Kapitel Neun -

Die Rückkehr des Verlorenen

"Wie sind wir hierher gekommen?"

Harry sah sich verwirrt um. Eben waren sie noch vor der Höhle gewesen, aber jetzt standen sie auf einmal in genau dem Raum in der Mysteriumsabteilung, wo Sirius sein letztes Duell gefochten hatte. Harry sah hinunter auf den Bogengang und den Schleier, und sein Innerstes krümmte sich. Frischer Schmerz stieg in ihm auf, als er den Kampf zwischen Sirius und Bellatrix Lestrange noch einmal sah. Er versuchte, die Erinnerung abzuschütteln, aber er konnte es nicht. Jetzt, wo er an den Ort des Geschehens zurückgekehrt war, schien alles doppelt so deutlich wie vorher zu sein, und egal wie sehr er es auch versuchte, er konnte es nicht vergessen. Und das war nicht alles. Das gleiche Gefühl, das er schon in der Höhle gehabt hatte, überkam ihn von Neuem. Das Gefühl, dass etwas Altes ihn beobachtete, tobend vor Wut...

Yehudiah drehte sich zu ihm um.

"Mach dir keine Sorgen", sagte er. "Was du fühlst ist der Zorn des Schicksals. Hier war es, wo sein Plan durchkreuzt wurde."

"Oh, richtig..." sagte Harry nervös. "Äh... das hab ich mir schon gedacht..."

"Mach dir keine Sorgen", wiederholte Yehudiah. "Du weißt, dass es dir nichts antun wird."

"Oh... ja... klar..." Harry war nicht überzeugt - was, wenn es sein Schicksal war, vom Schicksal getötet zu werden, das wütend auf jemanden war, der jemandes Schicksal verändert hatte... aber das war Blödsinn, dachte Harry dann - wenn das Schicksal ihn hätte umbringen wollen, dann hätte es ihn schon vorher erledigt, als er in der Höhle gewesen war... außer es war sein Schicksal, bei dem Versuch zu sterben, die Dinge für das Schicksal wieder in Ordnung zu bringen... Harry verlor den Faden bei diesem komplizierten Gedanken. Vielleicht war er besser dran, wenn er aufhörte, über das Schicksal nachzudenken und sich auf Yehudiah konzentrierte.

Der Engel stand vor dem Schleier und bedeutete Harry, näher zu kommen. Harry holte tief Luft und ging zum Schleier hinüber. Eine Träne rollte seine Wange hinunter, als er sich wieder einmal daran erinnerte, wie Sirius hindurch gefallen, verschwunden war...

"Kannst du sie hören?" fragte Yehudiah.

Harry hörte genau hin. Da war ein Flüstern, das von der anderen Seite des Schleiers kam... das gleiche, was er schon früher gehört hatte, und Luna ebenso... die Toten waren da, gleich hinter dem Schleier, und plötzlich verspürte er den Drang, hin zu eilen, den Schleier zur Seite zu ziehen, die Hand auszustrecken, zu spüren, wie Sirius sein Handgelenk umklammerte, und seinen Paten aus diesem Nichts jenseits des Schleiers herauszuziehen.

Seine Füße bewegten sich, ohne dass er etwas tat. Er wurde schneller... er konnte nicht anhalten, aber das war ihm egal... gleich würde er den Schleier erreichen... ihn zur Seite reißen...

"Halt!"

Harry blieb mit einem Ruck stehen, kaum einen Meter von dem Schleier entfernt. Er erkannte plötzlich, dass er geradewegs hindurch gerannt wäre, wenn Yehudiah ihn nicht gestoppt hätte. Der Schleier übte einen seltsamen Bann auf jeden aus, der ihm nahe kam. Harry fiel ein, wie Ginny auf ihn reagiert hatte. Dankbar drehte er sich zu Yehudiah um.

"Was ist der Schleier?" fragte er.

Yehudiah lächelte traurig. "Das weiß niemand so wirklich", sagte er. "Er wurde 1177 von dem Oberhaupt der Mysteriumsabteilung, dem Minister für mysteriöse Angelegenheiten, entworfen. Er ist ein Tor in eine andere Dimension. Wenn jemand hindurchgeht, verschwindet sein Körper, und seine Seele wird ins Nichts geschleudert. Er mag vielleicht nach einer Weile den Weg dorthin zurück finden, wo es begonnen hat - deshalb kann man sie hinter dem Schleier hören -, aber er kann niemals in eure Welt zurückkehren. Deshalb kann man ebenso gut sagen, die Person, die hinter dem Schleier weilt, sei tot - denn was ist der Tod, wenn nicht die Trennung von Körper und Seele ohne jede Möglichkeit, zurückzukommen?"

