Ithilien

Einige Tage vor den dramatischen Ereignissen an der Mündung der Entwasser saßen Faramir, der Statthalter von Ithilien und seine Gemahlin Eowyn, Schwester König Eomers von Rohan, im Garten zusammen. Wie jeden Abend besprachen sie, am plätschernden Brunnen sitzend, die Begebenheiten des Tages. Diese Stunden am Abend waren beiden heilig, denn sie gehörten nur ihnen allein. Eowyn hatte den großen Haushalt unter ihrer Aufsicht und Faramir musste sich um die Angelegenheiten Ithiliens kümmern, daher blieb wenig Zeit für Gemeinsamkeiten. Das Zwitschern der Vögel in den Bäumen verhallte heute ungehört, denn die Mitteilung, die Eowyn ihrem Mann machte lies alles andere unwichtig erscheinen. Eowyn war schwanger.

Noch war ihr nichts anzusehen, doch am Hof des Statthalters hatte man so lange auf diese Nachricht gewartet, dass Faramir mehr als freudig überrascht war, sie nun endlich zu vernehmen.

"Wirst du nun endlich deine Übungen mit meinem Schwertmeister Beregond einstellen?" fragte Faramir, doch Eowyn antwortete nur, er würde ihre Einstellung zu diesen Dingen kennen und eine Schwangerschaft sei doch keine Krankheit. Nach wie vor fiel es Faramir schwer sich mit der Tatsache abzufinden, dass er eine Schildmaid Rohans geheiratet hatte. Immer noch trainierte Eowyn alle Fähigkeiten die man brauchte, um einem Feind angemessen begegnen zu können, sie ritt und focht beinahe wie ein Mann. Dies trug ihr nicht nur den Respekt der Bewohner Ithiliens ein, auch manche Bande versprengter Orks hatte ihr Schwert schon zu spüren bekommen.

Faramirs Missbilligung ihrer Übungen konnte die Harmonie zwischen den beiden normalerweise nicht stören, aber diesmal blieb er hart, er nahm ihr das Versprechen ab, die Schwertübungen und vor allem das Nahkampftraining einzustellen. Die Verletzungsgefahr war einfach zu hoch.

"Ich denke, ich sollte die Nachricht persönlich dem König überbringen," dachte der Statthalter laut "vielleicht kann Königin Arwen für ein paar Wochen nach Ithilien kommen, dann hast du Gesellschaft und Hilfe bei der Geburt."

"Das ist eine gute Idee, von Arwens Fähigkeiten als Geburtshelferin kann man ansonsten hierzulande nur träumen. Sie wäre sicher eine große Hilfe und sie ist mir auch als Freundin immer willkommen."

Also besprachen die beiden alles nötige, damit Faramir am nächsten Morgen aufbrechen konnte. Wie immer stand Eowyn während der Abwesenheit ihres Mannes Beregond, der bewährte Hauptmann der Leibwache, zur Seite. Er hatte schon in Gondor, unter Einsatz seines Lebens und seiner beruflichen Zukunft, für Faramirs Unversehrtheit gesorgt und fühlte sich nun genauso verantwortlich für dessen Ehefrau.

Nachdem Eowyn sich zurückgezogen hatte, suchte Faramir den Hauptmann auf, um auch mit ihm alle Dinge für die Zeit seiner Abwesenheit zu regeln. Er bat ihn nachdrücklich auf die Hausherrin zu achten und keine weiteren Übungskämpfe mehr zuzulassen.

Mit den Worten: "Ich mache dich persönlich verantwortlich für das Wohl und Wehe meiner Gemahlin und des Reiches", verlies er Beregond, um sich noch eine kurze Ruhepause vor dem anstrengenden Ritt nach Gondor zu gönnen.

Mit Eowyn war alles besprochen und so konnte er früh am nächsten Morgen aufbrechen. Nur von einem Leibwächter begleitet ritt er über die, wieder blühende, Ebene von Ithilien. Wenn auch diese Gegend während des 3. Zeitalters nicht so stark gelitten hatte, so war doch ein deutlicher Unterschied festzustellen. Die Bäume schienen grüner, das Gras saftiger als noch vor wenigen Jahren.

