Als Buffy in L.A. ankam begann es bereits zu dämmern. Sie machte sich auf den Weg zum Hyperion. Die ganze Zeit überlegte sie, was sie machen könnte um Spike aus dem Weg zu gehen, wenn er wieder in Sunnydale auftauchen würde. Ihr war auf der Busfahrt hierher klar geworden, dass sie ihn auf gar keinen Fall töten wollte und das wäre genau das was sie tun müsste wenn sie ihn treffen würde. Genau wie bei Angel damals. Sie wollte es nicht aber sie musste. Und das stimmte sie traurig.

'Warum kann ich nicht einmal das Glück haben einen normalen Freund zu haben?'

Aber sie konnte sich die Antwort auch direkt selber geben. Sie könnte niemals mit jemandem zusammen sein, der nicht so stark war wie sie. Sie müsste ihren Freund immer darüber aufklären, was sie war und was sie nachts tat. Die meisten würden alleine bei der Erklärung wahrscheinlich schon das Weite suchen. Aber sie hatte bis jetzt auch mit den anderen immer Pech gehabt. Auf Angel lag ein Fluch und Riley war nachher, als er nicht mehr so stark war, auch nicht damit fertig geworden, dass sie kräftiger war. Dann war da Spike gewesen, aber ihr Stolz hatte nicht zugelassen, dass sie ihm gestand wie sehr sie ihn liebte. Für seine Stärke, für seine Hilfe, für sein Trösten. Sie hatte ihn selber vertrieben mit ihren Worten und Gesten. Und jetzt hatte sie ihn so weit getrieben, dass er den Chip hatte entfernen lassen. Sie hätte es zulassen sollen, zulassen das er sie im Arm hielt, zulassen das er sie liebte und sie ihn. Das war jetzt vorbei.

'Es ist unwahrscheinlich, dass er mich immer noch liebt, und wenn doch, würde er für mich aufhören zu beißen?'

Sie war tief in ihre eigenen Gedanken versunken als sie den Schrei einer Frau hörte. Es schien aus einer kleinen Gasse zu kommen nicht weit entfernt von ihr. Sie rannte los. Egal ob Mensch oder Dämon, dort war eine Frau in Gefahr und das hieß es gab etwas zu tun. Sie bog um die Ecke und stand prompt hinter einem wahren Schrank von Mann. Menschlich, ungefähr 1,90 groß und breit wie ein Bodybuilder. Er stand mit dem Rücken zu ihr und rechts an ihm vorbei konnte sie die total verängstigte Frau erkennen. Sie starrte allerdings nicht auf diesen "Schrank", sondern auf jemanden der scheinbar vor ihm stand und der Buffy verborgen blieb. Gerade als Buffy irgendetwas sagen wollte, hörte sie ein paar dumpfe Schläge und der Mann vor ihr bewegte sich und holte aus. Auf der linken Seite sah sie jemanden in die Ecke fliegen, genau zwischen die Mülltonnen die dort standen. Ein paar Sekunden und ein paar Schläge später fiel der Mann wie ein gefällter Baum nach hinten und blieb dort reglos liegen.

Alles hatte sich in so unglaublich kurzer Zeit abgespielt, dass Buffy nicht einmal die Zeit gefunden hatte zu überlegen, was sie überhaupt sagen wollte. Und auch jetzt fielen ihr nicht die richtigen Worte ein.

Dort stand er. Spike mit aufgesetzter Vampirfratze. Eben hatte sie noch überlegt, wie sie ihm aus dem Weg gehen wollte und jetzt war er auf einmal da. Hier in Los Angeles.

'Verdammter Mist. Und was jetzt?' dachte sie bei sich, während sie bereits den Pflock aus der Tasche nahm

'Vielleicht sollte ich ihn einfach mit meinem Geständnis überfallen. Vielleicht lässt er dann die Frau...' Buffy konnte nicht zu Ende denken.

Was sich gerade vor ihren Augen abspielte war so unglaublich, so unwahrscheinlich, etwas womit sie nie gerechnet hätte. Spikes Gesicht wurde wieder menschlich und er ging zu dem niedergeschlagenen Mann rüber und streckte ihm die Hand zum aufstehen hin.

"Alles in Ordnung mit ihnen, Mister?"

"Ja, danke. Ich glaube ich bin noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Was ist mit meiner Frau?"