Harry schwieg für eine Weile. "Du meinst, Sirius war nicht tot... nicht wirklich... die ganze Zeit?" fragte er. "All diese Leute hinter dem Schleier... sie..."

"Sie sind tot", unterbrach Yehudiah ihn sanft. "Der einzige Unterschied ist der, dass man sie manchmal hören kann. Aber für eure Welt sind sie tot. Ihre Körper sind fort. Ihre Seelen bleiben hinter dem Schleier, wenn sie jemals den Weg dorthin zurück finden, aber wenn du versuchst, mit ihnen zu sprechen, dann können sie dich nicht hören. Und du kannst sie nicht sehen, selbst wenn du den Schleier zur Seite ziehen könntest."

Harry wurde blass. "Aber das... das ist die Hölle", flüsterte er. "Das muss die Hölle sein... oder zumindest das Fegefeuer... sie sitzen hier fest... ganz alleine... und doch wissen sie noch wer sie sind und wo sie herkommen, und sie erinnern sich an alle, die sie geliebt haben, und wie sehr sie sie vermissen..."

"Sie müssen nicht für ewig dort bleiben", sagte Yehudiah. "Schließlich finden sie ihren Weg und gehen weiter."

"Und Sirius..."

"Still", sagte Yehudiah sehr weich und zärtlich. "Du wirst nun einschlafen, denn was ich jetzt tun werde, darf kein menschliches Auge sehen. Und", fügte er mit einem überraschend maliziösen Lächeln hinzu, "du könntest verrückt werden, wenn du sehen würdest, was wirklich hinter dem Schleier liegt. Du solltest besser schlafen."

"Ich will nicht..." Harrys Protest wurde von einem mächtigen Gähnen übermannt. Plötzlich war es ihm unmöglich, die Augen offen zu halten. Seine Knie gaben unter ihm nach und er sank, wo er stand, zu Boden. Das letzte was er hörte war Yehudiahs Stimme, die durch den Raum donnerte. Er sprach immer noch englisch, aber die Worte machten für Harry keinen Sinn mehr, als er in den Schlaf hinüberglitt.

****

Harry wurde von einer Hand geweckt, die sanft seine Schulter berührte.

Er strengte sich an, um die Augen zu öffnen, und für einen Moment wusste er nicht, wo er war. Er lag auf kaltem Steinboden, und in einer Ecke des Raumes begann gerade ein helles Licht zu verblassen. Einen Moment lang erhaschte Harry einen Blick auf die Gestalt eines Mannes mit zwei gewaltigen Flügeln inmitten dieses Lichts, dann war er verschwunden.

Yehudiah! Die Ereignisse der letzten Stunden kehrten mit einem Schlag zu Harry zurück. Er setzte sich gerade hin und berührte die Stelle, wo die Hand ihn berührt hatte. Sie war warm. Es musste Yehudiah gewesen sein, der beendet hatte, was auch immer er getan hatte...

Sirius!

Harry wandte den Kopf. Er war immer noch in dem Raum im Ministerium. Nichts hatte sich verändert. Die Stühle und Tische waren so leer wie immer, der Bogengang lag still und verlassen da, und der Schleier bewegte sich leicht, wie in einer Brise. Harry versuchte, hindurch zu sehen. Aber außer einen weichen blauen Licht, das manchmal an den Rändern durchschimmerte, sah er gar nichts.

Er hatte sich schon fast wieder abgewendet, als es ihn traf. Brise? Blaues Licht?

Er wusste noch genau, wie der Schleier beim letzten Mal ausgesehen hatte. Das einzige Mal hatte er sich bewegt, als Sirius hindurchgefallen war, und dahinter war Dunkelheit gewesen. Völlige Dunkelheit. Nicht die leiseste Spur von Blau.

Langsam drehte Harry sich wieder zu ihm um. Das blaue Licht war heller geworden und der Schleier bewegte sich schneller, wie die Vorhänge an Petunias Küchenfenster in einer plötzlich Windbö. Wo kam das her?

Harry wollte näher hingehen, aber seine Füße bewegten sich nicht, egal wie sehr er es versuchte. Es war, als ob er am Boden fest gefroren wäre. Schließlich gab er auf und beschränkte sich darauf, zu beobachten was geschah. Das Licht war nun so hell, dass er Schatten sehen konnte, die sich hinter dem Schleier bewegten - oder zumindest irgend etwas, vielleicht die Schatten von Schatten... Harry wusste nicht, wie Seelen aussahen.

