Kapitel Drei - Kingsleys Erzählung

"Kingsley?" wiederholte Remus. "Bist du sicher?"

"Natürlich nicht", sagte Mrs Weasley ungeduldig. "Aber gerade erst neulich haben er und Hagrid über Tierwesen geredet, und er erwähnte, dass sein Vater einmal von einer Chimära angefallen wurde. Er hat allerdings nicht gesagt, dass er dabei gestorben ist. Aber trotzdem, wie viele schottische Zauberer glaubst du sind in diesem Jahrhundert von Chimäras angefallen worden?"

"Nicht viele", sagte Ron grinsend.

"Du solltest ihn holen, Remus." Sogar Mrs Weasley zeigte jetzt alle Anzeichen von Aufregung. "Ich frage mich nur, warum er uns nie davon erzählt hat."

"Ich schätze, es ist Kingsley nicht erlaubt, darüber zu reden", sagte Remus nachdenklich. "Vielleicht sind da trotz allem irgendwelche verbotenen Praktiken mit im Spiel."

"Das glaube ich nicht", widersprach Hermine. "Ich glaube, er darf nicht darüber sprechen, weil sonst jeder losziehen und versuchen würde, seine Toten zu erwecken, auch die, deren Tod rechtens war - und ich glaube, diese zu erwecken würde ganz furchtbar schief gehen."

"Da könntest du recht haben, meine Liebe", sagte Mrs Weasley. "Das würde erklären, warum die Muggel sich so sehr vor den lebenden Toten, die sie 'Zombies' nennen, fürchten. Vielleicht gab es mal ein paar Leute, die ihre Toten erweckt haben, die dann als Monster zurückkamen, weil sie in ihrer Ruhe gestört wurden."

"Aber woher wissen wir, dass Sirius nicht als ein wie-heißt-er-nochmal zurückkommt?" fragte Ginny mit weit aufgerissenen Augen.

"Sein Tod war auf jeden Fall unerwartet und ich bezweifle sehr, dass er rechtens war", sagte Remus langsam. "Außerdem - siehst du nicht die Parallelen zwischen seinem Fall und dem von Saturnus McGraw? Beide waren wie ein Vater für einen Jungen, den sie zurückließen, und beide kämpften gegen den bösesten Zauberer ihrer Zeit - zwei gute Gründe, um die Rechtmäßigkeit ihres Todes anzuzweifeln. Es kann doch nicht rechtens sein, einem Jungen ein zweites Mal den Vater zu rauben..."

Harry sah zu Boden und wischte heimlich eine Träne fort. Er fühlte eine Hand auf seinem Arm, die ihn zärtlich streichelte.

"Unsere Chancen stehen gut", sagte Ginny ruhig. "Wir rufen Kingsley und hören uns seine Geschichte an, wenn er sie uns erzählt. Danach werden wir viel mehr wissen."

"Ich halte das nicht aus, Ginny", flüsterte Harry. "Ich habe gerade erst begonnen, meinen Kummer zu bewältigen, und jetzt gibt es neue Hoffnung... wenn sie sich als falsche Hoffnung herausstellt, glaube ich nicht, dass ich es noch länger aushalte."

"Hör auf damit", flüsterte Ginny und nahm ihn in die Arme. "Hör auf, so zu reden. Wir wissen es bald, hab Geduld..."

****

Kingsley apparierte mit einem lauten Knall mitten im Wohnzimmer. Als er die ganzen ernsten Gesichter sah, die zu ihm aufsahen, gab er einen unsicheren Laut von sich.

"Was ist los, Remus?" fragte er. "Warum hast du mich zurückgeholt?"

"Kingsley, es gibt etwas, das wir dich fragen müssen", sagte Remus. "Willst du dich nicht setzen?" Das könnte jetzt ein kleiner Schock für dich sein."

Kingsley lachte. "Das muss dann aber ein richtiger Schlag ins Gesicht sein", sagte er, während er sich auf Petunias bestes Sofa setzte. "Es gibt nicht viel auf der Welt, das mich schocken kann."

"Es geht um deine Vergangenheit..."

