nach der Nachhilfe in Verwandlung gefragt, um möglicherweise etwas rauszubekommen.

Im Aufenthaltsraum wollte Ron dann wissen, wo sie so lange gewesen war.

"Beeilt euch mit den Aufgaben, dann erzähl ich's euch.", flüsterte Hermine.

Nach einer halben Stunde hatten sie die Hausaufgaben zum nächsten Tag und schon einen Teil der Zaubertränke-Aufgaben erledigt und verließen den Raum.

"Und?", fragte Ron aufgeregt.

"Als ich von der Bibliothek zurück kam, hab ich einen Streit zwischen Fred und George mitbekommen.", brachte es Hermine gleich auf den Punkt.

"Oh, oh", meinte Ron. "Die streiten fast nie."

"Ich weiß, deswegen war ich auch so überrascht.", erklärte sie. "Die haben sich ganz schön angeschrien, sag ich euch."

"Kann ich mir lebhaft vorstellen.", schmunzelte Ron.

"Ron, ich find das nicht lustig!", fauchte Hermine ihn an.

"Ich auch nicht.", entgegnete Ron mit einer komischen Grimasse, weil er sich das Grinsen verkniff.

"Oh! Weißt du-", brauste Hermine auf, doch Harry unterbrach sie einfach.

"Um was ging es denn?", fragte er.

"Um was wohl? Um Freds Verhalten wegen Helena.", antwortete sie ungehalten. Dann erzählte sie aber etwas ruhiger, was sie gehört hatte.

"Jaah, da ging's zur Sache.", bemerkte Ron.

Harry warf ihm einen warnenden Blick zu und er verstummte.

"Hast du schon eine Idee, was wir tun können?", fragte Harry Hermine.

Sie schüttelte den Kopf. "Nein. Und ich fürchte, heute werden wir auch nichts mehr tun können."

Harry nickte nachdenklich.

"Ich hoffe nur", sagte Hermine, "dass Fred morgen mit George redet. Stellt euch doch mal vor, was wäre, wenn die nicht mehr miteinander reden."

Ron gluckste. "Das glaubste ja wohl selbst nicht! Es würde total langweilig werden im Haus." "Nein, Ron.", sagte Hermine scharf. "Wir hätten Krieg in Gryffindor."

"Also, jetzt übertreibst du aber.", protestierte Ron. Er fand, dass Hermine sich zu viele Sorgen machte.

"Nein, tu ich nicht.", widersprach sie ihm.

"Leute!", rief Harry dazwischen. "So kommen wir nicht weiter. Ist doch egal, was wäre - es wird nicht so weit kommen!" "Genau.", stimmte Ron zu. "Wir tun was!"

Den ganzen Abend saßen sie zusammen und überlegten. Sie kamen zu keinem richtigen Ergebnis. Nur Harry war jetzt fest davon überzeugt, zu wissen, warum Fred sich so komisch verhielt. Er sah den Grund einfach in der Eifersucht auf Helena.

"Überlegt doch mal.", meinte er. "George verbringt tatsächlich einige seiner Zeit mit Helena. Das heißt, dass er einige seiner Hobbies mit Fred zurückstellen muss."

"Das stimmt wohl.", murmelte Ron.

"Es würde einiges erklären.", stimmte auch Hermine zu.

Ron sah plötzlich auf und es schien, als wäre ihm ein Licht aufgegangen. "Jaah, natürlich! Der Grund, warum Fred so zögert, George die Meinung zu geigen, liegt daran, dass er sich nicht traut. Es wird ihm peinlich sein, zuzugeben, dass er eifersüchtig ist. Vor allem auf ein Mädchen." Er musste schmunzeln.

"Das ist ein guter Gedanke!", lobte Hermine ihn und klang dabei ein bisschen wie Professor McGonagall.

"Gut.", sagte Harry nun. "Können wir vielleicht morgen weiter überlegen? Ich muss echt ins Bett."

"Ja, vielleicht fällt uns morgen was ein.", nickte Hermine.

Sie wünschten sich eine gute Nacht und die Jungen verschwanden in ihren Schlafraum.

Hermine ging noch kurz zu Helena, die mit ihren Freundinnen in einer Ecke saß. Sie sagte auch ihr gute Nacht und ging auch schlafen. Ein bisschen erleichtert war sie nun doch, nachdem sie den ganzen Tag nachgedacht hatten und zu keiner richtigen Lösung gekommen waren. Wenigstens konnten sie jetzt mutmaßen, wo Freds Problem lag.