Einer dieser Schatten wurde größer und größer. Es dauerte eine Weile, bis Harry erkannte, das es nicht einer der Schatten war, der einfach nur wuchs - es war jemand, der sich von der anderen Seite dem Schleier näherte. Wenn er genau hinhörte, konnte er Schritte auf Stein hören. Es klang genau so, als ob jemand den Bogengang entlang gehen würde, aber da war niemand. Dennoch wurde die Gestalt des Mannes größer und größer. Er wandte den Kopf, und Harry sah seine Silhouette - eine Silhouette, die er überall erkannt hätte... Sirius...

Das Licht wurde immer heller, je näher Sirius kam. Harry wünschte sich verzweifelt, er könnte zu dem Schleier hinüber rennen und Sirius dort in Empfang nehmen, aber seine Füße gehorchten ihm immer noch nicht. Er wollte die Arme schwenken, aber auch das ging nicht. Und das Licht wurde heller und heller...

Der Schleier flog nach außen, wie in einem gewaltigen Windstoß. Seltsamerweise konnte Harry keinerlei Wind im Gesicht spüren, obwohl er genau im Weg gewesen wäre. Als der Schleier zurück fiel, teilte er sich in der Mitte wie ein Theatervorhang und heraus, in einer Korona blauen Lichts und mit dem Bogengang im Rücken, trat Sirius.

****

Harry hielt den Atem an. Sein Herz setzte aus und begann dann heftig zu pochen. Harry hatte das Gefühl, als ob es zugleich brach, zerbarst und wieder heilte. Seine Knie, so schwach wie sie waren, zitterten. Tränen strömten seine Wangen hinunter, aber das war Harry egal. Er wollte Sirius' Namen rufen, sich in seine Arme stürzen, ihn berühren, als ob er sich überzeugen müsste, dass er wirklich da war, aber er stand da wie festgefroren, stumm wie ein Fisch.

Das blaue Licht wurde schwächer und die mysteriöse Brise hörte auf. Nach zwei oder drei Sekunden erinnerte nichts mehr an das, was gerade geschehen war - nichts außer Sirius, der vor dem Schleier stand und diesen ansah. Harry sah, wie er zurückwich, die Augen fest auf den Schleier gerichtet. Dann sah Sirius auf seine Hände, hob sie und berührte sein Gesicht und sein Haar. Er ging ein paar Schritte, immer noch rückwärts, dann wirbelte er ein paar Mal herum und begann, sein bellendes Lachen zu lachen. Er warf den Kopf zurück und lachte, als ob er nie wieder aufhören könnte, und es kam tief aus seinem Innersten.

"Ich bin zurück", brüllte er, an die Wände und die leeren Stühle gewandt. Er hatte Harry immer noch nicht gesehen. "Ich bin ZURÜCK!!!"

Harry beobachtete ihn und glaubte, dass sein Herz wirklich zerbersten würde, wenn Sirius ihn nicht endlich bemerkte.

"Sirius", flüsterte er.

Mehr brachte er nicht zustande, und obwohl es kaum hörbar gewesen war, hielt Sirius mit einem Ruck inne.

"Harry?" fragte er.

Harry wollte antworten, aber was herauskam war ein Schluchzen, das ihn beinahe erstickte, gefolgt von einem wackeligen Lachen und noch mehr Schluchzern. Er versuchte aufzustehen, und zu seiner Überraschung hielten seine Beine sein Gewicht. Er machte ein paar wackelige Schritte.

Sirius wirbelte herum. Er entdeckte Harry und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, erreichte seine Augen und ließ sie leuchten. Er breitete die Arme aus und Harry begann zu rennen. Es war ihm egal, dass seine Reaktion die eines Dreijährigen war. Er rannte direkt in Sirius' weit geöffnete Arme, und Sirius zog ihn in eine Umarmung, die Harry die Luft aus den Lungen presste. Er umklammerte Sirius' Taille und lehnte den Kopf an seine Brust. Dann schloss er die Augen. Die Tränen, die immer noch flossen, waren nun Freudentränen.

So standen sie fast zehn Minuten lang, dann löste Harry seine Umklammerung und sah in das Gesicht seines Paten. Sirius sah kaum verändert aus. Vielleicht war er etwas dünner und blasser geworden, und da war eine graue Strähne in seinem jettschwarzen Haar, die vorher noch nicht da gewesen war. Aber was machte das schon? Sirius war zurück.

"Was hast du getan?" fragte Sirius schließlich. "Das musst du gewesen sein. Niemand anders würde so etwas für mich tun - nun, Remus vielleicht."