Alles machte einen so friedlichen Eindruck, dass die beiden Reiter völlig überrascht waren, als plötzlich eine große Gruppe Uruk-Hais über einen Hügel marschiert kam. An Flucht war nicht zu denken und so stellten sich der Statthalter und sein Begleiter dem ungleichen Kampf. In kürzester Zeit waren sie überwältigt und standen gefesselt vor dem Anführer der Uruks, einem riesigen, grobschlächtigen Ork mit martialischem Aussehen.

"Was haben wir denn da?" Mit dieser Frage umkreiste die Bestie ihre Gefangenen. Dass er einen wichtigen Fang gemacht hatte, war ihm klar, konnte er doch am vergoldeten Wappen Gondors, welches Faramirs Brustharnisch zierte, erkennen, dass sein Gegenüber einen wichtigen Posten in der Befehlshierarchie Gondors bekleidete.

"Ich bin Faramir, Statthalter Gondors in Ithilien und ihr seid gut beraten mich sofort frei zu lassen, die Rache des Königs wird fürchterlich sein. Wenn ihr mir auch nur ein Haar krümmt, werdet ihr eures stinkenden Lebens nicht mehr froh!" Mit diesen stolzen Worten versuchte Faramir den Anführer zu beeindrucken. Er erreichte jedoch das Gegenteil.

"Dazu muss er mich zuerst finden" schnappte der Ork und gab Befehl die Leibwache zu töten. Faramir wurde auf sein Pferd gefesselt und mitgeschleppt.

Was Faramir nicht wusste war, dass dies der Trupp war, der auf Befehl Grumats die Festung an der Furt über den größten Mündungsarm der Entwasser angreifen sollte. Sie waren über die Ered Mimlais und dann auf halber Höhe des Weißen Gebirges durch Gondor gezogen, um den wachsamen Augen der Rohirrim zu entgehen. Das Gebirge war stark zerklüftet, so dass dort nicht alle Pässe und Spalten überwacht werden konnten.

Da der Anführer keine Möglichkeit sah gleichzeitig seinen Auftrag auszuführen und den Gefangenen nach Isengart zu bringen, entschloss er sich ihn mitzunehmen, lag doch der Auftrag sozusagen auf halber Strecke.

Abends am Lagerfeuer, auf dem die Orks das brave Reittier des Wächters rösteten, ging es laut zu. Obwohl die Bande einen sehr schwer verständlichen Dialekt der gemeinsamen Sprache benutzten, konnte Faramir einiges verstehen. Nachdem er längere Zeit angestrengt gelauscht hatte, konnte er sich zusammenreimen, welche Befehle die Gruppe hatte. Wer jedoch hinter diesem Anschlag auf das Reich seines Schwagers steckte, blieb noch im Unklaren.

Seine Gedanken rasten, gab es irgendetwas das er tun könnte? Er erinnerte sich an den Trick den Pippin vor Jahren angewandt hatte, als er und Merry von Orks verschleppt wurden und 3 der Gefährten sie verfolgten, um sie zu retten. Doch was konnte er zurücklassen? Es musste klein genug sein um seinen Peinigern zu entgehen, musste aber deutlich genug sein, um gefunden zu werden und einen Hinweis auf ihn zu geben. Er zermarterte sich das Gehirn, aber es fiel ihm nichts ein. Eine Brosche wie Pippin hatte er nicht, seinen Siegelring hatte man ihm abgenommen. Er hatte zwar noch einen winzigen Dolch in das Futter seiner Jacke eingenäht, sollte er dort aber irgendwann herankommen können, würde er ihn sicher nicht zurücklassen, sondern anderweitig gebrauchen. Im Augenblick war daran allerdings nicht zu denken, er stand, die Hände auf den Rücken gefesselt an einem Baumstamm, er hatte keine Chance.