"Ich glaube die ist noch mal mit dem Schrecken davon gekommen."

Die Frau starrte Spike immer noch völlig entgeistert an. Schließlich hob er die Handtasche der Frau auf und streckte sie ihr hin.

"Mam, Sie und ihr Mann sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden. Das ist nicht unbedingt der richtige Ort für einen Nachtspaziergang."

"D..D..Danke." stammelte sie nur.

Die Frau nahm die Tasche und ging dann ganz schnell rüber zu ihrem Mann, schnell vorbei an diesem Wesen, das eben noch ausgesehen hatte wie ein Monster. Sie nahm die Hand ihres Mannes und verließ zusammen mit ihm die Gasse. Spike schaute ihnen hinterher, dabei entdeckte er Buffy die immer noch wie erstarrt dort stand. Er schluckte. Aus. Er hatte sich verstecken wollen, und jetzt stand sie vor ihm.

'Und was soll ich ihr jetzt sagen?'

Er sah sehr wohl, dass sie ihren Pflock in der Hand hielt. Ihm war fast als würde er alleine durch ihren Anblick zu Staub zerfallen. Er wagte den ersten Schritt, wenn es so sein sollte, dann...

"Hallo Buffy! Wie geht´s?"

Sie ging ein paar Schritte auf ihn zu. In ihrem Blick lag Erstaunen und Freude aber auch Vorsicht. Sie hatte zwar mit eigenen Augen gesehen das er diesem Paar geholfen hatte, konnte aber nicht übersehen, was für Greueltaten er früher ohne den Chip begangen hatte.

"Das" sie deutete auf den "Schrank" an ihrer Seite "war ein Mensch!"

Es war unmissverständlich was sie damit sagen wollte.

'Da hab ich ja wirklich eine prima Nachricht bei Clem hinterlassen.'

"Ja." sagte er. "Er wollte die beiden Herrschaften ausrauben. Ich habe ihn lediglich daran gehindert."

"Dein Chip ist also weg." bemerkte sie überflüssigerweise.

"Ja." Er wagte nicht auf sie zuzugehen

Sie hielt den Pflock immer noch in der Hand.

"Warum hast du die Frau und ihren Mann nicht angegriffen?"

Langsam verlor er die Geduld.

"Hör zu pet." Damit verfiel er wieder in seine alte Gewohnheit, etwas das er in letzter Zeit selten tat. "Wenn du hier bist um mich zu pfählen, nur zu. Niemand wird mich vermissen. Wenn nicht, dann lass mich in Ruhe meinen Job machen."

"Deinen Job? Wann hast du dich denn zum Retter der Menschheit aufgeschwungen. Das hier ist allenfalls Angels Job oder der der Polizei. Nicht deiner."

Buffy konnte einfach nicht aus ihrer Haut. So war es immer gewesen. Kaum trafen sie sich irgendwo, flogen die Fetzen. Sie war einfach wieder wütend auf ihn, was dachte er sich eigentlich, sein Job!

"Nicht das es dich was angeht, aber ich helfe hier wo ich kann. Also was willst du von mir?"

"Eigentlich gar nichts. Aber jetzt wo du schon mal hier vor mir stehst, würde es mich interessieren, ob..." Sie zögerte.

"Ob ich wieder böse bin? Ob ich wieder ein Killer bin, wie vorher?"

'Sie hat den Anrufbeantworter nicht abgehört, sonst hätte sie gefragt ob ich Dawn bereits getötet habe.' dachte er verbittert.

"Willst wohl endlich einen Grund haben mich zu pfählen, obwohl ich schon mehrmals betont habe, dass meine Liebe zu dir mich verändert hat. Nun, ich kann dir einen Grund geben."

Er setzte sein Gameface erneut auf und ging drohen auf sie zu. Sie wich keinen Zentimeter zurück. Sie hatte keine Angst vor ihm, aber sie hatte Angst davor ihn töten zu müssen.

"Spike, ich warn dich, hör auf."

"Ich heiße William." Und mit diesen Worten schlug er zu.

Xander parkte den Wagen direkt vor dem Hyperion. In Windeseile verließen die drei Freunde den Wagen und gingen ins Hotel.

"Hallo, jemand da?" rief Willow.

"Hier drüben." Angel winkte den dreien zu.