"Na ja", sagte Harry und grinste, "eigentlich hab ich nicht viel gemacht. Ich bin auf einem Thestral zu dem Engel Yehudiah gereist, der mich dem Schicksal vorgestellt hat, und dann sind der Engel und ich hierher gekommen, und er... na ja, ich weiß nicht, was er gemacht hat. Den Teil hab ich verschlafen."

Sirius starrte ihn an. "Thestral? Engel? Schicksal? Ich versteh kein Wort."

"Ich erzähl's dir später", sagte Harry. "Die anderen werden es auch hören wollen." Dann runzelte er die Stirn. "Das heißt, wenn ich mich an alles erinnern kann. Es beginnt bereits zu verblassen..."

"Vielleicht ist es so auch besser." Sirius sah sich um. "Sag mal, wer hat denn hier aufgeräumt? Es schaut aus, als hätten wir nie gekämpft."

"Na ja, sie hatten drei Wochen", sagte Harry und zuckte die Achseln. "Es gibt Zaubersprüche und Banne..."

"Drei Wochen?" Sirius schüttelte den Kopf. "Das kann nicht sein. ich kann nicht drei Wochen lang dort gewesen sein."

"Wo bist du gewesen?" fragte Harry vorsichtig. "Yehudiah sagte, deine Seele sei da, aber dein Körper nicht."

"Kann schon sein. Aber hör mal, lass uns auch die Geschichte auf später verschieben, okay? Die anderen..."

"... werden sie auch hören wollen", vollendete Harry. "Du hast Recht."

"Also, dann sollten wir wohl nach Hause gehen, oder?" Sirius sah sich um. "Wie bist du hier hergekommen?"

"Nun ja..." Harry wand sich. "Da gibt's ein kleines Problem. Der Thestral ist noch auf der Insel... ich bin mit Yehudiah gekommen..."

Sirius grinste. "Nun gut, entweder nehmen wir den Fahrenden Ritter oder wir fahren mit der Untergrundbahn der Muggel."

"Lass uns die U-Bahn nehmen", sagte Harry. Er wollte nicht eine Million Fragen beantworten, die Stan Shunpike, der Schaffner des Fahrenden Ritters, ihm stellen würde, noch wollte er, dass zehn Hexen und Zauberer Sirius anstarrten. Er wusste nicht, was der Tagesprophet über Sirius' Tod geschrieben hatte, aber er ging davon aus, dass der Großteil der Zaubererwelt wusste, dass er gestorben war. Nein, er zog die U-Bahn vor. Außerdem dauerte das länger, und obwohl Harry es kaum erwarten konnte, mit Sirius zum Fuchsbau zurückzukehren, war er auch froh, ihn für ein paar Stunden noch für sich allein zu haben.

Sirius stimmte zu und legte eine Hand auf Harrys Schulter. Zusammen verließen sie den Raum und fanden nach ein paar Versuchen auch den Weg aus der Mysteriumsabteilung. Sie gingen die Treppe hoch, und als sie das Atrium erreichten, hielt dieses eine weitere Überraschung für Harry bereit: Es war niemand da. Die Aufzüge, Treppen, Schreibtische und Tische waren verlassen, obwohl es gerade erst Mittag an einem ganz normalen Freitag war.

"Wo sind sie alle?" fragte Harry.

Sirius zuckte die Achseln.

Harry wollte gerade ein paar Vermutungen anstellen, als eine kleine Statue auf einem Schreibtisch seinen Blick auf sich zog. Es war die goldenen Figurine eines Engels mit zwei großen Flügeln, langem Haar und einem hübschen Gesicht, das Harry sehr bekannt vorkam.

"Yehudiah?" flüsterte er.

Die Statue bewegte sich zunächst nicht, und Harry wollte gerade weiter gehen, als sie sich doch regte: Der ernste Ausdruck auf dem Gesicht des Engels wandelte sich kurz zu einem Lächeln und er blinzelte zweimal.

"Danke", sagte Harry, überdachte seine Worte und sagte dann, "Äh, ähm, ich danke dir, Yehudiah, Engel der Trauer."

Er verbeugte sich und holte dann Sirius wieder ein, der ihm mit einem Ausdruck leichter Verwirrung beobachtet hatte.

"Das war Yehudiah", sagte Harry und deutete zurück auf den Schreibtisch. Doch als er sich umdrehte, um sie noch ein letztes Mal anzusehen, war die Statue verschwunden.