Nach einigen Augenblicken, Faramir war gerade eingenickt, der Tag verlangte nun doch seinen Tribut, wurde er durch einen brutalen Schlag geweckt. Blut tropfte aus seinem Mundwinkel und als er aufblickte, sah er in das hämisch grinsende Gesicht eines Orks.

"So, jetzt wollen wir auch mal ein bisschen Spaß haben."

Faramir ahnte was nun kommen würde und spannte die Muskeln an. Trotzdem nahm ihm der Schlag in die Magengrube den Atem. Ohne die Möglichkeit auszuweichen oder sich gar zu wehren, musste er eine ganze Reihen brutaler Schläge über sich ergehen lassen und nur dem Eingreifen des Befehlshabers war es zu verdanken, dass er nicht schon dort einen bitteren Tod fand. Dieser wollte ihn lebend nach Isengart bringen, ein toter Gefangener würde ihm wenig nützen. So gebot er seinen Leuten Einhalt. Faramir wurde blutüberströmt am Baum zurückgelassen und nur halb bei Bewusstsein, galten seine Gedanken seinem ungeborenen Kind und seiner Gemahlin.

Am nächsten Tag ging es in aller Frühe weiter. Ohne einen Tropfen Wasser oder gar etwas zu essen, wurde Faramir wieder auf sein Pferd gebunden. Nach kurzer Zeit umfing eine gnädige Ohnmacht den Gefangenen, denn der Ritt ging lange ohne Pause über die Ebene dahin. Erst am Abend wurde er vom Pferd gezerrt und wieder an einen Baum gefesselt. Noch immer hatte er keine Möglichkeit gefunden an sein Messer zu kommen, aber wenigstens war er nach einem Becher Wasser und einer Scheibe madigem, stinkendem Brot wieder einigermaßen bei Kräften. Die Gewaltorgie des Vorabends wiederholte sich nicht und so fand Faramir trotz seiner misslichen Lage ein bisschen Schlaf und Erholung, bevor es am nächsten Morgen weiter ging. Wieder hatte er etwas zu essen und zu trinken erhalten, weshalb er an diesem Tag bei Bewusstsein war und sich orientieren konnte.

Die Gegend durch die sie ritten war ihm bekannt, er war die Strecke schon häufig geritten, wenn er mit Eowyn nach Edoras reiste. Der Gedanke an Eowyn schnürte ihm das Herz ab, aber er musste an die Zukunft denken und endlich eine Möglichkeit finden, etwaige Verfolger auf sich aufmerksam zu machen. Kurz vor Mittag hielten die Orks in einem kleinen Wäldchen, schon beinahe in Sichtweite einer Grenzbefestigung der Rohirrim an.

Wieder wurde er vom Pferd gezerrt, aber nicht an einem Baum festgeschnürt, sondern auf den Boden geworfen. Zwar waren seine Hände immer noch gefesselt, jedoch vor dem Körper, da er sonst nicht hätte reiten können und das war seine Chance. In fieberhafter Eile begann er am Saum seiner Jacke zu nesteln um das Messer freizubekommen. Er hatte es schon in der Hand und schnitt gerade seine Fesseln durch, als ein Bewacher erschien.

Mit einem wilden Schrei stürzte sich Faramir auf den Ork und rammte ihm das Messer ins Auge. Halbblind und gelähmt vor Schmerz, konnte dieser Faramir nicht folgen, als er ins Unterholz verschwand.

Aber die Flucht war nicht von Dauer, innerhalb kürzester Zeit hatten die Orks ihn eingeholt. Verzweifelt stieß er das Messer knapp über dem Boden in einen Busch, nun, da die Schlächter davon wussten konnte es ihm keinen Nutzen mehr bringen. Brutal wurde er zurückgeschleppt und erneut an einem Baum festgemacht.

"Fesselt ihn stramm, dass er sich nicht noch einmal rühren kann und knebelt ihn, ich will keinen Laut hören." Der Abend kam und die Nacht, Faramir, dem man zusätzlich auch die Augen verbunden hatte, war völlig verzweifelt und orientierungslos.