Dort saßen Wesley, Cordelia, Angel und Connor an einem Tisch und hatten ihre Köpfe über eine Schriftrolle gebeugt, die Wesley krampfhaft versuchte zu entziffern.

"Hey, ist Buffy nicht bei euch?" fragte Angel erstaunt, als er ein paar Schritte auf die anderen zuging. "Ich hätte gedacht sie kommt ihre Schwester selber abholen."

"Dawn ist hier?" Willow war erstaunt.

"Ja, habt ihr denn die Nachricht auf dem Anrufbeantworter nicht abgehört?"

"Doch das schon. Aber da waren nur zwei Nachrichten und die waren noch dazu von Spike. Eine, dass Dawn bei ihm wäre, und eine das wir hier nachfragen sollten."

Willow ahnte so langsam das noch mehr dahinter steckte. Es wunderte sie, dass Dawn hier war, obwohl Spike deutlich gemacht hatte, dass sie bei ihm wäre. Und Angel wurde klar, dass er vielleicht doch selber bei Buffy hätte anrufen sollen. Die Nachrichten die Spike hinterlassen hatte konnte man bei seiner Vergangenheit nur zu leicht missverstehen

"Ist Buffy denn noch nicht hier? Sie hat Sunnydale nämlich viel früher als wir verlassen und sich auch direkt auf den Weg hierher gemacht."

"Wo ist Dawn jetzt?" fragte Xander nun.

"Ich gehe sie holen." bot sich Connor an und verschwand die Treppen hoch.

Wesley und Cordelia grübelten während des Gesprächs weiter über der Schriftrolle.

"Nein. Sie ist leider noch nicht hier, aber ich bin sicher sie wird bald hier aufkreuzen."

Angel hoffte allerdings, dass sie nicht zu sehr auf die Umgebung des Hyperion achten würde. Sie durfte Spike nicht finden, der dort jetzt auf Streife war.

"Setzt euch doch erstmal. Wie kommt Dawn eigentlich darauf einfach abzuhauen."

Willow erzählte Angel kurz was sich am Abend vorher im Summers-Haus zugetragen hatte und das Dawn völlig verzweifelt war wegen Spike. Sie erzählte ihm auch von dem was sie am morgen in Dawns Zimmer vorgefunden hatten und von dem Brief. Sie war gerade fertig geworden als Dawn wie ein Wirbelwind die Treppen heruntergefegt kam.

Sie blieb stehen als sie sah, dass ihre Schwester nicht dabei war.

"Wo ist Buffy?"

"Sie ist noch nicht hier, wahrscheinlich gerade auf dem Weg von der Bushaltestelle hierher. Wir sind getrennt losgefahren." antwortete Willow ihr, während sie sie umarmte.

"Aber da draußen ist es gefährlich im dunkeln. Es gibt hier Vampire und andere Übeltäter."

Dawn war sichtlich nervös, was sich die drei Freunde nicht erklären konnten.

Anya versuchte sie zu beruhigen. "Dawn, deine Schwester ist die Jägerin und außergewöhnlich stark. Sie wird mit solchen Typen fertig das weißt du doch."

Angel konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er wusste warum sich Dawn solche Sorgen machte. Bestimmt nicht um ihre Schwester, die konnte sich wehren. Aber was war mit Spike. Sollte sie ihn treffen, wüsste Angel nicht ob Spike sich überhaupt wehren wollte.

Er schlug nicht mit voller Wucht zu, er wollte sie schließlich nicht verletzten. Er wollte sie wütend machen, damit sie tat was sie scheinbar tun wollte. Ein gezielter Schlag von Buffy auf sein Kinn und direkt danach ein Tritt vors Brustbein ließen ihn zu Boden gehen.

'Sie ist noch stärker geworden.' Stellte er nicht ohne Stolz fest.

Und schon stand die Jägerin über ihm. Er schloss die Augen, wollte nicht sehen wie sie den Pflock in sein Herz stieß.

"Warum hast du Dawn und Willow gerettet?"

Er öffnete die Augen wieder. Sie sah ihn immer noch fragend an. In seinen Augen sah sie Trauer und unendliche Gram, aber keine Angst vor dem endgültigen Tod. Er hatte sich immer gewehrt. Warum er das jetzt nicht tat war Buffy unbegreiflich. Sie wusste, dass er eben nicht mit voller Kraft zugeschlagen hatte.