"Meine Vergangenheit?" Kingsley wirkte alarmiert.

"Etwas, das in deiner Kindheit geschah." Remus sprach vorsichtig und beobachtete Kingsley scharf.

Kingsley wurde blass. "Was kannst du schon über meine Kindheit wissen, Remus?" fragte er scharf.

Remus trat neben Harry und legte ihm eine Hand auf die Schulter, wieder auf diese beiläufige Art wie Sirius es immer getan hatte. "Es gibt vieles, was ich weiß, Kingsley", sagte er, "obwohl ich zugeben muss, dass ich das hier von Molly weiß." Er nickte kurz in Mrs Weasleys Richtung. "Ich kannte nur die Geschichte - sie wusste, dass du es warst."

"Dass ich wer war?" Kingsley klang ungeduldig, aber Harry sah nun, dass seine Augen flackerten und schnell von links nach rechts wanderten. Kingsley sah kein bisschen entspannt aus.

"Der Adoptivsohn von Saturnus McGraw", sagte Remus.

Kingsley starrte ihn an. Er versuchte gar nicht erst, zu widersprechen. "Woher weißt du das?" war alles, was er herausbrachte.

"Ist doch egal." Remus kam näher und zog Harry mit sich. "Habe ich recht?"

Kingsley sah zu Boden. "Ja, hast du", sagte er, jetzt ruhig.

"Nun ja, dann hast du vielleicht schon erraten, warum wir dich gerufen haben..."

Kingsley sah auf und sah Harry direkt an. "Du weißt nicht, was du tust", sagte er. "Das ist kein Spaß, Harry. Vergiss es, bitte. Die Toten zu erwecken ist nicht erlaubt. Ich weiß, dass du Sirius wie verrückt vermissen musst, aber es ist es nicht wert, dein Leben und das von jedem, der in deiner Nähe ist, zu riskieren."

"Mein Leben zu riskieren?" fragte Harry. "Weißt du nicht, dass ich alles tun würde, um Sirius zurückzubringen? Wenn es gefährlich ist, dann trete ich der Gefahr mit Freuden entgegen. Es kann nicht tödlich sein... schließlich bist du immer noch hier, oder?"

"Bei mir war das was anderes." Kingsley sah ihm in die Augen, und plötzlich änderte sich sein Gesichtsausdruck. Er starrte ihn an, und Harry wusste, dass er jetzt die Veränderung in seinen Augen bemerkt hatte.

"Deine Augen", sagte Kingsley heiser. "Sie haben ihre Farbe geändert."

"Genau wie meine", sagte Remus.

"Und unsere auch", fügte Ron hinzu und machte eine Geste zu Ginny, Hermine und seiner Mutter.

"Das Phänomen ist dir bekannt, oder, Kingsley?" sagte Remus. "Es ist auch in deiner eigenen Familie aufgetreten."

"Ja, das ist es." Kingsley holte tief Luft. "Bevor ich euch meine Geschichte erzähle, Remus, wie viel wisst ihr denn schon?"

"Eigentlich haben wir das meiste davon erraten", sagte Remus entschuldigend. "Wir wissen, dass Saturnus McGraw starb, als die Chimära ihn anfiel, und dass du es irgendwie schafftest, ihn zurückzubringen. Wir nehmen an, dass das möglich war, weil es nicht sein Schicksal war, zu dem Zeitpunkt zu sterben - ihm war bestimmt, viel länger auf der Erde zu bleiben und das zu tun, wozu er dort war. Deshalb konntest du es tun. Wir nehmen auch an, dass du nicht darüber sprechen durftest, weil sonst andere versuchen würden, ihre Toten zu erwecken, wahrscheinlich mit fatalen Folgen."

"Das stimmt", sagte Kingsley.

"Die Veränderung unserer Augenfarbe bedeutet, dass wir einen Kummer ertragen, den wir eigentlich nicht verspüren sollten. Unsere Seelen können den Schmerz nicht ertragen, weil sie es niemals sollten, nicht hier und jetzt."

Kingsley nickte. "Das nehme ich auch an. Er hat es mir nicht erklärt..."