Sirius lachte und legte einen Arm um Harrys Schultern. "Wer auch immer es war, ich danke ihm auch", sagte er. "Und jetzt sollten wir machen, dass wir hier rauskommen. Wer weiß wie lange dieses... was es auch ist... dauert. Ich will nicht mit Fudge zusammenstoßen."

"Ich auch nicht."

Sie verließen das Ministerium und Harry ging voran zur nächsten U-Bahn- Station.

****

"Da ist es", sagte Harry aufgeregt. "Der Fuchsbau!"

"Ich weiß", sagte Sirius und lächelte. "Ich war schon mal da."

"Du bleibst doch für eine Weile bei uns, oder?" fragte Harry zum zigsten Mal.

"Ich kann das nicht entscheiden", sagte Sirius und grinste. "Es ist nicht mein Haus. Du solltest Molly fragen, nicht mich."

Der Fuchsbau kam näher und näher und als sie gerade noch außer Sichtweite waren, hielt Harry an.

"Bevor das Chaos anfängt", sagte er, "möchte ich dir noch etwas sagen."

Sirius blieb stehen, sah ihn an und sagte nichts.

Harry räusperte sich. Er rang nach Worten. "Ich hab nur gemerkt... ich meine, mir ist aufgegangen... siehst du, die Wochen nachdem... danach hab ich niemanden an mich rangelassen. Ich habe so sehr getrauert, und natürlich hab ich eine Menge nachgedacht. Was deinen... deinen Tod am schlimmsten gemacht hat, war die Tatsache, dass ich keine Chance hatte, mich zu verabschieden. Ich dachte an all die Dinge, die ich dir nie gesagt habe. Da waren natürlich einige unwichtige Dinge, aber auch wichtigere, die du noch wissen solltest. Weil wir nie wissen was passiert, habe ich beschlossen, dass ich von jetzt an den Leuten sofort sagen werde, was ich ihnen sagen will. Wenn ich immer nur zögere, ist es eines Tages vielleicht zu spät. Die Leute haben ein Recht, zu erfahren, was ich ihnen sagen will."

"Das ist gut, Harry", sagte Sirius. "Das ist sehr gut."

"Also, das erste ist etwas, was ich dir sagen will", fuhr Harry fort, als ob er gar nicht unterbrochen worden wäre. "Weißt du noch wie du mir angeboten hast, bei dir zu wohnen - als wir uns das erste Mal gesehen haben und ich erfahren habe, dass du mein Pate bist?"

Sirius nickte. "Natürlich weiß ich das noch", sagte er.

"Und dann hab ich dein Haus gesehen, und du hast nur noch sehr widerwillig über die Sache gesprochen", sagte Harry. "Obwohl ich gesagt habe, dass ich sehr gerne bei dir wohnen würde."

"Na ja", sagte Sirius, "ich dachte halt, dieses Haus wäre nicht das, was du dir vorgestellt hattest, und dass du das nur gesagt hättest, um mich nicht zu enttäuschen..."

"Lass mich bitte ausreden", sagte Harry. "Du weißt, dass ich meinen Onkel und meine Tante hasse, aber ich muss bei ihnen bleiben, weil die Tatsache, dass ich ihr Haus immer noch Heim nennen kann, mich vor Voldemort beschützt. Deshalb kann ich wirklich nicht bei dir einziehen. Aber was du wissen sollst ist, dass ich dein Haus dem Buckingham-Palast vorziehen würde, wenn ich eine Wahl hätte. Ich würde in einer Höhle leben, wenn es mit dir wäre. Siehst du, Sirius, du bist der einzige Vater, den ich je gekannt habe, und du bist mir nicht nur ein Vater, sondern auch ein Bruder und ein Freund. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben, und ich möchte dass du weißt, dass ich dich liebe. Ich liebe dich so sehr."

Harry hielt inne und sah Sirius an.

Sirius' Stimme klang heiser, als er sprach. "Das bedeutet mir die Welt, Harry", sagte er tief bewegt. "Ich habe meine Bestes versucht, dir ein Vater zu sein, oder wenigstens ein Patenonkel."

"Du hattest Erfolg", sagte Harry leise. "Verändere dich nicht. Bitte."

"Das werde ich nicht", sagte Sirius. "Und ich verspreche dir noch etwas, Harry. Ich werde dich nie wieder alleine lassen."

Er umarmte Harry, und ein paar Minuten lang standen sie schweigend auf dem Weg.

Dann löste Sirius seinen Griff und sie gingen weiter, Seite and Seite, Sirius mit seiner Hand auf Harrys Schulter, genau wie Vater und Sohn, die von einem kurzen Spaziergang zurückkamen.