"Bitte?" Er war verwirrt.

"Warum du Dawn und Willow gerettet hast? Du hattest doch auch da deinen Chip schon nicht mehr. Also warum?"

"Ich konnte nicht zulassen, dass einem deiner Freunde etwas passiert." Und leise fügte er hinzu. "Außerdem habe ich dir mal versprochen immer auf Dawn aufzupassen."

'Er hatte es mir wirklich versprochen.'

Damals, kurz bevor sie gestorben war, hatte sie ihm dieses Versprechen abgenommen.

"Ich habe mich geändert Buffy. Es hat mir Spaß gemacht euch bei der Dämonenjagd zu helfen, und nicht nur weil Dämonen die einzigen waren die ich töten konnte. Ich mache es jetzt ohne Chip nicht anders."

Sie trat einen Schritt zur Seite und ließ den Pflock sinken. Spike schaute sie erstaunt an.

"Du willst es nicht tun?"

"Ich kann es nicht."

Sie reichte ihm ihre Hand und zog ihn hoch.

"Was hast du jetzt vor?"

"Ich muss Dawn finden. Soweit ich weiß wollte sie zu Angel. Ich war gerade auf dem Weg ins Hyperion."

"Darf ich dich begleiten?" fragte er vorsichtig an.

Buffy nickte nur. Den Räuber von vorhin ließen sie einfach liegen. Nachdem was er an diesem Abend erlebt und gesehen hatte würde er sich wahrscheinlich in dieser Ecke der Stadt so schnell nicht mehr blicken lassen.

Sie gingen nebeneinander die Strasse entlang, schweigend. Bis Buffy eine Frage ganz besonders drückte.

"Hast du seither eigentlich jemanden gebissen."

"Nein, niemanden. Ich halte mich weiter an das Schweineblut und die Mikrowelle." Er grinste.

Sie hatten gerade tatsächlich so etwas wie eine Konversation angefangen, auch wenn diese nur sehr schleppend voranging. Das erste Gespräch seit fünf Monaten.

"Erzähl mir was du gemacht hast, nachdem ich dich damals so verprügelt hatte."

Spike erzählte in kurzen Worten, wie er sich eine kurze Zeit in der Villa versteckt hatte und dann zur Magic-Box gegangen war um etwas über die Dämonen herauszufinden und dann Tara vorm Summers-Haus angetroffen hatte.

"Ich habe dich damals in der Villa gesucht, aber nicht mehr angetroffen. Ich wollte mich entschuldigen."

Träumte er. Hatte sie gerade wirklich gesagt, dass sie nach ihm gesucht hatte, dass sie sich entschuldigen wollte damals. Er schaute sie erstaunt an und brachte kein Wort raus.

"Ist es dafür zu spät?" Sie blickte auf den Boden.

"Wofür?"

"Sich zu entschuldigen?"

Er schluckte. Er wollte nicht, dass sie sich entschuldigte, wollte nicht dass sie sich überhaupt in irgendeiner Weise schuldig fühlte. Sie hatte nur getan, wozu sie auserwählt wurde.

"Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Buffy. Ich habe einiges dazugelernt in den letzten fünf Monaten. Du hattest Recht damals, ich bin ein Monster ohne Gefühle. Mach dir einfach keine Gedanken mehr darüber."

Es tat ihr weh ihn so reden zu hören. Sicher sie hatte ihm damals all das an den Kopf geschmissen. Das und noch viel mehr. Aber ihr war noch nie so bewusst geworden wie jetzt, wie sehr sie ihn damit verletzt hatte. Sie wollte nicht noch länger auf seinen Gefühlen herumtrampeln. Sie fühlte jedoch eine gewisse Distance, die von ihm ausging. Er zog sich von ihr zurück, immer mehr.

'Es ist also wirklich zu Ende. Keine Chance mehr auf eine Beziehung.'

Eben noch hatte sie ihm ihre Liebe gestehen wollen und nun lehnte er praktisch ihre Entschuldigung ab. Es hat mal eine Zeit gegeben, da hätte Spike alles darum gegeben eine Entschuldigung von der Jägerin zu hören. Ein weiteres Zeichen für sie, wie weit sie bereits voneinander entfernt waren.

'Er will es nicht hören. Keine Entschuldigung, keine zweite Chance für mich, für uns.'