"Er?" fragte Remus. "Wer ist er?"

"Ich komme gleich dazu. Lass mich nur auf meine eigene Art anfangen..." Kingsley setzte sich gerade hin. Seine schwarzen Fäuste öffneten und schlossen sich nervös.

"Ich wurde 1914 von Saturnus McGraw adoptiert", begann er. "Ich war drei Jahre alt. Meine Eltern waren tot; umgebracht hatte sie Nero Redsnake, der so was wie der Vorgänger von Ihm, der nicht genannt werden darf war. Nicht so machtvoll und grausam wie er, aber er war böse genug. Meine Eltern waren Auroren, und sie waren ihm zu nahe gekommen. Nun, ich war plötzlich eine Waise, also steckte man mich in ein Kinderheim. Eines für Zauberer natürlich. Aber ich blieb dort nur für drei Wochen, dann kam Saturnus und nahm mich mit. Er adoptierte mich, und er war der beste Vater, den ich mir hätte wünschen können. 1927, als ich sechzehn war, wurde er von dieser entlaufenen Chimära angefallen. Er war sofort tot... Ich könnte mich weder verabschieden noch konnte ich ihn begraben. Sein Körper war... fort."

"Noch eine Parallele", flüsterte Remus zu sich selbst.

"Ich konnte es nicht ertragen. Ich verbrachte Wochen über Wochen allein in meinem Zimmer, zunächst unfähig zu weinen, dann weinte ich mir die Augen aus. Ich hatte kaum Freunde, also gab es nicht viel, was mich am Leben festhielt. Ich wollte noch nicht einmal zurück nach Hogwarts, obwohl ich wusste, dass Saturnus das gewollt hätte. Als ich endlich wieder bereit war, andere Leute zu treffen, begann ich, nach Wegen zu suchen, um mit Saturnus in Verbindung zu treten. Um diese Zeit bemerkte ich auch, dass meine Augen ihre Farbe geändert hatten. Wie ihr sehen könnt, sind sie von einem sehr dunklen Braun. Aber zu der Zeit waren sie beinahe haselnussbraun. Und sie sahen kalt und leer aus... genau wie deine, Harry. Nun, ich versuchte fast alles. Ich fragte den Fast Kopflosen Nick, ob es irgend eine Chance gab, dass Saturnus als Geist zurückkehren würde, aber er sagte nein. Ich fragte Professor Sonnenstrahl, die damals Wahrsagen unterrichtete, ob sie Saturnus' Geist für mich channeln könnte, so dass ich wenigstens mit ihm reden konnte. Sie sagte, sie könne das nicht. Ich versuchte, an einen Zeitumkehrer zu kommen, aber natürlich gab mir niemand einen. Jeder wusste, was ich dann versuchen würde, und vielleicht weißt du, dass es sehr gefährlich ist, die Vergangenheit zu verändern... außerdem war es zu lange her. Ich hätte mich zwei Monate lang verstecken müssen, da ich ja dann zweimal existiert hätte. Ich las jedes Buch in der Bibliothek, das das Wort 'Auferstehung' im Index hatte, doch ich fand nichts Brauchbares. Ich nahm sogar etwas Vielsaft-Trank und schlich mich in den Schlafsaal der Slytherins, da ich wusste, dass einige von ihnen Bücher über die Dunklen Künste besaßen, und ich überlegte, ob es vielleicht in den Dunklen Künsten einen Weg gab, die Toten zurück ins Leben zu bringen. Leider fand ich nur Anweisungen dafür, einen lebenden Toten zu erschaffen, eine sehr dumme und hässliche Kreatur, meistens schon halb verwest, die sich von den Gehirnen der Lebenden ernährte. Natürlich wollte ich nicht, dass Saturnus als Monster zurückkehrte. Und dann, während der Weihnachtsferien, entdeckte ich ein Buch bei einem Muggelfreund von mir. Es ging um Engel. Die Muggel lieben Engel. Dieses Buch war so eine Art Enzyklopädie - man konnte den Namen irgendeines Engels nachschlagen, und da fand man dann seinen Rang und seine Funktionen aufgelistet. Ich blätterte das Buch einfach nur aus Langeweile durch, als mir ein Name ins Auge sprang: Yehudiah. Ich weiß nicht, warum er mir auffiel, aber ich musste einfach wissen, wofür er verantwortlich war. Also las ich weiter und fand heraus, dass Yehudiah der Engel der Trauer war, und dass es ein Ritual gab, ihn anzurufen, und dass er dann herabsteigen und einen trösten würde. Ich lieh mir das Buch und nahm es mit nach Hause, und am nächsten Tag versuchte ich, Yehudiah zu rufen. Meine Augen waren zu der Zeit schon beinahe grau geworden und verloren immer noch an Farbe. Ich weiß jetzt, dass es sehr knapp war - hätte ich so weitergemacht wie vorher, wäre meine ganze Seele bald gestorben. Ich führte das Ritual durch und hatte auch wirklich das Gefühl, dass der Engel mir zuhörte, aber nichts passierte. Ich war enttäuscht, obwohl ich schon halb befürchtet hatte, dass nichts passieren würde. Schließlich war es ein Buch, das von einem Muggel für Muggel geschrieben worden war, und was wissen die schon von Ritualen? Also ging ich ins Bett. Aber in dieser Nacht träumte ich von einer wunderschönen, strahlenden Gestalt, die zu mir in einer fremden Sprache sprach, die ich nicht verstehen konnte. Aber als ich am nächsten Tag aufwachte, wusste ich plötzlich, was ich tun musste. Ich wusste, dass ich von Yehudiah geträumt hatte, und dass er mir gesagt hatte, was ich tun konnte. Am gleichen Tag zog ich los, um ihn zu suchen. Ich musste niemanden fragen oder den Engel noch einmal heraufbeschwören - das Wissen, was ich tun musste, war einfach da in meinem Kopf."

"Also was war es, was du getan hast?" fragte Mrs Weasley eifrig.

Kingsley sah sie an. "Das kann ich nicht sagen", sagte er. "Ich weiß, dass ich durch die Hölle gegangen bin. Ich weiß, dass ich den Engel am Ende des Weges traf und er mich zu einem anderen Ort führte. Ich weiß, dass wir dann zu dem Ort zurückkehrte, an dem Saturnus gestorben war. Und ich weiß, dass Saturnus, als ich am nächsten Tag aufwachte, neben mir saß. Aber ich kann euch nicht sagen, was genau ich auf dem Weg getan habe. Ich wusste es in dem Moment, als ich es tat, und eine Sekunde später war die Erinnerung daran verblasst. Ich schätze, dass das auch passiert, damit niemand mich fragen kann und dann tut was ich getan habe. Es tut mir leid, Harry, ich kann dir nicht weiterhelfen."

Harry war wieder den Tränen nahe. Er hatte all seine Hoffnung auf Kingsley gesetzt.

"Wart ab", sagte Hermine, die Harry beobachtet hatte. "Das heißt nicht, dass wir aufgeben müssen. Vielleicht gibt es dafür kein Muster oder Schema. Vielleicht ist der Weg jedes Mal ein anderer. Du musst den Engel vielleicht selber rufen, Harry, und was er dir erzählt, ist vielleicht etwas völlig anderes als das, was er Kingsley erzählt hat."

"Das glaube ich auch", sagte Ginny. "Es ist das Schicksal von jemand anders, also finde ich es ziemlich logisch, dass es auch ein anderer Weg ist."

"Was war das für ein Buch, in dem du Yehudiah gefunden hast, Kingsley?" fragte Hermine. "Hast du es behalten?"

"Ich denke, ja", sagte Kingsley. "Ich erinnere mich nicht daran, es meinem Freund zurückgegeben zu haben... wir waren alle zu aufgeregt über Saturnus' Rückkehr..."

"Dann geh und hol es, Mann", sagte Ron atemlos. "Worauf wartest du?"

"Ich wollte nur..." begann Kingsley, aber Hermine unterbrach ihn.