Er hatte gehofft sie würde noch irgendetwas sagen, aber Buffy schwieg und mittlerweile waren sie beim Hyperion angekommen.

"Du solltest wahrscheinlich lieber draußen bleiben." Sie ging auf die Eingangstüre zu.

"Buffy?"

"Ja." Sie drehte sich um und wartete.

Aber Spike verließ der Mut. "Nichts. Nur viel Glück."

Eigentlich hatte er ihr sagen wollen, dass er sie immer noch liebte, aber er glaubte eben nicht das sie es hören wollte. Genau das hatte er Dawn am Nachmittag zu sagen versucht. Er hatte die Hoffnung aufgegeben.

"Danke."

Er wusste, dass sie Glück eigentlich nicht brauchen würde, weil Dawn ja sicher im Hotel war. Aber es sah halt besser aus, als plötzlich gar nichts mehr zu sagen. Er drehte sich um und ging die Straße runter, in die Richtung aus der sie gekommen waren. Eigentlich hatte er einen kleinen Sieg errungen. Er hatte Buffy gegenübergestanden, er hatte mit ihr geredet und er lebte noch. Das war doch wenigstens etwas. Buffy betrachtete ihn noch eine Weile, wie er sich immer weiter vom Hotel entfernte. Sie bemerkte erst jetzt wie sehr er sich verändert hatte. Er trug die Haare länger, der Ansatz war nicht nachgefärbt und die Haare waren auch nicht wie sonst komplett nach hinten gegelt. Er trug zwar immer noch den schwarzen Ledermantel, aber darunter eine normale blaue Jeans und ein blaues Shirt.

Als er ihrem Blickwinkel entschwunden war drehte sie sich um und betrat das Hyperion.

In der Halle herrschte für ihre Augen ein heilloses Durcheinander. Wesley und Cordy saßen über einem Haufen aufgeschlagener Bücher mit Blöcken und Stiften bewaffnet, während Dawn ihnen dabei zusah, wie sie versuchten den Text der Rolle zu lesen. Willow, Xander, Anya und Angel standen an der Kaffeemaschine und tranken eine Tasse des heißen Gebräus. Connor stand hinter dem großen Tresen des Hotels und beschäftigte sich mit dem Computer. Die ganze Szenerie erinnerte sie stark daran, wie es früher immer mit Giles gewesen war. Sie vermisste ihn, gerade in solchen Situationen. Keiner hatte bis jetzt ihr Erscheinen bemerkt.

"Hallo Leute."

"Buffy. Gott sei dank bist du endlich da." Dawn stürmte auf ihre große Schwester zu.

Doch statt Dawn einfach zu umarmen hielt Buffy sie einige Zentimeter auf Abstand und schaute ihr tief in die Augen.

"Warum hast du mir einen solchen Schrecken eingejagt? Weißt du eigentlich welche Ängste ich um dich ausgestanden habe?"

Dawn senkte betreten den Kopf. Buffy hatte sich tatsächlich sehr besorgt angehört. Die anderen waren derweil auch näher herangekommen und Dawn fing an zu schluchzen.

"Es tut mir leid, aber ich wollte doch Spike..." weiter kam sie nicht.

"Nein Dawn. Ich glaube dir, dass es dir leid tut, aber ich will kein Wort mehr über Spike hören, verstehst du?" Mit diesen Worten wandte sie sich Angel zu.

"Und du. Warum hast du nicht angerufen und mir gesagt, dass sie hier ist?"

"Ähm Buffy." meldete sich jetzt Willow zu Wort. "Wir haben den Anruf einfach schon nicht mehr mitbekommen. Du warst schon weg und wir konnten nachher nur noch den Anrufbeantworter abhören."

Sie hatte wohlweislich nichts davon gesagt, von wem sie angerufen worden waren, doch jemand anders hielt sich nicht an die stumme Abmachung.

"Ja, Spike hat ungefähr 15-mal angerufen. Er hat gesagt das sie bei ihm wäre und das wir im Hyperion, also hier, nachfragen sollten."

Anya plapperte mal wieder fröhlich drauf los, während sie sich von Xander, Willow und auch von Dawn böse Blicke einfing. Angel verdrehte nur die Augen. Dieser ehemalige Rachedämon war echt die Krönung. Sie hatte einfach kein Gefühl dafür, wann etwas besser ungesagt blieb, aber nun da es einmal draußen war, vielleicht konnte man das Ganze ja noch etwas entschärfen, so dass es noch was Gutes an Spike ließ.

"Spike hat sie hier heute in aller Frühe bei uns abgeliefert und dann versucht dich zu erreichen, wie du bemerkt hast ohne Erfolg."

Buffy starrte Angel an.

"Du weißt also das er in L.A. ist?"

Angel nickte. Ihm fiel auf das sie nicht besonders überrascht schien und das ließ nur einen logischen Schluss zu. Sie war ihm bereits auf der Straße begegnet. Angel hoffte nur, dass er diese Begegnung überlebt hatte. Buffy fühlte sich auf einmal sehr alleine. Dawn war total auf Spike fixiert und Angel schien es auch so ohne weiteres zu akzeptieren, dass er sich hier aufhielt, und sich wieder mal um Dawn kümmerte. Wenigstens waren da noch ihre Freunde, die sich jetzt aber mehr oder minder aus dem Staub machten und sich von Cordy die Zimmer zeigen ließen. Auch Dawn ging bereit wieder die Treppen nach oben.

"Du bleibst doch die Nacht noch, oder?"

"Ja klar. Ich denke wir fahren morgen alle zusammen wieder zurück nach Sunnydale. Wie ich Anya kenne, will sie den Laden wahrscheinlich nicht allzu lange dicht machen."

"Willst du nicht wenigstens mal mit Spike sprechen?" versuchte Angel zu vermitteln.

"Danke, aber das habe ich eben schon getan. Wir sind uns draußen begegnet, als er ein Pärchen vor einem Räuber rettete. Könntest du mir bitte auch mein Zimmer zeigen. Ich denke ich bin auch recht müde."

Angel führte sie die Treppen hoch. Nachdem er nun zwar wusste, dass die beiden sich begegnet waren, kannte er aber immer noch nicht den Ausgang dieses Treffens. Hatten sie nun gekämpft oder nicht. In dem Zimmer angekommen ließ Angel sie alleine und sie legte sich sofort hin und fiel in einen traumlosen Schlaf.

Spike war die ganze Nacht auf Streife gewesen und jetzt roch er den kommenden Morgen. Er hatte nicht bemerkt wie weit er sich auf der Jagd vom Hotel entfernt hatte und so blieb ihm jetzt nur noch die Möglichkeit das Hyperion über die Kanalisation zu erreichen. Müde und geschafft vom Kampf mit einigen Vampiren, hob er den nächst besten Deckel und verschwand nach unten.

"Ach verdammt. Das nächste Mal sollte ich daran denken eine Gasmaske mitzunehmen. Den Gestank hält ja kein Dämon aus." Leise grummelte er vor sich hin, während er dem Hotel immer näher kam.

Er musste sich nun leise im Hyperion einschleichen und konnte nur hoffen, dass Buffy und ihre Freunde entweder schon wieder weg waren oder noch schliefen. Es war ja noch sehr früh. Leise betrat er die Halle, die momentan völlig leer war. Er konnte Angel in seinem Büro arbeiten hören, also ging er zu ihm.

"Morgen Angel."

"Himmel Spike hast du mich erschreckt. Geht es dir gut?"

"Bis auf den Tritt den ich von der Jägerin bekommen habe, ja."

"Ihr habt euch also doch geschlagen."

"Och, nur so ein kleines bisschen." Dabei hielt er Daumen und Zeigefinger in die Höhe um anzuzeigen wie viel. "Ist sie noch hier, oder schon wieder abgereist?"

"Nein, sie sind alle noch hier, die ganze Gruppe. Du solltest leise sein, wenn du hoch gehst."

"Werd ich tun, werd ich tun."

Spike drehte sich um und ging leise die Treppen hinauf. In seinem Zimmer angekommen, nahm Spike erst mal eine warme Dusche um den Gestank der Kanalisation wieder abzuwaschen. Danach legte er sich ins Bett und schlief sofort ein.