"Hör zu, Kingsley, du kannst doch gar nicht falsch machen, stimmt's? Du leihst Harry einfach nur ein Muggelbuch, nichts weiter."

"Ich komm gleich wieder", sagte Kingsley und disapparierte ohne weiteren Kommentar.

****

Harry, Remus, Hermine, Ron, Ginny und Mrs Weasley sahen sich an.

"Glaubt ihr wirklich, dass es funktioniert?" fragte Ron leise.

"Es ist einen Versuch wert", sagte Mrs Weasley. Sie klang nicht überzeugt. Harry bemerkte, dass sie versuchte, einen Blick mit Remus zu tauschen, aber Remus sah sie nicht an.

'Er glaubt es wirklich', erkannte Harry. Er selbst fühlte sich sehr komisch. Einerseits wünschte er sich verzweifelt, dass der Schmerz aufhören sollte, aber andererseits konnte er nicht wirklich glauben, dass es funktionieren würde. Magie war eine Sache, aber Engel waren nicht wirklich magisch. Sie waren religiöse Figuren, und Harry hatte nie viel über Religion gewusst. Die Dursleys gingen nie in die Kirche, nicht einmal an Weihnachten, also tat Harry es auch nicht. Als er gerade erst von der Zaubererwelt erfahren hatte, hatte er überlegt, ob Engel vielleicht ein Teil von ihr waren. Aber dann hatte er erkannt, dass sie etwas waren, dass außerhalb der zwei Welten, die er kannte, existierte. Er hatte nie weder richtig an sie geglaubt, noch ihre Existenz bezweifelt, und jetzt war er drauf und dran, einen zu beschwören. Wen würde das nicht verwirren?

"Wage den Versuch", sagte Remus leise zu Harry, als er bemerkte, dass Harry darüber nachdachte. "Bitte."

Harry sah Remus an. Er sah so ruhig aus wie immer, doch seine Augen flehten. Harry konnte ihn voll und ganz verstehen; wenn es irgend jemanden gab, der sich Sirius' Rückkehr so sehr wünschte wie Harry, musste es Remus sein.

"Natürlich werde ich das", sagte er, und der Kloß in seinem Hals wurde wieder größer. Er hatte gerade erst erkannt, dass ihm hier eine wirkliche Chance geboten wurde, sein Leid und das seiner Freunde zu beenden. "Natürlich, Remus."

Eine Träne rollte Remus' Wange hinunter, und er umarmte Harry. Harry hielt ihn fest und dachte wieder daran, dass, wenn seine Eltern nicht gestorben wären, Remus und Sirius wahrscheinlich wie ältere Brüder für ihn gewesen wären.

"Kingsley braucht lange", sagte Mrs Weasley nachdenklich. "Was ist daran so schwierig, ein Buch zu finden?"

"Er ist gleich wieder da, Mom", sagte Ron.

Er hatte den Satz kaum beendet, als Kingsley wiederkam. Er trug ein Buch unter seinem Umhang.

"Hier ist es", sagte er einfach und hielt es Harry hin.

Harry zögerte. Er konnte das alles immer noch nicht glauben.

Hermine seufzte, trat vor und nahm das Buch. Sie blätterte durch die Seiten und quietschte auf.

"Meine Mom hat das auch", sagte sie. "Sie ist etwas esoterisch veranlagt, wisst ihr... aber ich hätte mir nie träumen lassen, dass diese Rituale wirklich funktionieren!"

"Ich glaube nicht, dass sie funktionieren, wenn ein Muggel sie versucht", sagte Kingsley und zuckte die Achseln.

"Nimm es, Harry", sagte Hermine leise und schob das Buch in Harrys Hand.

"Du solltest alleine sein, wenn du das Ritual durchführst", sagte Kingsley. "Yehudiah mag keine Leute, die abgelenkt sind. Es lässt ihre Bitte weniger wichtig erscheinen."

"Ich hatte nicht vor, es auf einer Party zu versuchen", sagte Harry wütend. Dann drehte er sich zu Mrs Weasley um. "Ich bezweifle, dass ich das hier machen kann", sagte er. "Man weiß nie, wann mein Cousin mir vielleicht dazwischenfunken will... und wenn Yehudiah mich auch auf eine Reise schickt, dann würde ich Ärger mit ihnen bekommen..."