Buffy wurde durch ein Geräusch wach, das sie stark an fließendes Wasser erinnerte. Sie schaute auf die Uhr nur um festzustellen, dass sie sowieso bald aufstehen müsste. Sicher war es einer ihrer Freunde, der sich bereit für die Abfahrt fertig machte. Schnell zog sie sich ein paar Sachen über und verließ ihr Zimmer. Aus der Hotelhalle drang ein Telefonklingeln zu ihr nach oben und kurze Zeit später ging Angel ran und meldete sich. Sie ging an den Räumen vorbei und suchte das Zimmer, in dem sich ihre Schwester befand. Dabei überkam sie ein eigenartiges Gefühl. Ähnlich dem Gefühl, welches sie hat, wenn ein Vampir in der Nähe ist, aber vertrauter. Angel befand sich aber unten in der Halle. Sie ging zu der Tür zurück, an er sie dieses Gefühl das erste Mal verspürt hatte. Leise öffnete sie die Türe einen Spalt. Im Zimmer war es stockduster und es roch ein bisschen nach Kanalisation, aber auch nach Duschgel und Shampoo. Sie betrat das Zimmer. Die Luft war warm und feucht.

'Dann hab ich mir das mit dem Duschen wohl doch nicht eingebildet.'

Dort auf dem Stuhl lagen ein paar Klamotten, von denen ganz eindeutig der Geruch der Kanalisation ausging.

'Bäh.' Sie schüttelte sich.

Doch dann fiel ihr der lange, schwarze Ledermantel auf: Spike. Sie schaute zu dem Bett hinüber, und dort lag er. Er schien gerade erst eingeschlafen zu sein. Buffy trat vorsichtig näher ans Bett heran. Sie wunderte sich darüber ihn hier bei Angel vorzufinden. Ihr war nur zu gut bekannt das die beiden sich von Anfang an nicht leiden konnten. Wenn sie jetzt in einem Hotel wohnten, musste da noch mehr dahinter stecken. Genau in dem Moment begannen Spikes Träume. Es waren immer die gleichen. Alpträume in denen seine Opfer auftauchten, ihn verfolgten, ihn anschrieen, ihn immer wieder daran erinnerten, welche Grausamkeiten er begangen hatte.

Er wälzte sich im Schlaf hin und her und rief immer wieder leise auf: "Nein, bitte nicht, nein."

Buffy wurde es ganz mulmig zumute. So hatte sie ihn noch nie erlebt. Es hatte fast den Anschein als ob er leiden würde und das stimmte sie traurig. Sie wollte ihn trösten, für ihn da sein und deshalb setzte sie sich auf die Bettkante und legte beruhigend eine Hand auf seine Stirn und streichelte über sein noch feuchtes Haar.

"Shhhht. Ist ja alles gut. Keiner tut dir was, du bist hier sicher."

Und als wenn er sie gehört und verstanden hätte, beruhigte er sich wieder und schlief wieder tiefer ein. Nur seine Augen bewegten sich hinter den Lidern noch etwas. Buffy blieb eine ganze Weile ruhig neben ihm sitzen und beobachtete ihn.

'Wie lieb er aussieht, wenn er schläft.'

Buffy dachte über das nach was sie gestern Abend erlebt hatte. Spike hatte eindeutig jemandem geholfen und so wie es ausgesehen hatte, ohne etwas dafür zu verlangen. Klar, er war wütend geworden, als er sie gesehen hatte, aber ihr war es schließlich nicht anders ergangen.

'Ich muss es ihm dennoch gestehen, ich muss ihm sagen, wie sehr ich ihn liebe. Ich kann nicht einfach so aufgeben, ohne zu wissen, dass ich es nicht wenigstens versucht habe.'

Ihr wurde klar das es im Grunde genommen völlig egal war ob der Chip drinnen war oder nicht. Sie hatte zu Dawn gesagt, sie würde ihn nur mögen mit Chip, aber das stimmte einfach nicht. Er hatte gesagt, er hätte seitdem nicht wieder gebissen und sie glaubte ihm. Immer wieder fuhr sie mit ihrer Hand über seine Stirn und seine Haare und sein Gesicht nahm einen geradezu friedlichen Ausdruck an. Ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen, genau das Lächeln, welches Buffy so sehr an ihm liebte. Es war nicht das überhebliche Lächeln, sondern jenes das zeigte wie wohl er sich fühlte. Es hatte nur ganz seltene Momente gegeben, in denen sie es bei ihm gesehen hatte. Meistens dann wenn er sich unbeobachtet fühlte.