"Natürlich kommst du mit uns zum Fuchsbau", sagte Mrs Weasley entschlossen. "Ich wollte dir das sowieso vorschlagen. Du bist lange genug hier geblieben. Geh nach oben und hol deine Sachen. Ich werde mich darum kümmern, dass deine Tante und dein Onkel wissen, wo du bist."

"Das wird ihnen egal sein", sagte Harry. "Sie lassen mich nur bleiben, weil sie müssen - sonst würden sie meinen Tod oder Schlimmeres verursachen..."

"Ich werde es sie trotzdem wissen lassen", sagte Mrs Weasley.

"Komm, Harry, wir packen deine Sachen", sagte Ron. Er nahm Harry am Arm, und zusammen gingen sie die Treppe hoch und betraten Harrys Zimmer.

Ron rümpfte die Nase. "Du solltest etwas frische Luft reinlassen", sagte er. "Es ist ziemlich, na ja, stickig."

Harry grinste schwach. "Willst du Frühstück?" fragte er und deutete auf sein unberührtes Essen.

"Nee, danke." Ron grinste. "Ich werde Hedwig füttern. Sie sieht hungrig aus."

"Hedwig!" Harry rannte zum Käfig hinüber und öffnete ihn. Hedwig schuhuhte, hob ab und landete auf Harrys Schulter. Er streichelte sie.

"Tut mir leid, dass ich dich allein gelassen habe", sagte er. "Ich hatte eine sehr schwere Zeit, weißt du."

Hedwig schuhuhte wieder, zwickte ihn zärtlich mit dem Schnabel ins Ohrläppchen und flog dann hinüber zu Ron, der ihr ein paar von seinen Eulenkeksen gab.

Harry öffnete seinen Koffer und begann, seine Kleider und Bücher hineinzuwerfen. Ron half ihm, und zehn Minuten später schlossen sie den Koffer und wuchteten ihn nach unten. Harry rannte noch einmal nach oben, um Hedwigs Käfig und den Feuerblitz zu holen, den er am letzten Tag des alten Schuljahren von Dumbledore zurückerhalten hatte. Sein lebenslanges Quidditchverbot war für null und nichtig erklärt worden, genau wie die ganzen pädagogischen Anordnungen, die Professor Umbridge eingeführt hatte.

Mrs Weasley wartete am Kamin auf sie. Sie öffnete gerade eine Plastiktüte, die, wie sich herausstellte, mit Flohpulver gefüllt war. Als Harry und Ron den Kamin erreichten, hielt sie Ron die Tüte hin. "Nimm seinen Koffer, in Ordnung, mein Lieber?"

"Na klar", sagte Ron und seufzte. Er nahm eine Handvoll Flohpulver, warf sie ins Feuer, rief "Zum Fuchsbau!" und trat mit Harrys Koffer in der Hand ins Feuer. Eine Sekunde später war er verschwunden.

Hermine, Ginny und Remus folgten, dann trat Harry vor. Er mochte es nicht, per Flohpulver zu reisen, aber wenigstens ging es recht schnell. In zwei Jahren würde er apparieren können, dann würde er das Flohnetzwerk nicht länger brauchen. Er warf seine Handvoll ins Feuer, umklammerte Hedwigs Käfig und seinen Feuerblitz und trat ins hinein. Sofort begann er, um seine eigene Achse zu rotieren, und damit ihm nicht schwindelig wurde, schloss er die Augen. Dann hörte es auf, und Harry konnte gerade noch verhindern, dass er aus dem Kamin der Weasleys fiel. Er trat heraus und stolperte prompt über seinen Koffer, den Ron direkt vor dem Kamin stehen gelassen hatte. Dieses Mal fiel er wirklich hin, und während er noch versuchte seine Arme und Beine zu entwirren, fühlte er plötzlich vier Arme um sich und hörte ein lautes, ziemlich unharmonisches Singen: "Potter ist zurück! Potter ist zurück!"

"Ja, bin ich", nuschelte er.

Fred und George zogen ihn auf die Füße.

"Es tut so gut, dich zu sehen, Mann", sagte George und strahlte Harry an.

"Unser Wohltäter", fügte Fred hinzu. "Hast du den Artikel über uns im Tagespropheten gelesen?"

"Tut mir leid, das zu sagen, aber nein", sagte Harry. "Ich habe die Zeitung in den letzten Wochen nicht gelesen."

"Geh und hol sie", sagte Fred zu George. "Er muss das einfach sehen."

George nahm seinen Zauberstab. "Accio Tagesprophet, Ausgabe vom letzten Mittwoch!"

Die Zeitung kam vom Regal geflogen, und George fing sie auf.

"Das hast du's", sagte er und schob sie unter Harrys Nase. Aber Harry schüttelte den Kopf.

"Kann ich mir den ausleihen?" fragte er. "Ich habe gerade andere Dinge im Kopf..."

"Na klar." Harry hätte schwören können, dass George leicht rot wurde - obwohl das so gut wie unmöglich war. Er hatte nie einen der Weasley- Zwillinge erröten sehen.

"Ron hat's uns schon erzählt", sagte Fred. "Wir haben alle verfügbaren Finger und Zehen für dich gekreuzt, Harry. Er fehlt uns auch."

"Danke." Harry nahm sein Gepäck und ging vom Kamin weg, wo Mrs Weasley jeden Moment ankommen musste. "Ich bring nur schnell das Zeug rauf in Rons Zimmer. Bin gleich wieder da."

"Wir sehen uns", rief Fred.

Harry ging nach oben. Er hörte Stimmen in Rons Zimmer und als er die Tür öffnete, drehte sich jeder zu ihm um.

"Pack das Zeug einfach da hin", sagte Ron und trat ein paar Schritte zur Seite. Harry setzte seinen Koffer und seinen Besen ab. Dann öffnete er Hedwigs Käfig und stellte ihn auf das Regal neben den von Pigwidgeon.

"Willkommen zurück, Harry", sagte Bill, der auf Rons Bett gesessen hatte und jetzt aufstand.

Rons Zimmer war ziemlich klein, so dass es mit Ron, Hermine, Ginny, Harry, Bill, Remus und Arthur sehr überfüllt wirkte.

"Also du denkst, du kannst Sirius zurückbringen... mit Hilfe eines Muggelbuchs?" Arthur konnte seinen Enthusiasmus nicht ganz verbergen. "Wärst du so nett, es mit mal zu leihen, wenn du es nicht mehr brauchst?"

"Es gehört Kingsley, nicht mir", sagte Harry, der einfach grinsen musste.

"Und anscheinend ist es nicht ganz harmlos", fügte Hermine mit einem warnenden Blick auf Arthur hinzu. "Kingsley sagte so was..."

"Ach, komm schon, Hermine", sagte Ron. "Dad wird schon nicht versuchen, seinen Großvater wieder aufzuwecken."

"Mach dich nicht darüber lustig", sagte Remus warnend. "Du weißt nie, wer zuhört. Wenn du zu unvorsichtig mit der Angelegenheit umgehst, dann denkt Yehudiah vielleicht, dass du das Glück, den Verstorbenen wieder zu sehen, nicht verdienst."

"Aber das wäre doch total unfair", widersprach Ron. "Wenn ich mich lustig mache, kann Harry doch nichts dafür. Er kann Harry nicht das verweigern, worum er bittet, nur weil ich..."

"Lass es", sagte Bill ruhig. "Okay?"

"Okay." Ron hielt für die nächste halbe Stunde den Mund.

****

"Ich nehme an, dieses Mal ist dir ein eigenes Zimmer lieber." Mrs Weasley wartete nicht auf Harrys Antwort, sondern zeigte ihm eine weitere Tür zwischen den Zimmern von Ginny und Remus.

Harry widersprach nicht. Es war wohl wirklich besser, wenn niemand während des Rituals und den Vorbereitungen dazu in der Nähe war. Und wer wusste, wo er danach hingehen musste...