Dawn war wach geworden, weil jemand geschrieen hatte. Ganz leise konnte sie es hören. "Nein, bitte nicht, nein." Sie erkannte die Stimme sofort. Es war Spike. Er war also heute Morgen hierher zurückgekommen und nun machte Dawn sich sofort Sorgen. Sollte Buffy ihn hier entdecken, wüsste sie nicht was ihre Schwester tun würde. Vielleicht kämpften sie bereits gerade gegeneinander. Sie warf sich blitzschnell etwas über und rannte leise zu Spikes Zimmer. Es war wieder ruhig darin und sie konnte nicht sagen ob das nun gut oder weniger gut war. Sie öffnete leise die Türe und schob sie einen Spalt auf. Dort saß Buffy auf der Bettkante und hielt ihre Hand auf Spikes Stirn.

'Nun immerhin kämpfen sie nicht miteinander.'

"Buffy?" sprach sie ihre Schwester leise an.

Buffy reagierte sofort. Sie hob den Zeigefinger an ihre Lippen und bedeutete ihrer Schwester nach draußen zu gehen. Langsam und leise erhob sie sich und folgte Dawn vor die Türe. Leise schloss sie diese hinter sich und gemeinsam gingen sie in Dawns Zimmer.

"Buffy, ist alles in Ordnung?"

"Ich weiß nicht genau. Er hatte wohl einen Alptraum, oder so."

"Ich meine ob mit dir alles in Ordnung ist?"

"Ach, so. Nein, noch nicht. Erst wenn ich mit ihm über alles gesprochen habe. Ich hoffe er blockt mich nicht wieder ab wie gestern Abend, als ich versucht habe mich zu entschuldigen."

"Ihr habt gestern schon miteinander gesprochen? Du wolltest dich entschuldigen? Wofür? Ich dachte du wolltest ihn töten?"

"Ich weiß, das hab ich gesagt. Nachdem was ich gestern gesehen habe und was heute Morgen abgelaufen ist... nun wie soll ich es ausdrücken. Ich kann es einfach nicht." Sie sah Dawn in die Augen, sah ihren fragenden Blick. "Gestern waren wir fast so weit. Er hat mich provoziert und ich habe ihn zu Boden gerungen, ich hatte den Pflock in der Hand, aber ich konnte es nicht. Ich sah seine geschlossenen Augen und habe erkannt, dass er genau darauf wartete, die ganze Zeit. Du hattest Recht, und glaub mir das gebe ich nicht gerne zu. Irgendwie hat er sich geändert. Und soll ich dir noch was sagen, Dawn. Ich liebe ihn, egal ob mit diesem verdammten Chip oder ohne. Jetzt gilt es nur noch ihn davon zu überzeugen."

"Wow, Buffy. So kenn ich dich ja gar nicht!"

Buffy kannte sich selbst kaum wieder. Am liebsten hätte sie der ganzen Welt erzählt, wie sehr sie Spike liebte, den Vampir ohne Seele und ohne Chip. Aber erst mal musste sie ihn davon überzeugen und dann den Rest. Ihre Freunde würden auf jeden Fall heute wieder nach Hause fahren, aber sicherlich vorerst ohne sie.

"Dawn, ich möchte das du mit den anderen nach Hause fährst. Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich ihm nichts tun werde, ist das o.k."

"Na ja, ich wäre zwar lieber dabei, aber na gut. Ich muss ja schließlich auch zur Schule."

Dawn war begeistert von der Tatsache, dass Buffy versuchen würde mit Spike klarzukommen, allerdings weniger davon selber wieder nach Hause zu müssen. Sie wollte doch alles mitbekommen. Sie war unglaublich neugierig auf das Gesicht, was Spike machen würde, wenn Buffy mit diesem Geständnis kam. Buffy zweifelte zwar daran von Spike noch eine Chance zu bekommen, aber Dawn wusste es besser. Sie wusste, wie sehr er Buffy immer noch liebte und sie wusste was er auf sich genommen hatte, um ihr das zu beweisen. Aber sie war sich sicher, dass sie alles erzählt bekommen würde und Spike konnte so schön Geschichten erzählen.

Sie lachte leise in sich hinein. Ja, sie würde ganz brav nach Hause fahren und warten, und wehe Buffy kam nicht mit ihm zusammen zurück.

Fortsetzung folgt